Honk - Handbremse gezogen

  • Rückblicktag: 243 Tage. Befindlichkeit: Gut bis sehr gut, emotionale Belastbarkeit hoch bis sehr hoch, Wohlbefinden hoch bis sehr hoch, körperliche Fitness: hoch bis bis weiter höher.

    Das ich das in Überzeugung mal so schreibe, hätte mir vor 244 Tagen auch niemand vorhersagen können. Vor rund einem Jahr übrigens trat ich eine Vater-Kind Kur an, die im Endeffekt wegweisend für meine kommenden Schritte gewesen ist. Angemeldet hatte ich die Kur aus anderen Gründen, der Alkohol spielte nur in meinem Kopf eine Rolle, aber nicht auf dem Papier. Aber der Hintergrund für die Kur war mein eigenes Bedürfnis, dass ich mich mit mir auseinandersetzte, was ich in der Zeit auch intensiv getan habe.
    Fazit, nach den durchaus sehr prägenden drei Wochen war, dass ich eigentlich im Leben ziemlich gut aufgestellt bin, aber, da war noch diese Sache mit dem Alkohol, was meinem Leben und allen Dingen den fetten, grauen Schleier verlieh. Aber mit Alkohol oder ohne, eine Auszeit in Form einer Kur kann ich nur jedem wirklich raten. Das ist eine wertvolle Zeit!

    Aber, ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, was sind eigentlich wesentliche Merkmale meiner Veränderung nach dem Trinkstopp? Für mich war eigentlich im Rahmen der Auseinandersetzung klar, "einfach nur nicht mehr trinken" ist nicht mein Weg. Ich brauche grundlegendere Veränderungen, die fast ausschließlich in mir lagen.

    Und herausgekommen ist, dass ich mich erst unbewusst, dann bewusst von Menschen distanziert habe als auch meine Einstellung gegenüber Menschen verändert habe. Ich versuche mich aktiv von Menschen zu distanzieren, die mir nicht gut tun oder von denen ich keinen Mehrwert habe. Oder aber von Menschen, wo ich selber viel investiere (investiert habe), aber keinen Rückmeldung bekomme. Eigentlich war ich charakterlich immer so gestrikt, dass ich der aktive Part beim Aufrechterhalten von Freundschaften gewesen bin oder mich teilweise auch über Gebühren engagiert habe. Meistens aber habe ich nie das positive Feedback bekommen, was ich erwartet habe oder mein Engagement ist selbstverständlich angenommen worden.

    Und das ist jetzt vorbei, was zum Resultat hat, das viele Bekanntschaften, als auch Freundschaften eingeschlafen sind. Auf der einen Seite schade, auf der anderen Seite frisst es keine einseitige Energie mehr und macht meinen Kopf frei.

    Ein weiterer Baustein ist, dass ich mir eine Teflonhaut zugelegt habe. Ich habe mittlerweile gelernt bzw. bin noch im Prozess, Konflikte nicht mehr persönlich zu nehmen, emotionale Abstände zu wahren. Dinge, an denen ich mich stets aufgerieben habe, ruhen zu lassen und nicht mehr mitzunehmen.
    Dementsprechend habe ich viel mehr emotionale Zeit für mich und mein persönliches Wohlbefinden, weil ich mich nicht mehr mit negativen Gedanken und Emotionen auseinandersetzen muss.

    Dann investiere ich viel Zeit in Selbstachtsamkeit. Ich habe an anderer Stelle schon oft erwähnt, Sport, Ernährung, Schlafhygiene, Supplemente die mir sehr gut tun.

    Und das Resultat dieser ganzen Veränderungen ist ein sehr ausgewogenes Gleichgewicht mit mir selber und einhergehend auch viel gute Laune.

    Viele beschriebenen Dinge klingen vielleicht egoistisch, aber war das Trinken die Jahre vorher nicht viel egoistischer? Und vor allem viel selbstzerstörischer? Insofern, wenn ich jetzt als Egoist dastehe oder vielleicht auch als Einzelgänger, dann ist das so, so lange es mir damit gut geht,

    Und ich denke, wir sind ja noch im Anfang des ganzen Prozesses, es werden sich noch die einen oder anderen positiven Wendungen finden lassen.

    So long!

  • Nachtrag zum obrigen Text:

    Nach dem Abschicken des Textes bin ich spontan mit einem Freund aufs Fahrrad und wir haben diesen schönen Herbsttag genossen und uns wunderbare Wege als auch einen guten Haufen Kilometer und die Reifen gelegt. Auf dem Rückweg dann traf ich durch Zufall einen, na ja, Freund? Aber sagen wir auf jeden Fall guten Bekannten, den ich seit Trinkstopp 1 oder 2 Mal gesehen hatte.
    Ein kleiner Klönschnack am Glascontainer mit dem Austausch der allgemeinen Befindlichkeiten, ein bisschen Small-Talk und mein Blick ging wie magnetisch gezogen in seine Tasche mit Flaschen, die er gerade wegwarf. Und außer zwei, drei Gurkengläser waren doch nur alkoholische Getränke vorhanden.
    Und zwar die typischen "Speckgürtel-Flaschen". Der "gute Whiskey", der "gute Grappe", der "gute Wein", das "exotische Bier".

    Ich will der Person in keiner Weise etwas unterstellen, aber die zwei oder drei Zusammentreffen nach meinen Trinkstopp haben gezeigt, nur weil es "der gute Whiskey" ist, ist das Trinkverhalten nicht gleichzeitig unproblematisch. Für meine Begriffe ist die Person, die eigentlich auch ein sehr guter Mensch ist, eigentlich ein Kandidat für die Reissleine. Sein Gesundheitszustand als auch die optische, körperliche Verfassung sind im Auge des "Wissenden", wie ich mich bezeichne, starke Signale.

    Aber ich halte still, wie oben gesagt, kümmere ich mich um mich.

