Vorstellung - Miaflorentine

  • Guten Morgen - FORTUNE - , danke für deine Nachricht, die ich gern gelesen habe.

    Du schreibst, dass bei dir dieser beängstigende Verdacht im Raum stand, der dich nach einer Weile dazu veranlasste, deinen Konsum einzuschränken.
    Bedeutet dass, du hast zunächst genauso, oder vielleicht aus so einem „jetzt ist eh egal“ Gefühl noch mehr getrunken?
    (Ich frage das, weil ich diese Reaktion auf gewisse Auslöser von mir selbst kenne und sie mich zutiefst frustriert. Ich meine- obwohl ein erstes erschlagen sein nachvollziehbar ist- dann aber in die eigene Selbstwirksamkeit zu gehen und Einfluss zu nehmen, soweit es eben geht, ist zwingend notwendig. Und (wie du schon sagst) wenn man sich bewusst macht, wie kostbar das Leben ist, auch so naheliegend. Stattdessen ist durch irgendwas diese Straußenstrategie in mir angelegt, für die ich mich Menschen gegenüber, die ohne ihr Zutun krank werden, fast schäme.)

    Dann schreibst du von spürbar besserem Schlaf und einem neuen Zugang zu deinen Gefühlen- etwas, dass dich dann gefestigt und bestärkt hat.
    (Nach sechs Wochen ohne trinken war ich zwar froh über meinen klaren Kopf und dass ich wieder mehr aus meinem Potenzial schöpfen konnte, aber jetzt frage ich mich rückblickend und wütend, warum mich das nicht in meiner Abstinenz bestärkt hat, sondern sich gleichzeitig wieder die Sehnsucht nach dem Rauschgefühl in mir ausgebreitet hat).

    Du schreibst von einer glücklichen, erfüllten Kindheit. Da habe ich aufgemerkt. Darf ich fragen, wie du- trotz diesem Fundament- in die Sucht geraten bist?
    (Bisher habe ich immer angenommen, dass Sucht von Suche kommt und auf einem Mangel basiert, der in der Kindheit entsteht. Vereinfacht ausgedrückt. Deswegen würde mich deine Antwort sehr interessieren!)


    Ich kann die Fragen für mich alle mit „nein“ beantworten.

    Trinken bringt mich dieser Verbundenheit mit Menschen nicht näher, die ich so liebe. Es bringt mich meinem Ziel nicht näher, ein Leben in Liebe (als warmes Gefühl in mir selbst dem Leben gegenüber) zu leben. Für mich etwas sehr erfüllendes.
    Und während ich das schreibe, flüstert irgendwas in mir „naja, aber manche betrunkene Abende, an denen keine Angst war und du deswegen dein Herz öffnen konntest, oder all der Schmerz aus dir fließen konnte, vor dem du dich sonst zu sehr gefürchtet hast, wo du Menschen ohne Scham nah sein konntest- das war schon auch erfüllend“ 😡 das macht mich echt wütend. In Anbetracht des hohen Preises ist das einfach verdreht, aber die Stimme ist manchmal da.

    Wofür ich dankbar bin, darüber mag ich gern ein bisschen nachdenken!
    Viele liebe Grüße 🙋🏻‍♀️

  • rent , danke für deine Nachricht!
    Eben wollte ich schreiben, mein Etappenziel ist es, bis zu dem Termin bei der Suchtberatung nichts zu trinken. Und dann habe ich schon wieder Angst bekommen, das zu sagen. Und dann bin ich wütend geworden. Scheinbar ist heute ein Wut-Tag 🙈

    Dabei reift über eure Nachrichten leise in mir, dass das Sinn ergibt… immer ein bisschen mehr nüchtern bleiben, bis ich nach und nach wirklich mehr spüren kann, wofür ich das tue, anstatt es „nur“ zu wissen.

  • Die andere Möglichkeit ist für sich zu erkennen, dass man trotz des eigenen Wollen nicht weiterkommt, dass die Sucht stärker ist.
    Auch da gibt es Möglichkeiten, indem man sich in eine Klinik begibt. Oder aber ganz offen einen Termin mit dem Hausarzt macht und nach Lösungen fragt.
    Ich weiß wie unendlich schwer das ist, unvorstellbar sich dem hingeben zu müssen, sich outen zu müssenm. Wie gerne möchte man das im eigenen Kämmerlein mit sich ausmachen. Aber das geht nicht immer. Aber auf der anderen Seite hast Du Dich, wir uns, für alle sichtbar, in diese Situation auch hineinmanövriert.

    Aber eines ist ganz klar, die Entscheidung musst Du fällen. Ich kann Dir nur meine Geschichte erzählen und eine weiterleiten.

    Die angehängte Reportage zeigt das, wo man hinsteuert. Und Du hast alle Hebel in der Hand, das Ruder vorher rumzureissen.

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  • Honk oh Gott, die Geschichte über diesen Mann habe ich schon zweimal gesehen. Das erste mal mit viel Mitgefühl, weil ich mich mit der Sucht noch nicht identifiziert habe. Das zweite mal, Jahre später, mit immer mehr Unbehagen und eigener Betroffenheit.

    Ok, die Richtung für mich wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
    Bei der suchtberatung habe ich dann ja auch die Möglichkeit, stationären Aufenthalt anzuregen :/

  • … in der Suchtberatung pflegten sie - soweit ich mich richtig erinnere- zu sagen: es ist keine Frage des Willens, sondern kommt darauf an, wie weit die Krankheit schon fortgeschritten ist.
    Das hat mich geschockt.
    Das darf einfach nicht sein.
    Ich behalte mir vor, diese Wege zu gehen. Aber ich will nicht glauben, dass ich (mit Unterstützung) nicht in mir finden kann, was ich brauche, um die Abwärtsspirale umzudrehen.

