Ich bin neu

  • dagny

    Durch Kontrollversuche will man sich selbst glauben machen ,man hätte alles noch irgendwie unter Kontrolle ,dabei ist es genau anders herum.
    Der Alkohol hat mein Leben diktiert.


  • Meine Versuche, "kontolliert zu trinken", haben mir relativ schnell gezeigt, dass nicht ich den Alkoholkonsum kontrolliere, sondern der Alkohol kontrolliert mich

    So sehe ich das auch. Ein Alkoholiker kann nicht kontrollieren und ein Nichtalkoholiker braucht es erst gar nicht.

    Dennoch soll es angeblich hier und da wohl mal vereinzelt einen Zeitgenossen geben, der das KT pflegt und damit, dass der Alkohol ihn kontrolliert, klar kommt. Im realen Leben ist mir noch keiner begegnet. ;)

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Aus heutiger Sicht glaube ich sowieso, dass wenn man etwas kontrollieren versucht, ist man nie Frei, weder im Gedanken noch in Taten.

    "All the drugs in the world won't save us from ourselves.”-  Marilyn Manson

  • Ich wollte noch etwas nachtragen zum Thema KONTROLLE.
    Ich kapiere das erst jetzt,wie sehr der Alkohol mein Leben dominiert hat.
    Ich versuchte ,den Konsum zu kontrollieren und war der Überzeugung, dass ich alles im Griff habe,solange ich kontrolliere.
    Heute nach zweimonatiger Abstinenz stelle ich fest,wie angenehm es ist ,nichts mehr kontrollieren zu müssen, denn es finden ja keine inneren Dialoge mehr statt...
    Das war wahnsinnig anstrengend, meine inneren Dialoge zu führen, trinke ich heute oder erst wieder morgen und wenn ja wie viel...
    Ich gewinne langsam wieder die Kontrolle über MEIN Leben zurück und bin neugierig, wie es wird,wenn ich noch ein paar weitere nüchterne Monate hinter mich gebracht habe.
    Orangina

  • Heute nach zweimonatiger Abstinenz stelle ich fest,wie angenehm es ist ,nichts mehr kontrollieren zu müssen, denn es finden ja keine inneren Dialoge mehr statt...

    Das ist es, was wir meinen, wenn wir sagen, dass es EINFACHER ist, überhaupt nicht zu trinken, als kontrolliert trinken zu wollen. Man erspart sich die inneren Kämpfe.
    Und kann seine Kraft auf Angenehmeres ver(sch)wenden.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Orangina,

    Zitat

    ... und bin neugierig, wie es wird,wenn ich noch ein paar weitere nüchterne Monate hinter mich gebracht habe.

    Das erinnert mich daran, warum es (auch) so schwierig für mich war, mich auf ein trockenes Leben einzulassen: Weil ich ja gar keine Vorstellung (mehr) hatte, wie anders es sein würde, und wie es sich weiter verändern würde. Trinkend dachte ich, es würde (ich würde) genauso bleiben, nur dass ich nicht mehr die „Krücke“, das Betäubungsmittel Alkohol haben würde.

    Trocken merkte ich, dass es anders wurde, und vor allem merkte ich, dass es das Potential hatte, sich auch immer weiter zu verändern, dass ICH das Potential hatte, mich und mein Leben immer weiter zu verändern, so wie sich LEBENDIGE Dinge/Wesen eben immer verändern, und da kam die Neugier auf mein Leben zurück und die Freude daran, und darauf.

    Schönen Dank dir für deinen Anstoß, mir dies zu vergegenwärtigen, und beste Wünsche.

    Camina

  • @Camina
    Hallo Camina
    Du hast geschrieben, dass es für dich schwierig war,dich auf ein trockenes Leben einzulassen, weil du nicht wusstest,wie es sich anfühlt, dieses trockene Leben..
    Für mich war es bisher so ,dass ich mir nie ein Leben ohne Alkohol vorstellen konnte,weil dann etwas elementarer,also Lebensfreude wegfallen würde.
    Ich wusste ehrlich gesagt auch nie, wie sich ein Leben ohne Alkohol anfühlen könnte.
    Schließlich war Alkohol immer dabei,seit meinem 18. Lebensjahr..
    Es war ein Lebensgefühl, der Alkohol.
    Das zumindest war mein Gedanke und mein Glaube.

