Vorstellung - Miaflorentine

  • Liebe AmSee13 - was für ein schöner Name, am See, übrigens:)

    Danke für deine wohltuende Anteilnahme und dass du meine Schritte mitverfolgst.
    Unheimlich gern mag ich mich über Angst austauschen, bitte berichte mir gern mehr, wenn du magst.

    Diesbezüglich bin ich zum Glück sehr klar. Meine Therapeutin hat mich mal darauf hingewiesen, dass ich beim ständigen trinken keine Strategien lernen kann, um mit meiner Angst umgehen zu lernen. Klar, wenn ich sie ständig betäube (bevor sie dann wieder über mir zusammen schlagen).
    Das Argument fand ich sehr überzeugend.

    Dennoch macht mich zuversichtlich, was ich von dir gelesen habe :)

    Auch, dass die Kreativität zurück kommt… das beruhigt mich! Manchmal dachte ich, mein wirkliches Wesen ist tot. Ertrunken.
    Und das könnte ich nicht mal übel nehmen, denn irgendwie ging’s mir ja genau darum. Nicht mehr fühlen.

    Allerliebste, verbundene Grüße 💚

  • Liebe Mia


    Ich habe eine Vorstellung, was du mit Verstärkern meinst, aber bitte: würdest du mir dazu noch ein paar Worte schreiben?

    Gerne... aber zuerst mag ich dir noch mal auf Folgendes antworten. Du hattest geschrieben:

    Ich hatte viele Sätze von euch im Kopf!
    An denen habe ich mich festgehalten.
    Sie haben in den letzten Tagen Sinn und leben für mich durch euch erhalten.
    Also wusste ich zum Beispiel, dass es mich stärkt, wenn ich diesen Moment ohne Alkohol überstehe.
    So bin ich mit dem Hund gelaufen.
    Und habe die Weinschorle bei einer Freundin abgelehnt. Und Zigaretten gekauft, ohne Bier mitzunehmen.

    Genau das meinte ich. Du hattest viele Sätze von uns im Kopf, an denen du dich festgehalten hast. Es waren Sätze, die dich anscheinend vom Trinken abgehalten haben und diese Sätze, aber auch Tätigkeiten meinte ich mit "Verstärkern".

    Du bist mit dem Hund gelaufen, du hast dich an Sätze erinnert, du hast Dir Zigaretten gekauft, aber kein Bier.

    Es gibt sicher noch sehr viel mehr, was dir helfen könnte:

    Tee kochen, im Forum schreiben oder lesen, Atemtechniken anwenden, Yoga, Springseil hüpfen, Sätze notieren (! ) -für mich ganz wichtig...FReundin anrufen, malen, kochen...ganz gleich: irgendwas wirst du finden, auch wenn du sagst, dass du kaum Hobbys hast -aber vielleicht findest du genau jetzt welche, wenn du den Alkohol nicht mehr miss(brauchst).

    Ich habe meine Verstärker anfänglich notiert: Warum will ich nicht mehr trinken ?Ich habe mir eine ganze Liste an Gründen aufnotiert und diese habe ich mir wieder durchgelesen, wenn ich an meinem Vorhaben zweifelte. Zugleich habe ich aber auch aufnotiert, was so schlimm an meinem Alkoholmissbrauch war,ich hab mir alles mögliche notiert und das war befreiend und gut.Wenn ich das immer wieder nachlesen konnte , dann führte mich das sofort wieder zurück in die "richtige" Spur. Ein weiterer Verstärker: Sich belohnen für einen weiteren alkoholfreien Tag-was könnte das für dich sein ?

    Vielleicht hilft es dir auch, wenn du dich tatsächlich mit deinem Suchtdruck unterhältst.

    Ich denke, es ist sehr hilfreich, sich in positive Weise mit der Abstinenz zu beschäftigen-was kann gedacht, getan, organisiert werden, damit der Weg in die Abstinenz sicherer wird.

    Und: was kann gedacht, getan und organisiert werden, dass es zu keinem Rückfall mehr kommt .

    Du schreibst:

    Den Auslöser möchte ich teilen.
    Das größte Potenzial für Angst in mir ist, wenn ich befürchte, meine Bezugsperson zu verlieren. Meine bedeutsamste Bezugsperson ist mein Partner.
    Ich schrieb schon, dass wir gerade in einer Trennung sind. Das ist für mein ganzes System eine Katastrophe.
    Gestern haben wir geredet. Dabei hat etwas diese kalte Verlustangst berührt.
    Eine Angst, die ich Traumakälte nenne.
    Sie kommt immer, wenn mein System einen Hinweis auf Verlust, unberührbarkeit oder kurz gesagt Trennung (im Sinne von Verbindung getrennt) erhält.

    Gestern war es wieder so weit.
    Ich war nur noch ein zitterndes Kind.
    Keine Mia, die 39 ist, einen fast erwachsenen Sohn hat.

    Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Du bist aktuell in einer Trennung und es ist klar, dass du durch die Trennung immer wieder in Trauerphasen und auch in Verlustängste kommst. Ich kenne diese Zustände selbst sehr gut, auch ich habe eine Trennung hinter mir und weiß, was Verlustängste bedeuten -für mich sind Trennungen auch sehr schmerzhaft und Loslassen fällt mir generell schwer. Auch Ängste sind bei mir nach wie vor ein Thema.(die ich übrigens erst jetzt durch meine Abstinenz besser angehen kann). Ich hatte einige Therapien, ich nenne es im Nachhinein Therapieversuche, denn in all den Jahren hatte ich noch getrunken -tagsüber war ich in der Therapie und Abends dann ne Flasche Wein getrunken ).Ein ehemaliger Therapeut sagte mal, dass eine Therapie nur dann fruchtet, wenn man nüchtern bleibt. Ich dachte damals, der hat sie nicht mehr alle. Schließlich war ich in den Therapiestunden immer nüchtern.