  • Bei mir ist es der Drang nach Gesundheit und Sport. Aus vielerlei Gründen. Und so ist seit März aus dem 100% "no Sports" alkoholrote Augen Guy mit fetter Bierplauze ein mittlerweile, für die kurze Zeit, ein ziemlich fitter, gutaussehender Typ geworden. Und der Typ sieht defintiv nicht aus wie 45 sondern einige Jahre jünger.
    Und daran halte ich mich fest. Es war nicht immer einfach, es gab immer Hürden und Umwege aber ich hab mich da reingebissen, Ziele definiert. Auch Ziele aufgeben müssen oder verlegt. Aber das gehört zum Prozess dazu. Aber was ich dafür erlebt habe waren wunderschöne Momente und das spüren. Das Spüren von sich selber und den Momenten.

    Das klingt richtig gut, lieber Honk. Du bist ein tolles Beispiel, wie ein 45jähriger mit Bierplauze seine Segel wieder in den Wind gestellt hat und nunmehr bereits den Rückenwind in Form von "wunderschönen Momente" genießen darf. Es klappt übrigens sogar mit 56. Das war mein Alter, wo mir dämmerte, dass mein Schiff sich vom für mich richtigen Kurs entfernt hatte - und zwar schon Jahr vorher. Das soll aber nicht heißen, dass meine Segeltörns der Vergangenheit einer Odyssee glichen. Es gab damals gleich mehrfach Phasen mit schönem Wetter und schönen Frauen in den Häfen, was ich auch nicht missen möchte. Ein bisschen Nostalgie finde ich im Übrigen ganz angenehm, aber manche Bilder der Vergangenheit sind im Hier und Jetzt einfach nicht mehr die richtigen Ratgeber. Dessen sollte man sich bewusst sein.

  • Du schreibst, dass bei dir dieser beängstigende Verdacht im Raum stand, der dich nach einer Weile dazu veranlasste, deinen Konsum einzuschränken.
    Bedeutet dass, du hast zunächst genauso, oder vielleicht aus so einem „jetzt ist eh egal“ Gefühl noch mehr getrunken?

    Ich habe zunächst genau so weiter getrunken. Insbesondere das Rauchen ging mir schon seit Jahren selbst auf den Keks, aber ich habe immer auf den richtigen Moment zum Aufhören gewartet. Das Problem an dieser "Taktik" ist, dass der richtige Moment nie kommt. Diese Verdrängungsstrategie beinhaltet ja implizit die Annahme, dass man zuerst seine Probleme lösen müsse und dann könne man problemlos die Zigaretten und den Alkohol weglassen. Es ist aber genau umgekehrt: Wenn man mit Trinken und Rauchen aufhört, verschwinden nicht alle, aber bereits die meisten Deiner Probleme.

    Nach sechs Wochen ohne trinken war ich zwar froh über meinen klaren Kopf und dass ich wieder mehr aus meinem Potenzial schöpfen konnte, aber jetzt frage ich mich rückblickend und wütend, warum mich das nicht in meiner Abstinenz bestärkt hat, sondern sich gleichzeitig wieder die Sehnsucht nach dem Rauschgefühl in mir ausgebreitet hat).

    Na ja, immerhin hast Du schon mal ein paar positive Begleitumstände des Nicht-Trinkens kennen gelernt, die sich doch ganz gut anfühlen. Grundsätzlich ist es erstmal normal, dass Dir Dein Kopf gewisse Geschichten erzählt oder Dir gar gewisse Sehnsüchte schmackhaft macht. Man sollte aber nicht den Fehler machen und alles glauben, was Dein Kopf Dir so alles erzählt und gar vorschwärmt. Da stecken mitunter einfach Bilder der Vergangenheit hinter, die für Dein aktuelles Leben keine Relevanz mehr haben, ja sogar massiv schädlich sein können. Hör Dir die Geschichten mit einer gewissen Distanz ruhig an. Dort gilt zumeist: Je mehr Du dagegen ankämpfst, desto blöder wird's. Irgendwann kannst Du über Dein inneres Plappermaul sogar lachen. Mir haben in solchen Situationen, also wenn mich mein inneres Plappermaul mal wieder zulaberte, zwei Dinge konkret geholfen: (1) Visualisiere Dir das Tagesergebnis des von Deinem Plappermaul geäußerten Konsumwunsches: Das erste Bier, die erste Zigarette mag durchaus ihren Reiz haben, nach der x. Zigarette/nach dem x. Bier ist nix mehr mit Wohlbefinden - Stell' Dir also genau diesen Moment nach x Bieren vor, wenn der Wunsch nach dem ersten Bier aufkommt. (2) Vertraue darauf, dass das aufkommende Gefühl des Suchtdrucks ansteigt, ansteigt - und dann wieder kleiner wird bis es verschwindet. Einfach mal beobachten. Das ist immer so. Wenn Du das ein paar mal beobachtest, verstärkt sich Dein Vertrauen in Deine Selbstwirksamkeit. Klingt komisch, aber es gilt: Glaub auch nicht jedem Deiner Gefühle in Dir, schon gar nicht denen, die durch ein krankes Suchtgedächsnis befeuert werden und Dich immer mal wieder volllabern.