    So und jetzt leg ich die müden Beine hoch :)

  • An dieser Stelle wollte ich einmal kurz quasi eine "Schreib-Abstinenz" ankündigen. Das liegt grundlegend daran, dass ich die nächsten Wochen ein größeres, öffentliches Projekt vor der Brust habe in dem ich mich enagieren werde bzw. dieses auch schon tue.
    Und neben Beruf, Privatleben und dem Engagement etc. bleibt einfach nicht soviel Zeit um hier in Themen tief einzusteigen. Ich werde zwar, wenn es passt, hier und da meinen Senf dazugeben, aber Raum für die Beteiligung an größeren Themen hab ich gerade leider nicht.

    Wenn es an der spezifischen Alk-Front ein Thema gibt, werd ich natürlich weiter hier "bloggen".

    Bis später!

  • Dann wünsche ich dir für das Projekt erstmal frohes Schaffen und viel Erfolg. 🍀

    Hoffentlich lesen wir dich hier bald wieder.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich wollte kurz ein Erlebnis von gestern erzählen, ich bestelle mir regelmäßig Getränke auf die Arbeit um dort nicht aus dem Hahn trinken zu müssen: Das will nämlich niemand.

    Und da kam der Bote vorbei, wir tauschten Kisten aus und eine Kollegin kam vorbei und meinte, als sie meinen kleinen Wagen mit dem Wasser und der Limo sah: "Du hast das Bier vergessen". und ich antwortete darauf: Ne, ich trinke keinen Alkohol.
    Was an der Antwort so besonderes gewesen ist, war die Normalität mit dem ich den Satz ausgesprochen hatte. Das ist mir erst hinterher aufgefallen, wie normal die Konversation gewesen ist. Für mich ganz normal und selbstverständlich.

    Normalerweise fühlte ich mich in solchen Situationen immer irgendwie innerlich unter Druck gesetzt, vielleicht auch ertappt, möglicherweise auch bereit in eine Rechtfertigung zu gehen, so, wie man sich oft irgendwie gerechtfertigt hatte oder der Meinung war, sich erklären zu müssen.

    Aber gestern kam der Satz von ganz alleine, aus mir selber heraus, ohne irgendwelche Nebengedanken. Der Satz und die Antwort gehörte einfach zu mir. Punkt.

    Und ich finde, ich fand das sehr schön, das ist für mich ein deutliches Zeichen auf dem Weg zu sein in ein Leben, wo die Abstinenz so etabliert, ohne betont werden zu müssen wo auch die Vergangenheit die Worte nicht mehr beeinflusst.

    Während ich so gerade auf der Couch sitze, kommt auch gerade der Gedanke zurück, vor nahezu exakt einem Jahr hatte ich meinen Koffer gepackt und bin meine dreiwöchige Auszeit angetreten, die im Endeffekt quasi die Initalzündung für das jetzt gewesen ist. Ich weiß noch, als ich dort in der Kurklinik am ersten Abend saß, in einem Raum der Stille, vor mir eine Tafel, die einlud, das Ziel für die kommenden Tage drauf zuschreiben.

    Und ich schrieb nur: "Gedanken tanken". Ich stand am ersten Tag am Strand, guckte auf der Wasser, atmete die Luft und sagte mir nur, "aus der Zeit machst Du was, Du gehst nicht mit leeren Händen hier weg. Hier entscheidet sich es."

    In der Rückschau betrachtet, habe ich wirklich alles umgesetzt, was nötig gewesen ist und vor allem noch mehr, soweit ich mich selber beurteilen kann, hab ich wirklich eine 180 Grad Drehung hingelegt und bin ganz neue Wege gegangen. Die Abstinenz hat noch einen Moment gedauert, aber die Basis dafür war fundamental gelegt, der Exit vorbereitet.

    Ich bin ernsthaft tief, tief dankbar dafür :)

  • 258 Tage, 3096 Euro!! 439323 Kcal

    Boah diese Zahlen....also langsam wird mir ja wirklich übel wenn ich sehe wieviel Geld man durch die Trinkerei aus dem Fenster geworfen hat. Und die Summe ist auch noch sehr konservativ angesetzt. Realistisch weiss ich, die "Trinknebenkosten" dazu gerechnet, ein Tausender mehr ist locker drinnen. Schon bitter.

    Auf der anderen Seite, man muss Dinge ja positiv sehen, durch das Nichtmehrtrinken steht auf jeden Fall ein dicker Brocken der Finanzierung einer neuen Küche nächstes Jahr als auch der Traum in 2-3 Jahren mit den Kindern 5 Wochen nach Kanada zu fliegen ist rein von den Zahlen her easy finanziert.

    Wie geht´s sonst so? Alles gut darf ich berichten, so darf es auch weiter sein. Die Zahl oben ist ja nicht nur der Counter für meine Abstinenz sondern auch meiner sportlichen Bodytransformation. Und dort hat die Geschwindigkeit der Erfolge in Zahlen zwar deutlich abgenommen, aber das Training macht sich langsam sehr bemerkbar. Nicht nur dass ich endlich die Schallgrenze von 20% Körperfett unterschritten haben - von 33% gestartet, endlich 19,8%. 15% hätte ich gerne. Körperlich ist es langsam sehr deutlich zu sehen was sich dort unter dem Fett aufgebaut hat und meine Kondition ist massiv krass angestiegen.
    Am Donnerstag habe ich an einem Kampfsporttraining teilgenommen und Boxen ist erfahrungsgemäß so einer mit der intensivsten Sportarten welches voll auf die Kondition geht. Nach einer Stunde Training war ich gerade auf Betriebstemperatur während die anderen hechelnd am Boden lagen.

    Ansonsten war die Herbst- und Winterzeit gerade in den langen, grauen Abschnitten eine echte, mentale Herausforderung für mich. Im Duden steht hinter Winterblues eigentlich mein Name, aber dieses Jahr fühlt sich das anders an.

    Was ich allerdings beobachten kann und das ist spannend: Ich entwickel auf einmal einen Japs nach Süßigkeiten. Über Jahre hinweg hat man ein Kreuz im Kalender gemacht wenn ich mal etwas Süßes gegessen habe...Kuchen, Eis, Schokolade etc. war mir alles egal. Das ist jetzt anders und ich merke, wenn ich nachgegeben habe, ein kleines Stück reicht dann nicht mehr, ich muss mich aktiv zusammen reißen.

