Beiträge von - FORTUNE -

    Kurz zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die für Honks Entscheidung auch eine gewisse Rolle spielen können:

    Die Zahl der offenen Stellen geht seit 2022 abwärts (mehr oder weniger synchron zur Erosion der wirtschaftlichen Performance Deutschlands): Immer mehr als 15% minus. Aktuell haben die Arbeitnehmer das Sagen. Je nach Branche wird das auch noch eine Zeit lang so bleiben, ist aber m.E. kein Dauerzustand. (Ich habe diesbezüglich gerne Unrecht).

    Ich gebe Dir ansonsten vollkommen recht: Ein ausbalancierter Arbeitsmarkt ist letztlich "gesund".

    Bei entsprechender Mobilität empfiehlt es sich m.E., zum Beispiel in die Schweiz umzusiedeln und dort zu arbeiten: Da hat man zweifelsohne mehr Lebensqualität (insbesondere bei einen Zeithorizont auf die nächsten Jahre;-). Vielleicht auch eine Überlegung für Honk?

    Deine aktuelle Stelle beschreibst Du mit folgenden Worten:

    • Die Abläufe sind ineffizient,
    • die dort arbeitenden Beamten lassen sich "an vielen Stellen vom System kaputt machen",
    • die Vorgesetzten sind "unfähig",
    • die übergeordnete Behörde ist "dämlich",
    • keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten und Belohnungssystem,
    • der Kollege im Büro ist "eigentlich ganz nett", aber ständig krank.

    Die Menschen in meinem Umfeld sind auch gelegentlich am meckern über ihren Job, aber bei Dir ist anscheinend (fast) alles Grütze.

    Was möchtest Du da eigentlich noch verhandeln? Geht's Dir um Knete? Die Dinge, die Du oben auflistest, haben nun mal eine Gemeinsamkeit: Sie sind nicht verhandelbar. Die übergeordnete Behörde ist nun mal "dämlich", die Vorgesetzten sind eben "unfähig".

    Ich finde, wenn man solche Worte, wie "dämlich" und "unfähig" nutzt, und dies nicht mal spontan aus einer Laune heraus gesagt wurde, sollte man tatsächlich gehen.

    Was möchtest Du da vorher - also bevor Du einen neuen Job verbindlich hast - mit Deinem unfähigen Vorgesetzten überhaupt besprechen?

    Der Fachkräftemangel führt aktuell in der Tat zu einem unausbalancierten Arbeitsmarkt zu Gunsten der Arbeitnehmer. Der Höhepunkt ist aber vermutlich schon überschritten. Die Wirtschaftsdaten in Deutschland kennen seit Monaten nur eine Richtung: nach unten. Die politischen Degrowth- und Wir-retten-die-Welt-Phantasien, die weltweit an der Spitze liegenden Energiepreise und der Bürokratie-Irrsinn führen bereits aktuell zu massiven Abwanderungen. Miele ist nur ein Beispiel von vielen. Die Dynamik nimmt noch zu. KI wird demnächst bei Brainworkern, die bisher von Rationalisierungsmaßnahmen weitestgehend verschont blieben, zur Substitution von Jobs durch Maschinen führen. Wenn man wirklich gut ist, muss einen das nicht kirre machen, aber den von Dir skizzierten Optimismus teile ich - zumindest mittelfristig - nicht.

    So gesehen hat ein sicherer Job durchaus seine Vorzüge, aber wenn Dein Job sich so konträr zu Deinen Anforderungen und Bedürfnissen gestaltet, sollte das Sicherheitsargument m.E. nicht den Ausschlag geben. Gibt es nicht die Möglichkeit, im öffentlichen Dienst eine komplett andere Aufgabe wahrzunehmen? Leher als Quereinsteiger? Nur so'n Beispiel, aber eben einen Job, der Dir wirklich liegt.

    Auf der Haben-Seite steht noch, dass Du "unkontrolliert machen kannst, was Du willst." Ich musste ja zugegebenermaßen beim Lesen Deiner Zeilen ein bisschen schmunzeln. Dir ist natürlich klar, dass so ein "Paradies" in der freien Wirtschaft nicht anzutreffen ist. Mitunter kann es sogar passieren, dass Du dort so im jobmäßigen Hamsterrad herumstrampeln musst, dass Du gar keine Lust mehr verspürst, Dein richtiges Fahrrad zu nutzen. Aber das kann man beim Vorstellungsgespräch abklären.

    Mitunter gibt es eben auch gut austarierte und gut bezahlte Jobs, bei denen die eingangs genannten No-Go's Deines aktuellen Jobs nicht auftreten und Du wieder richtig Spaß am Arbeiten haben wirst. Vielleicht findest Du so einen; ich drücke die Daumen!

    Just my 2 Cents.

    Hallo Moonlight (schöner Nickname),

    wir haben fast das gleiche Alter, ich habe vor knapp 2 Jahren mit Rauchen und Trinken aufgehört. Erst war es richtig blöd und dann war es (viel) besser als erhofft. Ich habe in den ersten Monaten (fast) jeden Tag lange Spaziergänge gemacht und die Zeit immer mal wieder genutzt, um mir Gedanken über mein Leben zu machen.

    Aber wir sind ja bei Deinem Leben. Da gibt es durchaus Licht: Du hast einen Job, der für Dich gut ist und Du hast Leute, die Dir gut tun (könnten). "Könnten", weil Du, wie Du selber schreibst, dass Du es anscheinend gar nicht zulassen würdest, dass sie Dir tatsächlich gut tun können. Schade. Warum eigentlich? Es gibt da aber leider auch Schatten: Du hast einen totkranken Sohn. Das ist heftig. Tut mir wirklich leid für Dich.

    ich weiß, dass es vorher nichts bringt, ich spüre wie halbherzig ich die Sache immer wieder angehe, und immer wieder sage ich mir, so wird das nichts liebe

    Normalerweise würde ich auf solche Sätze schreiben: Das wird so nix. Verschaff' Dir erstmal Klarheit, was Du überhaupt willst. Aber eigentlich hast Du das Gleiche ja schon selber geschrieben; nur mit anderen Worten.

    Meine Gedanken kreisen immer wieder um Deinen Sohn. Hast Du Unterstützung? Ich zuckte beim erstmaligen Lesen richtig zusammen. Deshalb bin ich hier beim Schreiben eher vorsichtig.

    Andererseits:

    und doch möchte ich die Entscheidung treffen, weil nichts mehr wirklich schön ist, obwohl ich auch eigentlich schönes mache , aber ich fühle es nicht mehr,

    Wir habe Frühling, was auch heißt, dass das Wetter sich bald von seiner schönen Seite zeigen wird. Vielleicht kannst Du, ähnlich wie ich damals, täglichen einen Spaziergang (mindestens 30 Minuten) oder eine regelmäßige Radtour in Deinen Tagesrhythmus einbauen? Du könntest damit sogar den Tag starten;-) Zur letzten Stunde vor dem Schlafengehen: kein Handy, kein Fernsehen - lieber ein gutes Buch oder eine Meditation. Das macht die Welt noch nicht zu einer völlig anderen, aber das "Tor in ein helleres Leben" öffnet sich dadurch womöglich ein wenig. Und wenn es auch zunächst nur ein Spalt sein sollte. Immerhin. Besser als ein komplett verschlossenes Tor. Wichtig in solchen Situationen hilft immer: Feste Tagesstrukturen und ins Handeln kommen.

    und dann wird da in mir wer munter, der wie Rumpelstilzchen mit dem Fuß aufstampft , und kann diese Richtung nicht ertragen .... und der macht es mir schwer , mich endgültig zu entscheiden.

    Was hältst Du von einer Abmachung mit Dir selber? Bis zum 30.06. - das ist ein überschaubarer Zeitraum - lebst Du abstinent. Und dann schaust Du, wie es Dir damit geht. Lass' den Gedanken doch einfach mal sacken.