    Du schreibst von einer glücklichen, erfüllten Kindheit. Da habe ich aufgemerkt. Darf ich fragen, wie du- trotz diesem Fundament- in die Sucht geraten bist?
    (Bisher habe ich immer angenommen, dass Sucht von Suche kommt und auf einem Mangel basiert, der in der Kindheit entsteht. Vereinfacht ausgedrückt. Deswegen würde mich deine Antwort sehr interessieren!)

    Das Wort Sucht hat etymologisch mit dem Wort suchen nichts zu tun, sondern kommt von siechen, also an einer Krankheit leiden. Ich finde Menschen im allgemeinen und auch die Wissenschaft, die sich mit dem Verhalten von Menschen - also die Psychologie - beschäftigt, durchaus spannend. Ich bin allerdings vorsichtig bezüglich einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge bei komplexen Themen geworden. Meist sind das eher Glaubenssätze, die vielfach kein guter Ratgeber für die eigene individuelle Situation sind.

    Abhängig wird man, wenn man über einen gewissen Zeitraum zu hohe Mengen konsumiert. Punkt. Das ist zunächst mal der ganze Zauber. Bei manchen Drogen reicht einmaliger Konsum - und man ist abhängig. Die Kindheit ist dabei völlig nebensächlich.

    Mitunter ist sogar der (irrige) Glaube an einem etwaigen Mangel in einem der eigentliche Grund, das ich dann auch tatsächlich einen Mangel verspüre und irgendwann auch mangelhaft bin. Gerade beim Drogenkonsum herrscht doch bei den Konsumenten fast immer VOR der Abhängigkeit der Irrglaube vor, dass ich irgendwie nicht vollständig sei, dass es mir an irgendetwas mangele. Wenn man nicht gerade psychisch krank ist, sind wir aber bereits von Natur aus vollständig. Im Jahre einer langen Evolution wurden wir so geschaffen, wie wir sind: Kleine Wunderwerke, die aus einer Zellteilung entstanden sind.

    Bei mir spielt eine gewisse Rolle, dass ich ein ADHSler bin - mit allen Vorzügen und Nachteilen. Für diese Menschen haben Drogen wie Alkohol eine gewisse dämpfende Wirkung. An sich war Alkohol lange einfach ein guter Freund, der jedoch bei ehrliche Betrachtung bereits vor Jahren an Reiz verlor. Ich war eh nie eine starker Trinker, aber der Rauschzustand, den ich mal genossen hatte, ließ sich einfach mehr in dem Maße herstellen, wie ich es aus der Erinnerung kannte. Der Zauber war bei mir schon vor einigen Jahren in zunehmenden Maß verflogen; ich hatte es nur nicht sehen wollen, da die Bilder der Vergangenheit, die mal richtig waren, längst zu einem überkommenden Relikt geworden sind. Vielleicht war es auch nie so schön, wie ich mal dachte? Wer weiß.

    Und während ich das schreibe, flüstert irgendwas in mir „naja, aber manche betrunkene Abende, an denen keine Angst war und du deswegen dein Herz öffnen konntest, oder all der Schmerz aus dir fließen konnte, vor dem du dich sonst zu sehr gefürchtet hast, wo du Menschen ohne Scham nah sein konntest- das war schon auch erfüllend“ 😡 das macht mich echt wütend. In Anbetracht des hohen Preises ist das einfach verdreht, aber die Stimme ist manchmal da.

    An anderer Stelle hatte ich schon geschrieben, dass ich keinen Kampf gegen mich selber führen würde. Lass' die Gedanken ruhig zu, betrachte sie aber mit etwas Distanz, werte sie nicht. Lass sie einfach fließen. Denke aber bitte auch an was Schönes und nicht zu viel nach, beschäftigte dich, bringe ggf. etwas Struktur in Dein Leben (regelmäßiges zu Bett gehen und Aufstehen, regelmäßiges Spazieren gehen in der Natur), zeig' das Schöne und das Wertvolle in Dir Deiner Umgebung und Dir selbst und umgib Dich mit netten Menschen. Eigentlich war's das schon. Ich glaube es gibt da kein Geheimrezept, das Du noch nicht gefunden hast (sagt Dir ein 58jähriger, der danach lange Zeit suchte). By the way: Du kannst genau jetzt starten;-) Viel Erfolg!

  • Das klingt richtig gut, lieber Honk. Du bist ein tolles Beispiel, wie ein 45jähriger mit Bierplauze seine Segel wieder in den Wind gestellt hat und nunmehr bereits den Rückenwind in Form von "wunderschönen Momente" genießen darf. Es klappt übrigens sogar mit 56. Das war mein Alter, wo mir dämmerte, dass mein Schiff sich vom für mich richtigen Kurs entfernt hatte - und zwar schon Jahr vorher. Das soll aber nicht heißen, dass meine Segeltörns der Vergangenheit einer Odyssee glichen. Es gab damals gleich mehrfach Phasen mit schönem Wetter und schönen Frauen in den Häfen, was ich auch nicht missen möchte. Ein bisschen Nostalgie finde ich im Übrigen ganz angenehm, aber manche Bilder der Vergangenheit sind im Hier und Jetzt einfach nicht mehr die richtigen Ratgeber. Dessen sollte man sich bewusst sein.