    Merke also: Da kommt von hinten die andere Droge angeschlichen. Die Synapsen lechzen nach billigen Endorphinen.....

  • Die Synapsen lechzen nach billigen Endorphinen.....

    Ich sehe eher eine andere Erklärung im Vordergrund. Der Körper verstoffwechselt den Alkohol nun mal in Zucker. Und an den Zucker ist er gewöhnt und verlangt danach. Damit ich nicht gleich 'ne ganze Tafel Vollmilch Schoko rein schiebe, bin ich auf Zartbitter umgestiegen. bei der kann ich mich mit einem Riegel so 2-3x wöchentlich, bescheiden, kontrollierter Konsum halt, der mir mit Alk nicht möglich ist.

  • Ich sehe eher eine andere Erklärung im Vordergrund. Der Körper verstoffwechselt den Alkohol nun mal in Zucker. Und an den Zucker ist er gewöhnt und verlangt danach. Damit ich nicht gleich 'ne ganze Tafel Vollmilch Schoko rein schiebe, bin ich auf Zartbitter umgestiegen. bei der kann ich mich mit einem Riegel so 2-3x wöchentlich, bescheiden, kontrollierter Konsum halt, der mir mit Alk nicht möglich ist.

    Meinste das kommt noch nachtäglich dazu? Der Jieper hat sich ja jetzt erst angeschlichen, über ein halbes Jahr später. Aber kann sein.
    Zartbitter funktioniert nicht, bzw. die 81% nasch ich auch so komplett weg, ich mochte die schon als Kind.

    Aber wobei, ich nutze als Ergänzung Proteinpulver beim Sport, die sind leider relativ süß, wenn auch mit Zuckeraustauschstoffen, aber egal, ggf. hängt das damit zusammen. Dann muss ich auf reines Proteinpulver wechseln, das schmeckt allerdings wie Kalk......irgendwas ist immer ^^

  • Hallo Honk.

    So wie ich bei dir gelesen habe, machst du viel Sport, dazu kommt deine Abstinenz vom Alkohol. Der Körper verlangt nach Zucker ,weil er ihn (durch Alkohol) nicht mehr bekommt. Durch sportliche Betätigung verlangt der Körper auch nach Zucker, wenn womöglich wenig Kohlenhydrate gegessen wurden. Ich hatte sehr lang Lust auf Süßigkeiten,nachdem ich mit dem Alkohol aufhörte aber das pendelte sich irgendwann ein. So hab ich Abends anstatt Rotwein eine Zeitlang Bitterschokolade gegessen.

    LG Oran-Gina

  • 265 Tage, 3180 Euro, 451242

    Hallo Honk.

    So wie ich bei dir gelesen habe, machst du viel Sport, dazu kommt deine Abstinenz vom Alkohol. Der Körper verlangt nach Zucker ,weil er ihn (durch Alkohol) nicht mehr bekommt. Durch sportliche Betätigung verlangt der Körper auch nach Zucker, wenn womöglich wenig Kohlenhydrate gegessen wurden. Ich hatte sehr lang Lust auf Süßigkeiten,nachdem ich mit dem Alkohol aufhörte aber das pendelte sich irgendwann ein. So hab ich Abends anstatt Rotwein eine Zeitlang Bitterschokolade gegessen.

    LG Oran-Gina

    Zum Glück hatte ich nie die Verknüpfung Rotwein - Schokolade, ich glaube das würde mich echt hart triggern. Denn ich habe mittlerweile zur 81% Zartbitter zurückgefunden. Als Kind habe ich die schon gerne gegessen, dann wirklich lange Jahre nicht mehr, na ja und nun mag ich gerne mal dran knabbern.
    Ich erlaube mir jetzt hier und da auch einen "süßen Ausflug", obwohl ich eigentlich weiß, wie sch...... Zucker eigentlich ist. Viel zu unterschätzt das Zeug und erst Recht überall verfügbar. Zucker, Süßstoffe verschiedenster Art, man kann dem Zeug eigentlich überhaupt nicht ausweichen. Aber apropos ausweichen, diese Einträge sind ja auch speziell Rückblicke in mein alkoholisches Verhalten und da muss ich sagen, Gedanken an den Alk spielen wenig bis überhaupt keine Rolle mehr in meiner Gedankenwelt. Es gibt auch so direkte Momente, dann kommt kurz der bewusste Gedanken "dich müsste das eigentlich triggern"....tut es aber nicht.
    Letzte Woche habe ich meinem Bruder beim Hockey ein Bier mit an den Platz gebracht und ich dachte so in mir....."oh das muss dich jetzt doch triggern".....ob ich nun Wasser oder nen Bier durch die Gegend trage....eine Bratwurst oder Pommes würde mich zum abbeissen mehr herausfordern.

    Ich kenne dieses Gefühl und diese Selbstverständlichkeit auch vom Rauchen, irgendwann ist dann mit dem Gefühl des "Drucks" auch genug. Das war damals genau so, man wartet auf den Schmacht, aber er kommt nicht mehr. Und das ist auch ein komisches Gefühl, wenn eine monatliche Erwartung oder Begleitung, auch in negativer Art, auf einmal nicht mehr da ist. Aber es ist ein komisches, gleichzeitig sehr gutes Gefühl.

    Ich persönlich in der Kenntnis meiner Selbst bin mir jetzt sehr sicher, sowohl beim Rauchen als auch beim trinken von Alkohol:

    Wenn ich wieder zur Kippe oder zum Glas greifen sollte, dann ist das meine persönliche, aktive und bewusste Entscheidung. Keine Sucht, keine Krankheit, keine Ausrede das man in irgendeiner Weise fremdbestimmt gewesen ist. Man ist selber vollumfänglich verantwortlich für sein Handeln, sonst niemand. Punkt.

    Für mich hat sich nun vollends der Gedanke oder auch das "Anraten der Akzeptanz" einer lebenslangen Krankheit oder Sucht erledigt. Und der Gedanke, sich wirklich aktiv für etwas entschieden zu haben, hat mich, motiviert mich persönlich bei weitem mehr, als die Annahme einer vermeidlichen Krankheit.