    Alles Gute für Dich.

    Achtsamkeit

    "Wenn man weniger beurteilt, wird das Leben freundlicher" sagte mal Ferdinand von Schirach. Seine Sehnsüchte vergessen, einfach mal schau'n, was im hier und jetzt, also auf der Bühne des Lebens, gerade gespielt wird. Man kreist nicht dauernd um sich selbst, glaubt nicht alles, was man gerade denkt und fühlt. Selbstvergessenheit. Loslassen. Achtsamkeit als Gegenpart zum Perfektionismus. Letzterer als Unfreiheit verstanden. Freiheit beginnt dort, wo die Angst aufhört. Keine Angst vor dem Scheitern. "Schiffe im Hafen sind sicher, aber dafür sind sie nicht gebaut." Man ist offen für das Schöne und genießt die gelegentlichen Sternstunden des Daseins. Kein "um zu", sondern im Flow sein. Im Fluss sein. Ins Handeln kommen. Nicht wegen etwaiger Belohnung, sondern aus Überzeugung, etwas Gutes zu tun. Verbundenheit mit anderen Menschen und der Natur. Demut vor dem Dasein. Dankbarkeit für das eigene Da-Sein, für die Liebe meiner Eltern.

    Hallo Thorsten,

    Deine Zeilen klingen nach einem interessanten Leben. Du hast immer wieder Ziele im Leben. Du bist es gewohnt, Deine Ziele zu erreichen.

    In der Reha meinte die Phsycholgin, dass ich ein Ziel getriebener Mensch bin und daher in den Phasen eines mir wichtigen Ziel gar nicht auf die Idee komme zu trinken. Also, muss ich wohl nur das richtige Ziel finden…

    Ich kenne Dich nicht, sondern nur Deine Zeilen hier im Forum. Wenn man die verschriftlichten Worte eines unbekannten Menschen liest, erzeugt dies stets ein Bild im Kopf. Das Bild eines "getriebenen Menschen" passt ganz gut zu dem, was bei mir gerade im Kopf rumschwirrt. (Vielleicht aber auch fälschlicherweise; es ist eben nur ein spontanes Bild in meinem Kopf.)

    Ich tue etwas, um etwas zu erreichen. Dieses "Um zu"-Denken ist ja für manche Lebensaspekte zweifelsohne sehr sinnvoll: Ich studiere, um später mal einen tollen Job auszuüben, ich übe den Job sehr engagiert aus, um mit dem angehäuften Vermögen mir später xy zu leisten. Ich trainiere für einen Stadtlauf, um yz zu erleben. Irgendwann hast Du xy oder yz - und dann?

    Ich hatte mal einer Frau zugehört, die über ihre Erfahrungen, die sie während ihrer Reise auf dem Jakobsweg erlebte, berichtete. Zunächst mal stellte sich das Ganze eher ernüchternd dar: Sie hatte ihr festes Tagespensum, lief den Weg entlang, bekam Blasen, ihre Knie schmerzten, ... Sie hatte der "Beschreitung" des Jakobsweges quasi einem Projektcharakter verpasst. Zwar ohne PowerPoint und Projektplanungssoftware, aber ansonsten reihte es sich von der Art der "Abarbeitung" in das ihr gewohnte Schema ein. Irgendwann war sie so erschöpft (und enttäuscht), dass sie einen anderen Weg wählen musste. Sie hatte zwar weiterhin das ursprüngliche Ziel grob vor Augen, schlenderte aber nunmehr gemütlich durch die Gegend, verweilte dort, wo ihr danach war, führte inspirierende Gespräche, schritt manchmal auch sehr schnell voran, aber nur dann, wenn ihr gerade danach war ... und, auf einmal passierten Dinge in ihr, die sie zu Beginn ihrer Reise nicht für möglich gehalten hätte. Sie empfand sowas wie spontanes Glück. Die Dankbarkeit, an diesem Ort sein zu dürfen, vielleicht auch die Dankbarkeit für das Dasein an sich, war plötzlich für sie wahrnehm- und erfahrbar. Sie hatte Kontakt zu der Welt um sich herum bekommen, anstatt einen Projektplan abzuarbeiten.

    Wofür bist Du eigentlich dankbar in Deinem Leben? Du musst das hier nicht niederschreiben. Es reicht in diesem Fall ein Selbstgespräch mit Dir.

    Ok, ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass er unter 40 läuft. Naja im Mai war der Lauf und ich habe jegliche Art von Training gemacht, die notwendig war um die Chance auf einen Sieg zu haben.
    Ich bin an dem Tag eine 39,20 gelaufen und habe natürlich gewonnen und zwar auf den letzten 500 Metern.

    Das klingt in meinen Ohren ziemlich kompetitiv. Gehört zum Leben dazu, aber ist eben nur eine Facette neben weiteren Facetten.

    Die Entscheidung darüber, was Dir wichtig ist in Deinem Leben, liegt ausschließlich in Deiner Hand. Wie sieht's denn aus, wenn Du Dir gedanklich Dein Leben aus der Perspektive von 2034 - also aus einer Perspektive in 10 Jahren - anschaust: Hast Du ein gutes Gefühl bei der Vorstellung, Dein Leben in den nächsten 10 Jahre im Großen und Ganzen linear fortzuschreiben. Also grundsätzlich so weiterleben, wie Du es jetzt tust? Oder würdest Du im Jahr 2034 vielleicht so etwas wie Trauer über "ungelebte" Facetten Deines bisherigen Lebens empfinden?

    Gut, Du bist jetzt hier wegen Deines Alkoholkonsums. 10 Flaschen Rotwein pro Woche. Was ist denn Dein diesbezügliches Ziel? Wobei, Du hast ja bereits geschrieben, dass die Idee, Dich vom Alkohol zu befreien, für Dich aktuell keinen "Arbeitssinn" ergibt.

    Ich erkenne es bisher ja nicht als Ziel an, welches einen für mich erreichbaren arbeitssinn ergibt. Denn es wäre ja nur ein Sieg für mich und nichts was ich mit irgendwem sinnvoll battlen kann. Ist es eine Leistung aufzuhören, ohne ein hartes Training?

    Ok, für Dich sind anscheinend in erster Linie Dinge gut oder sinnvoll, wenn diese ein "hartes Training" erfordern und/oder ein "battlen" beinhalten. Mich machen mitunter auch Dinge glücklich, die einfach so passieren, aber egal ...

    mein Erschöpfungsgrad größer als mein Aktivleben….

    Ganz ehrlich: Neben allem Respekt vor Deinem Schaffensdrang und Deinen Erfolgen im Leben hatte für mich allein schon das Lesen der selbstgewählten Beschreibung Deines Leben etwas Anstrengendes. Da fehlte mir so was wie Leichtigkeit und Freude, aber vielleicht hast Du uns auch einfach nicht darüber berichtet.

    Nochmal kurz zum Thema Alkohol: Das blöde an Suchtmitteln ist halt, dass diese sich "abnutzen", d.h. jeder Süchtige entwickelt eine so genannte "Toleranz" gegenüber seinem Suchtmittel. Das heißt konkret für Dich: In wenigen Monaten wird Deine bisherige Wochendosis in Höhe von 10 Flaschen Rotwein nicht mehr die gleiche Menge Dopamin [das ist chemische Vorstufe zum Glücksempfinden oder dem Gefühl einer Belohnung] in Deinem Gehirn erzeugen, wie die bisherige 10-Flachen-Dosis es bisher tut. Es gibt jetzt drei Möglichkeiten: Entweder Du trinkst die gleiche Menge weiter; dann bist Du jedoch irgendwann quasi ständig "auf Entzug", weil Dein Hirn die bisherige Belohnungsintensität aufgrund des Abnutzungseffektes jeder Droge vermissen wird. Du könntest natürlich auch stetig die Dosis erhöhen, also etwa jeden Tag 2 Flaschen Wein trinken, um Dein Alkohol-induziertes Glücksempfinden auf einem ähnlichen Level wie bisher zu halten. Dass diese Variante Dich nach einer gewissen Zeit zerstört, dürfte Dir klar sein, da nach kurzer Zeit auch die 2 Flachen pro Tag zu wenig sein werden. Andererseits scheint die Endlichkeit Deines Lebens für Dich gar kein so wirklich trauriger Gedanke zu sein [vielleicht ist das sogar Teil Deines Problems? --- zumindest hieße das für mich im Umkehrschluss, dass Dir Dein(e) Leben(szeit) gar nicht so viel Wert sein kann]. Es gibt auch einen dritten Weg, der allerdings kein einfacher ist: Sich aus den Fängen der Sucht zu befreien.