    Ich merke jetzt,wie sehr ich mich auch in anderen Lebensbereichen angelogen habe und eine verzerrte Wahrnehmung hatte.

    Jetzt habe ich die Chance,es anzugehen ,mein Leben zu entrümpeln.
    Ich hoffe so sehr ,dass ich es dieses Mal wirklich schaffe,aber mein Gefühl sagt mir, dass es anders ist als die vielen Versuche davor, den Alkohol wegzulassen.

    Und ja ich will mich endlich kennenlernen, wer ich bin ,ohne Alkohol.

    Dein Beitrag hat mich angesprochen und es freut mich ,dass du schon so lange abstinent bist und auf einen reichen Erfahrungsschatz blicken kannst.

    Ich will das auch.
    LG Orangina

  • Ich habe auch eine zeitlang „kontrolliert“ getrunken, ca. 3 Jahre. Ich denke, es war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung hin zur Abstinenz.

    Während des kontrollierten Trinkens habe ich gemerkt, wie abhängig ich bin, auch wenn ich wenig trinke und wie sehr ich mich trotzdem dafür schäme.

    Viele Grüße, <br />Risu

  • Guten Morgen ,
    Risu
    Hallo Risu

    Als ich im Sommer zwei Monate nichts trank,danach aber einfach wieder mal "probierte" ,wie es so ist,einfach nur mal ne Ausnahme zu machen und einen Wein zu trinken(!), wusste ich schon beim ersten Glas,dass ich wieder trinken muss und es nicht sein lassen kann.
    Ich steuerte mit Kontrolle dagegen, allerdings fiel das Kontrollierte Trinken noch extremer aus, als das Kontrollierte Trinken ,das ich versuchte jahrelang davor hinzubekommen.
    Das Kontrollierte Trinken frustrierte mich extrem,auch weil ich spürte,wie abhängig ich bin.

    Orangina

  • Guten Morgen Orangina,

    ich glaube das kontrollierte Trinken haben wir alle irgendwann mal probiert. Ich denke es ist eine wichtige Erfahrung auf dem Weg zur Abstinenz. Ich habe das natürlich auch versucht. Aber bei mir war das dann am Ende nicht mehr, als der Versuch mir zu bestätigen, dass ich es ja kann und ich deshalb ja kein Problem haben kann. Also man könnte sagen, mein kontrolliertes Trinken diente eigentlich der Suchtverlängerung. Es war für mich (für mein Suchthirn) ein Alibi, eine Beruhigungspille, um dann doch erst mal wieder ein Zeit lang ohne ein ganz so schlechtes Gewissen trinken zu können.

    Erfahrungen wie Risu sie schildert, also eine über viele Monate oder gar Jahre andauernde Kontrolle meiner Trinkmenge, habe ich nie gemacht. Dafür war ich wahrscheinlich einfach zu "schwach" und ich stelle mir das auch sehr kräftezehrend vor. Bei mir reichte es meist nur für ein paar Wochen.

    Grundsätzlich ist es ja besser wenigstens eine Zeit lang kontrolliert, also deutlich weniger, zu trinken als sich jeden Tag die Kante zu geben. Und so argumentieren ja auch viele Befürworter des KT. Wenn man dabei "nur" die aufgenommene Menge des Zellgifts Alkohol im Blick hat, dann stimmt das natürlich. Was dabei aber vergessen wird ist m. E., dass man damit seine Sucht auf niedriger Flamme weiter garen lässt. Man kommt nicht raus und die Denkweise, die nasse Denkweise, die verändert sich auch nicht wesentlich.

    Mag sein, dass ich mit meinen paar Wochen kontrolliertes Trinken da gar nicht mitreden kann. Mich würde interessieren, wie das jene erlebt haben und sehen, die, wie z. B. Risu, über Jahre kontrolliert getrunken haben. Wie war die Denkweise? Nass oder trocken? Bei mir jedenfalls drehte sich in meinem Hirn auch bei 2 oder 3 Bier pro Tag alles nur um Alkohol. Kein Tag an dem ich nicht damit beschäftigt war mir klar zu machen, dass es heute "nur" 3 Bier sein dürfen. Kein Tag, wo nicht mein Suchthirn doch der Meinung war, ich könnte doch mal eine Ausnahme machen (bis ich dann irgendwann mal nach gab). Klar waren mal Tage dabei, z. B. mit viel Ablenkung, wo es etwas einfacher und besser ging. I. d. R. war es aber ein permanenter Kampf.