    Was hatte ich für eine Wahl? Eigentlich keine. Außer aufgeben und abstürzen. Aber ich bin ein Typ Mensch, ich brauche immer Projekte in die ich mich rein arbeiten kann. Das war schon immer so. Viele meiner Skills, auch beruflich, habe ich mir autodidaktisch beigebracht. Na ja und was lag es da näher als sich selber als Projekt zu nehmen?
    Ich bin ja eh der Auffassung, wenn man sich in irgendeiner Weise grundlegend verändern will, geht das nur mit einem Ziel. Für mich würde "einfach nicht mehr trinken" nicht funktionieren, ich brauche grundlegende Änderungen.
    Das hatte ich damals beim Rauchstopp vor über 15 Jahren auch, ich habe von heute auf morgen meinen Alltag komplett umgestellt. Nahezu alle Triggerpunkte für mindestens ein halbes Jahr eliminiert. Ich glaube auch, die Erfahrungen von damals haben mir diesmal sehr geholfen. Der Rauchentzug war echt hart. ABER...hat sich gelohnt.

    Und mal ganz ehrlich, was gibt es für ein schöneres Projekt als sich selber? Heißt es nicht, in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist? Und wenn ich mir ernsthaft die paar wenigen Bilder die es von mir aus dem letzen Jahr gibt, ansehe, oh meine Güte, wie sehe ich da aus. Genau das arbeite ich aktuell auf, ich hab ja oben erzählt ich bin (auch) Fotograf und mein neustes Fotoprojekt bin ich selber. Das ist zwar ziemlich komisch und ich fühle mich dabei auch ein wenig (wenig mehr) narzistisch aber who cares. Ich fühle mich selber wohl und das ist wichtig. Und vor allem will ich festhalten, was man erreichen kann und erst Recht, wo ich nie nie wieder sein möchte!!

    Und ich denke, da spielt das Alter keine Rolle, eine fundamentale neue Ausrichtung mit neuen Wegen und Zielen, dafür ist man nie zu alt. Stillstand ist Rückschritt, finde ich.

  • Abhängig wird man, wenn man über einen gewissen Zeitraum zu hohe Mengen konsumiert. Punkt. Das ist zunächst mal der ganze Zauber. Bei manchen Drogen reicht einmaliger Konsum - und man ist abhängig. Die Kindheit ist dabei völlig nebensächlich.

    Mitunter ist sogar der (irrige) Glaube an einem etwaigen Mangel in einem der eigentliche Grund, das ich dann auch tatsächlich einen Mangel verspüre und irgendwann auch mangelhaft bin. Gerade beim Drogenkonsum herrscht doch bei den Konsumenten fast immer VOR der Abhängigkeit der Irrglaube vor, dass ich irgendwie nicht vollständig sei, dass es mir an irgendetwas mangele. Wenn man nicht gerade psychisch krank ist, sind wir aber bereits von Natur aus vollständig.

    Das finde ich etwas sehr pauschal formuliert und würde das so nicht unterschreiben.

    Ja, die Gefahr ist sehr groß, dass man abhängig wird, wenn über einen gewissen Zeitraum stark konsumiert. Aber ich könnte in dem Zuge die Frage stellen, warum habe ich denn von Anfang an mehr konsumiert als der Durchschnitt? Wer hat mich dazu gedrängt, hätte ich mich nur besser unter Kontrolle haben sollen? Wäre ich dann nicht süchtig geworden? (nicht falsch verstehen, ich will mit dieser Frage nicht meine Eigenverantwortung abgeben)

    Klar es gibt bestimmt viele Leute mit einer intakten Kindheit, die später süchtig werden und es gibt auch Leute, da war die Kindheit nicht so doll und es entsteht keine Abhängigkeit.

    Aber ich würde schon seit weit gehen und behaupten, dass beim "Durchschnitt", welcher nicht mit den perfekten Startbedingungen gesegnet war, die Quote schon höher liegt, irgendwelche Defizite kompensieren zu wollen, als bei jemandem, der unter perfekten Bedingungen aufgewachsen ist. Die Gefahr besteht dort auch, ohne Frage.

    Ich bin nicht in perfekten Bedingungen aufgewachsen und würde aber auch sagen, dass ich mir VOR meiner Suchtkarriere NICHT eingeredet habe, Defizite zu haben.

    Das "Loch" war da, da musste ich auch nicht darüber nachdenken bzw. mir das einreden. Es war eher ein unbewusster Versuch, dieses zu schließen. In meiner frühen Jugend habe ich geraucht wie ein Schlot, bis ich im Anschluss den Alk endeckt habe. Und ich weiß auch und habe das erlebt, dass jede andere chemische Wohlfühlsubstanz für mich nur eine Suchtverlagerung darstellt, aus der ich genauso wieder eine Sucht machen könnte.

    Für mich gilt es gerade an diesem Loch zu arbeiten bzw. dieses anders zu füllen.

  • Diese Verdrängungsstrategie beinhaltet ja implizit die Annahme, dass man zuerst seine Probleme lösen müsse und dann könne man problemlos die Zigaretten und den Alkohol weglassen. Es ist aber genau umgekehrt: Wenn man mit Trinken und Rauchen aufhört, verschwinden nicht alle, aber bereits die meisten Deiner Probleme.

    (Das klingt vielleicht etwas konträr zu meinen vorherigen Post, aber hier kann ich wiederum sehr gut mitgehen und so habe ich das auch erlebt)

    Ich habe durch das Weglassen des Trinkens wirklich erlebt, das viele meiner Probleme (die ich ja eigentlich mit Alkohol medikamentieren wollte) deutlich weniger geworden sind und eine mentale Stärke zurückkommt, die den Alkohol nicht mehr benötigt.

