Vorstellung - Miaflorentine

  • Hallo, ich bin Mia, 39 Jahre alt und vor etwa zwei Jahren wurde mir bewusst, dass ich mein Trinkverhalten nicht kontrollieren kann.

    In meiner Jugend wurde um mich herum exzessiv getrunken. Es war in meiner damaligen Clique absolut notmal, Freitags mit dem trinken zu beginnen- bis zum Erbrechen und erst sonntags wieder auszunüchtern.
    Schnell habe ich festgestellt, dass Alkohol ein scheinbar absolutes Zaubermittel gegen die Angst war. Gegen die Angst, die da ist, solange ich zurückdenken kann.

    Plötzlich konnte ich dazugehören, locker und lustig sein, anstatt mich vor lauter Angst von Menschen fern zuhalten.
    Aber nach ein paar Jahren habe ich immer öfter schon Mittwochs getrunken und ein wenig später manchmal morgens vor meiner Ausbildung, um den Umgang mit Menschen überhaupt aushalten zu können.
    Da war ich 19 Jahre alt und hätte mein Leben manchmal gern beendet, weil es sich aus unterschiedlichen Gründen unerträglich anfühlte.

    Was mich dann für eine paar Jahre vor einem noch tieferen Absturz bewahrt hat, war, dass es mir plötzlich körperlich so schlecht ging, dass ich nicht mehr trinken konnte. Jedes Mal, wenn ich es versuchte, reagierte mein Körper so heftig, dass ich quasi in die Abstinenz gezwungen wurde.
    Aufgearbeitet habe ich diese Alkoholthematik nie.
    Ich bekam meinen wunderbaren Sohn, der heute 16 Jahre alt ist, heiratete und investierte alle Kraft in die Aufgabe, die liebevolle Mama zu sein, die ich selbst nicht gehabt hatte.

    Dann kam die Scheidung.
    Ich hatte immer noch und mehr denn je mit schlimmen Panikattacken zu tun, obwohl ich bereits jahrelange Therapie, Klinikaufenthalte und alle möglichen alternativen Ansätze hinter mich gebracht hatte.
    Mein Exmann ist mit meinem Sohn ausgezogen und mein Leben lag in Scherben.
    Ich begann wieder zu trinken.
    Bis ich mich nicht mehr erinnern konnte, wann mein Letzter nüchterner Tag war.

    Im ersten Jahr habe ich überhaupt nicht auf die Menge geachtet- es war mir einfach egal, ich wollte nur, dass die Angst vor dem Leben nicht so präsent ist und ich schlafen kann.
    Dann habe ich immer mal wieder Trinkpausen eingelegt.

    Aber vor etwa zwei Jahren wurde mir bewusst, dass ich mittlerweile wieder fast täglich trank. Es fing immer mit ein paar Bier an, danach brauchte ich unbedingt noch mehr und trank alles, was ich in der Küche meines damaligen Partners so fand, oder lief noch nachts zum Kiosk. Hauptsache nicht nüchtern werden.
    Am Morgen darauf jedes Mal das selbe „heute muss ich es mal lassen“. Überwiegend lief das immer auf „naja, ein zwei Bier gehen schon“ - mit bekanntem Ende- hinaus.
    Ich habe mich schuldig gefühlt.
    Ich habe durchaus gemerkt, was ich meinem Körper antue und hatte Angst vor der Zukunft… vor einem Leben ohne Alkohol, vor Krankheit, vor mir selbst.
    Aber ich habe versucht das wegzuschieben, bis zu einem Abend im letzten Jahr, wo einer meiner besten Freunde mich plötzlich besorgt ansah und sagte „ich kenne dich nicht mehr nüchtern. Du bist immer betrunken!“

    Das hat mich wie ein Schlag getroffen, ich habe geweint und ihm gesagt, dass ich Angst um mich habe.
    Danach bin ich vorerst nüchtern geblieben und zur Suchtberatung gegangen. Ich habe an den meisten Treffen teilgenommen und mich bewusst auseinandergesetzt.
    … nicht ohne Scham muss ich aber zugeben, dass es ich mit ziemlich viel Widerstand darauf reagierte, als man mir eine Entgiftung vorschlug.
    Zu der Zeit hatte ich ja eine Weile nicht getrunken und immerhin kam ich (mit Mühe und Not) oft genug mit „nur“ sechs Bier aus.
    Heute ist mir meine Reaktion unangenehm.
    Letztes Jahr fühlte sich der Vorschlag noch absurd an- ich habe einen Großteil meiner Suchtgeschichte einfach ausgeblendet.
    Das jetzt hier zu schreiben, damit so ein deutliches Bild zu zeichnen, fühlt sich unangenehm an.
    Ebenso wie die Tatsache, dass ich irgendwann nicht mehr zu den Treffen ging. Ich dachte- warum auch immer- ich krieg das hin, solange ich ein paar Tage ohne Alkohol zwischen meine Trinktage schieben kann.