    It's up to you.

    Für mich manchmal ganz hilfreich: Ich lebe hier nicht "auf Probe", sondern bin mitten in der Aufführung meines Lebens.
    Und wie wir alle wissen, haben wir nur dieses eine Leben.
    Es gibt kein Zweites.
    Punkt.

    - FORTUNE -

    Ich kann die Gedanken von Brant gut nachvollziehen.

    Vor knapp zwei Jahren bin ich umgezogen;
    übrigens in einen Neu-bau.

    Meine Bilanz:
    Vor, während und
    nach dem Umzug habe ich
    (fast) alles verkauft oder landete auf dem Müll.

    Mein innerer Um-bau manifestierte sich in gewisser Weise im äußerlichen Neu-bau, wobei sich das zu einem ganz interessanten Wechselspiel entwickelte.

    Meine Mutter hat mir zur Weihnachtszeit alte Schwarz-Weiß-Bilder aus ihrer Jugendzeit und meiner Kindheit geschenkt. Das hat mich gefreut und finde ich wert-voll.

    Wichtig ist mir also durchaus ein möglichst schöner & wohlwollender Rückblick auf mein bisher gelebtes Leben. Andererseits ist da auch der Nachruf auf mein noch zu lebendes Leben, an dem ich aktiv "schreibe".

    Auf der einen Seite hast Du Recht, auf der anderen Seite KANN das Streben nach dem "erfüllten" Leben auch sehr starken Druck erzeugen. Ich meine, wir sind ja gerade in einer Zeit, maximal befeuert durch die sozialen Medien, wo wir ständig mit den erfüllten Leben anderer Menschen konfrontiert sind.

    Gut, dass Du den Aspekt des "starken Drucks", der auf einen lasten würde, wenn man ein erfülltes Leben in einem - meiner Meinung nach - falsch verstandenen Sinne leben möchte. Quasi als Optimierungswettbewerb für ein "bestes Leben", garniert mit häufigen Vergleich mit anderen, die mir womöglich gerade eine Armlänge voraus sind.

    Die von mir fast schon missionarisch vorgetragene bewusste Visualisierung einer Situation kurz vor dem eigenen Tod hat mich - neben anderen Erfahrungen der letzten Jahre - meiner Endlichkeit bewusst werden lassen. Bas Kast formuliert das in seinem Werk "Das Buch eines Sommers / Werde, der du bist" wie folgt: "Wenn wir unsere Endlichkeit fühlen, wenn wir sie richtig spüren, dann erkennen wir das Leben, wie es ist, bekommen wir einen Sinn für das Wesentliche." Es ist also eher ein Aufruf zum Wesentlichen als für einen eher sinnlosen Leistungswettbewerb. Was "wesentlich" ist, entscheidet natürlich jeder für sich selbst. Vielleicht ist es auch ein Aufruf, von "Dingen", wie Alkohol, Nikotin und mitunter belanglosen Social-Media-Konsums (Was habe ich von Likes?) einfach die Finger zu lassen. Vielleicht auch ein Aufruf, gelegentlich in sich zu schau'n und sich zu fragen: Was tut mir eigentlich gut? Was verhindert ein (nennen wir es mal:) "gelingendes Leben"? Manchmal habe ich mich in der Vergangenheit mit "Dingen" abgelenkt, nur um mich von mir selbst oder Unerledigtes abzulenken.

    Ein "fauler" Tag ist für mich keine Zeitverschwendung. Einer meiner schönsten Tage im Sommer 2022 war ein (ursprünglich) kurzer Spaziergang, der sich spontan zu einer langen Wanderung entwickelte, die mich durch Orte führte, die ich zwar kannte, die aber durch dieses Einfach-So-Dahinschlendern-wo-mir-gerade-nach-ist zu einem besonderen (Glücks)Erlebnis wurde. Ok - das kann man als Außenstehender vermutlich nicht wirklich nachvollziehen. Es geht mir aber auch nicht nur um Zeitverschwendung in dem oben angedeutetem Sinne, sondern auch um emotionale Verschwendung. Zank, Ärger, Wut, Neid sind natürlich auch Teil meines Lebens, aber ich sage mir nunmehr nach kurzer Zeit: Was soll eigentlich dieser Blödsinn? Redet da noch irgendjemand in einem Jahr darüber? Zum Thema emotionale Verschwendung gehört auch der Blick auf Dritte. Nicht, dass mir das völlig fremd wäre, aber es bringt mir letztlich nichts - außer schlechte Laune. Ich bin zwar durchaus eitel, aber dieses kollektive Hinterherrennen nach vergänglichen Äußerlichkeiten finde ich mittlerweile bestenfalls langweilig. Dazu: Ich hatte mir vor einigen Monaten eine nostalgische Kommissar-"Derrick"-Folge angeschaut. Dort sah man die ganze Palette der in den 70er Jahren angesagten Äußerlichkeiten: Vom merkwürdigen Brillengestell über opulente Lautsprecher bis hin zu den hinlänglich bekannten Eichenschrankwänden. Da lächelt man heute zwar müde drüber, aber damals strampelten dafür alle in ihrem Hamsterrad und beäugten mit Missmut das vor der Garage stehende neue Auto des Nachbarn. Irgendwie klingt das alles ziemlich sinnfrei. Es gibt valide Untersuchungen: Nach einem Lottogewinn steigt das Glücksempfinden zunächst an, nach zwei Jahren ist es aber wieder auf dem gleichen Level wie vor dem Gewinn.

    Was ich aber konkret mit dem Thema Scham meine, ist gar nicht die Rückschau, sondern das Momentum. Ich meine es geht doch vielen so, die sich mit ihrem Absprung beschäftigen, dass sie sich nicht in die Augen sehen können. Viele, vielleicht sogar alle gefährlich trinkenden Menschen wissen doch eigentlich was sie da tun. Und ich behaupte mal, ab einem gewissen Grad trinkt niemand mehr gerne. Nur der Absprung gelingt nicht. Sind das nicht die Momente des größten Schams?
    Als aber auch die kurze Zeit danach, wenn man aufgehört hat und sich ggf. in der Rechtfertigungsposition befindet oder erstmal für sich aufarbeiten muss, was da die letzten Jahre gelaufen ist. Und da, so mein Gedanke, ist die Einstellung, sich nicht schämen zu müssen weil man in irgendeinerweise (mit) ferngesteuert gewesen zu sein, ein Guter.

    Alles, was Du hier schreibst, ist durchaus verständlich. So geht es wohl vielen.

    Andererseits haben es nur ganz wenige geschafft, so konsequent, wie Du, wie "rent" und wie einige andere hier, das Steuer des Lebens wieder in die Hand zu nehmen und sich aus den Fängen des Ethanols zu befreien. Irgendwann wird die Zeit kommen, die Gefühle des Schams ziehen zu lassen und zu verabschieden. An sich könnt Ihr alle sowas von Stolz sein, dass Ihr heute da steht, wo Ihr steht.