    Ich bin aber nach wie vor der Ansicht, dass (zumindest ist das so bei mir so) ein Loch bzw. eine Leere diese Sucht teilweise erzeugt hat bzw. gefüllt werden will.

    Ich merke auch, dass ich an vielen nicht substanzgebundenen Sachen sehr schnell hängenbleibe (zuviel Sport, zuviel Werkeln, zu viel dies und das) Meine Frau behauptet immer über mich, ich wäre so ein "ganz oder garnicht Typ" und kann aus allen eine Obsession machen. Klar, das kann positiv, aber auch negativ kanalisiert werden.

    Unterm Strich habe ich durch die Nüchternheit eine feste Basis, wodurch ich eben Macken und Kollateralmacken angehen kann, ohne dass jeder kleine Erfolg durch den Alkohol wieder weggespült wird.

  • Ja, die Gefahr ist sehr groß, dass man abhängig wird, wenn über einen gewissen Zeitraum stark konsumiert. Aber ich könnte in dem Zuge die Frage stellen, warum habe ich denn von Anfang an mehr konsumiert als der Durchschnitt? Wer hat mich dazu gedrängt, hätte ich mich nur besser unter Kontrolle haben sollen? Wäre ich dann nicht süchtig geworden? (nicht falsch verstehen, ich will mit dieser Frage nicht meine Eigenverantwortung abgeben)

    Prof. Dr. Lindenmeyer von den Saulus Kliniken berichtet in dem Video ab 8' 40'' aus seiner fachlichen Sicht über Ursachen der Sucht. Merkmale wie "Persönlichkeit/Charakter" oder "Vererbung" oder selbst "schwere Schicksalsschläge / schlimme Kindheit" lassen sich nicht mit ausreichender statistischer Belastbarkeit als Ursachen für eine spätere Sucht identifizieren, obwohl ja viele meinen, dass das doch so sein müsse. Der Professor hat schließlich resümiert "Da muss viel zusammen kommen". Er skizziert im Anschluss ein ganz gutes Beispiel, das die Entstehung einer Sucht visualisieren soll.

    https://www.salus-kliniken.de/lieber-schlau-…-kanonenkugeln/

    Lieber rent, ich möchte auch gar nicht in Frage stellen, dass in Deinem Fall bestimmte Ursachen identifizierbar sind und Du folglich daran "arbeitest", diese Ursachen zu beseitigen, also das Loch oder die Leere zu füllen, wie Du selbst sagtest. Ich habe in den letzten Wochen auch noch mal einen Blick auf meine Vergangenheit geworfen, in erster Linie mit dem Ziel, meine Biographie für mich selbst mit einer wohlwollenden Feder zu schreiben, dankbar für Erfahrungen zu sein, die manchmal auch schmerzhaft waren und "Fehler" von mir und anderen, sofern man es denn überhaupt so nennen möchte, in einem milderen Licht zu sehen. Etwas Güte walten zu lassen. Und die Vergangenheit jetzt das sein zu lassen, was sie ist: vergangen.

    By the way: Deine Zeilen zu Hermann Hesses "Siddhartha" und "Steppenwolf" fand ich interessant.

    Ich glaube er hatte erst Siddhartha geschrieben, was ja für ihn ja irgendeine erlebte Erlösung bedeutet haben muss und später den Steppenwolf, was aus meiner Sicht auch seine Verzweiflung, sein nicht "Angekommen sein" ausdrückt.

    Trotz aller Suche ist Hesse offenbar nicht angekommen. Ich finde übrigens, dass man manche Dinge viel eher findet, wenn nicht zu sehr danach sucht. Manche Dinge sind eben mitunter einfach ein "Nebenprodukt" von etwas anderem. Direkt herbeiführen kann man Schlaf, Selbstbewusstsein & Glück nicht. Im Gegenteil: Jeder bewusste Versuch des Herbeiführens ist der garantierte Weg zum Scheitern. Man kann aber jeden Tag die "Saat" für die Nebenprodukte aussäen - und später ernten.

    Ich spreche hier über meine persönlichen Erfahrungen und über mein persönliches Mindset, das in den letzten Monaten nochmals ein "Update" erfahren hat. Und da jeder seine eigene Geschichte hat und da jeder aus dieser Geschichte auch jeweils andere Konsequenzen für sich zieht, können meine Zeilen bestenfalls etwas Reibungsfläche fürs eigene Weltbild bieten.

  • Und mal ganz ehrlich, was gibt es für ein schöneres Projekt als sich selber? Heißt es nicht, in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist? Und wenn ich mir ernsthaft die paar wenigen Bilder die es von mir aus dem letzen Jahr gibt, ansehe, oh meine Güte, wie sehe ich da aus. Genau das arbeite ich aktuell auf, ich hab ja oben erzählt ich bin (auch) Fotograf und mein neustes Fotoprojekt bin ich selber. Das ist zwar ziemlich komisch und ich fühle mich dabei auch ein wenig (wenig mehr) narzistisch aber who cares.

    Jeder Mensch sollte sich selbst zu seinem "Lebensprojekt" machen; wir haben schließlich nur ein Leben. Andere Projekte kommen und gehen. Fotografie finde ich übrigens auch spannend. Es ist schön, bestimmte Momente, bestimmte Stimmungen festzuhalten und ggf. sogar zu bearbeiten. Manchmal darf man Dinge auch etwas schöner malen als sie sind.

