Vorstellung - Miaflorentine

  • „es ist Krankheitstypisch, dass Betroffene jahrelang hoffen, einen angemessenen Umgang mit dem Konsum zu finden und erst eine gefühlte Niederlage brauchen, um weiter gehen zu können.“

    kann ich sofort unterschreiben-mein langer Weg mit der Kontrolle über den Alkohol scheiterte sehr oft... und es hat lang gedauert, bis ich begriffen habe (in Form von Spüren-nicht in Form von Wissen), dass ich auch nicht mit kontrolliertem Trinken weiterkomme. Ich habe verstanden, dass ich schon tiefer drin steckte in der Sucht, als es mir vorher bewusst war. Das war eine echte Niederlage und erst dann wusste ich, JETZT muss ich was ändern.

  • Ab jetzt bin ich einmal wöchentlich wieder in den Gruppen. Ein zwischengespräch ist schon vereinbart. Mein Ziel auch: Input und Auseinandersetzung mit der/ meiner Sucht, um den Teil in mir zu stärken, der sich noch vor einem Leben ganz ohne Alkohol fürchtet.

    Nächstes Etappenziel ist dann mein Arztbesuch, die Karten auf den Tisch legen, um eine ausführliche Untersuchung für Klarheit bitten und mich dann gezielt kümmern.

    Hallo Mia,

    ich finde es wirklich stark, wie konsequent und zielstrebig du die ganze Geschichte angehst. Ich für meinen Teil hatte viele Versuche erstmal heimlich und nur für mich gestartet, womit ich mir (unbewusst?) ein Hintertürchen aufgelassen habe, was wiederum zur Folge hatte, dass auch viele ernstgemeinte Versuche misslangen.

    Ich freue mich auch für dich, dass dir die "Erkenntnis" und die Schlussfolgerung, dass du nun ohne Alkohol leben wirst“ relativ leicht über die Lippen ging bzw. ausgeprochen hast. Ich finde das sind riesige Schritte, auch in der Ehrlichkeit sich selber gegenüber. Ich habe auch gemerkt, dass mir gerade diese Offenlegung (mit dem Problem erstmal ans Licht kommen) einen großen Teil der Scham/ Schuld genommen hat.


    Trotzdem noch eine kleine Anektote am Rande:


    Ich war vor längerer Zeit bei meinem Arzt, weil ich einen Wespenstich hatte und allergisch darauf reagiere. Da mein Outing damals noch nicht so ewig her war, hatte ich mir vorgestellt, was er gerade denkt, wenn er mich jetzt sieht: "Ach der Herr ... , dieses Jahr schon mehrere Wespenstiche, dazu noch alkoholabhängig und eine kleine Drogenproblematik. Er will bestimmt nur wieder Tilidin verschrieben haben und hat seinen Fuß unter diesem Vorwand absichtlich in ein Wespennest gesteckt".

    Er wird das nie gedacht haben, aber das macht manchmal diese Kopfkasperei deutlich, die man sich unsinniger Weise selber macht. Und mir hilft es manchmal ganz gut, wenn ich mich selber mit einem kleinen Augenzwinkern betrachten kann.


    Mittlerweile weicht aber diese Scham immer mehr einer festen Akzeptanz, Annahme und Dankbarkeit. Es fühlt sich mitunter so an, als hätte man einen Sieg errungen oder etwas geschafft, was vorher unmöglich erschien. Als wäre irgendetwas "Schlimmes" in der Vergangenheit gewesen, zu dem ich aber jetzt keine echten Bezug mehr habe. Man hat sozusagen in den Abgrund geblickt, ist aber wieder heil nach Hause gekommmen.

    Ich will in dem Zusammenhang eigenlich nicht von "Sieg, ringen, schaffen und Leistung" sprechen, weil das irgendwo einen Kampf ausdrückt, es ist eher eine Dankbarkeit, dass es wirklich möglich ist, ein zufriedenes Leben ohne Alkohol zu führen.


    LG Rent

  • AmSee13 ,
    als ich las, dass bei dir Ms diagnostiziert wurde, hat mich das betroffen gemacht!
    (Wenn ich betroffen bin, drücke ich mich manchmal ungeschickt aus, bitte sieh es mit nach, falls du das so empfindest - aber ich möchte auf keinen Fall darüber hinweglesen.)
    Es macht mich traurig, dass du damit sein musst, neben allem, was du sonst noch zu tragen hast. Und ich wünschte, das müsstest du nicht!
    Ich weiß nicht viel darüber, nur, dass es auch mildere Verläufe gibt und ich hoffe, das ist bei dir der Fall.