    Der wohlwollende Blick auf die damaligen Umstände ist m.E. maßgeblich dafür, um seinen Frieden mit der Suchtzeit finden zu können.

    Das ist doch wunderbar formuliert: Die Akzeptanz Deines bisherigen Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen, das Dich letztlich zu dem gemacht hat, was Du gerade bist, ist vermutlich der einzige Weg zu nachhaltigem inneren Frieden. Die nächste Stufe ist Dankbarkeit. Dass Du das Wunder des Lebens überhaupt kennen lernen durftest, dass Du Dich vor zig Jahren durch Zellteilung - welch irrer Zufall - zu dem entwickeln durftest, was Du gerade bist. Ich kenne Dich nicht, habe aber den Eindruck, dass Du Dich eigentlich ganz gut findest. Vielleicht irgendwann auch Dankbarkeit dafür, dass Du in den Untiefen des Lebens schwimmen lernen musstest. Manche bleiben Nichtschwimmer bis zum Lebensende.

    Und auch diese Scham, dieses Nichtakzeptieren hat mutmaßlich mit dazu beigetragen, dass ich mich nicht meinem Problem gestellt habe.

    Beim Thema Scham fällt mir vor allem ein Punkt ein: Der Schmerz über ein ungelebtes Leben. Wenn man irgendwann unmittelbar vor seinem Ableben steht und sich dann selbst eingestehen müsste, dass man ein ungelebtes Leben geführt hat, dass man Chancen immer wieder verstreichen ließ, dass man lethargisch vor sich hin lebte, dass man keine Spuren im Diesseits hinterlassen hat - ja dann würde man vor seinem Tod nochmals damit konfrontiert werden, dass man es vergeigt hat und nix mehr tun kann.

    Da wir ja gerade im Leben stehen mein bescheidener Tipp: In Richtung Leben gucken.

    Ich mag es überhaupt nicht, (Lebens-)Zeit zu verschwenden. Es kann ja durchaus sinnvoll bis notwendig sein, sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen oder diese gar schätzen zu lernen, aber es gilt auch hierbei: Jede (unnötige) Minute, die wir in der Vergangenheit schwelgen, behindert uns ein wenig, in Richtung Leben zu gucken.


    Wahrscheinlich verändert sich meine die Wahrnehmung mit zunehmender Dauer der Abstinenz hier auch noch mal und ich kann deinem wohlwollenden Blick zurück - FORTUNE - was mehr folgen als ich gerade dazu in der Lage bin. 😉

    Das könnte klappen ;) Und denk immer daran, welcher Film in den letzten Minuten Deines Lebens mal auf Deiner geistigen Leinwand aufgeführt werden soll. Du kannst an Deinem Drehbuch des Lebens durchaus noch kräftig mitschreiben. Viel Spaß dabei!

    ... nach einer Trinkpause von 6 Monaten, habe ich wieder angefangen. Deswegen überlege ich die ganze Zeit, konnte ich wirklich mein Handeln steuern und ich hab da Schwierigkeiten eine Antwort zu generieren. Ich glaube, ich wusste es einfach nicht besser, mir war einfach nicht bewusst was ich da tue und auf was ich zusteuere. Ich habs schlicht ignoriert und mich treiben lassen.

    Man kann zwar sein Leben nach vorne gestalten, aber immer nur rückblickend verstehen.


    Was Dich womöglich auszeichnet, ist die Eigenschaft, dass Du Dinge 100%ig machst, wenn Du sie machst. Oder eben mit "Vollgas", wie Du es mal selbst bezeichnet hast. Vielleicht ist das eine Deiner Stärken?

    In Deiner Alkoholzeit hast Du eben mit Vollgas getrunken. Wenn's denn mal irgendwo "gezwickt" hat und der Körper schon 12 oder kurz nach 12 signalisiert hat, bist Du auf dem Gas geblieben. Eben kein Weichei oder Zweifler, das bzw. der bei den ersten Wehwehchen/Zweifeln aufgibt, das/der aus "Schiss" vor etwaigen Konsequenzen, schnell die Richtung ändert. Mit dem gleichem Maß an Beigeisterung (oder, um bei dem Wording zu bleiben: Mit Vollgas) lebst Du jetzt Dein erfülltes Leben ohne Alkohol. Für solche Menschen gibt's dann auch keine großen Diskussionen und bedarf es in der Regel auch keine langwierigen Therapien. Da gibt's einen neuen Weg, von dem Du nunmehr 100%ig überzeugt bist. Und dieser Weg wird mit eben dieser festen Überzeugung beschritten. Punkt.


    Fatal, eigentlich. Das Bewusstsein wiederum, sich als Ziel ein ERFÜLLTES LEBEN aufzubauen, kam erst JETZT.

    Vergangenheit ist vergangen. Das stimmt zwar, ist aber nur halb richtig. Es war einer meiner Sternstunden im letzten Jahr als ich in dem Buch "Erfülltes Leben" von Friedmann Schulz von Thun über die "Biographische Erfüllung" des Lebens las. Der Autor hatte angeregt, mal darüber nachzudenken, wie denn ein Film über mein Leben so aussehen würde. Das ist eine wirklich spannende Frage. Welche Geschichten erscheinen dort? Welche Schlüsselszenen sollen dort unbedingt vorkommen? Welche Momente waren es, die entscheidende Weichen in meinem Leben stellten? Und vor allem: WER hat denn überhaupt die Weichen verstellt oder richtig gestellt? Die letzte Frage ist übrigens durchaus entlastend: "Jeder ist zwar seines Glückes Schmied", aber es gilt auch: "Du bist das heiße Eisen auf dem Amboss Deines Schicksals." Es ist ja allein schon ein Unterschied, ob ich in Deutschland oder in Bangladesch geboren wurde - um mal ein plakatives Beispiel zu nennen.

    Im Leben gibt es Situationen, wo man noch nicht so weit ist, wo eine Lernkurve noch nicht begonnen hatte, wo - damals - hingegen gute Gründe dafür sprachen so zu handeln, wie man gehandelt hat. Deshalb - so meine Überzeugung - sollte man das Buch seines eigenen Lebens (oder den Film über sein eigenes Leben) mit viel Wohlwollen und Blick auf die damaligen Umstände schreiben. Nicht als Ausrede, sondern als eine wesentliche Basis für ein gelungenes Leben. Das berührt nämlich Deinen Kern, Deine Identität, Deine Wurzeln. Ich kann z.B. eine Trennung in meiner eigenen Lebensbilanz als Verlust deklarieren und mir gar noch die Schuld dafür zuschreiben; ich kann aber auch einfach dankbar für die gemeinsame Zeit sein und die Trennung vielleicht sogar als Wink des Schicksals ansehen, die mir neue Türen öffnete, die vormals verschlossen waren. Deshalb ist es für geradezu eine Verpflichtung, mein eigenes Leben in ein schönes Licht zu stellen. Ich wäre ziemlich dumm, wenn ich das nicht tun würde, zumal es gute Gründe gibt, es zu tun.

    ... das dort die Aussage im Raum steht, dass ein jeder weiss, wohin übermäßiger Alkoholkonsum führen kann.

    Und ich frag das mal ganz direkt: Weiß ein jeder das wirklich?

    In Deutschland werden circa 10 Liter reiner Alkohol pro Kopf/Jahr (Lebensalter: 15 Jahre und älter) konsumiert. Das entspricht so ungefähr 20 Gramm reiner Alkohol pro Tag. Also ein 1/2 Liter Bier oder 0,2 Liter Wein.

    Das ist nicht wenig, da es sich hierbei um Durchschnittswerte handelt. Trinkt der Durchschnittsdeutsche einen Tag keinen Wein, müsste er am nächsten Tag schon 0,4 Liter trinken, um wieder im Durchschnittsbereich zu landen. Wenn man dann noch die mittlerweile durchaus nicht ganze geringe Anzahl der Nicht- und Wenigtrinkern berücksichtigt, wird klar, dass der verbleibende Rest schon recht hohe Mengen an Alkohol konsumieren muss, damit die o.g. Durchschnittsmengen auch erreicht werden.