    Und genau dieser Kampf verhinderte, dass ich überhaupt mal richtig ins Nachdenken kommen konnte, wie es mir dann möglich wurde, als ich komplett aufehört hatte. Ich war viel zu viel mit dem Kontrollieren beschäftigt, als dass ich mir mal klar hätte machen können, was hier eigentlich gerade mit meinem Leben passiert und was ich da jetzt eigentlich dagegen tun könnte.

    Und irgendwann kam es dann natürlich, wie es kommen hat müssen. Die Sucht schritt voran und kontrollieren wurde, ebenso wie generelle Trinkpausen, immer schwieriger und irgendwann unmöglich. In meinen letzten Trinkerjahren habe ich keinen Gedanken mehr daran verschwendet es überhaupt mal versuchen zu wollen. Ich wollte gar nicht mehr, sah keinen Sinn mehr darin und hatte mich der Sucht einfach ergeben.

    Das Ziel für einen Alkoholiker kann also m. E. nur sein, ein ZUFRIEDENES abstinentes Leben zu führen. Die Betonung liegt auf zufrieden was für mich bedeutet, dass er/sie ein Leben führt, in dem nicht mehr der Wunsch vorhanden ist, es mit Hilfe des Alkohols verändern zu wollen.

    Ich habe mittlerweile zu vielen trockenen Alkoholikern Kontakt gehabt und habe noch zu vielen Kontakt. Ich habe dabei gelernt, dass es keinen Königsweg gibt und dass nicht jeder zu dieser Zufriedenheit gefunden hat. Ich kenne auch welche, die seit vielen Jahren kämpfen, mal mehr, mal weniger, aber trotzdem ohne Alkohol leben. Ihn aber immer wieder vermissen und immer wieder mal, bei einem vertaulichen Gespräch, "zugeben", dass sie ja schon gerne mal wieder trinken möchten, sie die Angst vor den Folgen aber zuverlässig daran hindert.

    Auch ok und auf jeden Fall besser als wieder zu trinken oder dem Glauben zu verfallen, man könnte es ja vielleicht doch wieder mit KT versuchen. Jeder darf hier seinen Weg finden. Für mich ist die beste Prävention Zufriedenheit und Klarheit in meinem Leben.

    Und noch eines zum KT: Ich verteufle diese KT-Programme nicht. Ich denke mir, sie können für jene sinnvoll sein, die die Schwelle zur Sucht noch nicht überschritten haben. Für solche Menschen kann ein solchen Programm m. E. hilfreich sein und dabei helfen, dass sie zu einem "normalen" Trinkverhalten zurück finden. Ich glaube aber auch, dass jemand der bereits alkoholsüchtig ist, nicht mehr kontrolliert trinken kann. Also auf Dauer gesehen meine ich. Hier kann dieses Programm bestenfalls dabei helfen, dass man erkennt, dass man tatsächlich Alkoholiker ist und dass man keine Alternative mehr zur absoluten Abstinenz hat.

    Ja und für Alkoholiker die bereits trocken sind ist es natürlich oberstes Gebot die Finger davon zu lassen. Hier sehe ich persönlich die größte Gefahr dieser Programme. Alkoholiker die eben nicht zufrieden trocken sind könnten irrtümlich der Meinung sein, dass sie über so ein Programm das kontrollierte Trinken erlernen könnten. Aber da spielt die Sucht nicht mit. Jedenfalls habe ich noch niemanden getroffen /gelesen / gesprochen, der mir diesbezüglich positive Rückmeldung gegeben hätte.

    Oh, viele Gedanken zu diesem Thema....

    LG
    gerchla

  • Guten Abend Gerchla

    Wenn ich an meine letzten Jahre zurück denke,war es bei mir immer so,dass ich immer an meinen Weinkonsum dachte, und mich darauf gefreut habe,oft aber natürlich auch mit einem schlechten Gewissen und stets mit dem Vorhaben,nur ein Glas zum Essen zu trinken und dann die Flasche einfach nur stehen zu lassen...das hat NIE funktioniert.
    Dann hab ich bewusst einen Tag Alk-Pause gemacht, aber spätestens dann am übernächsten Tag eine weitere Flasche aufgemacht. Im Kalender hab ich immer meine Tage ohne Alkohol markiert und natürlich am Ende des Monats immer festgestellt,dass die alkfreien Tage meist immer die nach dem Alkkonsum waren,um mich vom Kater zu erholen, Demnach waren das nur Regenerationstage...es fiel mir schwer,drei Tage am Stück ohne Wein zu "schaffen" und meist war dann der Druck so hoch, dass ich am vierten Tag wieder Wein trank.
    Das habe ich jahrelang betrieben.
    Und ich habe stets nach Rotwein gegiert...