    Interessanterweise, nachdem ich so diesen Gedanken für mich gefasst und verabschiedet habe, spülte mir der Zufall mehrere Menschen in den Weg, die sich ebenfalls aktiv dafür entschieden hatten, keinen Alkohol mehr zu trinken. Jetzt nicht direkt in meinem Umfeld - leider - aber im Bereich der Persönlichkeiten, denen ich z.B. in der Podcastwelt folge. Und interessanterweise alles Männer im "Best Ager" Bereich. Also Männer ab 40 Jahre. Irgendwie hab ich so das Gefühl, viele "Kollegen" wollen es nochmal wissen oder stellen, so wie ich auch, fest, das Leben ist endlich und man ist nicht unzerstörbar. Bzw, wenn man jetzt das Ruder herumreisst oder "die Handbremse zieht" hat man noch die Chance auf ein paar sehr gute Jahr, vielleicht auch auf den Georg Clooney Effekt.
    Hab ich übrigens erwähnt, dass ich ernsthaft darüber nachdenke mir ein Tattoo stechen zu lassen und gestern kurz den Gedanken hatte, meine Haare grau zu färben? "Schweini" sah gestern aber auch gut aus bei Wetten Dass :)

    Nun ja, jetzt ist erstmal Frühstück und dann geht es mit der Tochter auf die Eisbahn. Und danach ist "Leg Day...." aua....

    Cu!

  • Zum Neuen Jahr wollte ich doch noch ein paar Grüße hier lassen. Schon ein bisschen traurig hier den Laden so leer liegen zu sehen. Aber nun ja.

    Dennoch, an alle hier ab und zu noch lesenden Menschen wünsche ich ein Frohes Neues Jahr. Mir geht´s soweit sehr gut, der Alkohol spielt eigentlich keine Rolle mehr und es hat sich wohltuende Normalität eingestellt als auch scheine ich nun ein Arrangement mit dem Stoff gefunden haben. Gerade über die Feiertage kann man sich in Gesellschaft dem Alkohol kaum entziehen, das möchte ich auch nicht.

    Es wird an anderen Stellen empfohlen, alkoholische Umgebungen, Veranstaltungen, Treffen etc. zu meiden, ich für mich habe jetzt über die Monate festgestellt, solche Veranstaltungen meiden mich.

    Weiterhin lustig ist der Umgang mit mir, ich war zwischen den Tagen auf einem privaten Weihnachtstreffen und dem Gastgeber ist bekannt das ich nichts mehr trinke. Die Gründe habe ich nicht bekannt gegeben. Aber ich werde schon ulkig behandelt. Wenn man ganz vorsichtig von jemanden mit Bierfahne und Glühwein in der Hand gefragt wird "ob ein alkoholfreies Bier okay für mich wäre...."....

    Als Feststellung muss ich sagen, die trinkenden Leute haben mehr Probleme mit meiner Abstinenz als ich selber :) Das zeigt im Umkehrschluss aber den Stellenwert von Alkohol, wenn auch im kleinen Raum.

    Sehr viel Freude hat mir mein privater Neujahrslauf gemacht. Morgens um 9 Uhr, endlich eine kurze Regenpause hier im Hochwassergebiet, habe ich meine Schuhe geschnürrt und bin durch fast menschenleere Straßen gelaufen und habe das so ein bisschen für mich gefeiert. Auch aus dem Aspekt heraus, das ist mein erstes, nüchternes Silvester nach über 30 Jahren. Das finde ich persönlich schon ziemlich krass.

    Nun ja, auf geht´s ins Neue Jahr, ich bin da ganz zuversichtlich und wünsche Euch allen einen verspäteten, guten Start!

  • Ich wollte einmal eine Beobachtung von gestern teilen:

    Der Januar ist ja mittlerweile bekannt als der sogenannte "Dry January", der Monat, in den nach wilden Ausschweifungen an und in den Feiertagen im Dezember im Januar alkohol gefastet wird.Übrigens wird dieser wilde Trend in den sozialen Medien begeistert aufgenommen, wie wichtig diese Zeit doch für den Körper ist und vor allem für die eigene Reflektion um für sich festzustellen, ob man zuviel trinkt oder nicht.

    Ich habe mir diesen Monat ab und zu natürlich diverse Aussagen anhören müssen, vor allem die, "das ich ja wirklich Recht habe"..."ohne Alkohol schläft man echt viel besser und man ist ausgeruhter und man würde sogar abnehmen und sülz und seier...." ja schön, freut mich für dich, wirklich.

    Nun bin ich gestern beim Hockey, ein guter Freund steht dort einsam und alleine, noch nicht einmal ein Getränk in der Hand. Die Betonung liegt natürlich auf den Dry January. Drittelpause, er stiefelt los, hat ausnahmsweise ein VIP Bändchen am Handgelenk um sich eine Cola zu holen. Und womit kommt er wieder? Richtig, natürlich ein Bier. Kommentar "ach, fuck, hat sich der Dry January erledigt, auch egal....". Am Ende des Spiels war er rotzevoll.

    Was mich dabei, nicht überrascht, sondern erinnert hat, war die Schlagzahl, in der der Mann die Getränke in sich reingeschüttet hat, um den Pegel zu erreichen. In der ersten Drittelpause, beim ersten Gang, hat er sich schon verändert, von einem nüchtern Menschen in einen latent lallende Person zu, in der zweiten drittel Pause, mit Gleichgewichtsstörungen, dicker Fahne und ordentlich schwerer Zunge. Da ich die Person kenne, kann ich abschätzen, wieviel der in kürzester Zeit getrunken haben muss, um den Pegel zu erreichen.