    Die Frage war ja nicht, ob viele Menschen "übermäßig" Alkohol konsumieren, sondern, ob ihnen bewusst ist, wohin das führen kann. Ich denke eher nicht. Ich persönlich fand Wenigtrinker unsympathisch. Gar-Nicht-Trinker fand ich noch merkwürdiger. Eine nach meinem damaligen Empfinden eher bemitleidenswerte Spezies. Warum sollte ich mir also Sorgen machen um meinen Konsum? Ich stand auf der richtigen Seite, hatte aber auch nie exzessiv getrunken, was mich in meiner Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, noch mehr bestärkte. Ich trank halt "nur" regelmäßig.

    Ich hatte bereits ein halbes Jahr vor meinem damaligen Alkohol- und Nikotin-Stop meinen Alkohol- und Nikotinkonsum deutlich gesenkt. Obwohl meine damalige Abstinenz aus einer Phase mit sehr moderatem Konsum erfolgte, waren die Effekte der Abstinenz für mich nach einigen Wochen direkt spür- und erlebbar. Für mich ist seitdem klar, dass ich - obwohl ich kein Alkoholiker bin - jetzt und künftig Alkohol nur in zeitlich größeren Abständen und sehr gering dosiert trinken werde. Trinken "auf Wirkung" ist für mich kein Thema mehr. Den "Zauber" hatte der Alkohol allerdings auch schon Monate vor meiner zeitweisen Abstinenz verloren. Vielleicht gab es diesen Zauber auch nie und es war auch schon damals eine Illusion - keine Ahnung. Das Zeugs interessiert mich einfach nicht mehr. Die letzte Zigarette habe ich vor gut einem Jahr geraucht. Bemerkenswerterweise triggern mich Zigaretten in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder, aber bisher nicht in dem Maße, dass ich nicht widerstehen konnte.

    Nun bin ich vor kurzem über einen Podcast gestolpert, der dazu anregt darüber nachzudenken, inwiefern sind wir eigentlich verantwortlich für unseren Alkoholmissbrauch oder unsere Sucht? Wo liegt eigentlich unserer Eigenverantwortung und warum schämen wir uns so tief?

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich, wenn ich nicht die Reißleine gezogen hätte, Alkoholiker geworden wäre. Vielleicht wäre es jetzt schon soweit, vielleicht in drei oder vier Jahren. So konnte mein Leben neu gestalten und bin wirklich dankbar, dass ich diese Chance erhalten habe, ohne erst Tiefpunkte erkunden zu müssen. Jetzt könnte ich hier rumtönen und behaupten: Seht her, man kann den tiefen Fall in die Sucht vermeiden, indem man vorher abbiegt. Letztlich war es bei mir eher ein Glücksfall, dass ich die Abbiegung noch vor der Klippe gefunden habe. Da mache ich mir selbst nicht vor. Man ist vielleicht insofern "verantwortlich" für seine Sucht oder gar seine Süchte, als man in seinem bisherigen Leben zu wenig Wert auf ein erfülltes Leben gelegt hat.

    Ich habe mittlerweile ein sehr schales Gefühl bei Aussagen oder Aufrufen, die den Konsum von Alkohol auf der einen Seite legitimieren, aber gleichzeitig zur Vorsicht aufrufen.

    Mein Eingangsstatement zeigt auf, dass zu viel Alkohol getrunken. So gesehen hast Du zweifelsohne recht, wenn Dich die Teil-Legitimierung des Alkoholkonsums stört. Andererseits gibt's auch nicht wenige Menschen, die tatsächlich sehr moderat trinken und bei denen man tatsächlich sagen kann, dass diese Personen "Genusstrinker" sind. Generell fehlt schon das Bewusstsein in großen Teilen der Bevölkerung, dass Alkoholkonsum schon ein Ritt auf der Klinge ist. Man kann auch fallen. Das sollte jedem bewusst sein, ist es aber nicht. So gesehen teile ich Deine Aversion gegen gewisse Werbeslogans durchaus.


    Ein "Ritt auf der Klinge" sind allerdings auch so manch andere Sachen, die wir heutzutage nur allzu gern zelebrieren: Internet-Konsum, Sport als Droge, Ernährungs- und Selbstoptimierungswahn, etc., etc. Diese "Disziplinen" haben ebenfalls das Potenzial, dass man bei deren "Nutzung" die Kontrolle schneller verliert als es einem lieb ist. Bei mir war beispielsweise bis vor Kurzem die tägliche Dosis meiner Internetnutzung (viel) zu hoch. Ich habe wirklich gestaunt als ich das Ganze mal über einen gewissen Zeitraum getrackt habe. By the way: Internetforen sind in diesem Kontext auch nicht gerade Nebenwirkungs-frei ;)

    Es gibt also durchaus andere Drogen, die ihre Fühler ständig nach uns ausstrecken und die man folglich kritisch hinterfragen sollte, da sie einem ansonsten auch schnell ein Nikotin- und Alkohol-freies Leben verhageln können.

    Hi Mia,

    nur nochmal ein paar Gedanken von meiner Seite ...

    Es ist hier einiges hier in Deinem Thread geschrieben worden, wofür Du offenbar dankbar bist. Wir freuen uns natürlich, wenn unsere Gedanken auf positive Resonanz stoßen. Aber letztlich geht es um Dich und auch unterstellt, dass Du einige Dinge hier mit Deiner Dir gegebenen Neugier aufgesogen hast, geht es vor allem um die Frage: Wie bekommst Du die PS auf die Straße? Anders ausgedrückt: Was bringt Dich wie KONKRET voran?

    Es erreichten Dich diverse Buchempfehlungen, Verhaltensempfehlungen, Empfehlungen für Dein Mindset, ... allein schon das Lesen der Bücher würde Wochen füllen ... die an sich gute Idee, auch das Rauchen sein zu lassen ... mich würde das, trotz aller Sinnhaftigkeit der einzelnen Beiträge, eher stressen.

    ZEIT ZUM FOKUSSIEREN: Was ist denn wirklich "Handfestes" dabei? Also Dinge, die Dir vielleicht unmittelbar helfen können? Wenn wir schon von Fokussieren reden, gilt natürlich an vorderster Front: JEDER TAG OHNE TRINKEN IST EIN GUTER TAG.

    Hier mag die von AmSee ziterte Erkenntnis von Beppo, dem Straßenkehrer, im Buch „Momo“ von Michael Ende helfen. Bei mir gibt's jeden Monat ein konkretes Motto, z.B. "In Dir ist viel Schönes und Wertvolles - zeig' es!" Das ist überschaubar und konkret; nicht irgendeine auf zig Seiten hinterlegte Theorie. Mit jedem Monat wächst das Ganze.