    Das bezeichnet man doch "nasses Denken?" Oder?

    LG Orangina

  • Ein P.S.
    Es tut mir sehr gut,mich aktiv mit der Thematik auseinandersetzen, sei es ,dass ich hier lese,sei es ,dass ich selbst von mir schreibe.
    Diese Auseinandersetzung führt mir immer wieder vor Augen,wo ich stand und wo ich jetzt stehe und dass ich aufpassen muss,dass mir es nicht mehr passiert, dort hinzukommen wo ich noch vor Monaten war.
    Manchmal hab ich einen riesigen Respekt davor ,dass es gefährlich für mich werden könnte.
    Und ich rückfällig werde.
    Zum Glück hab ich bisher noch keine solcher gefährlichen Momente erlebt und es wird mir auch klarer, dass ich mich sehr intensiv damit auseinandersetzen muss, damit ich "stabil" bleibe.

  • Ich wollte meinen Konsum nie wirklich kontrollieren, das war auch überhaupt nicht möglich. Wenn ich trank dann bis ins Koma oder eben gar nicht. Zu meiner nassen Zeit habe ich hin und wieder sogenannte Spiegeltrinker beinahe beneidet...Ich dachte manchmal ernsthaft, dass die es doch mehr im Griff hatten als ich, die funktionieren mit Konsum ja noch ganz gut zum Teil und haben nicht die krassen Abstürze wie ich. Damals wusste ich noch nicht so Bescheid über diese Krankheit, ich wusste nur zu 110% dass wenn ich einmal anfing es NIE bei einer Flasche blieb, ich war da wirklich wie ein Tier...wenn es sein musste endete ich in einer üblen Absteige oder kaufte irgendwo Sau teuer noch eine Flasche to Go in einem Restaurant.

    Das nasse Denken beinhaltet für mich ganz viele Aspekte die über die Beziehung zum Alkohol hinaus gehen. Meine ganze Weltanschauung hat sich mit der Zeit geändert, meine Beziehungen zu Kindern, Familie, Freunden, meine Prioritäten,kurz alles. Früher sah ich mich oft als Opfer und die Welt war böse, heute empfinde ich unglaubliche Dankbarkeit zu leben auch wenn es nicht immer einfache ist. Aber ich bin nicht mehr in dieser passiven Rolle und heule über mein Schicksal sondern ich nehme Probleme aktiv in Angriff und ändere was sich ändern lässt. Den Rest muss man akzeptieren.

    In einem Alkoholiker-Kopf spielen Selbstmitleid, Kritik gegenüber anderen, Egoismus und oftmals Grössenwahn eine gewisse Rolle, habe ich oft erlebt und bei mir war es auch so. Alkohol greift tief in die Seele ein, ich musste lernen, dass es eine gewisse Zeit dauert bis man die Schäden reparieren kann.

    Rina

  • Ich habe vorhin etwas recherchiert...und einen tollen Satz gelesen zu nassem Denken und zu trockenem Denken:
    " beim nassen Denken steht der Alkohol im Mittelpunkt und die Gedanken kreisen ständig um den Alkohol,während beim trockenen Denken das Leben im Mittelpunkt steht !"

  • Hallo!

    Dann sei bitte so konsequent und stell dein eigenes Leben und deine Gesundheit in den Vordergrund.