    Nun ja, das hat eine Weile irgendwie halbwegs funktioniert.
    Aber gerade habe ich wieder mal einige Tage hintereinander getrunken, ab 18 Uhr (bescheuert, wie man versucht, sich mit solchen unwichtigen Details selbst zu beruhigen), so zwischen 4 und 7 Bier.
    Ich hätte auch gern gestern getrunken, aber es ging mir einfach körperlich zu schlecht.
    Ich weiß nicht, ob das ein leichter Entzug war, ist. Aber ich habe angefangen hier zu lesen. Und entschieden, mich vorzustellen.
    Und bin schockiert, wie sich das liest.
    Ich glaube, ich bin süchtig.
    Ich möchte heute nichts trinken.
    Ich brauche dringend Selbstwirksamkeit und ein bisschen Unterstützung 😔

    Es hilft mir, hier zu lesen. Vielen Dank!

  • Moin und Willkommen Mia!

    Eine sehr gute Entscheidung sich hier anzumelden und sich erst einmal alles von der Seele zu schreiben. Das ist auf jeden Fall schon mal ein sehr wichtiger Schritt.

    Übrigens, das Thema Angst und Alkohol kenne ich zu gut. Um es aber schon einmal als Spoiler vorwegzunehmen, ohne Alkohol ist auch keine Angst mehr da. Und ansonsten könnten einige Passagen aus deiner Geschichte 1:1 in meinen Thread wandern.
    Komm erst einmal an, lies dich ein bisschen durch, sortier dich ein wenig. Wenn ich Dir einen Tipp geben darf, mir hat sehr der Podcast "Ohne Alkohol mit Natalieh" geholfen. In so schwierigen Momenten am Anfang konnte ich mich damit sehr motivieren und habe mich dann mit anderen Leuten, hier, ausgetauscht, was sehr geholfen hat alles zu reflektieren oder einfach alles einfach in die Tasten zu hauen was mich beschäftigt.

    LG!

  • Hallo Mia


    Willkommen und danke für das Einstellen deiner Geschichte.


    Du bittest um etwas Unterstützung. Als ich damals zum Trinken aufhörte war ich auf keinen Therapien und kannte auch keine anderen Leidensgefährten die mit mir die Hoffnung auf ein nüchternes Leben hätten teilen können. Die einzige Unterstützung das erste Jahr waren Autobiographien von direkt Betroffenen und das war für mich ausreichend. Dieses erkennen ich bin da nicht allein in meiner stets versteckt gehaltenden Schattenwelt, es gibt Menschen die wissen was diese besondere Art von Durst ist. Ja das hat mich letztlich befreit aus dieser Hölle.
    Ich kann dir zur Unterstützung einen Teil meiner eigenen Geschichte erzählen und ich hoffe das du erkennst das du nicht allein und auch nicht ohne Hoffnung sein musst in den Fängen des Alkohols.


    Einen lieben Gruß


    Spoiler anzeigen

    Vllt mag ich nur meine kleine Geschichte reinsetzen um etwas Hoffnung und den Glauben zu verbreiten das die Lage nie so aussichtslos ist wie sie in der tiefsten Nacht erscheint.

    Meine letzten fünf nassen Jahre
    lebte ich mehr oder weniger
    am Drogenumschlagplatz
    einer ganz gewöhnlichen Stadt.
    Morgens trudelte ich meist ein
    und es waren immer dieselben Leute da.
    Diejenigen aus der Notschlafstelle,
    (sie musste um acht verlassen sein)
    und die, die unbedingt was brauchten
    und auch die, die was verticken wollten.
    Ich selbst nahm nur sehr wenige
    Tabletten und Drogen, vom
    Haschisch mal abgesehen.
    Alkohol war mein Ding.
    Zwei, dreimal am Tag
    kontrollierte die Polizei.
    Wurde es mal eng trotteten
    wir ein paar hundert Meter weiter
    zu einem Ausweichplatz.
    Es war eine gute Zeit.