    Was das Tempo betrifft: ich mache immer so viel, wie es geht und solange es irgendwie geht. Als ich mit meiner Angst und Panik ans Haus gebunden war und an manchen Tagen gerade mal Zähneputzen ging, selbst da habe ich mich nicht gefragt, ob ich es vorher vielleicht jahrelang übertrieben habe.
    Sobald es wieder besser ging, habe ich einfach weiter gemacht.
    Ich fühle mich wertvoll, wenn ich etwas leiste. Und wenn ich nichts leisten kann, fühle ich mich schlecht.
    Und obwohl das Thema mit dem Tempo mich gerade nachdenklich macht, habe ich währenddessen wieder etliche Schubkarren im Garten gewuchtet. Bis es wirklich nicht mehr ging. Obwohl ich mich immer noch so schlapp fühle und meine Lunge brennt. Zu essen habe ich auch mal wieder vergessen…

    Ich schätze, ich sollte mich also auch damit mal befassen. Ein weiterer Punkt, der eigentlich relativ leicht scheint, aber in meinem Kopf verschwimmt, ohne, dass ich genau sagen kann, warum.
    Das „etwas tun, für das Gefühl, etwas geleistet zu haben“ sitzt echt tief drin.

  • Danke, rent ❤️

    …noch während ich las, dass du deine ersten Schritte heimlich gegangen bist, hatte ich den Gedanken „boah, das hätte ich vielleicht auch besser machen sollen.“

    Ich weiß, dass das überhaupt nicht deine Botschaft ist, ganz im Gegenteil, aber soviel dazu, wie selbstständig mein Suchthirn zu allem Parallel vor sich hin denkt. In dem Gedanken schwingt nämlich mit „dann hätte ich am Wochenende hin und wieder was trinken können, ohne in Schwierigkeiten zu geraten“. Natürlich wäre ich trotzdem in Schwierigkeiten geraten, in mir selbst.
    Aber hätte ich nicht gerade selbst jahrelang und live erlebt, wie man sich selbst was vormachen und vor allem immer wieder neu verdrängen kann… ich würde es wohl nicht glauben können.

    Das was du in den letzten Absätzen schreibst, „als wäre da etwas schlimmes in der Vergangenheit gewesen, zu dem ich keinen echten Bezug mehr habe“, das hat mich berührt, das konnte ich fühlen.
    So ähnlich empfinde ich das mit den Panikattacken. Als die so aufgeblüht waren, dass ich quasi 24 Stunden darin gefangen war, wollte ich nicht mehr leben und habe geglaubt, nie wieder frei davon zu sein.
    Heute, einige Jahre später, weiß ich noch, wie es sich angefühlt hat, aber die Erinnerung fühlt sich nicht mehr belastend an. Oft merke ich auch auf „dies und jenes wäre damals ein Auslöser für Panik gewesen“, aber die Erinnerung streift mich mehr wie eine alte Ahnung. Als würde kurz ein Schatten an mir vorbeihuschen und dann bin ich sehr glücklich und dankbar, dass ich heute nicht mehr in diese Abgründe gerate.
    Möge es im Bezug auf das trinken auch eines Tages so sein 🙏

    Mia

  • AmSee13 ,
    als ich las, dass bei dir Ms diagnostiziert wurde, hat mich das betroffen gemacht!
    (Wenn ich betroffen bin, drücke ich mich manchmal ungeschickt aus, bitte sieh es mit nach, falls du das so empfindest - aber ich möchte auf keinen Fall darüber hinweglesen.)
    Es macht mich traurig, dass du damit sein musst, neben allem, was du sonst noch zu tragen hast. Und ich wünschte, das müsstest du nicht!
    Ich weiß nicht viel darüber, nur, dass es auch mildere Verläufe gibt und ich hoffe, das ist bei dir der Fall

    Danke dir für dein Mitgefühl. <3

    Es ist meines Erachtens völlig in Ordnung, wenn du Betroffenheit spürst, das kann dir auch niemand absprechen.

    Ich hab dir allerdings nicht davon erzählt, damit es dich traurig macht.
    Ich selbst bin ja auch nicht traurig. Es ist eben, wie es ist, und ich selbst betrachte meine Erkrankungen eben auch als Chance.

    Klar würde ich auf die MS und auf die Depression gerne verzichten, aber die Option gibt’s eben nicht, also orientiere ich mich neu und passe mich an diese Herausforderung an. Und echte Lebensfreude habe ich inzwischen tatsächlich mehr als jemals zuvor.
    Krankheit als Chance. *Zwinker*

    Mit meinen beiden Freunden, die ich in der Klinik kennengelernt habe, betonen wir immer wieder: Mitfühlen


    Mit-fühlen, nicht mit-leiden!