    Ich konnte mich erst aus dem Klammergriff des Alkohols lösen, als ich bereit war, meiner Abstinenz die absolute Priorität im Leben einzuräumen und diese ganz bewusste Entscheidung nicht irgendwie in Frage zu stellen.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo Rina
    Vieles nehme ich bereits jetzt schon anders wahr als zu meiner Zeit ,als ich noch Wein trank.
    Auch wenn ich noch ganz am Anfang stehe ,kann ich mir gut vorstellen, dass sich über die Zeit tiefgreifende Veränderungen einstellen,von denen du berichtet hast.
    Ich habe vor allem im letzten Jahr sehr aussichtslose Gedanken und Gefühle gehabt ,meine Wahrnehmung war total verzerrt (das sehe ich aber erst jetzt, dass sie verzerrt war). Ich war oft der Überzeugung, dass ich es ganz besonders schwer habe und sah mich oft in der Opferrolle.
    Mein eigenes Verhalten kann ich heute anders bewerten als noch vor ein paar Monaten.
    Und es erschreckt mich manchmal, wie ich zum Teil reagiert habe ,wenn ich betrunken war.
    Aber ich war oft überzeugt von dem ,was ich gesagt und getan habe.
    @ Rekonvaleszent
    Hattest du nie Zweifel an deiner Entscheidung, zum Beispiel, wenn Suchtdruck aufkam?
    Meine Entscheidung steht, abstinent bleiben zu wollen.
    Trotzdem fürchte ich ,dass ich irgendwann mal nicht mehr so überzeugt sein kann ,wie ich es jetzt bin und dann wird es gefährlich.
    Ich weiß, dass ich mir für diesen Fall meinen Notfallplan zu Rate ziehen muss.
    Aber trotzdem bleibt der Respekt und die Angst davor,auch diesen Notfallpan zu torpedieren.

  • Hallo Orangina

    ich glaube ich kann deine Angst verstehen. Ich bin im Augenblick auch von meiner Entscheidung überzeugt, mein Wille, nie mehr Alkohol zu trinken ist da, er ist in meinem Innern spürbar. Ich habe aber Angst, dass dieser irgendwann nicht mehr da ist. Ich kenne das von mir, dass ein Teil von mir ziemlich selbstzerstörerisch ist und wenn der dann das Zepter übernimmt, werde ich den Willen nicht mehr spüren, dann kommen dann Gedanken wie "es kommt sowieso nicht mehr darauf an, ich bin innerlich schon zerstört", "ich will mich ja zerstören",... Ich frage mich ob mir dann der Wille, der dann nur noch vom Kopf her kommt was hilft. Oder die Gründe, die ich notiert habe, warum ich nicht mehr trinken will. Und ich frage mich auch, was ich jetzt tun kann, um auf diese Situation vorbereitet zu sein.

    Ich versuche, bewusst die Veränderungen zum Positiven wahrzunehmen, auch die aufzuschreiben, damit ich sie in einer solchen Situation ohne gross Nachzudenken vor Augen führen kann. Um mich über die Zeit zu retten, bis die Entscheidung wieder von Innen kommt und nicht nur eine Art Verpflichtung ist.

    Darf ich fragen wie dein Notfallplan aussieht?

    Liebe Grüsse
    Schotterblume

  • Hallo Zusammen,

    ich möchte mal kurz meine Erfahrungen zu Euren Gedanken bezüglich eines möglichen Rückfalls oder des plötzlichen Wunsches doch wieder trinken zu wollen schreiben.

    Erst mal bin ich der Meinung, dass es gut und richtig ist, dass man (Ihr) sich (Euch) genau diese Gedanken macht. Hätte man diese überhaupt nicht, dann hat man wahrscheinlich den Ernst der Lage nicht richtig erkannt oder aber man ist ein grenzenloser Optimist und/oder vielleicht auch nur naiv und läuft umso mehr Gefahr, von plötzlich aufkommenden Druck unvorbereitet überrollt zu werden.

    Insofern glaube ich, dass es sehr gut ist, wenn man sich auf so eine Situation vorbereitet und sich immer klar macht, dass es auch schwierige Minuten, Stunden oder Tage geben kann.

    Ich schreibe aber auch ganz bewusst KANN, denn ein MUSS ist es nicht unbedingt. Und deshalb bin ich auch der Meinung, dass ein gehöriger Respekt vor so einer Situation mit einem entsprechenden Plan was man notfalls tun wird, eine sehr gute und wichtige Sache ist. Jedoch halte ich es für nicht zielführend, sich hier von purer Angst dominieren zu lassen. Vielmehr sollte man m. E. die guten Tage dazu nutzen, sich mit seiner Sucht und seiner Geschichte zu beschäftigen um diese Mechanismen die dahinter stecken, verstehen zu lernen. Was man kennt, kann man besser einschätzen und ggf. auch besser bekämpfen.