    Eine Alternative war die
    Säufer Wg. Es war ein gemütliches
    Zusammensein bei sinnlosen
    Brett- und Würfelspielen und noch
    hirnigeren Gesprächen.
    Wurde Geld und Stoff knapp
    (die Umrechnung erfolgte immer
    ohne Umweg) eskalierte
    die Situation immer in ziemlichen
    Extremen.


    Ab und zu gab jemand den Löffel ab.
    Alle paar Wochen, oder
    auch nur Tage ein neuer Kandidat
    für eine tödliche Überdosis.
    Wir alle auf der Scene waren dann
    immer einhellig der Meinung das
    X wohl übertrieben hat oder auch
    das der verschreibende Arzt völlig
    unverantwortlich das Falsche
    verschrieben hatte.
    Jemand musste ja schuld sein.


    Am Abend fuhr ich dann mit
    dem Bus nach Hause, oft ohne
    irgendeine Erinnerung an die Heimkehr.
    Ich fühlte mich nur sauelend morgens
    beim Erwachen und schuldig
    meines Tuns.
    Zumindest brauchte ich mir Schuhe und
    Hose nicht mehr anziehen.


    In der vermüllten Wohnung
    verbrachte ich dann oft Tage.
    Nur mit Shit und Bölkstoff ausgestattet.
    Ohne Zeitgefühl ist jetzt morgen, mittag
    oder Abend , Freitag oder Sonntag.
    Egal.
    Was zählte war der Griff zur Flasche.


    So dämmerte ich dahin mit
    Filmrissen, die unbemerkt blieben.
    Ging Flüssiges und Geld zu Ende
    passierte immer dasselbe.
    Trockenwürgen, Zittern,
    Schweissausbrüche.
    Damit nicht genug besuchten mich
    die Geister und sprachen mit mir.
    Lang und ausgiebig.
    Ich muss sehr glücklich gewesen sein
    damals.


    Einmal wachte ich fixiert und mit Nadeln
    in den Armen in einem Krankenhausbett auf .
    Ich hatte gekocht und war eingeschlafen.
    Die Nachbarn hatten aufgrund der
    Rauchentwicklung den Notruf verständigt.
    Der verkohlten Topf wurde von der
    Feuerwehr auf den Balkon gestellt.
    Vielleicht als Erinnerung.
    Ich trank weiter.
    Nur nicht unterkriegen lassen.


    Hartnäckige Selbstmordgedanken
    beherrschten mich und liessen sich
    nur mit Quantum vertreiben.
    Nervenzusammenbrüche häuften sich.
    Ich lag auf dem Bett und heulte tagelang
    über mein auswegloses Dilemma.


    Einmal wollte ich mir nachts an
    der Tankstelle Nachschub holen.
    Flaumte die zufällig anwesenden
    Polizisten an. Sie waren so nett
    mich an einem Ort zu bringen, der
    sich Ausnüchterungszelle nannte.
    So konnte ich meine sozialen
    Feldstudien um ein weiteres Spektrum
    erweitern.


    Kam der Scheck konnte es passieren
    das ich mit dem Einlösen einenTag warten
    musste,da ich nicht unterschreiben konnte.
    Old Flatterhand...


    Eines Morgens gegen sechs klingelte
    und pochte es an der Tür.
    Ich hatte es aufgegeben auf die Post
    aus dem Briefkasten zu reagieren.
    Nüchtern betrachtet wäre es mit einem
    Schnippen des kleinen Fingers aus
    der Welt zu schaffen gewesen.
    Jetzt war es zu spät.
    Die nächsten Wochen verbrachte ich
    im Gefängnis. Vermisste nicht mal
    den Alkohol.
    Nach der Entlassung führte mich mein
    erster Weg an den Kiosk.


    Ich kniete neben dem Bett und bat Gott
    nicht mehr trinken zu müssen.
    Spätestens eine Stunde später
    war ich beim Griechen.


    Zahlte keine Miete mehr
    da ich für mein Geld eine
    bessere Verwendung sah.
    Auf Mahnungen reagierte ich nicht.
    Eines Abends kam ich Nachhause
    und das Schloss war ausgewechselt.
    Ich war obdachlos.