    Dazwischen besteht, wie wir gelernt haben, ein Riesenunterschied.



    Übrigens war auch ICH stets auf Leistung getrimmt. Hab mich auch erst als „wertvoll“ gefühlt, wenn ich etwas geleistet hatte. Seine Ursachen, dass das in mir so drin war (ist es jetzt nicht mehr in DEM Maße), hatte das in der Prägung durch meine Familie.

    An dieser Wertvorstellung ist ja grundsätzlich auch nichts auszusetzen, problematisch wird‘s, wenn man an der Erfüllung dieser Wertvorstellung zerbricht, sei es, dass man sich dauerhaft überfordert, sei es, dass man eben nicht mehr leisten kann.

    Meine Eltern sind letztlich an diesen Ansprüchen, die hinter dieser Wertvorstellung stehen, jeder auf seine Weise zerbrochen. Mich selbst hat‘s an den Abgrund gebracht….


    Heute kann ich innerlich bejahen, dass ich auch etwas wert bin, wenn ich nicht leiste. Es genügt einfach, dass ich da bin, dass ich existiere.

    Dir wünsche ich von Herzen, dass du das auch irgendwann innerlich vor dir bejahen kannst.

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Was das Tempo betrifft: ich mache immer so viel, wie es geht und solange es irgendwie geht. Als ich mit meiner Angst und Panik ans Haus gebunden war und an manchen Tagen gerade mal Zähneputzen ging, selbst da habe ich mich nicht gefragt, ob ich es vorher vielleicht jahrelang übertrieben habe.
    Sobald es wieder besser ging, habe ich einfach weiter gemacht.

    Auch das kommt mir sehr bekannt vor.
    Solange es IRGENDWIE geht. - Und meine Innere Kritikerin hat mich angetrieben und niedergemacht, wenn ich ihrer Ansicht nach „zu früh“ aufgeben wollte…


    Das hab ich mich auch nicht gefragt. Was hinter mir lag, war nicht interessant. Es zählt nur, was vor mir liegt. Also: Schaffen, schaffen, schaffen!

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Guten Tag, liebe AmSee13 😊

    Ich weiß, dass du nicht die Absicht hattest, mich mit der Erwähnung traurig zu machen, sondern es im Kontext des großen Ganzen geschrieben hast.
    Es hat mich traurig gemacht, so, wie es mir Freude macht zu wissen, dass es dich und die anderen auf der Welt gibt :)

    Dass du seitdem mehr Lebensfreude fühlen kannst, als zuvor ist toll und macht mich ganz warm. Das ist inspirierend 💚


    Den Unterschied zwischen mitleiden und Mitgefühl kenne ich. M. Rosenberg hat zu seinen Lebzeiten mal von einem Brief berichtet, den er nach dem Tod einer schwerkranken Freundin erhalten hat. Darin hat sie ihre Dankbarkeit dafür zum Ausdruck gebracht, dass Rosenberg sie nie bemitleidet hat- und genau deswegen an ihrer Seite bleiben konnte, wo andere sich zu ihrem eigenen Schutz vor leiden zurück ziehen mussten.

    Das war für mich ein sehr eindrückliches Beispiel dafür, warum Mitleid nicht beiträgt.

    Danke, dass wünsche ich mir für mich auch!

    Viele liebe Grüße, an Tag 12 ohne Alkohol und einem Wochenende, an dem ich bisher auch nicht oft daran denken brauchte (klopf auf Holz 😅)

  • Honk

    es geht mir mental viel besser!
    Ich bin ausgeglichener, mehr bei mir selbst und vor allem fühle diese furchtbare Scham nicht mehr.
    Das ist so viel wert!!!
    Das möchte ich um keinen Preis mehr aufgeben und nie wieder in diese vernebelte, dunkle Alkoholwelt zurück.

    Etwas verwirrend und beängstigend ist, dass es mir körperlich unverändert nicht besonders gut geht. Ich habe Probleme mit Hals und Lunge und bin wahnsinnig abgeschlagen.
    Deswegen ist der Gedanke „ich muss unbedingt aufhören zu trinken“ im Moment gleich durchs nächste abgelöst „ich muss unbedingt aufhören zu rauchen!“ …

    Aber ich halte an meinem Plan fest, eins nach dem anderen. Ich will mich nicht überfordern.

    Danke, dass du nachgefragt hast 🤗

  • Das möchte ich um keinen Preis mehr aufgeben und nie wieder in diese vernebelte, dunkle Alkoholwelt zurück.

    Das klingt sehr gut und das ist schon wieder ein guter Verstärker -Satz ,der sicher noch einen Ehrenplatz verdient hat ;).

    Das Größte für mich damals war auch ,dass ich frei von Scham und Ekelgefühlen war.