    Je länger ich ohne Alkohol lebte und je mehr ich mich mit meiner Sucht beschäftigen konnte, desto häufiger hatte ich "Aha"-Erlebnisse. Mir wurde nach und nach immer klarer, was da eigentlich passiert ist, auch wenn ich das anfangs trotzdem noch nicht richtig verstehen oder erfassen konnte. Manches verstehe ich wahrscheinlich heute noch nicht so richtig. Aber ich näherte mich sozusagen an und immer häufiger wurde mir bewusst, dass mir der Alkohol niemals hat helfen können.

    Nun kann man ja sagen, dass man, um diese Erkenntnis zu gewinnen, nicht unbedingt seine Suchtgeschichte aufarbeiten muss. Letztlich reicht es doch, sich einfach an das alkoholbedingte Elend zu erinnern um zu wissen, dass er einem nicht geholfen hat. Das mag stimmen und für einige auch zutreffen. Mir war das zu wenig, ich wollte es genauer wissen und vor allem auch, wie ich überhaupt da hinein rutschen habe können. Denn ich sah bei mir einfach keinen Grund, da war kein offensichtlicher Grund der meine Trinkerei "erklären" hätte können. Natürlich wusste ich, warum ich trank als ich bereits süchtig war. Da habe ich mir ja meine Trinkgründe sozusagen selbst geliefert (Doppelleben etc.) und natürlich "zwang" mich schlichtweg die Sucht dazu. Aber überhaupt damit anzufangen, zu verstehen, warum ich jahrelang "meine" Feierabendbiere trinken wollte (musste), zu einer Zeit, wo vermeintlich wirklich alles prima war, kein Doppelleben, keine Lügen, keine größeren Probleme sondern im Grunde nur Probleme oder Herausvorderungen, die ich jederzeit zusammen mit meiner Frau / Familie hätte lösen können.

    Und so hatte ich einfach schon den Gedanken, dass mich das, was mich damals langsam in die Sucht brachte, ja auch nach Wochen / Monaten / oder auch Jahren der Abstinenz wieder ereilen könnte und ich wieder in diese Falle tappen könnte. Und genau das wollte ich ja nicht mehr.

    Und so vergingen Wochen und Monate wo ich immer wieder ein Stückchen klarer sah und immer ein Stück weiter kam.

    Und bei all dieser Beschäftigung (die übrigens NICHT rund um die Uhr statt fand, sondern immer wieder mal, dann aber ganz bewusst), hatte ich nie wirklichen Suchtdruck. Also genau das, worüber Ihr (Schotterblume und Orangina) hier diskutiert, habe ich nie erleben müssen. Ich hatte natürlich auch meine Notfallpläne, wusste z. B. genau, wen ich notfalls zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen könnte. Ich hatte mehrmals wirklich auch Angst davor, dass ich Scheitern könnte (jedoch ohne eine akute Drucksituation zu spüren). Das war immer in Verbindung mit meiner Schuld, die ich auf mich geladen hatte. Hier hatte ich das Gefühl, dass mein abstinentes Leben schief gehen könnte, wenn ich mich mit dieser Schuld und dem Umgang damit nicht richtig beschäftige bzw. es nicht schaffe, damit irgendwie klar zu kommen.

    Und dann war klar für mich, ich brauche Hilfe. Und schon in dem Moment wo ich den ersten Termin beim Psychologen (welcher mir ja dann nicht mal helfen konnte) vereinbart hatte, ging es mir schon besser. Wohl einfach nur deshalb weil ich wusste, ich tue etwas und lasse es nicht einfach laufen, warte nicht einfach ab.

    Und heute, im Nachhinein betrachtet, kann ich sagen, dass all dieses Beschäfigen und Machen und Hilfe in Anspruch nehmen natürlich verhindert hat, dass ich "auf dumme Gedanken" komme. Und die Zeit, sie lief für mich. Denn je länger ich weg war vom Alkohol, desto stabiler und klarer wurde ich und desto mehr veränderte sich meine Wahrnehmung und meine Gedanken.

    Das wurde hier ja auch diskutiert. Das nasse Denken trat in den Hintergrund und eine neue Denkweise kam langsam zum Vorschein.

    Dazu:

    Zitat

    Und ich habe stets nach Rotwein gegiert...