    Campierte im Park, trank wie gewöhnlich,
    wechselte keine Kleidung mehr und weiss
    von meinen letzten nassen
    Wochen kaum noch was.
    Ein dreiwöchiges Blackout.


    An einem Sonntagmorgen wachte
    ich auf in meinem Zelt und fuhr
    zur Suppenküche.
    Ich hatte Hunger, kriegte es aber
    nicht auf die Reihe den Löffel vom
    Teller zum Mund zu jounglieren.
    Old Flatterhand...


    Ich fühlte mich so verzweifelt und unten.
    Diese ganze Aussichtslosigkeit.


    Ich fuhr hungrig in den Park zurück
    Legte mich in den Schlafsack.
    Ich hatte aufgegeben.


    Dann dieser innerer Schrei
    "Ich kann nicht mehr"
    und während dieses Nachmittags
    stürzte ein Stück innerer Mauer ein
    und ich hatte zum ersten Mal die
    Möglichkeit zu sehen wer ich war und bin:
    ein Alkoholiker.


    Seit diesem Tag hab ich nichts mehr
    getrunken!


    Meine Botschaft, wenn ich überhaupt eine habe, ist ziemlich simpel:

    ABSTINENZ IST NICHT DER WEG IN DEN HIMMEL
    ... SONDERN DER AUS DER HÖLLE !

    und wenn der Brant diesen Weg gegangen ist dann kannst Du das auch.

  • Hallo und herzlich Willkommen auch von mir, Miaflorentine! 🙋‍♀️

    Ich hab deine Vorstellung zunächst in ein eigenes Thema verschoben und dein Thema nun auch das entsprechende Unterforum im „Treffpunkt“ verschoben.

    Ich wünsche dir gutes Ankommen hier und hilfreichen Austausch. Du kannst nun auch im öffentlichen Bereich schreiben.

    Viele Grüße

    AmSee
    (Moderatorin)

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Vielen Dank für eure Antworten 😊

    Das ist irgendwie schön, wenn man etwas von sich zeigt und da sind Menschen, die lesen und antworten!

    Könnte mir jemand sagen, wie ich mich auf einzelne Antworten beziehen kann? Geht das nur, indem ich zitieren auswähle, oder gibt es noch eine andere Möglichkeit?

    Brant, ich würde sehr gern etwas von deiner Geschichte lesen!

    Honk, Dankeschön, den werde ich suchen.

    Ich fühle mich nicht besonders gut zur Zeit. Vor ein paar Tagen habe ich mich getrennt, aber mit sehr viel Traurigkeit darüber.
    Kurz hatte ich den Gedanken, diese ganzen Trennungs- und Verlustgefühle auszuhalten sind erschwerte Bedingungen, aber andererseits ist es sicher eine gute Zeit für Selbstbegegnung. In jedem Fall eine Notwendigkeit.

  • Hallo Mia, ich nehme unsere beiden Beiträge nun aus dem Thread „Warum Vorstellung?“ raus.
    Das Problem lag ja offensichtlich daran, dass jene Einrichtung ganz neu ist und ich selbst mit dem neuen Verfahren noch nicht vertraut war. 😉

    Das ist ja nun anders. ^^

    Nochmals gutes Ankommen hier!
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Könnte mir jemand sagen, wie ich mich auf einzelne Antworten beziehen kann? Geht das nur, indem ich zitieren auswähle, oder gibt es noch eine andere Möglichkeit?

    Das kann ich dir beantworten. :)

    Entweder sprichst du den Betreffenden oder die Betreffende in der Anrede mit „Hallo xy“ an.

    Oder du fügst vor dem Namen ein @-Zeichen an. Wenn du @ eingibst und mit den ersten Buchstaben des Namens beginnst, taucht ein Vorschlag auf, den du anklicken kannst. Das sieht dann zum Beispiel so aus Miaflorentine .


    Oder aber du wählst das aus, was du zitieren möchtest, markierst das, dann erscheint ein Fenster „Zitat einfügen“.
    Es gibt, was das Zitieren betrifft, noch andere Möglichkeiten. Die findest du bestimmt mit der Zeit heraus oder aber du bittest um weitere Erklärungen, dann liefere ich oder jemand anderes nach. 😉

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Brant, ich würde sehr gern etwas von deiner Geschichte lesen!