    So blöde das klingt, mir sind solche Erlebnisse und Beobachtungen wichtig. Das liegt vielleicht an meiner Konfrontationsabstinenz, dass mir gestern nach langer Zeit wieder vor Augen geführt wurde, wie schnell gute Vorsätze über Bord geworfen werden und wie erschreckend schnell der komplette Kontrollverlust einsetzt. Und, wie Menschen sich unter Alkoholeinfluss verändern. Aus einem Menschen, mit dem ich mich gerne und gut unterhalten habe, ist ein Mensch geworden, der mir unangenehm wurde, in kürzester Zeit. Mir war die Nähe zu der Person aufgrund des veränderten Verhaltens und auch des Geruchs schlichtweg unangenehm bis, sagen wir wie es ist, ekelhaft.

    Und dieses Erlebnis gestern zeigt mir wieder extrem deutlich, wie wichtig mir die Nüchternheit ist als aber auch, wie sehr ich die Nüchternheit mittlerweile liebe und schätze. Wie sehr ich es mag, klar zu sein, mir selber bewusst zu sein, jederzeit handlungsfähig zu sein, fokussiert und rational. Herr über mich selber zu sein und mich nicht fallen lasse in einen Rausch, in eine Verhaltensweise, die mich kontrolliert und steuert.

    Und das hier und jetzt sind so die Momente die ich sehr genieße: Ich schreibe diese Zeilen runter, trinke einen Kaffee, gucke raus und sehe die Sonne aufgehen, freue mich über meinen wachsen Geist und darauf, dass ich mich um 10 Uhr auf mein Fahrrad setze und bis zum Sonnenuntergang eine riesige Radtour bei bestem Wetter machen werde.

    Nüchtern und klar ist wirklich geil! Aber man muss es wohl erst zu schätzen lernen.

  • So blöde das klingt, mir sind solche Erlebnisse und Beobachtungen wichtig. Das liegt vielleicht an meiner Konfrontationsabstinenz, dass mir gestern nach langer Zeit wieder vor Augen geführt wurde, wie schnell gute Vorsätze über Bord geworfen werden und wie erschreckend schnell der komplette Kontrollverlust einsetzt. Und, wie Menschen sich unter Alkoholeinfluss verändern. Aus einem Menschen, mit dem ich mich gerne und gut unterhalten habe, ist ein Mensch geworden, der mir unangenehm wurde, in kürzester Zeit. Mir war die Nähe zu der Person aufgrund des veränderten Verhaltens und auch des Geruchs schlichtweg unangenehm bis, sagen wir wie es ist, ekelhaft.

    Also ich find überhaupt nicht, dass das „blöde“ klingt. Und selbst wenn jemand anderes das „blöd klingend“ finden sollte, ist das meines Erachtens völlig irrelevant, weil diese Erlebnisse DIR auf deinem Weg etwas bedeuten und in gewisser Weise wichtig für dich sind.

    Im Grunde geht es mir und meinem Mann mitunter ja ähnlich wie dir. Bei solchen Begegnungen/ Erlebnissen wird uns einmal mehr bewusst, wie problematisch der Umgang mit Alkohol um uns herum mitunter ist. Es bestärkt uns noch einmal mehr, definitiv nicht mehr Teil davon sein zu wollen.

    Über diesen sogenannten Dry January haben mein Mann und ich die Tage auch gesprochen. Kollegen von ihm, deren problematischer Umgang mit Alkohol nicht zu übersehen und zu überhören ist - sie reden ja ständig davon und prahlen damit - , erzählen, dass sie einem Dry January machen und wie gut ihnen das tut. Nur ab und zu am Wochenende und bei den Feiern, die in diesem Monat hier und da anstehen (diverse Kohltouren z.B) würden sie eine Ausnahme machen. Mein Mann (und ich auch, wenn er von diesen Begebenheiten erzählt) kann darüber inzwischen nur noch den Kopf schütteln. Uns fehlt inzwischen der Zugang zu deren Sichtweise.

    Und dieses Erlebnis gestern zeigt mir wieder extrem deutlich, wie wichtig mir die Nüchternheit ist als aber auch, wie sehr ich die Nüchternheit mittlerweile liebe und schätze. Wie sehr ich es mag, klar zu sein, mir selber bewusst zu sein, jederzeit handlungsfähig zu sein, fokussiert und rational. Herr über mich selber zu sein und mich nicht fallen lasse in einen Rausch, in eine Verhaltensweise, die mich kontrolliert und steuert.

    Kann ich sowas von nachempfinden.
    Heute morgen fielen bei uns ähnliche Worte. Gestern war mein Mann mit seinen Kollegen auf Kohltour….

    Nüchtern und klar ist wirklich geil! Aber man muss es wohl erst zu schätzen lernen.

    Scheint wohl so.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich finde, der Dry January ist für viele (nicht alle), die vielleicht schon beginnen, ihr Trinkverhalten zu reflektieren, eine Beruhigung oder ein Test, nach dem Motto: "Seht her, ich kann doch noch ohne Alkohol, also alles gut".

    Ich habe mir das ja früher selber jahrelang eingeredet und mich damit beruhigt, dass ich Tage, Wochen, Monate ohne Alkohol kann. Mir war das zu früheren Zeiten auch wichtig, ein paar Tage auszusetzen, um dann wieder ein "frisches High" (vielleicht sogar so eine Art Endorphinausschüttung durch ein paar Tage leichten Entzug zu haben). Naja am Ende war es eher ein täglicher Kampf und wahnsinnig anstrengend. Ich habe mich zum Schluss auch eher aufgegeben und gesagt, trinkste halt täglich, es ist eben wie es ist.

    Mein "Glück" war vielleicht auch, dass ich die letzte Zeit nur noch im Dauertee/ Spiegel halten war, überhaupt kein High kam, ich immer depressiver und verzweifelter wurde und mich dieser Dauertee-Zustandszwang echt angkotzt hat.

    Selbst nach meiner mehrtägigen "Episode" oder eher Initialzündung im vergangenen Mai war trotz monatelangen "Aushaltens" nicht mehr dieses ersehnte Hochgefühl da, sondern eher der Gedanke: "So doll war das jetzt auch nicht, dafür hast du jetzt deine letzten Monate geopfert".

    Aber natürlich reicht dieser Gedanke nicht aus und ich habe gemerkt, wie unaufhaltsam diese unterbewusste Mechanerie sofort wieder zum Laufen kommt, sobald ein paar Tropfen "Benzin" ins System kommen, trotz das der Rausch nicht mehr so geil wie früher war.