    Das körperliche Wohlbefinden war zwar nicht da ,im Gegenteil, ich fühlte mich manchmal sogar richtig schlecht . Das einzige, was sich körperlich gut anfühlte war der klare Kopf.

  • Honk

    Etwas verwirrend und beängstigend ist, dass es mir körperlich unverändert nicht besonders gut geht. Ich habe Probleme mit Hals und Lunge und bin wahnsinnig abgeschlagen.
    Deswegen ist der Gedanke „ich muss unbedingt aufhören zu trinken“ im Moment gleich durchs nächste abgelöst „ich muss unbedingt aufhören zu rauchen!“ …

    Aber ich halte an meinem Plan fest, eins nach dem anderen. Ich will mich nicht überfordern.

    Danke, dass du nachgefragt hast 🤗


    Meine ganz neutrale Meinung: Guck Dir die nächste Kippe an und frag Dich, ob Du die nächste wirklich rauchen willst. Also mal ganz ehrlich, warum denn nicht? Also beides lassen? Was soll denn passieren, außer, dass Du ggf. bei zum starken Suchtdruck dem Rauchen auf jedem Fall nach gibst und keines Falles dem Alkohol. Die Einstellung muss auf jeden Fall gesetzt sein.
    Also, ich will Dich in keiner Weise dahin reden, die Antwort dazu hast Du selber in Deinem Kopf. Ich hab mit beidem aufgehört, allerdings nicht gleichzeitig. Wobei mir der Nikotinentzug viel viel schwerer gefallen ist als der Alkohol. Ich kann da stundenlang von erzählen. Auf der anderen Seite hab ich von den Erfahrungen vom Nikotinentzug sehr profitiert, das hat mir beim Alkohol geholfen, weil ich da die selben Strategien anwenden konnte.
    Also, in meiner Wagschale wäre ich immer "Vorteile / Nachteile / Konsequenzen" ab. Gleichzeitig bin ich ein Typ, wenn ich eh ganz unten bin, dann kann ich da noch eine Schippe draufwerfen, denn die Aussicht, dass es nur noch besser werden KANN, ist gesetzt.

    Ich würde für meinen Kopf die Befürchtung haben, dass das Rauchen weiter das Suchtgedächnis befeuert und mich der Alkohol auch weiter triggert.

    Ich persönlich denke, und jetzt lege ich mich weit aus dem Fenster, wer mit Alkohol aufgehört hat, aber weiter raucht, hat die eigentliche Suchtproblematik nicht überwunden und ist stärker rückfallgefährdet als jemand, der mit beidem aufgehört und verarbeitet hat.

    Wie gesagt, ich schreib da nur ganz ehrlich meine Gedanken runter, die Antwort ist selber in Dir. Es ist natürlich auch total möglich dass Du auf jeden Fall "Step by Step" an die Sache rangehen solltest, mit den Gedanken aber schon ein wichtiges Samenkorn gelegt hast.

    Zum Thema Strategien beim Rauchentzug, Entwöhnung kann ich gerne einmal ausführlich was schreiben, denn ich empfand, wie oben schon gesagt, das Rauchen als deutlich schwieriger und komplexer.

    Aber ganz wichtig: Mit dem Rauchen aufhören lohnt sich sowas von :)

    Alles Gute!

  • Guten Morgen,

    Ich würde für meinen Kopf die Befürchtung haben, dass das Rauchen weiter das Suchtgedächnis befeuert und mich der Alkohol auch weiter triggert.

    Ich persönlich denke, und jetzt lege ich mich weit aus dem Fenster, wer mit Alkohol aufgehört hat, aber weiter raucht, hat die eigentliche Suchtproblematik nicht überwunden und ist stärker rückfallgefährdet als jemand, der mit beidem aufgehört und verarbeitet hat.

    ich würde da Honk aus meiner Sicht bzw. wie ich das erlebt habe, Recht geben.

    Bei mir war früher Trinken und Rauchen stark miteinander verknüpft.

    Ich hatte mal mal vor xJahren versucht mit dem Trinken aufzuhören und dabei weiter geraucht. Das Ergebnis war, dass ich wieder geraucht habe wie ein Schlot und so ein nervliches kettenrauchendes Wrack war, dass es mir in dem Moment als das "kleinere Übel" erschien, weiter zu trinken (und zu rauchen). Ich habe das einfach nicht geschafft.