    Hallo Miaflorentine

    Bis auf den letzten Countdown habe ich nichts Zusammenhängendes geschrieben. In Stichpunkten ist die Story aber schnell erzählt.
    Geboren und aufgewachsen an einem kleinen Ort im Süddeutschen. Vater Alkoholiker und seine Sucht war der Brennpunkt des damaligen Familienlebens. Nach aussen hin die heile Welt präsentieren und im Innern unfähig Konflikte zu lösen. Als Heranwachsender schloss ich mich selbstverständlich entsprechender Clique an. Aus dem ersten Schwips entwickelte sich im Lauf der Jahre schleichend ein mehr und mehr. Ein Sog der mich unweigerlich nach unten zog. Es war nichts mehr wichtiger als besoffen zu sein.
    Und nach dem Ausstieg. Ein sanftes Auseinandersetzen mit mir selbst. Poetisch ausgedrückt vllt: Ich bin in den Bus der mich nachhause bringt eingestiegen." Jeden Tag ein Stück weit bewusster und aufmerksamer als gestern zu sein. Manchmal gelingts.

    Beste Wünsche

  • Hallo Mia,

    von mir ebenfalls ein herzliches Willkommen.

    Vieles was du schreibst, kommt mir ebenfalls sehr bekannt vor. Ich habe auch jahrelang den Alkohol missbraucht, um locker zu werden, er hat mir auch ein Dazugehörigkeitsgefühl vermittelt hat und alle Ängste betäubt, die ich im Umgang mit Menschen hatte.

    Leider ging das über die Jahre nicht lange gut und wie das eben immer so bei einem "falschen Freund" oder toxischen Beziehung ist, hat er immer mehr genommen als gegeben. Ich habe jahrelang gebraucht, um mir dessen erstmal bewusst zu werden. Der Alk war langezeit mein Lebenselexier und ich wollte ihn echt nicht hergeben.

    Mir ist aber immer mehr bewusst geworden, dass ich den Alkohol überhaupt nicht brauche, eigentlich nie gebraucht habe um ein zuftriedenes Leben zu führen. Und dass es kein Verlust, sondern eine Erlösung bzw. ein Gewinn ist, nüchtern zu leben.

    Und die gute Nachricht (bzw. wie ich das erlebt habe und immer noch erlebe) ist, dass bei einer stabilen Nüchternheit auch wieder das Selbstvertrauen wächst. Und man immer mehr in die Lage kommt, die Probleme, die früher nur betäubt wurden und dadurch auch wieder auch neue Probleme entstanden sind, nüchtern jetzt wirklich anzugehen und zu lösen.

    Ich wünsche dir auf alle Fälle erstmal ein gutes Ankommen hier :thumbup:

    LG Rent

  • Ihr Lieben,


    ich kann gerade nicht auf einzelne Antworten eingehen, weil ich mich so in Not fühle und überhaupt keine Kapazität habe.


    Obwohl ich vorgestern so arg erschrocken war, dass ich nach fünf Tagen trinken scheinbar erstmals Entzugssymptome hatte und gestern nüchtern blieb, habe ich heute getrunken.
    Mittags wusste ich noch, wie wichtig es für mich ist, gerade jetzt meine Selbstwirksamkeit beisammen zu kratzen. Dann kamen einige Auslöser und plötzlich wusste ich, dass ich trinken werde und mich nichts in der Welt davon abhalten kann.
    Ich habe sogar prophylaktisch meine Arbeit abgesagt, obwohl sie mir so wichtig ist!

    Wie kann es nur sein, dass ich alles klarer sehe, als jemals zuvor und trotzdem losfahre und Alkohol kaufe?
    Ich fühle mich so verloren und hoffnungslos.
    Ich hatte alle diese wertvollen, kraftvollen Worte noch vor Augen, die ich hier in den letzten Tagen gelesen habe.
    Aber ich glaube, selbst wenn ich jetzt jemanden hätte, den ich anrufen könnte und der mir all die guten Gründe nennen würde, nicht zu trinken- ich hätte es trotzdem getan.
    Ich fürchte mich wahnsinnig davor, nüchtern zu werden. Aber es fühlt sich an, als hätte ich keine Kapazität, solche Tage wie heute nüchtern zu überstehen und als hätte ich damit meinen Weg geebnet.
    Ich weiß nicht, ob es etwas schlimmeres gibt, als sich sein Unvermögen an Kontrolle in solchen wichtigen Momenten zu beweisen.

    ich hätte gern einen Freund angerufen. Aber ich glaube meine Hoffnungslosigkeit und alles, was in mir vorgeht, würden jeden Freund überfordern.