  • Ich bin nicht in perfekten Bedingungen aufgewachsen und würde aber auch sagen, dass

    Ich möchte hier eine Sache noch richtig stellen: Wenn man nicht in perfekten Bedingungen aufgewachsen ist, ist das sicherlich eine gewisse Bürde gegenüber denjenigen, die in ihrer Kindheit mehr die Sonnenseiten des Lebens kennen gelernt haben, wobei zu viel Sonne bekanntermaßen auch ihre Schattenseiten haben kann. So gesehen: Jeder, der dem Alkohol adé gesagt hat, hat meinen Respekt. Jeder, der dies unter erschwerten Bedingungen geschafft hat, hat meinen allergrößten Respekt. Punkt.

  • Ich möchte hier eine Sache noch richtig stellen: Wenn man nicht in perfekten Bedingungen aufgewachsen ist, ist das sicherlich eine gewisse Bürde gegenüber denjenigen, die in ihrer Kindheit mehr die Sonnenseiten des Lebens kennen gelernt haben, wobei zu viel Sonne bekanntermaßen auch ihre Schattenseiten haben kann. So gesehen: Jeder, der dem Alkohol adé gesagt hat, hat meinen Respekt. Jeder, der dies unter erschwerten Bedingungen geschafft hat, hat meinen allergrößten Respekt. Punkt.

    Ich kann es ja erzählen, meine Austrägerin, ich bin als Baby adoptiert, hatte wohl ein Alkohol und Drogenproblem, deswegen war im Endeffekt wohl eine gewisse Suchtkarriere bei mir vorgezeichnet.
    Ich danke aber jeden Tag derjenigen Macht, die dafür gesorgt hat, dass ich als Pubertist Dope überhaupt nicht vertragen habe. Hätte ich Geschmack am Kiffen gefunden wette ich darauf, mein Weg in eine steile Drogenkarriere wäre früh offen gewesen. Ein Kumpel damals von mir hat sich damals mit Dope den Weg in einen komplette, matschige Zukunft erkifft. Der Mann ist heute zu nix mehr zu gebrauchen.

    Ansonsten kann ich berichten, mein zwei Geschwister, ein Person eine Wundertüte wie ich, eine andere aus eigenem, biologischen Anbau, alle mit der selben eigentlich behüteten Kindheit gesegnet, trinken alle schwer bedenklich.
    Ich bin der einzige, toi toi toi, der den Ausstieg aus allen "Zivilisationsdrogen" geschafft hat.

  • Trotz aller Suche ist Hesse offenbar nicht angekommen. Ich finde übrigens, dass man manche Dinge viel eher findet, wenn nicht zu sehr danach sucht. Manche Dinge sind eben mitunter einfach ein "Nebenprodukt" von etwas anderem. Direkt herbeiführen kann man Schlaf, Selbstbewusstsein & Glück nicht. Im Gegenteil: Jeder bewusste Versuch des Herbeiführens ist der garantierte Weg zum Scheitern. Man kann aber jeden Tag die "Saat" für die Nebenprodukte aussäen - und später ernten.

    Ich finde, da steckt viel Wahrheit dahinter. Ja gerade, dieses kramfhafte, verzweifeltete Suchen erzeugt ja wiederum eine innere Spannung und einen Tunnelblick, wodurch es fast unmöglich wird, die sprichwörtliche Blume am Wegesrand zu endecken.

    Und es ist ein sehr guter Ansatz, dankbar für Erfahrungen zu sein, wie positiv oder auch negativ sie auch erlebt wurden. Mir selber oder dem anderen auf Vergangenes keine Schuld mehr zuzusprechen, sondern Vergangenes dort lassen, wo es eben hingehört, in die Vergangenheit, die ja nicht mehr änderbar ist. Einfach gesprochen, mir selbst und dem anderen zu vergeben. Gerade diese Vergebung ist eine große Saat für die "Nebenprodukte", wie du schreibst. Und wie ich den Alkoholverzicht erlebe, wurde es mir dadurch erst wieder möglich, WIRKLICH zu vergeben und damit mehr und mehr meine "Nebenprodukte" früher oder später zu ernten. Ich würde mal sagen, einiges ist noch im Wachsen.

    Aber das das ist das, was ich mit "an mir arbeiten" meine.

    Und ich gebe dir und auch Prof. Dr. Lindenmeyer in dem Video Recht, dass bei der Sucht VIELE Faktoren zusammenkommen müssen. Und das meine ich damit, dass man über den einzelnen Menschen keine pauschale Aussage treffen kann, weil jeder tickt irgendwo auch anders. Und ich bin auch mehr der Ansicht, dass Studien immer einen Teil der jeweiligen Sichtweise des Initiators wiederspiegeln, aber das ist eher meine ganz persönliche Meinung. (Ist Kaffee nun gesund oder ungesund? )

    Und wie auch Honk weiter oben von "Wundertüten und biologischen Anbau" berichtet, gibt es eben solche und solche Fälle.

    Wobei ich mir noch unsicher damit wäre, ab wann erlebt ein Mensch "Ablehnung" und könnte damit sein "Urvertrauen" verlieren, was vielleicht später nach irgendeiner Art von Kompensation verlangt? Schon im Mutterleib, als Baby oder erst viel später durch familiäres Umfeld/ dysfunktionale Familie? Ich weiß das nicht genau und es ist für mich auch nicht mehr essentiell, da ich das wie oben schon gesagt, sowieso nicht mehr ändern könnte.