    Ich kann aber auch dein körperliches Empfinden nachvollziehen, als damals der tägliche Alkohol fehlte, der auch alles körperlich wie so eine geschmeidige Decke eingehüllt/ betäubt hat, hatte ich überall Schmerzen, war kurzatmig, mega verspannt, nervös und war manchmal so zittrig, dass ich mich geschämt habe z.B. in einem Cafe einen Kaffee zu Trinken. Diese Empfindungen hatte ich später als Nichtraucher bei meinen Entzügen/ Aufhörversuchen überhaupt nicht gemacht. Im Gegenteil, das Körperliche war immer schnell durch, ich hatte eben nur sehr stark mit der psychischen Abhängigkeit zu kämpfen.

    (Bitte lasse dich durch meine letzen Sätze nicht triggern bzw. dir durch dein Suchtgedächtnis einreden, dass du eben erstmal mit Rauchen aufhören müsstest und dann kommt das Trinken dran, Mia. Gerade das Trinken nimmt dir jegliche Kraft um auch "Kollateral"-Süchte anzugehen bzw. deckt sie diese nur zu. Wenn ich die Zeit nochmal zurückdrehen könnte, würde ich es "versuchen" anders zu machen. (Ok, meistens ist man in der Situation so gefangen, dass kein anderer Ausweg erscheint.)

    Bei mir ist das Thema Suchtverlagerung sowieso eine riesen Sache, als ich eine zeitlang nicht getrunken habe, habe ich meine Sucht auf Opiode und andere Schmerzmittel verlagert (und dem Trinken hinterher getrauert), als ich wieder getrunken habe, hatte ich wiederum den Schmerzmitteln hinterhergetrauert. Irgendwie seltsam, so gänzlich schien mich da wohl beides nicht mehr "real" befriedigt zu haben und hat in mir im jeweiligen Moment eine Sehnsucht nach dem anderen Stoff hervorgerufen.

    Wiederum habe ich auch von Drogensüchtigen gehört, die eben ihre "Hauptdroge" abgegeben haben, aber z.B. auch mal ein paar Bier trinken konnten. Ich habe das nie verstanden bzw. hat mir der Alkohol nicht die Option gelassen, auf etwas anderes umzusatteln. Auf was sollte ich auch umsatteln, da gibts ja (legal) nicht viel. Und Rauchen wäre für mich keine Option. Ich habe seit meiner Jugend stark geraucht und im Rückblick war da nichts Gutes bzw. "Entspannentes/ Wohlfühlendes" daran. Ich MUSSTE einfach rauchen und habe mich dadurch teilweise sogar schon fast depressiv gefühlt. Ich frage mich bis heute, was mich da getriggert hat, oberflächlich habe ich nie etwas Gutes oder Schönes am Rauchen gefunden, ich MUSSTE halt rauchen und es hat mich angekotzt.

    Und ICH gebe Honk Recht bzw. habe ich das wirklich so erfahren, dass die Suchtproblematik nur verlagert und teilweise anders verstärkt wird und man stärker rückfallgefährdet ist, als jemand der mit beidem aufgehört hat.

    Ich habe das übrigens ähnlich erlebt, das mir der Nikotinentzug anfänglich DEUTLICH schwerer als der Alkoholentzug gefallen ist.


    Das sind MEINE Erfahrungen und ich finde, es ist sehr wichtig, dass du auf DICH SELBER hörst. Jeder kann hier nur dem anderen Impulse geben, aber die Umsetzung kann ganz verschieden funktionieren.

    Ich kann mich auch gut in dich hineinversetzen, wenn der Alkohol irgendwo schon fehlt, fällt es noch schwerer, den "Hilfsstoff" loszulassen und ich denke, gerade in dem Moment ist es wirklich wichtig, sich nicht zu überfordern und auf sich zu hören.

    Die gute Nachricht dabei ist, dass es wirklich möglich ist, komplett ohne Alkohol, Nikotin und andere chemische "Wohlfühler" zufrieden zu leben und mir es aus jetziger Sicht total einfach erscheint. :)

  • Guten Morgen, ihr Lieben!

    Danke für eure Impulse, Meinungen und Erfahrungen. Irgendwas macht es mit mir, das zu lesen. Aber ich weiß gerade noch nicht genau, was.
    Einerseits geht so ein innerer Ruck durch mich hindurch, alla „ja, verdammt, ich ziehs durch!“ aber direkt darauf folgt so ein „oh nein, nicht das auch noch hergeben!“.

    Es ist so, dass ich beim Nikotinentzug schon mehrfach gescheitert bin. Einmal habe ich ein halbes Jahr durchgehalten, aber dann kam eine emotionale Krise und ich habe wieder angefangen 🙈

    Wie oft ich mir vorgenommen habe, heute nicht zu rauchen- nur um einige Stunden später die doppelte Menge an Zigaretten zu rauchen- kann ich gar nicht zählen.
    Und, ähnlich wie beim Alkohol, wurde mein Vertrauen es schaffen zu können, jedes Mal extrem geschmälert. Es hatte also irgendwie einen echt hohen Preis.