    Ich hoffe meine ziemlich verzweifelten Worte bringen niemanden in Schwierigkeiten. Danke fürs lesen.
    Wahrscheinlich werde ich gleich hoffentlich einschlafen.

  • Hi zu später Stunde,

    also ich versuche ja immer das positive im negativen zu sehen. Und absolut positiv ist, Du bist hier und hast angefangen, Dich mit Deinem Problem, mit dem Alkohol, auseinanderzusetzen. Und das ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt und zwar in die Richtung, dass es Dir besser geht. Ohne Alkohol hast Du auf jeden Fall eine riesige Baustelle weniger. Auch wenn die Probleme dadurch nicht kleiner werden, aber die Probleme werden dann angehbar. Betrunken lösen sich keine Probleme, es wird nur schlimmer. Das ist leider so.

    Ich spreche jetzt nur mal für mich, ich hab auch selber einen riesen Bammel vor dem aufhören gehabt. Ich hatte so viele Momente, da hab ich einfach nur gehasst was ich da tue. Am schlimmsten war es morgens, der Blick in den Spiegel und mit dem Wissen, gestern ist es wieder eskaliert und deswegen geht es mir gerade wieder so dreckig. Und trotz des Wissens, wie ein Automatismus, wie ein Roboter gesteuert, ging es wieder los. Wieder und wieder.

    Ich würde Dir gerne ein Spezialrezept geben, wie man das Knöpfchen findet, es drückt und alles wird einfach. Ich kann Dir von mir erzählen, als ich mein Knöpfchen gedrückt habe, ging es einfacher als erwartet.

    Was mir ein bisschen Sorgen macht und ich denke es ist wichtig zu sagen, alleine mit dem Trinken aufzuhören kann echt gefährlich werden. Stichwort kalter Entzug. Deswegen auf jeden Fall mein Rat oder Tipp mit einem Arzt darüber zu sprechen. Auch wenn Dir der Satz viel Angst machen sollte, denk bitte darüber nach.

    Und wenn Du schreibst, Du hättest gerne jemanden angerufen: Telefonseelsorge. Meine ich ernst, dafür sind die Leute da. Anonym, ein offenes Ohr und eigentlich immer erreichbar. Das ist keine Schande dort anzurufen wenn es einmal schlecht geht.

    Und ansonsten, du hast Dich auf den Weg gemacht, so oder so. Du musst nur Deine Richtung bestimmen und erste, kleine Schritte machen.

    Bis dann :)

  • Guten Morgen,

    ich sehe das ähnlich wie Honk und wie bestimmt viele andere hier.

    Du bist erstmal hier, um dich mit deinem Problem auseinander zu setzen und das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

    Es nützt jetzt auch nicht, wenn du dir Selbstvorwürfe machst, die haben zumindest mir noch nie weitergeholfen. Klar es ist immer unschön, wenn man wieder mit seinem Vorsatz gebrochen hat und nach anfänglicher kleiner Euphorie wieder nachgegeben hat/ nachgeben musste. Ich kenne das sehr gut und mein Glaube, es jemals zu schaffen wurde dadurch immer kleiner. (Dafür die Scham- und Schuldgefühle immer größer.) Aber wenn es zu einfach wäre, gebe es wahrscheinlich auch nicht so ein Forum in dieser Art oder auch andere Selbshilfegruppen.

    Ich würde dir auch gerne einen Tip geben, wie du die Sache am besten angehen könntest, aber das ist meistens schwer, weil man sich ja auch nicht wirklich kennt und jeder anders tickt. Mancher sagt sich, ich lasse für HEUTE das erste Glas weg oder baut sich Etappen, dass es einfacher erscheint. Mir hat es eher geholfen, eine "Gesamt"-Vision von einem nüchternem Leben vor Augen zu haben und welche ich jetzt jeden Tag ein Stück mehr festige.