    Aber heute weiß ich, wovon er gesprochen hat. Erst durch die Dauerhafte Abstinenz ist es möglich, sich seiner Nöte und Sorgen, Ängste und Traumata zuzuwenden.

    Auch wenn sich vieles dramatisch und schlimm anfühlt, so ist es jetzt umso wichtiger, sich gut zu versorgen und Schritt für Schritt weitergehen und sich nicht zu überfordern.

    Liebe Grüße Oran-Gina

  • Liebe Mia,

    gerne tausche ich mich mit dir über das Thema aus.

    Das Nicht-rausgehen-Können kenne ich auch. Das habe ich mitunter auch jetzt noch, allerdings in abgeschwächter Version. Wenn es bei mir auftritt, arbeitet in der Regel etwas in mir.

    Ich übe in solchen Momenten keinen weiteren Druck auf mich aus und mache mir dann auch keine Vorwürfe mehr. Im Gegenteil wende ich mich mir dann liebevoll zu und sorge entsprechend für mich. In der Regel ist eine solche Phase recht schnell wieder verschwunden.

    Mit dem Thema „Trauma“ beschäftige ich mich ebenfalls, wobei ich selbst kein klar abgegrenztes Trauma erlitten habe, sondern etwas was als „Entwicklungstrauma“ bezeichnet wird.

    Ich kenne das, was du mit „Verlustangst“ beschreibst, auch ziemlich gut. Bei mir hat das seine Ursachen tief in meiner Vergangenheit. Ich hab mich nahezu mein ganzes Leben lang allein gefühlt, obwohl durchaus Menschen um mich waren. Abschiede sind mir in der Regel sehr schwer gefallen.

    Erst seit einer Weile fühle ich mich nicht mehr allein, aber nicht, weil Menschen um mich herum sind, sondern weil ich mich selbst in mir drinnen nicht mehr allein fühle. Ich hab meine vielen Ichs (und ich spreche nicht von Schizophrenie, das ist noch was ganz anderes) kennen- und schätzengelernt. Mein Therapeut spricht in diesem Zusammenhang von „Ego-States“. Zu diesen zählen meine verschiedenen sogenannten „Inneren Kinder“, aber auch noch andere Anteile von mir. In den letzten Jahren ist ein fürsorglicher, tatsächlich erwachsener Elternteil in mir gewachsen, der sich meiner verschiedenen ICHs entsprechend anzunehmen vermag. Er hat dafür inzwischen verschiedene Möglichkeiten, Werkzeuge und auch Skills zur Hand.
    Fühlt sich echt gut an.

    Wenn du dich mit dem Thema „Trauma“ schon eine Weile beschäftigst, hast du vielleicht eine Ahnung, was ich da lediglich andeute.

    Bis hierhin erstmal.

    Auch dir allerliebste Grüße 🌻


    P.S.: Mit dem Hund rausgehen, find ich prima. Mache ich mit meinen zwei auch gerne und es tut in der Regel einfach gut. (Es sei denn, die eine meiner beiden pöbelt andere mal wieder zu viel an. 😅)

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hi Mia,

    erstmal möchte ich wirklich Danke sagen dass Du Dir soviel Zeit nimmst auch so individuell und ausführlich zu antworten ❤️

    Ich möchte Dir einen Satz mitgeben, der mich in ganz schwierigen Momenten immer festgehalten hat:

    Was verändert sich an meiner jetzigen Situation, wenn ich wieder rückfällig werde?

    Die Antwort ist: Nichts. Es ändert sich nichts, außer, dass es mir wieder schlechter geht!

    Und das trage ich bis heute. Ein weiterer Satz, an dem ich mich festgehalten habe, mit jedem Schritt, mit jedem Tag, den ich ohne Suchtmittel gemacht habe war:

    Wenn Du jetzt wieder anfängst, musst Du von vorne durch die ganze Scheisse wieder durch. Hast Du da Lust drauf?

    Damit habe ich mich immer in schwierigen Momenten oben gehalten, einen Schritt vor den anderen gemacht und siehe da, es wurde langsam leichter und ich habe die Strecke langsam ausgedehnt.

    Diese Sätze sind vielleicht nur kleine Anker, aber ich finde es steckt viel Kraft in ihnen.

    Ich schreibe später noch ein bisschen, ich muss jetzt aber mal los.

    Heads Up! Du kannst stolz auf Dich sein!

    LG!

  • Gute Morgen,

    ich wollte auch nochmal das Thema Ängste aufgreifen.

    Ich habe das früher so erlebt, dass eben der Alk jegliche Angst im wahrsten Sinne des Wortes nur zugedeckt hat, aber unter dieser Decke konnte eben alles schön weiterwachsen. Und in den letzten Jahren wurde mir das zudecken immer unmöglicher und selbst die Decke (Alk) wurde mir immer unbequemer.

    Ich hatte manchmal schon abends Angst, wenn ich getrunken habe, wie der nächste Tag laufen wird, das habe ich selbst in dem Moment nicht mehr wegtrinken können. Zumindest nicht mit meiner handelsüblichen Standardmenge. Gerade unter der Woche war auch in mir noch eine Art Selbstschutz? , weil ich ja früh funktionieren musste. Aber selbst da kann ich mich noch oft an die Momente erinnern, am vorigen Abend zuviel getrunken haben und mit Verzweiflung/Angst ins Bett gegangen zu sein und mit der selbigen am nächsten Morgen wieder aufzustehen.

    Ich hatte sozusagen Angst vorm Trinken und dem nächsten Tag, und habe diese Angst aber trotzdem immer wieder mit Alkohol betäuben müssen. Das ist irgendwie so, als hätte ich Angst mir in den Finger zu schneiden, schneide mich aber trotzdem jeden Tag wieder, weil ich eben die Angst davor habe. Das klingt so verrückt und mit Genuss hatte das schon lange nichts mehr zu tun.

    Diese Angst habe ich nun nicht mehr und ich finde diese Angst war sehr mit Schuld gekoppelt.

