Guten Morgen, Margret,
das kann ich gut nachvollziehen, was du über dich schreibst. Die Null-Toleranz-Politik deiner Reha ist völlig verständlich und hat durchaus auch ihre Gründe, aber manchmal ist das für einen Abhängigen eben nicht so leicht, dass er diesen Ansprüchen so genügen kann.
Was vielleicht hilfreich für dich sein könnte, ist, dich bei dir vor Ort nach weiteren, anderen Möglichkeiten zur Unterstützung umzuschauen. Vielleicht wissen die Berater in der Suchtberatung bei dir vor Ort mehr, vielleicht kannst du auch in Selbsthilfegruppen vor Ort das finden, was du brauchst. Das bedeutet nicht, dass du dich nicht auch hier austauschen kannst, sondern das könnte eine zusätzliche Unterstützung sein, insbesondere in Zeiten, in denen du persönliche Ansprechpartner vor Ort brauchen könntest.
Sobald ich ein Glas trinke, schreit der Suchtdruck mich an: mehr mehr!!! Also geht es nur abstinent.
Genau solche Erfahrungen haben bei MIR zu der Erkenntnis und dem Bewusstsein geführt, dass sogenanntes „Kontrolliertes Trinken“ für mich keine Option mehr ist. Ich hätte es noch weiter versuchen können, aber mir war aufgrund entsprechender mehrfacher Erfahrungen bewusst geworden, dass das ein Kraftakt ist, den ich auf Dauer nicht bewältigen kann, bei dem ich eigentlich auf verlorenem Posten stehe. Der Durst kam auch bei mir beim Trinken.
Als ich mir durch den Austausch hier - ich geriet zu meinem Glück an die für mich passenden Ansprechpartner - begriff, wo ich bereits stand und wohin es erwartungsgemäß mit mir noch kommen würde, war mir klar, dass es leichter war, gänzlich auf Alkohol zu verzichten und keine Ausnahme mehr zuzulassen.
Das lief bei mir im ersten und auch Anfang des zweiten Jahres coronabedingt ganz gut. Da befand ich mich aufgrund der Beschränkungen gewissermaßen in einem geschützten Bereich.
Das änderte sich, als die Maßnahmen ausgesetzt wurden und es wieder zu sozialen Kontakten kam, anlässlich derer Alkohol konsumiert wurde. Zunächst war ich mir meiner Abstinenz sicher, sie dauerte ja schon eineinhalb Jahre zu meiner Zufriedenheit an, aber durch den Kontakt kam mit einem Mal der Gedanke oder das Gefühl eines Verlustes auf. Und zusammen damit kam so ein Bedauern und Selbstmitleid auf, denn ich war früher beim Feiern lustig dabei gewesen und kein Kind von Traurigkeit, wie man so sagt.
Es war nicht nur ein Kontakt, sondern da kamen innerhalb von zwei Tagen mehrere Ereignisse zusammen, die mich bzw. mein Suchtgedächtnis mächtig getriggert haben. Ich hatte plötzlich Suchtdruck vom Feinsten und hatte nur noch den Gedanken, loszufahren, mir starken Schnaps (eigentlich überhaupt nicht mein Getränk) zu besorgen und mich so richtig volllaufen zu lassen.
Ich wusste, dass ich das eigentlich nicht wollte, aber ich war so sehr in Not, dass ich das alleine nicht überstanden hätte. Ich bin nicht losgefahren, sondern hab erstmal zwei oder drei Freunde per Kurznachrichten kontaktiert, aber die konnten mir nicht helfen. Nun war ich zu dem Zeitpunkt aber noch in einem anderen Forum engagiert und hab mich in meiner Not an die gewandt. Und dort fand ich dann das, was ich brauchte: Ich hatte zum einen geeignete Ansprechpartner, die sich auch die Zeit für mich nahmen, und zweitens hielt ich mich an den Rat, den man mir gab: Ich trank Wasser so viel, wie nur in mich reinging.
Es dauerte eine Weile, aber das Wunder geschah: Als wirklich gar kein Schluck Wasser mehr in mich rein ging, hörte der Suchtdruck komplett auf. Ich fühlte nur noch Erleichterung.
Im Nachhinein, da mich das Erlebnis mächtig erschüttert hat, begann ich mit der Aufarbeitung dessen, was das ausgelöst hatte, das Empfinden eines Verlustes, und konnte es ganz ablegen.
Schon lange verspüre keinen Verlust mehr, im Gegenteil empfinde ich eine Befreiung. Ich brauche keinen Alkohol, um….. Das geht viel besser und nebenwirkungsfreier ohne. 😉
Was ich dir pauschal erstmal raten kann, ist Folgendes:
Wenn du schon vorher weißt, dass eine Situation schwierig für dich wird, oder werden könnte, setz dich dieser entweder zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus oder überleg dir gut und plane eine sogenannte Exit-Strategie. Vermeidung/ Ablenkung/ Rausgehen aus der Situation usw…..
Für sogenannte Notfälle haben sich einige einen sogenannten „Notfall-Koffer“ zusammengestellt, auf den sie, wenn sie unter Druck geraten, zurückgreifen können. Die Strategien, aus denen dein „Notfall-Koffer“ besteht, müssen trainiert sein und werden, damit sie ggf. auch greifen.
Am besten ist, wenn es gar nicht erst zum Notfall kommt, sondern schon längst vorher daran gearbeitet wird, dass es gar nicht erst dazu kommt.
Bis hierhin erstmal.
Viele Grüße
AmSee