    Aber das ist eben für mich auch ein Teil, wo eben "vieles Zusammnenkommen muss" und man nicht der Substanz die alleinige "Schuld?" zusprechen kann. Klar, der Mensch ist vom Grundbedürfnis so ausgelegt, um sich wohlzufühlen und wenn dann die Abkürzung über eine externe Chemie erfolgt, liegt es nahe und wird auch genutzt. Zumindest war es eben auch bei mir so.

    Um mal beim Alkohol zu bleiben (Nikotin oder auch Opiate würde ich tatsächlich als in kürzerer Zeit deutlich süchtigmachender einstufen), gibt es aber auch viele Leute, die mit der Droge "vernünftig" umgehen können. Die vielleicht auch irgendwo viel getrunken haben oder auch nur moderat trinken können, ohne dass sie süchtig werden.

    Mein Halbruder ist übrigens so ein Beispiel, er hat in der der Vergangheit auch recht "gut und ordentlich" getrunken und trinkt auch heute noch, aber sein Verhalten ist mit meinem nicht vergleichbar. Er konnte auch ab und zu mal eine Schachtel Zigaretten rauchen, ohne abhängig zu werden (gerade beim Nikotin habe ich das bei ihm nie verstanden, ich habe das an mir selber vollkommen anders erlebt)

    Er ist übrigens auch der Behütete in unserer Familie gewesen, er stammte sozusagen aus "biologischen Anbau", was ja wiederum meine Sichtweise/"Studie" bestärkt ;)

    Unterm Strich ist Sucht für mich eine sehr komplexe Angelegenheit, die aus meiner Sicht nicht so einfach mit ein paar Sätzen zu erklären ist.


    Aber ich danke dir wirklich nochmal für deinen Satz:

    "Ich finde übrigens, dass man manche Dinge viel eher findet, wenn nicht zu sehr danach sucht. Manche Dinge sind eben mitunter einfach ein "Nebenprodukt" von etwas anderem. Direkt herbeiführen kann man Schlaf, Selbstbewusstsein & Glück nicht. Im Gegenteil: Jeder bewusste Versuch des Herbeiführens ist der garantierte Weg zum Scheitern. Man kann aber jeden Tag die "Saat" für die Nebenprodukte aussäen - und später ernten.

    Ich erkenne manchmal, dass sich meinem Fall schon manchmal ein Verlangen anbahnt, auch die Nüchternheit in "obsessiver" Weise anzugehen und eben damit die Blume am Wegesrand nicht mehr wahrnehmen.

    Insgesamt finde ich das Besprochene wirklich ein sehr interessantes Thema und würde meinen, das wäre beinahe ein eigener Thread wert.

    Ich würde mich aber jetzt mit diesem Thema zurücknehmen und hier wieder Mia den Raum für ihre Reflexionen und Gedanken geben.

    Ich wünsche euch allen einen schönen Tag :)

    Einmal editiert, zuletzt von rent (27. Oktober 2023 um 10:13)

  • Guten Morgen,


    ich wollte mich nur mal wieder kurz gemeldet haben. Ich bin nach wie vor nüchtern. Gestern hatten wir Baumfäller bei uns, als gegen Feierabend die ersten Biere geöffnet wurden, ist es kurz aufgeblitzt in mir, „ich könnt ja auch eins trinken“.
    Aber dann folgte sofort der nächste Gedanke „ach nein, du bist ja jemand, der das nicht kann!“ (… nur eins trinken).
    Es war nicht sehr schwer zu verzichten.
    Ich habe noch so lebendig präsent, wie viel Angst ich mir selbst gemacht habe, als ich die Entscheidung getroffen habe zu trinken, obwohl es mir schlecht ging.
    Heute Nacht um vier (gewohnte Zeit um über meinen Konsum erschrocken zu sein, weil da der Pegel weg ist) bin ich auch kurt aufgeschreckt und war so froh, dass ich gestern anders entschieden habe.


    Ich hoffe das zarte Pflänzchen trägt mich noch sehr viel weiter.
    Fühlt euch alle gedrückt und danke für diesen Raum und dass es euch gibt


    Mia

  • Guten Morgen liebe Mia.


    Ich bin seit 3 Jahren abstinent,weiblich ,51 jährig.

    Vor 3 Jahren habe ich noch nicht daran geglaubt, dass ich das jemals schaffen könnte-ein Leben ohne Alkohol.

    Aller Anfang ist schwer und wohl auch deshalb ,weil die Vorstellung von einem Leben ohne Alkohol Angst macht,schließlich kennt man sich selbst nur mit dem Krückstock "Alkohol ".

    Deine Zeilen erinnern mich an meine Anfangszeit ,als ich mich vom Alkohol lossagen wollte.

    Einerseits dominiert das stolze Gefühl ,auf Alkohol "verzichtet" zu haben ,wenn ein Tag vergangen ist. Andererseits nagt aber auch die eigene Unsicherheit und die eigene Angst vor sich selbst :" schaffe ich das auch weiterhin?Bin ich "stark" genug um zu widerstehen ?"

    Die Gedanken kreisen vorwiegend um den Alkohol, was sehr anstrengend sein kann,zumindest am Anfang. Aber das Suchtgehirn zieht alle Register und stellt dich auf eine harte Probe.

    Auch der innere Dialog, den du beschreibst kenne ich gut.

    Ich musste damals sehr auf meine Gedanken achten und auch auf die Art und Weise ,wie ich manches formuliere.

    Das Wort "Verzicht " in Bezug auf Alkohol hab ich ersetzt durch eine Umschreibung von :" frei von Alkohol sein ".

    Das hatte für mich eine ganz andere Wirkung ,schließlich verzichte ich nicht auf Alkohol ,sondern ich befreie mich davon.

