Hallo, ich bin Mia, 39 Jahre alt und vor etwa zwei Jahren wurde mir bewusst, dass ich mein Trinkverhalten nicht kontrollieren kann.
In meiner Jugend wurde um mich herum exzessiv getrunken. Es war in meiner damaligen Clique absolut notmal, Freitags mit dem trinken zu beginnen- bis zum Erbrechen und erst sonntags wieder auszunüchtern.
Schnell habe ich festgestellt, dass Alkohol ein scheinbar absolutes Zaubermittel gegen die Angst war. Gegen die Angst, die da ist, solange ich zurückdenken kann.
Plötzlich konnte ich dazugehören, locker und lustig sein, anstatt mich vor lauter Angst von Menschen fern zuhalten.
Aber nach ein paar Jahren habe ich immer öfter schon Mittwochs getrunken und ein wenig später manchmal morgens vor meiner Ausbildung, um den Umgang mit Menschen überhaupt aushalten zu können.
Da war ich 19 Jahre alt und hätte mein Leben manchmal gern beendet, weil es sich aus unterschiedlichen Gründen unerträglich anfühlte.
Was mich dann für eine paar Jahre vor einem noch tieferen Absturz bewahrt hat, war, dass es mir plötzlich körperlich so schlecht ging, dass ich nicht mehr trinken konnte. Jedes Mal, wenn ich es versuchte, reagierte mein Körper so heftig, dass ich quasi in die Abstinenz gezwungen wurde.
Aufgearbeitet habe ich diese Alkoholthematik nie.
Ich bekam meinen wunderbaren Sohn, der heute 16 Jahre alt ist, heiratete und investierte alle Kraft in die Aufgabe, die liebevolle Mama zu sein, die ich selbst nicht gehabt hatte.
Dann kam die Scheidung.
Ich hatte immer noch und mehr denn je mit schlimmen Panikattacken zu tun, obwohl ich bereits jahrelange Therapie, Klinikaufenthalte und alle möglichen alternativen Ansätze hinter mich gebracht hatte.
Mein Exmann ist mit meinem Sohn ausgezogen und mein Leben lag in Scherben.
Ich begann wieder zu trinken.
Bis ich mich nicht mehr erinnern konnte, wann mein Letzter nüchterner Tag war.
Im ersten Jahr habe ich überhaupt nicht auf die Menge geachtet- es war mir einfach egal, ich wollte nur, dass die Angst vor dem Leben nicht so präsent ist und ich schlafen kann.
Dann habe ich immer mal wieder Trinkpausen eingelegt.
Aber vor etwa zwei Jahren wurde mir bewusst, dass ich mittlerweile wieder fast täglich trank. Es fing immer mit ein paar Bier an, danach brauchte ich unbedingt noch mehr und trank alles, was ich in der Küche meines damaligen Partners so fand, oder lief noch nachts zum Kiosk. Hauptsache nicht nüchtern werden.
Am Morgen darauf jedes Mal das selbe „heute muss ich es mal lassen“. Überwiegend lief das immer auf „naja, ein zwei Bier gehen schon“ - mit bekanntem Ende- hinaus.
Ich habe mich schuldig gefühlt.
Ich habe durchaus gemerkt, was ich meinem Körper antue und hatte Angst vor der Zukunft… vor einem Leben ohne Alkohol, vor Krankheit, vor mir selbst.
Aber ich habe versucht das wegzuschieben, bis zu einem Abend im letzten Jahr, wo einer meiner besten Freunde mich plötzlich besorgt ansah und sagte „ich kenne dich nicht mehr nüchtern. Du bist immer betrunken!“
Das hat mich wie ein Schlag getroffen, ich habe geweint und ihm gesagt, dass ich Angst um mich habe.
Danach bin ich vorerst nüchtern geblieben und zur Suchtberatung gegangen. Ich habe an den meisten Treffen teilgenommen und mich bewusst auseinandergesetzt.
… nicht ohne Scham muss ich aber zugeben, dass es ich mit ziemlich viel Widerstand darauf reagierte, als man mir eine Entgiftung vorschlug.
Zu der Zeit hatte ich ja eine Weile nicht getrunken und immerhin kam ich (mit Mühe und Not) oft genug mit „nur“ sechs Bier aus.
Heute ist mir meine Reaktion unangenehm.
Letztes Jahr fühlte sich der Vorschlag noch absurd an- ich habe einen Großteil meiner Suchtgeschichte einfach ausgeblendet.
Das jetzt hier zu schreiben, damit so ein deutliches Bild zu zeichnen, fühlt sich unangenehm an.
Ebenso wie die Tatsache, dass ich irgendwann nicht mehr zu den Treffen ging. Ich dachte- warum auch immer- ich krieg das hin, solange ich ein paar Tage ohne Alkohol zwischen meine Trinktage schieben kann.
Nun ja, das hat eine Weile irgendwie halbwegs funktioniert.
Aber gerade habe ich wieder mal einige Tage hintereinander getrunken, ab 18 Uhr (bescheuert, wie man versucht, sich mit solchen unwichtigen Details selbst zu beruhigen), so zwischen 4 und 7 Bier.
Ich hätte auch gern gestern getrunken, aber es ging mir einfach körperlich zu schlecht.
Ich weiß nicht, ob das ein leichter Entzug war, ist. Aber ich habe angefangen hier zu lesen. Und entschieden, mich vorzustellen.
Und bin schockiert, wie sich das liest.
Ich glaube, ich bin süchtig.
Ich möchte heute nichts trinken.
Ich brauche dringend Selbstwirksamkeit und ein bisschen Unterstützung 😔
Es hilft mir, hier zu lesen. Vielen Dank!