    ...wie wichtig mir die Nüchternheit ist als aber auch, wie sehr ich die Nüchternheit mittlerweile liebe und schätze. Wie sehr ich es mag, klar zu sein, mir selber bewusst zu sein, jederzeit handlungsfähig zu sein, fokussiert und rational. Herr über mich selber zu sein und mich nicht fallen lasse in einen Rausch, in eine Verhaltensweise, die mich kontrolliert und steuert.

    Das fühle ich total nach. Und wenn diese Erkenntnis vom rationalen Verstandeswissen ins "Innere" gesickert ist, ist es total einfach, Ja zu einem Leben ohne Alk&Co. zu sagen und diese wiedergewonne Freiheit zu geniesen.

    Nüchtern und klar ist wirklich geil! Aber man muss es wohl erst zu schätzen lernen.

    So ist es :thumbup:

  • Es ist einmal wieder Zeit für ein kleines Update in diesem Fädchen und während ich mir gerade ganz vorbildlich eine TK-Pizza reinschiebe, dachte ich, ich gebe mal ein kurzes Update , u.a. auch von der "Transformations-Front". Bei Interesse poste ich ausführliches in meinem Fitnessthread.

    Und ich habe auch zum Glück nur Erfreuliches zu berichten: Trotz Feiertage, miesem Wetter und sonstiger Dinge, die ausführlichen Sport nicht zulassen, halte ich mein Gewicht quasi auf den Punkt. Mehr sogar noch, ich reduziere konstant Körperfett und baue dabei Muskulatur auf. Aktueller Stand meines Schätzeisens von Waage: 19% KFA. Und da der Trend langfristig zu sehen ist, glaube ich dieser Zahl. Endlich komme ich "ins Laufen" und das meine ich wörtlich, die von mir angepeilten 5 Kilometer Joggen bei mäßiger Herzfrequenz (GA2-Bereich) sind jetzt auch absolviert. Und zwar ohne das mir die Waden platzen oder die Achillessehne muckt. Die HF, die mir sonst durch die Decke ging, habe ich, wie gesagt, auch im Griff. Und das ist eine gute Basis jetzt nach und nach meine Kilometer auszudehen, 10 Kilometer am Stück, ohne danach umzufallen und vor allem ohne sich zu verletzen, sind mein nächstes Ziel. Das ist aber alles auch ein hartes Stück Arbeit, muss ich sagen, und langwierig. Aber Geduld zahlt sich aus, das Alter habe ich jetzt ja auch.

    Und eines Leute, ich habe ein ganz prägendes Foto auf meinem Handy, das ist jetzt fast genau 1 Jahr alt, wenn mir damals, vor 11 Monaten jemand gesagt hätte, wie extrem ich mich verändere, und zwar auf ganzer Linie, körperlich und mental: Ich hätte das nicht für voll genommen oder nur im Ansatz in Betracht gezogen.

    Ich schreib das hier nicht um mich selber zu beweihräuchern oder um Lob abzukassieren, nein. Ich will das nur ganz ausdrücklich sagen, ihr Menschen, die das hier ggf. gerade lesen und / oder mit sich hadern, oder (noch) nicht den Alk stehen lassen können oder massiven Suchtdruck habe, whatever.

    Ihr könnt das auch. Das geht. Das ist alles machbar und ihr habt eine echte Chance gerade so im Kreis zu grinsen wie ich das tue. Mit eurem Weg, den ihr geht. Aber ihr müsst ihn gehen und ihn leben.

    Was ist noch passiert im Honkversum: Einhergehend mit dem Selbstbewusstsein, was sich aufgebaut hat, ist auch voll die Midlifecrisis bei mir eingeschlagen. Während sich im Umfeld überall die Paare trennen und die Kinder keine zusammenlebenden Eltern mehr haben, gehe ich einen anderen Weg. Mein Kleiderschrank ist zwar komplett neu ausstaffiert und man könnte meinen, ich wäre jetzt ein Berufsjugendlicher mit brauner (neuer) Lederjacke und Chucks, gehe ich nun auch das Thema Job an: Bewerbungen sind geschrieben und nächste Woche Freitag hab ich das erste Bewerbungsgespräch. Und bei meiner Familie bleibe ich auch und die anscheinend auch bei mir.
    Mal sehen, was die Welt außerhalb des ö.D. zu bieten hat. Ich eliminiere seit meiner Abstinez ja kontinuierlich Faktoren, die mir die Laune verderben, der Job ist als nächstes dran. Oder aber ich kann in meinem Bereich deutlich meine Position verbessern, dann wäre das auch eine Entscheidung. Aber das wird sich zeigen.
    Erst einmal bin ich gespannt wie das Gespräch nächste Woche so läuft.

    Aber eines noch einmal zum nachdenken, vor ein paar Tagen habe ich mit einem ehemaligen Schulkameraden telefoniert, ich sehe den Typen auch sporadisch, der mir sein Leid klagte, er hätte so Probleme beim Abnehmen, aber er müsste es so dringend. Er hätte alles gemacht, sein Vater ist Arzt, sein Bruder ist Arzt, er war bei der Ernährungsberatung die im Pülverchen für den Stoffwechsel gegeben hat und er würde 2x die Woche Boxen gehen. Aber irgendwie purzeln die Kilos nicht.

    Nun weiß ich aber, der Kerl ist aus meiner "Hockeyblase" und natürlich kam das Thema Alkohol von meiner Seite aus zur Sprache. Jetzt gar nicht aus der Suchtproblematik, die ich dort ganz klar sehe, sondern rein aus der Ernährungsperspektive. Und siehe da, nur einmal pi x Daumen nachgerechnet, wieviel Kalorien so ein "Hockeywochenende" mit sich bringt und damit ist klar, warum sämtlich Versuche Gewicht abzubauen, nicht funktionieren können.
    Na ja, aber er will nicht auf das Feiern verzichten, man hat doch sonst nichts. Was soll man da weiter sagen, ich hab das Gespräch dann auch galant beendet und nur die kleine Aufgabe mitgegeben, er möge mal ehrlich so ein Wochenende notieren und nur alleine ganz ehrlich die Kalorien dabei raus rechnen. Als Matheprofi sollte das kein Problem sein......aber Hoffnungen mache ich mir bei dem Kerl nicht, der Alkohol ist zu stark. Und was im Dunkeln liegt an Konsum, ist auch nur zu erraten.