    Noch ein Sache, die mir auffiel, aber nicht zutreffend sein muss (ich kenn' Dich ja nicht):

    Du hast nichts über eine regelmäßige Beschäftigung geschrieben (oder ich hab's überlesen). Ich habe durchaus den Wert von einigen REGELN für mich entdeckt: Regelmäßiges Zu-Bett-Gehen und den Genuss an einer mitunter durchaus anstrengenden BESCHÄFTIGUNG/AUFGABE. Manche zieht's ja sogar ins Kloster, um zu sich zu kommen. Dort gibt's eben ein recht starkes Regelwerk: Morgens sehr früh aufstehen, gemeinsam beten (mehrmals am Tag zu fixen Zeiten) und zumeist auch konkrete Arbeiten, die durchaus anstrengend, aber auch erfüllend sein können. Das soll jetzt keine Werbung für einen Klosteraufenthalt sein (ich war dort selber noch nicht), aber sehr wohl die ernst gemeinte Anregung, Dich in eine konkrete Beschäftigung zu "stürzen". Keine kopfige Aufgabe, sondern konkretes Tun. Vielleicht auch ehrenamtlich im sozialen Bereich oder so was in der Art. Keine Ahnung. Vielleicht hast Du ja auch eine Beschäftigung. Umso besser. Vielleicht lernst Du deren Wert dann noch mehr zu schätzen oder falls nicht möglich, gibt es mit etwas Geduld die Möglichkeit zu einer Tätigkeit, die Dir ggf. noch mehr entspricht. Wir reden bei einer "Beschäftigung" immer von einem GEBEN, von etwas SINNSTIFTENDEM. Das muss nicht unbedingt heißen, dass diese Tätigkeit etwas sonderlich Großes ist. Das wird völlig überbewertet. Und was ist schon ganz groß? GLÜCK liegt vielfach im Einfachen, im Alltäglichen. Man muss nur bereit sein, es zu sehen. Dazu hatte ich hier einen Link zum Nachtcafé hinterlegt. Ist nach wie vor ein Tipp von mir. Aber gerade beim Thema Glück hilft Entspannung und Geduld: Je mehr man danach sucht, desto weniger findet man es. Je mehr man danach greift, desto mehr entrinnt es einem.

    So blöd es auch klingt: Mitunter kann es helfen, wenn der Kopf etwas weniger zum Denken kommt. Neben der bereits oben genannten regelmäßigen Arbeit/Engagement hilft mir Bewegung in der Natur (muss nix Großes sein; regelmäßige Spaziergänge reichen) und ein paar offene Ohren und respektvolle Münder (auch hier gilt meines Erachtens: wenige gute Freunde schlagen viele eher oberflächliche Events). Das Ganze dann noch garniert mit einer mindestens mittelgroßen Prise Humor. Fertig ist das schmackhafte Lebensgericht. Wichtig ist: Fast alles dazu ist in Dir. Ich weiß: Darüber schreiben ist einfacher als es zu tun. Wobei: Nix mehr trinken als Voraussetzung für alles: Das ist machbar, wie Du siehst. Nicht immer einfach, aber es zahlt sich aus. Eine Beschäftigung? Arbeitskräfte werden aktuell gesucht; man kann ja - nur ein Beispiel - in einem Café arbeiten. Keine Ahnung. Aufhören kann man jederzeit. Freunde? Hast Du, wie Du selbst geschrieben hast. Humor? Also allein schon mein Leben bietet fast jeden Tag genügend Realsatire.

    @Mia und andere: In nächster Zeit werde ich meine Forentätigkeit erstmal einstellen. Das hat nix mit diesem Forum und schon gar nichts mit Dir, Mia, zu tun. Ich habe seit dem Sommer mir durchaus Zeit genommen, um über mich und mein Leben nachzudenken. Ich empfand das wichtig und bin jetzt an einem Punkt, wo ich mir sage: Ich habe meinen Frieden mit mir gefunden und freue mich auf die nächsten Jahre. Es gibt jetzt ganz konkrete Menschen und Lebensbereiche, wo ich meine Energie rein gebe. Ja, und darauf freue ich mich. Aber auch nochmal Zeit zum Danke sagen an AmSee & Co.

    Für Deinen weiteren Weg, liebe Mia: Alles Gute!

    - Fortune -

    Abstinenz bringt Demut und (positive) Lebensveränderung.

    Für mich ist die Abstinenz erstmal der notwendige, unerlässliche Rahmen, in dem ein zartes Pflänzchen zu etwas Wundervollem wachsen kann.

    Es gibt ja auch Normalos, die wenig bis gar nichts trinken, und dennoch überhaupt keinen Demut vor dem Leben entwickelt haben und es einfach verleben. Und Alkoholiker, die nichts mehr trinken, haben damit längst noch keine Eintrittskarte in ein nachhaltig schönes Leben erworben, aber immerhin die Chance, ein solches Leben nunmehr zu leben. Ob man die Chance auch wirklich nutzt, ist die Entscheidung jedes Einzelnen. Ich habe ja Respekt vor jedem, der das tut. Aber laut Statistik tut das die Mehrheit (leider) nicht.

    Für mein Leben überstrahlt die folgende Erkenntnis eigentlich alle meine Lebensbereiche in einem angenehmen Licht:

    LERNE DEINE LEBENSZEIT ZU SCHÄTZEN

    Das hat mir im Übrigen auch bei Trennungen und allgemein beim Loslassen geholfen.


    Noch ein Aphorismus, der zumindest für MICH gelegentlich hilfreich ist:

    Wer will, findet Wege.
    Wer nicht will, findet Gründe.

    nd ich habe die letzten Tage mich intensiver mit meinem Umfeld auseinandergesetzt. Also mit dem Gedanken, mein Umfeld zu verlieren dadurch, dass ich halt als Saufbuddy ausfalle. Und mittlerweile ist es mir auch wirklich egal, das muss man so sagen. Ich habe erst in den letzten Tagen und Wochen, gerade durch den Beginn der Eishockey Saison verstanden, wie sehr der Alkohol eigentlich der Kit zwischen uns gewesen ist.

    Meine Beobachtung: Wenn Menschen eine gewisse Menge an Alkohol trinken, wird die Lautstärke der Gespräche in dem Maße lauter, wie das Niveau der Unterhaltung sinkt. Von außen kann man das gelegentlich mit staunenden Augen betrachten. Früher dachte ich, dass zumindest MICH der Alkohol kreativer, witziger und sonstwas Nettes macht. Dazu liefert Annie Grace in einem ihrer Bücher folgendes Zitat: "Lieber Alkohol, wir hatten eine Abmachung, dass du mich witziger, schlauer und zu einem besseren Tänzer machen würdest ... Ich habe mir das Video angesehen ... Wir müssen reden!"

    Dennoch habe ich davon Abstand genommen, Alkohol generell zu verteufeln. Immerhin hat er mir mal gut geschmeckt und - wenn ich ehrlich bin - durchaus schöne, intensive und mitunter recht lustige Momente geschenkt. Das lässt sich nicht leugnen. Warum auch? Es ist Teil meines Lebens. Und es gibt ja auch einige Menschen, die Alkohol ihr Leben lang nur unregelmäßig und in zumeist geringen Mengen trinken. Ist doch völlig in Ordnung; das kann funktionieren, sogar gut funktionieren. In einem anderem Forum, wo ich irgendwann mal passiv gestöbert habe, gibt es einen Thread, in dem ein Forist (heißt das so?) vehement zum Besten gab, dass Alkohol generell & immer doof sei, er also selbst für Normalos ausschließlich Nachteile hätte. Darauf berichtete jemand von seinem Freund Anton, der gerade von seiner Freundin Claudia verlassen wurde. Anton beschrieb Claudia mit allen nur denkbaren negativen Eigenschaften und hob schließlich noch hervor, dass er doch soooo frooooh sei, dass er nun endlich ohne Claudia leben dürfe. Nach dem ersten Anruf von Claudia saß Anton natürlich sofort wieder auf dem Schoß seiner "Liebsten".

    Menschen, die längere Zeit über ihren Durst getrunken haben, sich dessen bewusst geworden sind, und nunmehr ohne Alkohol bzw. mit sehr wenig Alkohol leben (sofern letztere die Schwelle des Alkoholikers noch nicht gerissen haben), haben immerhin einen entscheidenden Vorteil gegenüber Normalos: Sie haben - sofern sie die richtigen Schlüsse für sich gezogen haben - zumeist mehr Demut und Achtung vor ihrem verbleibenden Leben verbunden mit der Chance zu einer Abkehr von einem vor sich hinplätschernden ungelebten Leben. Quasi ein Tritt ins geistige Hinterteil, der die Chance zum Eintritt in eine bewusstere Lebensgestaltung bietet.