    Das bezeichnet man doch "nasses Denken?" Oder?


    Naja, das ist vielleicht auch einfach "nur" Suchtdruck, weil Du nicht die Menge an Alkohol bekommen hast, die Du eigentlich hättest haben wollen. Sicher ist das ein "Teil" des nassen Denkens. Für mich ist nasses Denken aber viel mehr, das Gesamtpaket sozusagen.

    Bei mir beinhaltete dieses Gesamtpaket ein verändertes Wesen, Charakterlosigkeit, keine Werte mehr, eine von mir zurechtgezimmerte Realität, die es in dieser Form überhaupt nicht gegeben hat. Es gehörte dazu, dass ich nicht mehr wusste, was für andere Menschen verletzend ist. Ich kannte keine Grenzen mehr bzw. meine Grenzen waren total verschoben. Und natürlich war es bei mir aus so, wie bei vielen anderen auch: Ich schwankte zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitskomplexen. Selbstmitleid, komplett falsche Selbsteinschätzung, keinerlei Bewusstsein für irgendwas. Und was auch noch wichtig ist, ich wusste auch nicht mehr, was für mich gut oder schlecht ist. Ich wusste nicht, was mir gut tut, wann es für mich genug ist und wann es für mich an der Zeit gewesen wäre "Stopp" zu sagen.

    Das alles ist für mich nassen Denken oder vielleicht ist hier auch der Begriff nasses oder suchtbedingtes Handeln und Denken ein besserer Begriff.

    Und wenn man sich mal nur die paar Dinge ansieht, die ich jetzt hier geschrieben habe, dann wird denke ich klar, dass man das nicht dadurch überwinden kann, indem man einfach mal ein paar Tage oder Wochen keinen Alkohol mehr trinkt. Vor allem dann nicht, wenn man vorher über viele Jahre in diesen Denk- und Verhaltensmustern gefangen war. Ich habe es ja schon häufig geschrieben, bei mir dauerte es ungefähr ein Jahr, bis ich das Gefühl hatte, einigermaßen "durch" zu sein.

    Aber ich habe noch heute ab und an mal "Rückfälle", wo ich mir dann denke: Da hast du jetzt reagiert wie früher. Oder, weil ich es meist dann doch noch verhindern kann (durch bewusstes übersteuern meiner Gedanken): da wolltest du jetzt spontan so reagieren wie früher. Und manchmal "rutscht" es mir dann doch mal durch. Und nicht selten habe ich mich dann im Nachhinein dafür entschuldigt, i.d.R. sofort, weil ich es normalerweise auch sofort merke, dass ich falsch lag.

    LG
    gerchla

  • Moin,
    Gerchla , DAS

    Zitat

    Aber ich habe noch heute ab und an mal "Rückfälle", wo ich mir dann denke: Da hast du jetzt reagiert wie früher.


    habe ich heute auch immer mal wieder. Ich bezeichne das als "trockener Rückfall".
    Also die Rückkehr in alte Verhaltensmuster, ohne zu konsumieren. Bei mir auf emotionaler Ebene. Vor 2 Jahren führte dies zu meinem Trinkvorfall. Ein trockener Rückfall kann zum Beispiel auch bedeuten, dass der abstinente Alkoholiker wieder sein altes Stammlokal besucht, frühere Trinkkumpanen trifft oder sich bewusst Risikosituationen aussetzt. Gefährlich, denn nicht wenige fangen wieder an zu saufen.
    Bleibt oder werdet gesund!
    Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Hallo Schotterblume

    Ich habe mir immer wieder Gedanken zu meinem Alkoholkonsum notiert,wann ich konsumiert hab und warum...was mir der Konsum gebracht hat und wie ich mich (meist) ganz schrecklich gefühlt habe am Folgetag.
    Im Prinzip hab ich alles aufgeschrieben, wie ein solcher Tag und Folgetag für mich abgelaufen ist.
    Und zwar hab ich das ganz genau notiert, den Ablauf und meine Gedanken dazu (und stets mein Vorhaben,nicht zu übertreiben). Aber wie fast immer konnte ich dann nicht aufhören und vernichtete wider meines Vorhabens eine ganze Flasche.
    Auch meine sonstigen Verhaltensweisen und Denkweisen habe ich notiert:
    dass ich z. B. Oft ganz oft Verabredungen absagte, weil ich sonst nicht in Ruhe trinken konnte… es gibt unzählige unattraktive und erschreckende Beispiele.
    Auch Situationen, die „eskaliert“ sind, mit dramatischen Gefühlen, Ausbrüchen und so weiter hab ich minutiös aufgeschrieben.