    Manchmal denke ich derzeit auch, dass ich vielleicht richtig schlimm krank bin, als Quittung, sozusagen. Krebs, oder sowas. Irgendwas in mir ist wohl überzeugt, dass mein getrinke und gebrauche genau jetzt Tribut zollt.

    Das kann ich sehr gut nachvollziehen, bei mir war es früher auch so, dass ich die kleinste Unregelmäßigkeit/ wenn etwas schief in meinem Leben ging oder auch den kleinsten Krankheitsverdacht in jedem Fall auf meinem Konsum geschoben habe. Nach der Motto, "siehst du, jetzt geht's los, jetzt hast du den Salat/die Quittung!" . Und die darauffolgende Panik und Verzweiflung konnte ich ja wiederum auch nur mit Alkohol bekämpfen. Unterm Strich hat der Alkohol in mir eine Verzweiflung Angst und Schuld erzeugt, die mit meinem wirklichen Konsum zusammenhing, aber diese Schuld war eben auch an andere Dinge geknüpft, die eben manchmal die Kollateralschäden oder "Nachläufer" des Konsums waren und in vielen Fällen direkt überhaupt nichts mehr damit zu tun hatten.

    Alles in allem, war es eine Grundschuld, weil ich eben trank, "etwas Verbotenes tat" . Und aus diesen Grund kam zu diesen Krankheitsängsten auch noch die Grundeinstellung dazu, dass mir NICHTS zusteht, ich NICHTS verdiene, weil ich ja SCHULDIG bin. Und diese Verzweiflung wurde wiederum mit Alkohol betäubt. Bei mir will diese Schuld selbst noch heute im nüchternen Zustand manchmal wiederkommen und mir einreden, mich schuldig zu fühlen, weil ich ja "mal getrunken HATTE" . Das klingt irgendwie alles so verrückt, wird aber Gott sei Dank immer weniger bis kaum noch vorhanden.

    Aus diesem Grund würde ich dich gern beruhigen, dass bei dir bestimmt keine Krankheit, (die als Konsequenz des Konsums gesehen wird) ansteht. Aber es ist in dem Fall auch auf alle Fälle besser, die Sachen abzuklären. Zumindest bräuchte ich auch diese fachmännische Gewissheit/Beruhigung.


    Unterm Strich würde ich davon sprechen, dass mit der "Selbstmedikamenierung" eine Eigendynamik erzeugt wurde, aus der ich ganz schlecht wieder herauskam. Dazu kam auch noch, dass der Alkohol mich wirklich "chemisch" an die Belastungsgrenze gebracht hat/ dünnhäutig werden lies und ich somit keine mentale Stärke/Resistenz gegen Ängste oder auch nur die kleinste Herausforderung hatte.

    Ich habe sozusagen den Alkohol vor sehr vielen Jahren als "Medizinmann" in mein Leben gelassen, aber damit immer nur ein Pflaster auf die Wunde geklebt hat und mir eingeredet/einreden lassen, es ist alles in Ordnung. Und als ich gemerkt habe, dass eben "dieser Arzt" nichts taugt, bin ich ihn dann ganz schlecht wieder losgeworden und er will mir manchmal noch heute hinterherrennen und seine Rechnung (für aus meiner Sicht unerbrachte Leistungen) einfordern.

    Und ja, alles ist nicht gleich sofort perfekt und einige "betäubte" Ängste, die ja auch schon vorher da waren, kommen nun vielleicht erst einmal richtig an die Oberfläche und wollen "gehört" werden. Aber ohne Alkohol habe ich zumindest überhaupt erstmal ein festes Fundament, dass ich nie wieder hergeben möchte.

    Wie ich herauslese, befindest du dich auch gerade noch in einer Trennung, was ja in der Hinsicht eine doppelte Herausforderung bedeuten kann. Wenn man nicht selber in der Situation steckt, ist das immer leicht gesagt, aber ich für meinen Teil würde versuchen, diese Trennung (wenn das Ende sowieso nicht mehr aufzuhalten ist) gleichzeitig in die Trennung vom Alkohol mit "reinzupacken" und vielleicht daraus neue Perspektiven/ ein neues Leben wachsen könnte.

    Ja von außen ist das immer leicht gesagt und in meinem Rückblick gesehen, habe ich teilweise eine große Energie in Sachen hereingesteckt, die schon lange vorher zum Scheitern verurteilt gewesen waren. Mir ist es aber auch oft sehr schwer gefallen, genau diese Sachen loszulassen, wie eben auch den Alkohol.

    LG Rent


    PS: Übrigens gibt's das Buch "Alk" von Simon Borowiak auch als super Hörbuch. Ich muss dazu sagen, dass ich mich die letzten Jahre auch in Richtung Lesen nur noch berieseln lassen habe (eben nur noch Hören, was ja eigentlich auch nicht so schlecht ist ), aber auch jetzt wieder anfange "richtig" zu lesen.

    In dem Zusammenhang habe ich auch deine Buchempfehlung "Lass mich die Nacht überleben" von Jörg Böckem (nur) gehört. Es ist wirklich so ein Buch, was man in einem Zug durchhaben will/ nicht mehr auffhören kann.

    Ich wollte anfänglich gar nicht weiterhören, weil ich mich dort in vielen Situationen wiedergefunden/ mich identifiziert habe und im Anfangsteil eben wieder diese "falsche" Sehnsucht nachgespürt habe und Bedenken hatte, diese wieder in mir zu wecken/zu aktivieren.