    Ich hoffe das zarte Pflänzchen trägt mich noch sehr viel weiter.
    Fühlt euch alle gedrückt und danke für diesen Raum und dass es euch gibt

    Hi Mia,

    schön von Dir zu hören.

    Zwei Gedanken von meiner Seite:

    Mir hat es damals - also über einem Jahr - sehr geholfen, dass mich einige Menschen unterstützt haben. Ein gute Freundin hat mich zu dem Zeitpunkt oft begleitet. Wenn ich dann äußerte "Am Nachbartisch sehe ich gerade ein frisch gezapftes Bier stehen; sieht ja ganz nett aus" hieß es gleich "Vergiss es". Meistens war das eher spielerisch, wenn auch mit ernstem Hintergrund. Vor allem konnte ich ihr meine Geschichte erzählten, bei der es ja nicht nur um nicht mehr trinken (und rauchen) ging. Sie war eine gute und geduldige Zuhörerin. Auch ein guter Freund hat das Ganze verfolgt. Von ihm kam dann nach ein paar Wochen die Anmerkung, dass mein Äußeres an Kontur gewonnen hätte, ich irgendwie besser aussehen würde. Auch das war eine wichtige Person, die mir geholfen hat, das ich jetzt da stehe, wo ich stehe. Ich hatte in Deinem Thread etwas von Panikattacken gelesen, mit denen Du in Deinem Leben gelegentlich konfrontiert wurdest. Mitunter kann es passieren - das muss bei Dir nicht so sein -, dass am Anfang der Abstinenz Ängste weider etwas an Gewicht gewinnen, da die dämpfende Wirkung des Alkohols wegfällt. Ob Du diesbezüglich ggf. professionelle Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, kannst nur Du selbst erspüren und entscheiden.

    Für mich war es damals weiter sehr hilfreich, vielleicht sogar entscheidend, parallel zur Abstinenz eine "Sache" in meinem Leben spürbar zu ändern, um auf diesem Weg meinen Neustart mit etwas Positivem zu behaften. In meinem Fall waren dies Spaziergänge/Wanderungen in der Natur - und zwar täglich. Diese Verbindung zur Natur war für mich sehr wichtig. Aber da ist jeder anders. Vielleicht fällt Dir ja etwas Schönes ein, das Du in Dein Leben integrieren möchtest und das gut zu Dir passt und vor allem: Dir gut tut.

    Als Abbinder noch etwas inspirierendes zum Thema Glücklichsein: Gestern Abend hatte ich mir eine ältere Sendung des SWR Nachtcafès angeschaut. Ab 1h 10' berichtet ein über 70jähriger aus seinem Leben. Und er berichtet nicht nur, am Ende tanzt er. Ganz großes Kino. Der Mann gefällt mir.

    https://www.youtube.com/watch?v=UmB-zNfnoUw

    Einen schönen Sonntag wünscht:

    Fortune

    Ich bin nicht in perfekten Bedingungen aufgewachsen und würde aber auch sagen, dass

    Ich möchte hier eine Sache noch richtig stellen: Wenn man nicht in perfekten Bedingungen aufgewachsen ist, ist das sicherlich eine gewisse Bürde gegenüber denjenigen, die in ihrer Kindheit mehr die Sonnenseiten des Lebens kennen gelernt haben, wobei zu viel Sonne bekanntermaßen auch ihre Schattenseiten haben kann. So gesehen: Jeder, der dem Alkohol adé gesagt hat, hat meinen Respekt. Jeder, der dies unter erschwerten Bedingungen geschafft hat, hat meinen allergrößten Respekt. Punkt.

    Und mal ganz ehrlich, was gibt es für ein schöneres Projekt als sich selber? Heißt es nicht, in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist? Und wenn ich mir ernsthaft die paar wenigen Bilder die es von mir aus dem letzen Jahr gibt, ansehe, oh meine Güte, wie sehe ich da aus. Genau das arbeite ich aktuell auf, ich hab ja oben erzählt ich bin (auch) Fotograf und mein neustes Fotoprojekt bin ich selber. Das ist zwar ziemlich komisch und ich fühle mich dabei auch ein wenig (wenig mehr) narzistisch aber who cares.

    Jeder Mensch sollte sich selbst zu seinem "Lebensprojekt" machen; wir haben schließlich nur ein Leben. Andere Projekte kommen und gehen. Fotografie finde ich übrigens auch spannend. Es ist schön, bestimmte Momente, bestimmte Stimmungen festzuhalten und ggf. sogar zu bearbeiten. Manchmal darf man Dinge auch etwas schöner malen als sie sind.

    Ja, die Gefahr ist sehr groß, dass man abhängig wird, wenn über einen gewissen Zeitraum stark konsumiert. Aber ich könnte in dem Zuge die Frage stellen, warum habe ich denn von Anfang an mehr konsumiert als der Durchschnitt? Wer hat mich dazu gedrängt, hätte ich mich nur besser unter Kontrolle haben sollen? Wäre ich dann nicht süchtig geworden? (nicht falsch verstehen, ich will mit dieser Frage nicht meine Eigenverantwortung abgeben)

    Prof. Dr. Lindenmeyer von den Saulus Kliniken berichtet in dem Video ab 8' 40'' aus seiner fachlichen Sicht über Ursachen der Sucht. Merkmale wie "Persönlichkeit/Charakter" oder "Vererbung" oder selbst "schwere Schicksalsschläge / schlimme Kindheit" lassen sich nicht mit ausreichender statistischer Belastbarkeit als Ursachen für eine spätere Sucht identifizieren, obwohl ja viele meinen, dass das doch so sein müsse. Der Professor hat schließlich resümiert "Da muss viel zusammen kommen". Er skizziert im Anschluss ein ganz gutes Beispiel, das die Entstehung einer Sucht visualisieren soll.

    https://www.salus-kliniken.de/lieber-schlau-…-kanonenkugeln/

    Lieber rent, ich möchte auch gar nicht in Frage stellen, dass in Deinem Fall bestimmte Ursachen identifizierbar sind und Du folglich daran "arbeitest", diese Ursachen zu beseitigen, also das Loch oder die Leere zu füllen, wie Du selbst sagtest. Ich habe in den letzten Wochen auch noch mal einen Blick auf meine Vergangenheit geworfen, in erster Linie mit dem Ziel, meine Biographie für mich selbst mit einer wohlwollenden Feder zu schreiben, dankbar für Erfahrungen zu sein, die manchmal auch schmerzhaft waren und "Fehler" von mir und anderen, sofern man es denn überhaupt so nennen möchte, in einem milderen Licht zu sehen. Etwas Güte walten zu lassen. Und die Vergangenheit jetzt das sein zu lassen, was sie ist: vergangen.

    By the way: Deine Zeilen zu Hermann Hesses "Siddhartha" und "Steppenwolf" fand ich interessant.

    Ich glaube er hatte erst Siddhartha geschrieben, was ja für ihn ja irgendeine erlebte Erlösung bedeutet haben muss und später den Steppenwolf, was aus meiner Sicht auch seine Verzweiflung, sein nicht "Angekommen sein" ausdrückt.

    Trotz aller Suche ist Hesse offenbar nicht angekommen. Ich finde übrigens, dass man manche Dinge viel eher findet, wenn nicht zu sehr danach sucht. Manche Dinge sind eben mitunter einfach ein "Nebenprodukt" von etwas anderem. Direkt herbeiführen kann man Schlaf, Selbstbewusstsein & Glück nicht. Im Gegenteil: Jeder bewusste Versuch des Herbeiführens ist der garantierte Weg zum Scheitern. Man kann aber jeden Tag die "Saat" für die Nebenprodukte aussäen - und später ernten.

    Ich spreche hier über meine persönlichen Erfahrungen und über mein persönliches Mindset, das in den letzten Monaten nochmals ein "Update" erfahren hat. Und da jeder seine eigene Geschichte hat und da jeder aus dieser Geschichte auch jeweils andere Konsequenzen für sich zieht, können meine Zeilen bestenfalls etwas Reibungsfläche fürs eigene Weltbild bieten.