    Mir hat es auch damals sehr geholfen, zu erkennen, dass es überhaupt keinen Alkohol braucht, um ein zufriedenes Leben zu führen und die (angebliche) Lösung von Problemen durch ihn nie stattgefunden hat und die Probleme eher größer wurden. (Klar vom Kopf her, wird das sowieso jeder wissen, der trinkt) Aber bei mir ist damals diese Erkenntnis in mich "reingegangen" (ich war total verzweifelt, ich wollte im Grunde meines Herzens nicht mehr trinken und hatte es gehasst, immer und immer wieder trinken zu müssen)

    Und ich sehe es nicht mehr als Verlust, sondern als eine noch nie dagewesene Erlösung und Freiheit an. Und mir ist dadurch ehrlich gesagt, der Entzug nicht sonderlich schwer gefallen. (Bei mir ist aus dem immer wieder Trinken MÜSSEN und dem dazugehörigen Verlustendenken "nicht mehr trinken zu DÜRFEN oder zu KÖNNEN , ein gottseidank "BRAUCHE und MÖCHTE" ich nicht mehr trinken, geworden)

    Diesen Podcast von Nathalie Stüben, den Honk dir empfohlen hat, hat mir ehrlich gesagt im Nachhinein auch sehr gut geholfen. Ich kannte den zum Zeitpunkt meines Aufhörens überhaupt nicht, aber ich muss sagen, dass er sich mit vielen Erfahrungen bzw. Denkweisen, die mir geholfen haben, deckt.

    Aber wie es immer so ist, alles hilft nicht immer allen. Und ich lese das jetzt nicht genau bei dir heraus, du scheinst aber auch schon therapeutische Hilfe in Anspruch genommen zu haben und ich finde, es ist überhaupt keine Schande, sich in der Hinsicht professionelle Hilfe zu suchen, wenn es alleine nicht zu schaffen ist.

    Apropos alleine, ich bin damals meine unzähligen (körperlichen) Entzüge immer alleine angegangen, sozusagen kalter Entzug. Und ich muss sagen, dass ich da wirklich naiv an die Sache herangegangen bin. Ich habe im Nachhinein erfahren, dass man selbst bei relativ geringeren Mengen ernsthafte gesundheitliche Probleme bekommen kann. In der Hinsicht wäre es vielleicht wirklich besser, einen Arzt zu hinzuziehen und mit ihm deine Problematik und Vorhaben zu besprechen. Hört sich jetzt vielleicht nicht besonders schön an und bei mir wären damals sofort meine Schamgefühle wieder aufgeploppt (du hattest das ja ähnlich in der Suchberatung erlebt bzw. geschrieben)

    Aber es gibt in der Hinsicht eigentlich überhaupt keinen Grund sich zu schämen und wer noch nie diesen Kreislauf aus Verzweiflung, Scham und Schuld mitgemacht hat, kann da gar nicht mitreden. Manchmal kann das ja vielleicht sogar befreiend wirken, wenn man sein Problem "öffentlich" macht und nicht alleine damit ist. (Was du ja hier im Forum auch schon angefangen hast, zu tun.)

    Und genau, du hast den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht und egal wie hoch der Berg jetzt auch noch aussieht, den du vor dir siehst, wird er für dich mit der richtigen Hilfe und Strategie zu schaffen sein 🙂

    LG Rent

  • Mia,

    hast Du für Dich schon einen Gedanken gefasst, wie es weiter gehen könnte?

    … eine gute Frage. Ich werde mich heute wieder bei der örtlichen Suchtberatung anmelden. Davon abgesehen habe ich „erstmal ein paar Tage nüchtern bleiben“ Gedanken, die wohl typisch für jemanden sind, der den Ernst der Lage noch nicht vollkommen begriffen hat, oder?

  • rent danke für dein Willkommen, den Einblick in deine Geschichte und den Hinweis darauf, dass das Vertrauen in sich selbst mit der Nüchternheit zurück kommt!

    Wie genau ist dir immer mehr bewusst geworden, dass du auch ohne Alkohol ein erfülltes Leben haben kannst?
    In meiner letzten „längeren“ Nüchternphase von etwa zwei Monaten, da gab es zwar anfangs eine Art Euphorie über das Gelingen, aber recht schnell hat sich doch das Gefühl eingeschlichen, wie sehr mir betrunken sein fehlt.
    Und nebenbei, manchmal, egal ob betrunken oder nüchtern (aber besonders oft, wenn ich getrunken habe), denke ich: wenn der Preis fürs trinken ein kürzeres leben ist, zahle ich ihn eben. Das ist es wert.
    Gleichzeitig schäme ich mich für solche Gedanken auch, weil das natürlich eine saudoofe Rechnung ist. Ich will nicht leidvoll an einer Folgeerkrankung sterben. Und ich will auch auf gar keinen Fall so enden, wie man bei einer fortgeschrittenen Alkoholkrankheit endet!
    Und genau hier wäre dann ja eigentlich alles klar, ich müsste es nur lassen…