    Tja...egal, so ist.

    In diesem Sinne, munter bleiben!

  • Und eines Leute, ich habe ein ganz prägendes Foto auf meinem Handy, das ist jetzt fast genau 1 Jahr alt, wenn mir damals, vor 11 Monaten jemand gesagt hätte, wie extrem ich mich verändere, und zwar auf ganzer Linie, körperlich und mental:

    Kenne ich von mir. Ich habe den Perso tauschen müssen. Zwischen den Fotos lagen exakt 10 Jahre, auf dem neueren -nach 4 1/2 Jahren Abstinenz- bin ich zwar älter, aber deutlich frischer abgelichtet oder anders und salopp formuliert: Suffkopp contra "gesunder " Mensch ;). Ein Unterschied wir Tag und Nacht.

  • 348 Tage, 4176 Euro, 592575 Kcal

    Das Jahr rückt in die Nähe :) Und, ohne das Forum würde sich meine Gedanken kaum bis gar nicht mehr um den Alkohol drehen, die Abstinenz ist weiter Normalität und unbewusste Lebenseinstellung geworden. Und das ist schön.

    Außer gestern hat es mich zwei Mal beschäftigt: Einmal war ich ein wenig sprachlos, ein paar Kollegen sind ab Montag bis Mitte der Woche aus Haus unterwegs und "tagen quasi" mehr oder weniger in der Nähe meines Wohnortes. Und ich hatte den Gedanken geäußert, dort abends einmal anzubremsen und Hallo zu sagen. Die Kollegen mag ich ganz gerne.

    Aber da kam der Satz eines Kollegen der meinte: "....xyz freu sich schon darauf wenn Du vorbeikommst. Sie meinte, wenn Du da bist, können wir Dir ja ein bisschen Alkohol unterjubeln, damit Du mal was mittrinkst..."

    Da war ich doch für eine Sekunde baff und um eine Antwort verlegen. Ich hab dann gesagt ".....hat die was vor? Vor einem Jahr hätte XYZ das wohl nicht gesagt, ich scheine durch das Nichtmehrtrinken wohl hochattraktiv geworden zu sein...." und konnte mich so mit einem Lacher aus der Situation retten.
    Aber so ein bisschen Nachhall hat die Aussage für mich doch. Ich meine, ich gehe mit meiner Abstinenz im Grunde offensiv um, allerdings nicht unter der Aussage des Alkoholismuses / Abhängigkeit / Alkoholiker, sondern im Rahmen des Projektes "making the best of me" - und dort hat Alkohol einfach keinen Platz mehr in meinem Leben.
    Aber so eine Aussage, obwohl ich einfach davon ausgehe, dass sie spaßig gemeint ist, hinterlässt dann doch in mir ein bisschen das Bedürfnis, darauf noch einmal zu reagieren. Ich muss das für mich noch einmal sacken lassen. Vor 347 Tagen hätte ich das Angebot unmöglich ausgeschlagen, XYZ ist eine hochattraktive Frau und sich da ein wenig umgarnen zu lassen ist schon nett.....und ewig lockt das Weib ;)

    Aber ich denke schlussendlich werde ich mir den Besuch klemmen, sicher ist sicher. In allen Belangen.

    Ein anderer kurzer Gedanke war gestern nach einem Bewerbungsgespräch. Ich bin jetzt aktiv ins Handeln gekommen und schaue mich ein wenig auf dem Arbeitsmarkt um ob es möglicherweise berufliche Alternativen gibt und hatte gestern dazu ein Gespräch. Und das Adrenalin während des Gespräches und vor allem der Abfall des Pegels danach, hat mich dann doch deutlich getriggert, mich doch noch nach Beendigung zusätzlich noch durch eine Büchse Getränk zu entspannen. Der Gedanke war präsent.

    Aber ich hab dann meine Frau angerufen um ihr alles zu erzählen und konnte damit den Gedanken vollends wieder dahin schieben, wo er hingehört: In die Tonne.
    Durch die Situation ist dann natürlich auch die Aufgabe entstanden, wie man generell Resilienz entwickelt damit man nicht in irgendwelche alten Muster zurückfällt. Da muss ich noch einmal drauf rumkauen. Bzw. trainieren, das nächste Bewerbungsgespräch kommt bestimmt bald.

    Ach ja, ich hab direkt ein Jobangebot bekommen, aber die Bedingungen sind nicht so attraktiv, dass ich das aufgeben mag, was ich jetzt habe. Auch ein Learning.

    So long!

  • Hallo Honk,

    Danke für Deine tollen Berichte hier immer.

    Und, gratuliere zum gelungenen Bewerbungsgespräch! Was Du dann anschließend beschreibst kann ich gut verstehen und glaub Dir das auch sofort. Ich denke, so wie Du es tust, ein bewusster Umgang damit, und aufmerksam die Gedanken und Gefühle dieser Situation wahrnehmen und Reflektieren, ist ein guter Weg.

    Mein persönliches Erleben war, dass die Triggerpunkte, wenn sie denn mal auftauchten, beim nächsten Mal dann schon schwächer waren, und nach und nach dann gänzlich nachließen und bald verschwanden… oft reichte schon eben ein solches aufmerksames Betrachten.

    Es gibt aber in meinem Erleben auch Punkte die mitunter heute noch kurz aufblitzen. Bezüglich dem Alkoholkonsum eigentlich gar nicht mehr, aber was den Tabakrauch angeht schon.