    Du schreibst, dass bei dir dieser beängstigende Verdacht im Raum stand, der dich nach einer Weile dazu veranlasste, deinen Konsum einzuschränken.
    Bedeutet dass, du hast zunächst genauso, oder vielleicht aus so einem „jetzt ist eh egal“ Gefühl noch mehr getrunken?

    Ich habe zunächst genau so weiter getrunken. Insbesondere das Rauchen ging mir schon seit Jahren selbst auf den Keks, aber ich habe immer auf den richtigen Moment zum Aufhören gewartet. Das Problem an dieser "Taktik" ist, dass der richtige Moment nie kommt. Diese Verdrängungsstrategie beinhaltet ja implizit die Annahme, dass man zuerst seine Probleme lösen müsse und dann könne man problemlos die Zigaretten und den Alkohol weglassen. Es ist aber genau umgekehrt: Wenn man mit Trinken und Rauchen aufhört, verschwinden nicht alle, aber bereits die meisten Deiner Probleme.

    Nach sechs Wochen ohne trinken war ich zwar froh über meinen klaren Kopf und dass ich wieder mehr aus meinem Potenzial schöpfen konnte, aber jetzt frage ich mich rückblickend und wütend, warum mich das nicht in meiner Abstinenz bestärkt hat, sondern sich gleichzeitig wieder die Sehnsucht nach dem Rauschgefühl in mir ausgebreitet hat).

    Na ja, immerhin hast Du schon mal ein paar positive Begleitumstände des Nicht-Trinkens kennen gelernt, die sich doch ganz gut anfühlen. Grundsätzlich ist es erstmal normal, dass Dir Dein Kopf gewisse Geschichten erzählt oder Dir gar gewisse Sehnsüchte schmackhaft macht. Man sollte aber nicht den Fehler machen und alles glauben, was Dein Kopf Dir so alles erzählt und gar vorschwärmt. Da stecken mitunter einfach Bilder der Vergangenheit hinter, die für Dein aktuelles Leben keine Relevanz mehr haben, ja sogar massiv schädlich sein können. Hör Dir die Geschichten mit einer gewissen Distanz ruhig an. Dort gilt zumeist: Je mehr Du dagegen ankämpfst, desto blöder wird's. Irgendwann kannst Du über Dein inneres Plappermaul sogar lachen. Mir haben in solchen Situationen, also wenn mich mein inneres Plappermaul mal wieder zulaberte, zwei Dinge konkret geholfen: (1) Visualisiere Dir das Tagesergebnis des von Deinem Plappermaul geäußerten Konsumwunsches: Das erste Bier, die erste Zigarette mag durchaus ihren Reiz haben, nach der x. Zigarette/nach dem x. Bier ist nix mehr mit Wohlbefinden - Stell' Dir also genau diesen Moment nach x Bieren vor, wenn der Wunsch nach dem ersten Bier aufkommt. (2) Vertraue darauf, dass das aufkommende Gefühl des Suchtdrucks ansteigt, ansteigt - und dann wieder kleiner wird bis es verschwindet. Einfach mal beobachten. Das ist immer so. Wenn Du das ein paar mal beobachtest, verstärkt sich Dein Vertrauen in Deine Selbstwirksamkeit. Klingt komisch, aber es gilt: Glaub auch nicht jedem Deiner Gefühle in Dir, schon gar nicht denen, die durch ein krankes Suchtgedächsnis befeuert werden und Dich immer mal wieder volllabern.

    Du schreibst von einer glücklichen, erfüllten Kindheit. Da habe ich aufgemerkt. Darf ich fragen, wie du- trotz diesem Fundament- in die Sucht geraten bist?
    (Bisher habe ich immer angenommen, dass Sucht von Suche kommt und auf einem Mangel basiert, der in der Kindheit entsteht. Vereinfacht ausgedrückt. Deswegen würde mich deine Antwort sehr interessieren!)

    Das Wort Sucht hat etymologisch mit dem Wort suchen nichts zu tun, sondern kommt von siechen, also an einer Krankheit leiden. Ich finde Menschen im allgemeinen und auch die Wissenschaft, die sich mit dem Verhalten von Menschen - also die Psychologie - beschäftigt, durchaus spannend. Ich bin allerdings vorsichtig bezüglich einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge bei komplexen Themen geworden. Meist sind das eher Glaubenssätze, die vielfach kein guter Ratgeber für die eigene individuelle Situation sind.

    Abhängig wird man, wenn man über einen gewissen Zeitraum zu hohe Mengen konsumiert. Punkt. Das ist zunächst mal der ganze Zauber. Bei manchen Drogen reicht einmaliger Konsum - und man ist abhängig. Die Kindheit ist dabei völlig nebensächlich.

    Mitunter ist sogar der (irrige) Glaube an einem etwaigen Mangel in einem der eigentliche Grund, das ich dann auch tatsächlich einen Mangel verspüre und irgendwann auch mangelhaft bin. Gerade beim Drogenkonsum herrscht doch bei den Konsumenten fast immer VOR der Abhängigkeit der Irrglaube vor, dass ich irgendwie nicht vollständig sei, dass es mir an irgendetwas mangele. Wenn man nicht gerade psychisch krank ist, sind wir aber bereits von Natur aus vollständig. Im Jahre einer langen Evolution wurden wir so geschaffen, wie wir sind: Kleine Wunderwerke, die aus einer Zellteilung entstanden sind.

    Bei mir spielt eine gewisse Rolle, dass ich ein ADHSler bin - mit allen Vorzügen und Nachteilen. Für diese Menschen haben Drogen wie Alkohol eine gewisse dämpfende Wirkung. An sich war Alkohol lange einfach ein guter Freund, der jedoch bei ehrliche Betrachtung bereits vor Jahren an Reiz verlor. Ich war eh nie eine starker Trinker, aber der Rauschzustand, den ich mal genossen hatte, ließ sich einfach mehr in dem Maße herstellen, wie ich es aus der Erinnerung kannte. Der Zauber war bei mir schon vor einigen Jahren in zunehmenden Maß verflogen; ich hatte es nur nicht sehen wollen, da die Bilder der Vergangenheit, die mal richtig waren, längst zu einem überkommenden Relikt geworden sind. Vielleicht war es auch nie so schön, wie ich mal dachte? Wer weiß.

    Und während ich das schreibe, flüstert irgendwas in mir „naja, aber manche betrunkene Abende, an denen keine Angst war und du deswegen dein Herz öffnen konntest, oder all der Schmerz aus dir fließen konnte, vor dem du dich sonst zu sehr gefürchtet hast, wo du Menschen ohne Scham nah sein konntest- das war schon auch erfüllend“ 😡 das macht mich echt wütend. In Anbetracht des hohen Preises ist das einfach verdreht, aber die Stimme ist manchmal da.

    An anderer Stelle hatte ich schon geschrieben, dass ich keinen Kampf gegen mich selber führen würde. Lass' die Gedanken ruhig zu, betrachte sie aber mit etwas Distanz, werte sie nicht. Lass sie einfach fließen. Denke aber bitte auch an was Schönes und nicht zu viel nach, beschäftigte dich, bringe ggf. etwas Struktur in Dein Leben (regelmäßiges zu Bett gehen und Aufstehen, regelmäßiges Spazieren gehen in der Natur), zeig' das Schöne und das Wertvolle in Dir Deiner Umgebung und Dir selbst und umgib Dich mit netten Menschen. Eigentlich war's das schon. Ich glaube es gibt da kein Geheimrezept, das Du noch nicht gefunden hast (sagt Dir ein 58jähriger, der danach lange Zeit suchte). By the way: Du kannst genau jetzt starten;-) Viel Erfolg!