    Verzicht hat ja etwas von : ich muss mich leider Gottes von etwas "gutem " lossagen und das fällt dann natürlich sehr schwer. Das wiederum löst einen ewigen Kampf mit dem Suchtmittel aus und erschwert den eigenen Weg.

    Du schreibst "ich hoffe das zarte Pflänzchen trägt mich weiter"

    Auch hier ist mir aufgefallen, dass ich früher ähnlich bangte wie du.

    Ich ersetzte das Wort "hoffen" durch "wollen".

    Für mich war damals sehr wichtig, meine eigene Sprache im Blick zu haben,damit ich dem Alkohol weder hinterhertrauere, noch jemals eine Chance geben möchte.

    Ich war überzeugt (auch durch den Podcast von Nathalie Stüben), dass es mir ohne Alkohol besser gehen wird und dass ich MICH vom Alkohol befreien will.

    Oft kam es in meiner Anfangszeit vor,dass ich morgens mit der Frage aufwachte und hochschreckt :hab ich gestern Alkohol getrunken ?

    Ganz erleichtert war ich dann ,als ich die Frage mit Nein beantworten konnte.

    Tief im Inneren war mir lang klar,dass mich der Alkohol zerstört, wenn ich nicht damit aufhören werde und ich wollte wirklich erreichen ,dass ich den Alkohol als das sehe ,was er ist : mein persönlicher Untergang, mein Gift ,meine Selbstzerstörung.

    Ich verzichtete nicht mehr auf meinen Wein,sondern endlich hatte ich ihn los.


    Feiere dich für jeden nüchternen Tag und auch dafür ,dass du bereit bist den Weg zu gehen ganz ohne deine "Geh-Hilfe Alkohol".


    Oran-Gina

  • Wow! Das ist ganz ganz stark Mia! Wirklich! Du kannst in den Spiegel gucken und Dir ernsthaft vor Stolz ein dickes Grinsen ins Gesicht zaubern.
    Auch wenn sich das vielleicht auch gerade komisch anfühlen mag, so "Ohne". Das wäre auch normal, du / wir sind ja alle über Jahr(zehnte) hinweg konditioniert. Und man weiß selber wie schwer das ist, sich nur eine schlechte Angewohnheit abzugewöhnen.
    Und gerade weil man auf einmal nicht mehr trinken will, gerade dann kreisen die Gedanken darum erst recht und auch das ist völlig normal.

    Weißt Du was bei mir ganz komisch ist? Neulich wurde ich gefragt ob ich an einem Samstagabend jemanden abholen könnte, mit dem Auto. Ich hab echt lange gezögert ja zu sagen. Warum? Weil ich über Jahre konditioniert war mir am Samstag ordentlich einen einzuschenken und meine Fahrtauglichkeit normalerweise ab 17h weg war. Und das sitzt immer noch in mir drinnen das ich eigentlich eine Ausrede habe müsste, warum ich jemanden NICHT abholen kann.


    Und was Oran-Gina da schreibt, da ist soviel Wahres dran. Ich bin ja auch ein absoluter Fan von "Wording". Kleinigkeiten im Wortschatz können soviel Kraft haben. Beispielsweise das Wort Verzicht. Nein, es ist kein Verzicht, wenn man keinen Alkohol mehr trinkt.
    Verzicht ist negativ, wenn jemand auf etwas verzichtet, trauert er / sie der Sache nach. Suche Dir ein anderes Wort als Verzicht.
    Mein Wort dafür ist "Lebenseinstellung". Oran-Gina sagt "frei von Alkohol", ich glaube Rent sagt "Erlösung". Jeder findet seine Umschreibung, die ihn trägt.

    Nochmal, es ist echt stark das Du Schritt für Schritt weitergehst. Sei stolz auf Dich!

  • Oran-Gina

    Ich möchte mich für deine Nachricht und die Denkanstöße bedanken 💚

    Ich fühle mich verstanden, während ich deine Zeilen lese!
    Meine Gedanken haben die letzten Tage ein paar mal am Tag um Alkohol gekreist, das war noch nicht anstrengend- aber heute ist es das. Es ist Samstag, da habe ich üblicherweise getrunken, mit einem etwas besseren Gewissen, als an anderen Tagen, weil ich eben morgen frei habe. (Das hochschrecken und bedauern um vier Uhr nachts war trotzdem immer das selbe, genau wie am nächsten morgen, wenn ich mit Kater viel weniger geschafft habe, als ich wollte.
    Gerade vermisse ich jedenfalls dieses beschwingte Gefühl. Kochen, aufräumen und dabei diese Leichtigkeit…

    Gleichzeitig ist mir aber alles präsent, was danach folgt. Die Angst. Die Scham. Der hohe Preis an Selbstwirksamkeit (den ich noch weniger bereit bin weiterhin zu zahlen, als die körperlichen Katerfolgen).

    Na, jedenfalls konnte ich vorhin ZUM ERSTEN MAL wirklich spüren, was du über Befreiung, statt Verzicht geschrieben hast. Kennst du das, man liest etwas sinngemäß von unterschiedlichen Quellen hundert mal und verstehts vom Kopf her, aber plötzlich kann man Zustimmung FÜHLEN.
    Das war ein wertvoller Moment für mich, danke!!!


    Beim „wollen“ ist das noch anders, aber ich sehe den Sinn absolut, in den inneren Monologen/ Dialogen achtsam mit seiner Formulierung zu sein.

    Es hat mir gut getan, dich zu lesen :)

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