  • Honk kannst du dir vorstellen wie gut es tut, wenn man gerade etwas getan hat, zu dem man überhaupt nicht stehen möchte, sich damit trotzdem zeigt und am nächsten morgen dann lesen darf: es ist gut, dass du dich hier angemeldet hast und auseinandersetzt?! Ja. Wahrscheinlich kannst du dir das sehr gut vorstellen. Ich bin dankbar dafür.
    Auch, nochmal lesen zu dürfen, wie diesen Teufelskreis auch du kennst, der von außen betrachtet, für jeden Nichtsüchtigen sicher absurd anmuten muss. Als würde man den Kopf immer wieder gegen eine Mauer schlagen.
    Ja bitte, würdest du mir von deinem entscheidenden Moment erzählen, als du aufgehört und dabei bleiben konntest?
    … ich denke mir manchmal lieblos und kalt über mich selbst, wenn ich mal wieder Alkohol hole, nachdem ich kurz vorher noch sicher war, es nicht zu tun: ja, dann musst du halt noch ganz tief nach unten, um es endlich zu kapieren.

    Oje, der Hinweis macht mir echt Höllenangst. Plötzlich Entzug zu spüren kommt mir vor wie eine ganz neue Liga im unteren Bereich.
    Ja, ich werde das berücksichtigen.
    An die Telefonseelsorge habe ich gar nicht gedacht, danke auch dafür!

  • rent ich habe deine Nachricht heute morgen mehrfach gelesen, weil sie mir so gut getan hat. Durch den ganzen Nebel in meinem Kopf und mit all der Scham.
    Von Herzen danke dafür.

    Ja, das Vertrauen in sich sinkt und die Scham steigt.

    Also für mich bedeutet nüchtern sein im Augenblick: ich muss unerträgliche Gefühle aushalten und noch dazu die Hilflosigkeit, weil ich meine „Lieblingsstrategie“ nicht mehr nutzen kann. Noch dazu diese schrecklichen Eingeständnisse über sich selbst… ich bin süchtig. ich bin jetzt in der Liga „entzügig“.
    Irgendwie erschüttert mich das.

    Aber ich versuche mir die Erinnerung vor Augen zu rufen, dass es leichter wird, wenn man erstmal ein paar Tage nüchtern ist. Also zumindest in Bezug auf das gewohnte Ritual zu einer bestimmten Zeit. Was sicher noch Jahre bleibt ist ja dann die Gefahr, wenn Auslöser kommen…

    Mit dem erwähnten Podcast habe ich gestern schon angefangen:)

    Ich habe eine Therapeutin, mit der konnte ich immer offen über mein Trinkverhalten sprechen, auch wenn ich dort eigentlich wegen Angst und Panik bin.
    Ich denke es wäre gut sie zu bitten, meine Sucht in der nächsten Zeit in den Vordergrund zu stellen. Ich werde sie morgen fragen, da habe ich ohnehin einen Termin.
    Und ich habe heute einen Termin bei der Suchtberatung zum Vorgespräch vereinbart.

    ich lese mit staunen, dass du während deiner Entzüge allein warst! Wie ging es dir denn damit, hast du dich nicht sehr einsam gefühlt?
    Also als ich hier neulich lag, meine ganzen Alltagsaufgaben gar nicht tun konnte und allein war, war das einfach nur furchtbar.

    Das es schon bei recht geringen Mengen Schwierigkeiten geben kann, hat man mir letztes Jahr bei der suchtberatung auch gesagt… Aber ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich das überhaupt nicht ernst genommen habe :/


    viele liebe Grüße, mit aufrichtigem Dank!

  • Ich denke es wäre gut sie zu bitten, meine Sucht in der nächsten Zeit in den Vordergrund zu stellen. Ich werde sie morgen fragen, da habe ich ohnehin einen Termin.
    Und ich habe heute einen Termin bei der Suchtberatung zum Vorgespräch vereinbart.

    Das sind sicher die geeigneten Schritte. In diese Richtung lohnt es sich zu gehen.

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