    Aber ich finde, es ist immer wichtig, welche Sicht man auf die jeweiligen Dinge hat. Und mit der Sicht: "Ja, so war es einmal gewesen, Gottseidank liegt aber nun dieser dunkle Teil deines Lebens hinter dir", hat dieses Buch sogar für mich als Bestärkung gewirkt. Vielen Dank 👍

    4 Mal editiert, zuletzt von rent (31. Oktober 2023 um 07:41)

  • Guten Morgen, liebe Oran-Gina und vielen Dank für deine ausführliche Antwort 💚

    Also sind Verstärker alle Strategien, die mich in meinem Vorhaben bestärken, ohne Alkohol zu leben- das erste Glas stehen zu lassen, richtig?
    Ich habe gestern direkt eine Liste begonnen, auf der ich mir alle kraftvollen Sätze notiert habe und auch, was ich in „Sucht- Momenten“ konkret tun kann, sowie meine guten Gründe, heute nüchtern zu bleiben.
    Sie ist noch nicht vollständig, ich werde weiter sammeln 😊

    Einen Dialog mit meinem Suchtdruck zu führen kann ich mir gut vorstellen, das möchte ich ausprobieren. Vielleicht hilft das auch, mir selbst auch in diesen Augenblicken noch mehr zu verdeutlichen, dass eben noch ein anderer- „gesunder“ Anteil in mir ist.

    Womit ich mich nach Tagen ohne Alkohol belohnen kann, darüber muss ich noch nachdenken. Ich glaube bisher tue ich das mit der Erleichterung, mir nachts keine Vorwürfe machen zu müssen. Was mir selbst Entspannung, oder Freude bereiten betrifft, damit habe ich ehrlich gesagt wenig Übung. … außer ein Bier aufmachen 🙈

    Dein ehemaliger Gedanke „der hat sie doch nicht mehr alle, schließlich bin ich während der Therapiestunde nüchtern“ hat mich kurz zum lachen gebracht, weil ich genauso dachte. Ich verstehe auch erst seit einiger Zeit, warum ein nüchternes Leben die Basis für innere Arbeit ist.
    Magst du sagen, wie deine aktuellen Ängste sind, worauf sie sich beziehen?

    Selbstfürsorge ist ein Bereich, in dem ich- gelinde gesagt- noch viel Wachstumspotenzial habe. An vielen Tagen fällt es mir schon schwer, regelmäßig zu essen. Und gerade fällt mir ein, wie oft ich nichts gegessen habe, damit ich schneller betrunken bin 😶

    … das sind auch so Details, die man einfach nicht jedem erzählen kann.

    Liebste Grüße, Mia

  • Liebe AmSee13 ,


    ich freue mich, dich zu lesen und danke, dass du dich zeigst ❤️
    Bei mir ist es ähnlich, ich habe auch nach wie vor Tage, an denen mir das rausgehen- meinen Schutzraum verlassen, gesehen werden- noch Unbehagen, manchmal auch Angst, bereitet.
    Und wie du, nehme ich das mittlerweile in vielen Fällen an, während ich mich früher in Angst vor der Angst verstrickt habe. (Was, wenn ich auch morgen nicht raus kann, was, wenn alles wieder wie früher wird? Damit habe ich meinen Stresspegel unheimlich geschürt und die Wahrscheinlichkeit, dass es genauso kommt enorm erhöht).


    Oh, klingt es lächerlich, wenn ich begeistert bin, den Begriff hier zu lesen- Entwicklungtrauma. Ich habe darüber sogar ein kurzes Kapitel in meinem Buch geschrieben, denn für mich waren die Erkenntnisse rund um das Thema Bindungstrauma und inneres Kind lebensverändernd!
    Ebenso eine Befreiung, die mir zu viel mehr Selbstverständnis verholfen haben. Viel Input gibt es da von Dami Charf, möglicherweise sagt sie dir etwas?
    Und dennoch, mein Erwachsenenanteil schmilzt wie Schokolade in der Wüste, sobald meine Urwunde berührt wird. Obwohl ich mittlerweile viele Zusammenhänge verstehe. Hast du das auch, im Zusammenhang mit Bindungsverlust, so ein allerschlimmstes Gefühl in dir?
    Ich habe das in meiner Kindheit und im Laufe meines Lebens nun schon so oft gefühlt- aber es fühlt sich immer noch genauso mächtig und unerträglich an, wie eh und jeh.
    Allein der Gedanke daran lässt mich erzittern. Es ist mit Sicherheit einer der Hauptgründe, wegen denen ich trinke. Getrunken habe- was sagt man nach einer Woche ohne Alkohol… ich weiß es nicht. Ich käme mir irgendwie überheblich vor, wenn ich nach so kurzer Zeit nüchtern von vergangenem trinken sprechen würde. Oder ist das wieder mein Suchtanteil, der sich gegen die Formulierung wehrt 🤷🏻‍♀️

    In jedem Fall ist es entsetzlich, wenn man ein Gefühl mit sich rum trägt, dem man sich nicht gewachsen fühlt und das wie sterben ist. Wenn es kommt lasse ich es einfach fließen, genau, wie ich es mit Panik getan habe. Ich versuche mich nicht im Widerstand zu verstricken, das macht alles noch schlimmer. Aber erträglich ist es deswegen nicht.

    Dir auch einen erholsamen und entspannten Feiertag 🤗

    P.s. Mein erster Gedanke gestern, als ich mich erinnert habe, dass heute frei ist, war „cool, kann ich trinken“. Dann viel mit ein, dass das keine Option ist. Aber es sind Auslöser, weil ich da bisher immer getrunken habe, mit einem Hauch weniger schlechtem Gewissen als sonst


    P.p.s Toll, du hast gleich zwei Wuffs! Meine findet manche anderen Hunde auch doof und pöbelt dann. Das ist ein bisschen anstrengend, da brauchen wir noch Übung.

  • Hallo liebe Mia

    ich finde es beeindruckend, wie gut du dich um deine Belange kümmerst und wie schonungslos ehrlich du zu dir bist. Wie mir scheint, nimmst du viele Ratschläge an und setzt sie gleich um. Vielleicht aber merkst du mit der Zeit, dass sich aber noch ganz andere Strategien oder Verstärker dazugesellen. Ich habe damals auch alles aufgesogen, was von außen kam. Ich habe hier viel gelesen und geschrieben, ich habe mich jeden Abend mit dem Thema Alkohol beschäftigt (lesend, Fachliteratur, Nathalie Stüben ). Mein Eindruck war, dass ich nah dran bleiben muss und will, damit ich Erfolg habe und damit mein Suchtgehirn mir nihct wieder ein Schnäppchen schlägt-schließlich gabs diese Situationen viel zu oft.