    Die Zeit in der ich tatsächlich aufgehört hab, war echt verdammt hart. Ich will jetzt gar nicht ins Jammern verfallen, nur sagen, dass ich davor Angst habe. Wirklich Angst.
    Und zwar nicht, weil das nur in meiner Vorstellung schlimm ist, sondern weil es tatsächlich schlimm für mich war und ich schon so oft gescheitert bin.
    Mir ist auch bewusst, dass drüber philosophieren überhaupt nichts bringt. Nur Entschluss fassen und durchziehen.
    Aber wenn ich im Augenblick wieder in eine Situation komme, in der ich meine selbstwirksamkeit als gering erlebe habe ich sorge, was das mit mir macht.
    Nicht, dass ich ernsthaft befürchte, etwas würde in mir durchknallen und ich würde aus einem Anfall von „jetzt ist eh alles egal“ wieder trinken. Aber wenn man sich selbst nicht vertrauen kann, wer weiß 🥺

    Dabei will ich so gern aufhören. Ich rauche seit ich 14 bin, habe mittlerweile echt mit den Folgen zu kämpfen und weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich ernsthaft krank davon werde.

    Oh man, eine etwas jämmerliche Rede zum Sonntag 🙈

  • Oh man, eine etwas jämmerliche Rede zum Sonntag 🙈

    Das sehe ich genauso wie Honk : Nix jämmerlich.

    Und wieder kommt mir das, was du teilst, so bekannt vor.

    Hier im Forum gibt’s solche, die erst mit dem Rauchen aufgehört haben und erst später mit dem Trinken, dann gibt es solche, die mit beidem gleichzeitig aufgehört haben, und dann noch solche, die erst mit dem Trinken und später mit dem Rauchen aufgehört haben.
    Kurz und gut, jeder ist da seinen eigenen Weg gegangen, wie es eben für ihn passte.

    Als ich hier aufschlug, lag mein letzter Rauchstopp schon eine Weile zurück, ich war sehr zufrieden darüber und profitierte beim Aufhören mit dem Trinken von den Erfahrungen meiner diversen Rauchstopps.

    Ich bin aber später im Laufe meiner Abstinenz „überraschend“ wieder ans Rauchen gekommen und musste mich dann davon immer mal wieder mühevoll befreien. Ich kann nicht wirklich erklären, warum in mir völlig klar ist, dass Alkohol in mir als „Lösung“ überhaupt nicht mehr infrage kommt, Rauchen unter Umständen aber schon.

    Das Thema Rauchen war auch immer mal wieder Thema in Gesprächen mit meinem Psychiater. Er riet empfahl mir deshalb, und meines Erachtens war das kein so übler Rat, es mit diesen Heets zu probieren. Er selbst raucht schon lange nicht mehr, aber er kannte das von Kollegen und einigen anderen. Ich selbst bin stets in Hochspannungsphasen zurück ans Rauchen gekommen und ich kenne dieses Gefühl von Mutlosigkeit und verlorenem Vertrauen in mich selbst nur allzu gut.

    Gesund ist Rauchen nicht, das steht völlig außer Frage, und es ist zweifellos besser und fühlt sich auch toll an, rauchfrei zu sein, aber diese Heets (und vergleichbare Produkte) sind wenigstens etwas weniger schädlich.

    Vielleicht ist das ja erstmal eine Option für dich? - Hinweis: Muss man sich erst dran gewöhnen, weil die sozusagen nicht so reinhauen (Stichwort heißer Verbrennungsqualm einer normalen Zigarette), aber das Nikotin, auf dessen Wirkung du vorerst nicht verzichten kannst, kriegst du trotzdem.

    Von denen kann man meiner eigenen Erfahrung nach später leichter wegkommen.

    Liebe Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hi Mia,

    nur nochmal ein paar Gedanken von meiner Seite ...

    Es ist hier einiges hier in Deinem Thread geschrieben worden, wofür Du offenbar dankbar bist. Wir freuen uns natürlich, wenn unsere Gedanken auf positive Resonanz stoßen. Aber letztlich geht es um Dich und auch unterstellt, dass Du einige Dinge hier mit Deiner Dir gegebenen Neugier aufgesogen hast, geht es vor allem um die Frage: Wie bekommst Du die PS auf die Straße? Anders ausgedrückt: Was bringt Dich wie KONKRET voran?

    Es erreichten Dich diverse Buchempfehlungen, Verhaltensempfehlungen, Empfehlungen für Dein Mindset, ... allein schon das Lesen der Bücher würde Wochen füllen ... die an sich gute Idee, auch das Rauchen sein zu lassen ... mich würde das, trotz aller Sinnhaftigkeit der einzelnen Beiträge, eher stressen.