    Anscheinend hat sich da was noch tiefer eingebrannt bei mir. Das was man wohl Suchtgedächtnis nennt. Denn seit etwa zwei Jahren gibt es in seltenen Augenblicken wieder Situationen, wenn ich z.B. an einer sonnigen Raucherbank vorbei Laufe, wo zwei drei Leute in der Frühlingssonne sitzen und qualmen. Und auf einmal überkommt mich kurz dieses, aus Suchtzeiten altbekannte, Gefühl: Hach, das wär doch jetzt was! Da auch einfach mal schön Eine mit zu rauchen! So ein guuutes Zigarettchen… Nicht falsch verstehen. Ich bin mehr als 1000% sicher dass ich das nicht mehr mache. Dass ich das hinter mir habe. Ich bin einfach nur froh nicht mehr rauchen zu müssen. Und doch ist er, nach so vielen Jahren, manchmal blitzartig da, dieser Impuls. Nur kurz, aber deutlich spürbar. Anfangs war ich da auch irritiert, und hatte kurz auch etwas bedenkenvolle Verunsicherung, da es sich auch recht kraftvoll anfühlte. Das aber nur kurz.

    Ich denke ins Suchtgedächtnis haben sich halt diese „schönen Situationen“ festgesetzt. Und bei mir ist dieses Aufblitzen auch mit bestimmten Gefühlen verbunden. Gefühle (physisch wahrnehmbar), Gedanken, und bestimmte Handlungsimpulse sind oft zusammengehörende Ebenen einer gleichen Sache. Gerade der Umgang mit Gefühlen ist mir auf dem Weg in die Nüchternheit und in meinem suchtfreien Leben sehr wichtig geworden. Ich habe das bewusst beobachtet, geübt, reflektiert und tue das immernoch. Es ist gut, diese Ebenen immer wieder miteinander abzugleichen.

    Daher kann ich aber, dieses Gefühl das da im Suchtgedächtnis manchmal noch so deutlich aufblitzt auch für mich richtig einordnen, und als das benennen was es, in diesem Sucht-GEDÄCHTNIS, eben ist: das schemenhafte Bild einer Erinnerung! Eine Momentaufnahme aus einer früheren Zeit. Die in diesem Moment vielleicht auch schön war. Aber sie gehört zu einem ganz anderen Menschen, nämlich zu dem der ich vor fünfzehn, zwanzig Jahren war. Heute stelle ich mich, innerlich lächelnd, vielleicht mit einem Apfel, mit dazu in die Frühlingssonne. Genieße in tiefen, gesunden Atemzügen die frische Luft, und bin in diesem Moment mit mir selbst mehr als zufrieden.

    Ich denke, Honk, die Arbeit mit inneren Bildern und Gefühlen kann uns ein wichtiger und hilfreicher Begleiter sein. Manchmal sogar auch Wegweiser.

    Schließen möchte ich hier aber mit einem Zitat von Heinz Erhardt, der mal sagte:

    „Sie dürfen nicht alles glauben was Sie denken!“

    Gute Grüße und bis dann!

    - Mojo -

  • Das Jahr rückt in die Nähe :) Und, ohne das Forum würde sich meine Gedanken kaum bis gar nicht mehr um den Alkohol drehen, die Abstinenz ist weiter Normalität und unbewusste Lebenseinstellung geworden. Und das ist schön.

    Auch, wenn es vielleicht keiner hören will: Nach meiner ersten Therapie war ich fast 2 Jahre trocken und habe mich NULL mit dem Thema beschäftigt. Der Alkohol war aus meinen Gedanken verbannt, Abstinenz war normal geworden.

    Aber, wie ich HEUTE weiß, dadurch hatte ich auch keinen Plan "Was passiert, wenn ..." Und dann kam ein Schicksalsschlag, der mich umgehauen hat - und ich hatte keinen Rückzugsort, niemanden, mit dem ich reden konnte, keinen Plan B, KEINE AHNUNG, WAS ICH TUN SOLLTE.

    Mein Rückfall hat mich 4 Jahre gekostet. 4 Jahre, in denen ich immer tiefer rutschte und es für mich immer schwerer wurde, aus diesem Loch zu kommen. Mit Suizidgedanken und allem Drum und Dran. Und es hat mich eine Menge Tränen und große Mühen gekostet, da wieder raus zu kommen.

    Und in den Jahren danach, in meinen Jahren in der Suchtselbsthilfe, in den vielen Gesprächen mit anderen Betroffenen habe ich immer wieder dasselbe gehört:

    Wenn sie denn schonmal wie ich einige Zeit trocken waren und sich NICHT mit dem Thema beschäftigt haben - sind sie ALLE wieder auf die Fresse gefallen. Und nachdem sie, wie ich, ihre Abhängigkeit akzeptiert haben (man muss sie ja nicht nach außen propagieren) und sich mit dem Thema beschäftigten, viel ihnen der Ausstieg auf einmal leicht(er).

    Und DAS ist es, was ich eigentlich vermitteln will: AKZEPTIERT es für Euch selbst und verbannt das Thema nicht aus Euren Köpfen! Es muss ja nicht ein 24/7-Studiengang werden, aber schon das Auseinandersetzen hier im Forum bedeutet, am Ball zu bleiben, es nicht zu verdrängen. Und man entwickelt Alternativen für den Fall, dass ... man in eine doofe Situation kommt, doofe Gedanken aufkommen oder, oder, oder ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Es hat sich für mich in letzter Zeit herauskristallisiert, dass es darauf ankommt, die Bereitschaft zu haben den Blick mit absoluter und schonungsloser Ehrlichkeit nach innen zu richten und mal nachzuhorchen, wie es um mich und die Sucht bestellt ist. Der Alltag kann wahnsinnig viel Raum einnehmen, man läuft dann einfach immer weiter in diesem Alltagsfilm und kriegt bisweilen wesentliche Dinge, die in einem arbeiten, nicht mit. 10 Minuten am Tag für ein kurzes Einhalten und in sich reinschauen, sollten drin sein, um nem Rückfall vorzubeugen. Klingt vielleicht was profan, aber durch dieses stetige Nachdenken und Reinfühlen bleibe ich im Kontakt mit mir und kriege es somit auch mit, wenn ich mal was der Balance gerate. Da greife ich dann schon ein und justiere nach.

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