    Manchmal hatte ich richtig Sorge, dass ich zu nachlässig werde und war wirklich bemüht, alles, was mir brauchbar erschien, umzusetzen auch wenn ich vieles zu dem Zeitpunkt (im Nachhinein betrachtet) noch nicht wirklich kapiert habe.


    Genau, ich meinte mit Verstärkern,dass du alles tust, um nüchtern zu bleiben-dass du dir Strategien überlegst, wie du diesen Weg sicher(er) gehen kannst.

    Ja, ich bin absolut überzeugt, dass du einen gesunden Anteil in dir drin hast, du musst ihn nur noch von deinem Suchtgedächtnis unterscheiden lernen. Manchmal sind die Übergänge nihct immer klar.

    Kleines Beispiel: Wenn ich damals dachte "Ach komm, du kannst dir ja zur Ausnahme einen Wein genehmigen, schließlich hast du dir ja bewiesen, wie leicht es ist, 4 Tage zu verzichten...also bin ich nicht süchtig...also vielleicht hab ich mir das ja nur eingebildet, dass ich alkoholgefährdet bin...und heute mach ich s mir nur gemütlich, mit einem Glas Wein ".

    Man könnte meinen, dass das meine Stimme war, die mir etwas gutes tun wollte, dabei war es das Suchtgedächtnis.


    Auch ich wusste nicht, wie ich mich überhaupt entspannen kann, denn alles (auße Weinkonsum) war recht öd und langweilig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich auch ohne Alkohol entspannen kann. Dabei kann man viel besser ohne entspannen. VIelleicht ist es auch gut, nicht zu erwartungsvoll da ran zu gehen, vielleicht ist es erst mal nur gut, wie du schreibst, froh zu sein, dass du nüchtern geblieben bist. Alles weitere ergibt sich mit der Zeit!!

    Auch ich habe damals gern weniger gegessen, weil mir der Alkohol wichtiger war.

    Manchmal erinnere ich mich noch mit Grausen daran, wie eklig das Gefühl war, den Alkohol getrunken zu haben, eigentlich schon genug davon zu haben und doch noch ein Glas einzuschenken..mit dem Gedanken " vielleicht esse ich morgen lieber etwas mehr, damit ich den Alkohol nicht so beißend in mir wahrnehme!"

    :huh::huh::huh:?(


    Zu meinen Ängsten:

    Ich habe oft das Gefühl, alleine zu sein, auf mich alleine gestellt zu sein (obwohl das nicht stimmt) und fühle mich mit den Lebensaufgaben überfordert und meine, ich schaffe dies alles nicht... Das ist ein ganz altes Thema:In meiner Familie hatte ich nie den Rückhalt und die Wärme erfahren, die ein Kind gebraucht hätte: Bruder süchtig, mittlerweile sehr gezeichnet und schwer krank, das war und ist mein Dauerbrenner seit ich denken kann und zugleich zu sehen, dass die Eltern weggeguckt haben-Sprachlosigkeit in der Familie, Ausblenden... Auch mein Vater hat viel getrunken, meine Mutter Coabhängig. Ich selbst begann dann in der Studienzeit zu trinken und merkte erst ca vor 10 Jahren, dass ich tatsächlich ein Problem mit Alkohol haben könnte...Mein Thema ist mangelnde Sicherheit und mangelndes Vetrauen-so könnte ich es vielleicht zusammenfassen.

    Ich entwickelte dann Ängste wie Autobahn meiden, keine Flugreisen mehr...Kontakte meiden...

    Gern erzähle ich dir bei Gelegenheit mehr darüber, wenn du möchtest.


    Liebe Grüße Oran-Gina

  • Viel Input gibt es da von Dami Charf, möglicherweise sagt sie dir etwas?

    Auch wenn s nicht an mich gerichtet war----Dami Charf kenne ich auch :thumbup::thumbup::thumbup:

    Ich befasse mich mit sämtlicher Literatur diesbezüglich-ich bin immer noch eine Suchende und finde immer mehr Gutes für mich, was ich auch dank meiner Abstinenz immer mehr für mich anwenden kann. Vorher wars nur ein Lesen , aber nicht verinnerlichen und anwenden können-ich bin nicht frei von Ängsten aber ich kann nun viel besser damit umgehen. Ich glaube auch, dass das das ZIel ist: im Moment Strategien entwickeln und sich daran erinnern , was es für Möglichkeiten gibt, sich selbst wieder an die Hand zu nehmen.

    Es ist sicher auch eine Utopie, dass Ängste ganz verschwinden.

    Müssen sie ja auch nicht, aber zumindest dürfen sie kleiner werden.

    Ich bin vor Kurzem wieder Autobahn gefahren und es hat mir wieder Spaß gemacht-ich komme wieder da hin, was ich früher selbstverständlich getan habe (Autobahn fahren ) und das ist ein richtig gutes Gefühl wieder Chefin des eigenen Ichs zu werden und sich weniger von der Angst leiten zu lassen.