    ZEIT ZUM FOKUSSIEREN: Was ist denn wirklich "Handfestes" dabei? Also Dinge, die Dir vielleicht unmittelbar helfen können? Wenn wir schon von Fokussieren reden, gilt natürlich an vorderster Front: JEDER TAG OHNE TRINKEN IST EIN GUTER TAG.

    Hier mag die von AmSee ziterte Erkenntnis von Beppo, dem Straßenkehrer, im Buch „Momo“ von Michael Ende helfen. Bei mir gibt's jeden Monat ein konkretes Motto, z.B. "In Dir ist viel Schönes und Wertvolles - zeig' es!" Das ist überschaubar und konkret; nicht irgendeine auf zig Seiten hinterlegte Theorie. Mit jedem Monat wächst das Ganze.

    Noch ein Sache, die mir auffiel, aber nicht zutreffend sein muss (ich kenn' Dich ja nicht):

    Du hast nichts über eine regelmäßige Beschäftigung geschrieben (oder ich hab's überlesen). Ich habe durchaus den Wert von einigen REGELN für mich entdeckt: Regelmäßiges Zu-Bett-Gehen und den Genuss an einer mitunter durchaus anstrengenden BESCHÄFTIGUNG/AUFGABE. Manche zieht's ja sogar ins Kloster, um zu sich zu kommen. Dort gibt's eben ein recht starkes Regelwerk: Morgens sehr früh aufstehen, gemeinsam beten (mehrmals am Tag zu fixen Zeiten) und zumeist auch konkrete Arbeiten, die durchaus anstrengend, aber auch erfüllend sein können. Das soll jetzt keine Werbung für einen Klosteraufenthalt sein (ich war dort selber noch nicht), aber sehr wohl die ernst gemeinte Anregung, Dich in eine konkrete Beschäftigung zu "stürzen". Keine kopfige Aufgabe, sondern konkretes Tun. Vielleicht auch ehrenamtlich im sozialen Bereich oder so was in der Art. Keine Ahnung. Vielleicht hast Du ja auch eine Beschäftigung. Umso besser. Vielleicht lernst Du deren Wert dann noch mehr zu schätzen oder falls nicht möglich, gibt es mit etwas Geduld die Möglichkeit zu einer Tätigkeit, die Dir ggf. noch mehr entspricht. Wir reden bei einer "Beschäftigung" immer von einem GEBEN, von etwas SINNSTIFTENDEM. Das muss nicht unbedingt heißen, dass diese Tätigkeit etwas sonderlich Großes ist. Das wird völlig überbewertet. Und was ist schon ganz groß? GLÜCK liegt vielfach im Einfachen, im Alltäglichen. Man muss nur bereit sein, es zu sehen. Dazu hatte ich hier einen Link zum Nachtcafé hinterlegt. Ist nach wie vor ein Tipp von mir. Aber gerade beim Thema Glück hilft Entspannung und Geduld: Je mehr man danach sucht, desto weniger findet man es. Je mehr man danach greift, desto mehr entrinnt es einem.

    So blöd es auch klingt: Mitunter kann es helfen, wenn der Kopf etwas weniger zum Denken kommt. Neben der bereits oben genannten regelmäßigen Arbeit/Engagement hilft mir Bewegung in der Natur (muss nix Großes sein; regelmäßige Spaziergänge reichen) und ein paar offene Ohren und respektvolle Münder (auch hier gilt meines Erachtens: wenige gute Freunde schlagen viele eher oberflächliche Events). Das Ganze dann noch garniert mit einer mindestens mittelgroßen Prise Humor. Fertig ist das schmackhafte Lebensgericht. Wichtig ist: Fast alles dazu ist in Dir. Ich weiß: Darüber schreiben ist einfacher als es zu tun. Wobei: Nix mehr trinken als Voraussetzung für alles: Das ist machbar, wie Du siehst. Nicht immer einfach, aber es zahlt sich aus. Eine Beschäftigung? Arbeitskräfte werden aktuell gesucht; man kann ja - nur ein Beispiel - in einem Café arbeiten. Keine Ahnung. Aufhören kann man jederzeit. Freunde? Hast Du, wie Du selbst geschrieben hast. Humor? Also allein schon mein Leben bietet fast jeden Tag genügend Realsatire.