    Desweiteren hab ich notiert, WARUM ich aufhören wollte, Wein zu trinken.
    Ich habe mir quasi alles aufgeschrieben, was mich beim Durchlesen abschreckt, aber ich habe auch die Vorzüge notiert, die ich habe, wenn ich dauerhaft dran bleibe, keinen Alkohol mehr zu trinken.

    Ich habe mit mir einen inneren Vertrag geschlossen, und mir selbst versprochen, nüchtern zu bleiben-im Außen habe ich mir hierfür ein Bild eines klaren Sees an die Wand gehängt, als Erinnerung an mein Vorhaben und an meine Entscheidung.
    An diesem Bild laufe ich zwangsläufig mehrmals am Tag vorbei. Klingt vielleicht bescheuert, aber ich habe auch etwas visuelles, was mich an mein Vorhaben erinnern soll...

    Mein Notfallplan sieht also so aus, dass ich mir bei Suchtdruck oder bei Gedanken der Wehmut nach Alkohol dieses Notizheft herhole und es alles durchlese, damit mein Hirn sich real mit den Dingen beschäftigt, die der Alkohol tatsächlich
    bei mir angerichtet hat und wie schrecklich es im Prinzip war, so dass ich gar nicht in Versuchung komm, den Alkohol zu verherrlichen.
    Allerdings weiß ich auch, dass hin und wieder eine Sehnsucht kommen kann und dass das sicher „Nur“ das Suchthirn ist, mir das einzureden, und nicht meinen tatsächlichen Wünschen entspricht. Diese Unterscheidung ist mir enorm wichtig, damit ich nicht „verrutsche“ und den falschen Gedanken keinen Glauben schenke(verstehst du, wie ich das meine ?)

    Um es noch konkreter zu schaffen: Ich werde bei Aufkommen von gefährlichen Situationen erst mal laufen gehen, mich bewegen, Wasser trinken und innerlich „Nein“ rufen!

    Ich weiß nicht, ob das alles funktionieren wird.
    Wie gesagt, ich habe Respekt davor, zumal ich nicht das erste mal versucht habe, aufzuhören.
    Auch ich kenne diese Situation der Selbstzerstörung, von der du berichtet hast→ in diesen Momenten ist mir dann alles egal und das ist ein schwieriger Punkt!
    Dieser kann meine Überzeugung komplett torpedieren. Da wird mir dann mein Notizheft vermutlich auch egal sein.
    Und ich merke auch, dass ich mich wirklich sehr intensiv mit dem Thema Alkohol auseinandersetzen muss, damit ich bei meiner aktuellen Überzeugung bleibe.
    Ich habe zum Beispiel jüngst das Buch von Allen Carr gelesen.


    Hast du einen Plan für dich erstellt ?
    Wie geht es dir momentan ?
    Und zu Allen Carr: So ganz konnte er mich nicht überzeugen.
    Sein Schreibstil hat mich genervt, wobei ich sagen muss, dass ich durch ihn damals endgültig mit dem Rauchen aufhören konnte.(Ich habe damals auch sein Buch gelesen-endlich Nichtraucher)

    Hallo Gerchla und Hallo Britt,

    ich habe nun eure Zeilen mehrmals gelesen und ihr habt beide von „trockenem Rückfall“ geschrieben und euch bestätigt, dass ihr diese Situationen kennt, die sich im Verhalten zeigen und dem Verhalten aus „nassen“ Zeiten ähneln.
    Ich kann mir darunter leider gar nichts vorstellen, was ihr damit meint und kann nur erahnen, dass es sich um alte Verhaltensmuster handelt, die ihr weitgehend abgelegt habt.
    Aber trotzdem ist mir das zu abstrakt, oder ich kann es noch nicht verstehen, weil ich noch zu sehr am Anfang meiner Abstinenz stehe.
    Ich versuche mich trotzdem hineinzuversetzen und würde es gerne verstehen. Konkrete Situationen oder konkrete Beispiele helfen mir da immer enorm...Vielleicht wollt ihr das ein wenig präzisieren ?

    Orangina

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