  • Lieber rent , danke für deine Zeit!
    Ich habe deine Antwort berührt gelesen… und musste auch sofort an meine Nächte denken… vor denen ich eigentlich nicht trinken wollte, um fit für die Arbeit, oder sonstige wichtige Anlässe zu sein… dann kam erst die Phase „naja, solange ich nicht mehr als so und so viel trinke, gehts noch“, danach und sobald ich etwas Pegel hatte, die „ach, jetzt ist auch egal, wird unschön, aber krieg ich schon hin“ - Phase. Und zwischen drei und vier bin ich hochgeschreckt und war vor Angst und Verzweiflung wie gelähmt! Dann wusste ich nicht mehr, wie ich das schaffen soll. Manchmal habe ich mich mit üblem Kater irgendwie durchgeschlagen, aber in den letzten Wochen ging es desöfteren nicht.
    (Einmal hat mir die Tierärztin ein Medikament gegen Übelkeit gespritzt, damit ich meine Arbeit zu Ende bringen konnte 🙈)

    Ja, was man sich da angetan hat, klingt „ver-rückt“. Aber als ich las, dass dieses schreckliche Schuldgefühl manchmal noch heute bei dir anklopfen will da dachte ich plötzlich: mit liebe betrachtet ist es nicht verrückt. Sondern so nachvollziehbar und schlicht und ergreifend verständlich!
    Ich bin ein überzeugter „möglichst alles mit liebe Betrachter“. (Ausser, ich bin betrunken und durchs trinken in die Welt der Angst geworfen, da kann keine Liebe sein 😔 Aber macht es nicht genau das auch so verständlich? Das wir alle getrunken haben, weil die Welt der Angst so furchtbar ist? Und ist es nicht so verständlich, dass wir uns bei dem Versuch verirrt haben und letztlich in einer Welt mit noch mehr Angst gelandet sind, wo liebe zwischen schuld und Scham noch weiter fort war? Das ist traurig! Ich glaube daran, dass Liebe Schuld und Scham transformieren kann. Ich meine Liebe als universelle Kraft. Für uns selbst, dem Leben gegenüber, andere Menschen. Wenn ich getrunken habe war mein Herz kurz warm. Aber wenn ich in der Liebe bin, ist mein Herz viel wärmer. Für mich ist liebe Teil meiner Rettung. Ich hoffe, dich befremdet dieser Absatz nicht. Ich wünsche dir nur von Herzen, dass du dieser Schuld und Scham nicht nur mit der Tatsache begegnest, dass du nicht mehr trinkst. Sondern mit eben so viel Mitgefühl für dich und dein damaliges Handeln. Ergibt das Sinn für dich?)

    Ich fühle mich verstanden, mit meiner Angst vor der Quittung in Form von schwerer Krankheit. Das hat sehr gut getan. Und ich sehe, wie tief das Thema schuld da auch in mir schläft. Würde ich morgen mit Schläuchen im Körper aufwachen und mitgeteilt bekommen, ich müsste sterben, wäre der Hauptgedanke wohl „Selbst schuld, jetzt darfst du nicht jammern!“.
    Was für ein liebloser Anteil 😔

    Oh ja, loslassen fällt mir unheimlich schwer. Generell. Und ja, wie beim Alkohol auch.
    Ich mag sehr, wie bildlich du alles beschreibst und dadurch so anschaubar und lebendig machst! Danke dafür!!!

    Was du beim hören von Böckems Buch gefühlt hast, kann ich total nachvollziehen und ich bin erleichtert, dass du in eine bestärkende Betrachtung hineingefunden hast. Damals habe ich nur nach Menschen gesucht, für die sich das Leben ähnlich anfühlt, wie für mich.
    Es ist so wundervoll, dass du nur noch hinsichtlich Erinnerungen dazu gehörst. Hoffentlich kann ich das in ein paar Monaten oder Jahren auch so fühlen. Noch fühle ich mich auf der Kippe.
    Ach und als ich vom berieselt werden las wurde mir bewusst, wie lange ich schon kein Buch mehr in der Hand hatte. Jedenfalls nicht länger als ein paar Minuten. Hören ist im Augenblick also auch wohl eher etwas für mich.

  • Für mein Leben überstrahlt die folgende Erkenntnis eigentlich alle meine Lebensbereiche in einem angenehmen Licht:

    LERNE DEINE LEBENSZEIT ZU SCHÄTZEN

    Das hat mir im Übrigen auch bei Trennungen und allgemein beim Loslassen geholfen.


    Noch ein Aphorismus, der zumindest für MICH gelegentlich hilfreich ist:

    Wer will, findet Wege.
    Wer nicht will, findet Gründe.

  • Liebe Mia.

    Bei mir ist es ähnlich, ich habe auch nach wie vor Tage, an denen mir das rausgehen- meinen Schutzraum verlassen, gesehen werden- noch Unbehagen, manchmal auch Angst, bereitet.
    Und wie du, nehme ich das mittlerweile in vielen Fällen an, während ich mich früher in Angst vor der Angst verstrickt habe. (Was, wenn ich auch morgen nicht raus kann, was, wenn alles wieder wie früher wird? Damit habe ich meinen Stresspegel unheimlich geschürt und die Wahrscheinlichkeit, dass es genauso kommt enorm erhöht).

    Ja, das kenne ich gut, sogar in den Begrifflichkeiten finde ich mich wieder.
    Manchmal fahre ich selbst kurze Strecken, die ich normalerweise mit dem Fahrrad bewältige, mit meinem Auto, weil das für mich dann mein „Schutzraum“ ist.

    Das passt zwar sogar nicht zu meiner ökologischen, ökonomischen, nachhaltigen Einstellung, aber in solchen Momenten stelle ich das hintan, weil ich diesen „Schutzraum“ brauche. Das gehört dann eben zu meiner Selbstfürsorge.

    Oh, klingt es lächerlich, wenn ich begeistert bin, den Begriff hier zu lesen- Entwicklungtrauma.

    Nö, überhaupt nicht lächerlich. Ich kenne doch das, was dahinter steht. Es ist das Wiedererkennen in jemand anderem, was in solchen Momenten soooo gut tut, insbesondere dann, wenn man sich sonst stets soooo allein gefühlt hat. Es tut einfach gut, in diesem Momenten zu erkennen (zu fühlen?), eben nicht allein zu sein.

    Da ploppt bei mir gerade dieses Lied „Ist da jemand“ von Adel Tawil auf. Der Inhalt dieses Liedes passt gerade dazu, oder?