    @Mia und andere: In nächster Zeit werde ich meine Forentätigkeit erstmal einstellen. Das hat nix mit diesem Forum und schon gar nichts mit Dir, Mia, zu tun. Ich habe seit dem Sommer mir durchaus Zeit genommen, um über mich und mein Leben nachzudenken. Ich empfand das wichtig und bin jetzt an einem Punkt, wo ich mir sage: Ich habe meinen Frieden mit mir gefunden und freue mich auf die nächsten Jahre. Es gibt jetzt ganz konkrete Menschen und Lebensbereiche, wo ich meine Energie rein gebe. Ja, und darauf freue ich mich. Aber auch nochmal Zeit zum Danke sagen an AmSee & Co.

    Für Deinen weiteren Weg, liebe Mia: Alles Gute!

    - Fortune -

  • Liebe AmSee13 ,


    hab auch dank für deinen Beitrag, es hat mir gut getan, ihn zu lesen! Ich habe neulich tatsächlich diese Heets ausprobiert und schlimm herum gehustet 🙈 Damit hatte ich irgendwie nicht gerechnet, aber nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe, ergibt das natürlich Sinn und man muss sich erst dran gewöhnen.

    Ich bin an dem ganzen Thema dran und bewege das. Ich glaube es ist ein inneres Schwung nehmen.
    Also hoffe ich…


    Viele liebe Grüße 🤗

  • - FORTUNE -

    Ich habe mich über deine Gedanken gefreut!
    Sie erscheinen mir so gehaltvoll, dass ich mir erlaube, sie einfach nur aufzunehmen!
    Das passt ohnehin in mein derzeitiges Vorhaben.
    Alles sacken lassen, bewegen, mal schauen, was da so wächst.

    Ich betreue ehrenamtlich einige alte Menschen.
    Aber ein richtiges Hobby habe ich nicht.
    Sobald ich mit dem Arztbesuch und den ersten Gruppenterminen durch bin, will ich mir gern etwas suchen.

    Das „alles Gute für deinen weiteren Weg“ kann ich nur herzlich erwidern.
    Schade, dass sich unsere Wege hier nur so flüchtig gekreuzt haben, aber deine wertvollen Beiträge aus deiner aktiven Zeit hier werden mir bestimmt und hoffentlich noch oft unterkommen.
    Und ich habe den Gedanken, dass du mit dem, was du beiträgst, sicherlich ein Geschenk für die Menschen bist, denen du dich zuwenden wirst :)

    Ganz viele liebe, dankbare Grüße 💚

  • - Tag 15 -


    Mich zu der bestehenden Suchtgruppe dazuzugesellen ist mir schwer gefallen. Ich bin schüchtern. Wenn ich Menschen nicht kenne, fallen mir oft keine passenden Worte ein und in einem Raum mit fremden Menschen sitzen fällt mir schwer- da fühle ich mich schnell eingesperrt.
    Was ich an süchtigen Menschen mag ist, dass es wenig smalltalk gibt. Da geht es um die bedeutsamen Dinge und es besteht so ein geteiltes Verständnis über Abgründe, aber auch um ihre Überwindung.
    Die Gruppenleitung erscheint mir … dröge. Sie redet langsam, mit vielen „ähs“. Ich ertappte mich bei innerer Ungeduld und dem Gedanken, dass da vorne vielleicht eher jemand von euch hin passen würde. Dann musste mich ein wenig zurecht rücken: ich bin so dankbar, über das Angebot!!!
    Was ich schön fand war die Herzlichkeit: unsere Türen sind immer offen. Ihr könnt gehen und jederzeit zurückkommen, auch und vor allem dann, wenn euch das nüchterne Leben mal nicht gelingt.
    (Meine Sucht schlug kurz Purzelbäume und dachte sofort… naja, ihr könnt es euch denken).
    Die Kriterien für Abhängigkeit wurden ausgelegt und obwohl ich sie in und auswendig kenne, hoffte ich einmal mehr, ich müsste sie vielleicht doch nicht bejahen.
    Naja, stattdessen musste ich in mir einräumen: Interessenverlust und Isolation- wie oft war mir nur der Sechserträger Bier wichtig und nach Hause, um ihn da zu trinken. Für Kontaktpflege hatte ich ja spätestens nach dem dritten Bier gar keine Kapazität mehr.

    Gestern habe ich den Podcast Flaschengeist weiter gehört und habe verstanden, wie sehr man sich selbst verlässt, wenn man trinkt, um etwas von sich nicht zu spüren.
    Das ist doch tatsächlich als würde man seinem inneren (Kind) sagen „geh weg, wenn du so bist, will ich dich nicht!“. (Was vermutlich viele von uns desöfteren in der Kindheit gehört haben, wenn zb Ärger nicht gewünscht war, oder sich die Eltern mit Traurigkeit überfordert fühlten).

    Viele liebe Grüße und einen schönen Tag,


    Mia

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