    Dami Charf kenne ich noch nicht, dafür aber andere Literatur zu dem Thema und mir ging’s bei der Beschäftigung damit ganz ähnlich wie dir.

    Bis ich das mit dem „Entwicklungstrauma“ raus hatte, hat‘s ein bisschen gedauert. Diesbezüglich hab ich eine kleine Odyssee hinter mir.

    Und dennoch, mein Erwachsenenanteil schmilzt wie Schokolade in der Wüste, sobald meine Urwunde berührt wird. Obwohl ich mittlerweile viele Zusammenhänge verstehe. Hast du das auch, im Zusammenhang mit Bindungsverlust, so ein allerschlimmstes Gefühl in dir?
    Ich habe das in meiner Kindheit und im Laufe meines Lebens nun schon so oft gefühlt- aber es fühlt sich immer noch genauso mächtig und unerträglich an, wie eh und jeh.

    Ja, auch das kenne ich und ich kenne auch dieses allerschlimmste Gefühl. Ich kenne auch diese überwältigende Lebensmüdigkeit. An jener Grenze war ich schon soooo oft.

    Mein Erwachsenenteil war lange, lange völlig überfordert, manchmal ist er das auch heute noch, aber dann tatsächlich nur noch kurz.

    In meiner derzeitigen Therapie lernte ich ein Bild kennen, das ich als sehr anschaulich und hilfreich empfinde. Es ist das Bild eines Hochhauses, dessen Anzahl der Stockwerke der Anzahl meiner Lebensjahre entspricht. Jährlich wird ein Stockwerk draufgesetzt. Inzwischen bin ich 51 und habe vor ein paar Tagen sozusagen mit dem Bau des 52. Stockwerks begonnen.

    Innerhalb dieses Hauses gibt es an verschiedenen Stellen Fahrstühle, das sind sozusagen Triggerstellen, die dich mitunter unerwartet in die Tiefe zu einem früheren Stockwerk sausen lassen.

    Ich hab die Erfahrung gemacht, dass es mir mitunter passiert, dass ich in irgendein tieferes Stockwerk sause und mich dann in genau jenem emotionalen Zustand und der Erfahrungswelt genau Lebensalters wiederfinde. In solchen Momenten bin ich nicht auf dem Level der inzwischen 51-jährigen Erwachsenen.

    In der Therapie haben wir mittels EMDR an einigen traumatischen Erinnerungen gearbeitet. Damit schlossen sich die Fahrstühle. Ich lernte mich kennen, konnte aber auch für meine früheren „Ego-States“, so nennen wir das in meiner Therapie, sorgen.

    Und es ist gerade diese Fürsorge für mich selbst, die MIR gut gut. Andere haben nicht für mich gesorgt, die Wunde wird sozusagen bleiben, aber jetzt weiß ich, wie ich für mich sorgen kann, habe gute Anleitungen dafür bekommen und sammle weiter. Und da komme ich zu dem, was ich letztens schrieb. Ich fühle mich nicht mehr alleine, denn ich hab ja MICH oder vielmehr UNS. So heilt die Wunde in gewisser Weise.


    Als ich vor acht Jahren wegen Depressionen in der Klinik war, sagte man mir, ich sollte tun, was mir gut tut.

    MIR fiel dazu zunächst gar nichts ein. Ich wusste zwar, was Menschen so im Allgemeinen gut tut und es gibt ja auch Listen, aber irgendwie hatte das gefühlsmäßig nichts mit MIR zu tun. Da kam gefühlsmäßig nix von bei mir an. Was tut mir gut? - Keine Ahnung! Nix? 🤷‍♀️
    (Zu jener Zeit habe ich gar keinen Alkohol getrunken, sonst wäre der mir vielleicht sogar eingefallen. 🙈)

    Dass ich zu dem Zeitpunkt täglich kilometerweit spazieren ging, weil ich das irgendwie für mich brauchte und wollte, hatte ich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht als „Das tut mir gut“ auf dem Schirm.

    Bei einem dieser Spaziergänge aber ging ich wieder einmal dieser Frage nach und fühlte in mich hinein. Eine ganze Weile kam da gar nichts…. Und dann kam mit einem Mal aus meinem Inneren so eine zaghafte Antwort: „Warmes Körnerkissen“. - Ich mag nämlich den Geruch und diese Wärme.

    Von da an habe ich bewusst immer wieder zum Körnerkissen gegriffen, wenn ich mir was Gutes tun wollte.

    Einmal auf eine Idee gekommen, kamen weitere Anregungen aus meinem Inneren hoch, die ich dann in meine Liste aufgenommen habe und inzwischen bei Bedarf anwende.

    Kuscheln mit meinen Hunden gehört übrigens dazu. Die eine ist zwar draußen ein Rabauke - daran arbeiten wir noch, das möglichst abzustellen ^^ - aber drinnen bei mir/ bei uns ist sie der schmusigste Hund überhaupt.


    Bis hierhin erstmal.

    LG AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Oran-Gina

    Ich versuche tatsächlich, alles, was für mich Sinn ergibt umzusetzen und jeden Tag ein dran zu sein, Inspirationen anzunehmen, mich zu mir selbst umzudrehen.
    … leider habe ich den Hang dazu, bedeutsame Dinge zwar ehrlich zu beleuchten, eine Menge Erkenntnisse zu haben und auch so zu klingen… nur um 😶 m nächsten Moment trotzdem das Gegenteil von allem zu tun. Oft, ohne zu verstehen, warum ich das tue. So gleicht mein Leben manchmal einem Falltraum: ich sehe den Erdboden auf mich zu rasen und bin auch echt der letzte, der sich das schön redet, höre mich selbst sagen, dass ich den Fallschirm ziehen sollte - aber pack stattdessen schnell noch ein paar Steine in die Manteltasche 🙈

    Das soll mir jetzt mit dem Alkohol nicht passieren.

    Dein Beispiel war sehr anschaulich (und hat sich so einige Male im letzten Jahr in München abgespielt) danke!

    Ja, um Himmelswillen, ich habe manchmal auch gegen den aufsteigenden Brechreiz noch ein Glas drauf geschüttet. Alles für den Pegel.

    Was du über deine Ängste schreibst, klingt vollkommen vertraut für mich.
    Ich hoffe, dass wir uns darüber beizeiten im geschützten Bereich, oder in den Nachrichten weiter lesen.
    Es ist diese tiefe Urwunde. Wie es eine Autorin, die ich sehr schätze, einmal sagte: die Wunde des ungeliebten Kindes.
    Die zur Folge hat, dass das Vertrauen in sich und das Leben fehlt. Und der Kern von Trauma ist ja leider immer dieses getrennt sein. Von sich, dem Leben und anderen Menschen.

    Bis bald ❤️

  • Oran-Gina

    Da nochmal ganz kurz: hast du Literatur Empfehlungen für mich? Mit Stefanie Stahl habe ich mich eingehend befasst!

    Und ja, was Ängste betrifft, da finde ich viele Ansichten des Buddhismus inspirierend. Angst und Trauer gehören genauso zum Leben, wie Freude. Das leid entsteht erst, wenn wir damit in den Widerstand geraten.
    … naja, das sind jetzt ziemlich altkluge Sätze für einen süchtigen, der sich bis vor einer Woche fast täglich betrunken hat, um seine Angst möglichst wenig zu spüren 😶

    Deswegen füge ich kleinlaut hinzu, dass ich diese Ansätze ansprechend und inspirierend finde… und es mir oft nicht gelingt, danach zu leben. Also gelang. Ich hoffe, das ändert sich. Und dank dir und deiner Nachricht und vieler Antworten hier fühle ich neue Zuversicht! (Also jedenfalls immer mal wieder 😊)

  • - FORTUNE - … danke, dass du zurücklässt, was für dich wertvoll ist ❤️

    … ich weiß nicht, warum mir der Satz „lerne deine Lebenszeit zu schätzen“ solche Angst macht. Aber ich habe Gänsehaut!
    Er ist SO wahr, aber er versetzt mich in Angst und Schrecken. Ich glaube, mich damit nicht zu befassen, war Teil meines trinkens.
    Und die Vorstellung, dafür jetzt Verantwortung zu übernehmen… mein Leben zu gestalten, das endlich ist… Brrr.
    Ich glaube ich brauche noch, bis ich darin eine Kraft fühlen kann!

  • Guten Abend AmSee13 ,


    ich möchte der Empfehlung folgen und für das Thema Ängste zukünftig in den geschützten Bereich wechseln, sobald ich mich dort umgeschaut habe.
    Deswegen schreibe ich hier jetzt nur recht kurz- hoffend, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anknüpfen 🤗


    Es ist verblüffend für mich… die Strategie mit dem Auto nutze ich nämlich auch an manchen Tagen und in meiner Welt ist es dann mein Schutzraum to Go. Ich entferne mich dann mit Unbehagen davon, je weiter, desto unwohler. Und es gibt Tage, da brauche ich das nicht.

    Ja, das Lied passt 😊

    Es ist schön, sich verbunden zu fühlen, weil es das Gegenteil von dieser Angst ist! Verbundenheit ist Wärme. Und Angst ist kalt.

    Es ist schade, dass viele Therapeuten noch nichts von Bindungs- und Entwicklungstraumata wissen (zumindest nach meiner Erfahrung), sondern lediglich mit Schocktrauma befasst sind.
    Ich habe mich deswegen viele Jahre weder selbst verstehen können, noch im therapeutischen Kontext ganz verstanden gefühlt. Bis ich mich selbst auf die Suche gemacht habe und auf Dami Charf gestoßen bin.

    Das Bild mit dem Fahrstuhl ist toll für mich, denn es geht - bei entsprechendem Auslöser- tatsächlich so schnell, dass man wieder ganz und gar in diesem Kerngefühl landet.
    Ich bin so sehr beeindruckt, dass du nicht „nur“ gelernt hast, dich quasi selbst ‚nach zu beeltern’, sondern (damit) auch deine Einsamkeit wandeln konntest.
    Ich kann mir vorstellen, dass das entsteht, wenn man vertrauen in sich hat, mit allen Gefühlen sein/ umgehen zu können!

    Ich denke, ich habe daran jetzt lange nicht wirklich weiter gearbeitet. Sondern lieber getrunken :/

    Bleibt also mal wieder festzuhalten, dass es ohne Alkohol viel Wachstumspotenzial für mich gibt.
    Ich möchte das auch lernen, was du gelernt hast 😊


    Mia

  • Da nochmal ganz kurz: hast du Literatur Empfehlungen für mich? Mit Stefanie Stahl habe ich mich eingehend befasst!

    Zwar nicht an mich gerichtet, aber ICH könnte dir folgendes Buch empfehlen:

    Christine Seidel, „Wenn die Seele nicht heilen will: Wie alte Verletzungen zu (Re-) Traumatisierung führen können und wie man sie überwindet“

    Ein weiteres Buch, das nicht unmittelbar zu diesem Thema passt, mir selbst aber auch vor dem Hintergrund meiner MS-Erkrankung gute Impulse geliefert hat, ist:


    Claudia A. Reinicke, „Resilienz bei schwerer Krankheit: Psychische Ressourcen mit einfachen Methoden stärken


    Vielleicht ist ja eines von beiden oder sind beide auch für dich interessant.


    LG

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Interessant fand ich auch:

    Peter A. Levine, „Sprache ohne Worte

    - Das habe ich allerdings dann nicht mehr ganz durchgelesen, weil ich endlich einen Therapeuten gefunden hatte, der mir helfen konnte. Da hatte ich irgendwie keinen Bedarf mehr nach mehr Literatur.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

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