Ich bin neu

  • Hallo zusammen
    Ich bin weiblich, 48 Jahre alt und hätte niemals gedacht ,dass ich mich eines Tages in einem alkoholforum anmelde.
    Warum?
    Weil ich erstens niemals den Verdacht hegte, abhängig zu sein,geschweige denn zu werden

    Würde ich jemanden davon erzählen, dass ich einen problematischen Umgang mit Alkohol habe,würde mir niemand glauben.
    Ich sehe gepflegt aus, bin sehr zuverlässig und funktioniere sehr gut .
    Alkohol hat schon immer eine Rolle gespielt.
    Meine Eltern tranken jeden Abend eine Flasche Rotwein ,zur Entspannung, zum Einläuten des Feierabends.
    Ich bin über die Jahre auch genau da gelandet.
    Eine Flasche Wein am Abend schaffte ich manchmal 4 mal die Woche...und vor einem Jahr versuchte ich es ernsthaft anzugehen.
    Es war für mich klar,dass ich mich damit kaputt mache,wenn ich so weiter mache.
    Der Vorsatz hielt maximal 5 Tage ,mit dem Ergebnis, dass ich dann am 6. Tag wieder eine Flasche entkorkte mit dem Gedanke,dass ich es im Griff habe ,denn sonst hätte ich die 5 Tage nicht geschafft...und: was ist schon dagegen einzuwenden, wenn ich ab und zu mal ein Glas trinke.
    Bei dem Glas konnte ich aber nie bleiben.
    Im Juni und Juli war ich komplett abstinent.
    Ansonsten kontrollierte ich meinen Konsum.
    Der sah so aus:
    Im Monat ca 4 Tage Konsum,die restlichen Tage abstinent...
    Ich will es ohne Klinik schaffen.
    Und nun will ich es wieder versuchen, den Wein ganz wegzulassen.
    In den letzten 20 Jahren und schon länger ,war ich immer mit Alkohol in Gesellschaft, es gehörte für mich dazu.
    Ich kenne mich quasi nicht ohne und das ist schon erschreckend.

  • Hallo Orangina,
    herzlich Willkommen hier im Forum. :welcome:
    Ich bin selbst erst seit Kurzem dabei und manches von dem, was du über dich schreibst, kommt mir sehr bekannt vor, deshalb antworte ich dir auf deine Vorstellung.
    Den ersten wichtigen Schritt hast du gemacht. Du hast dir selbst eingestanden, dass du einen problematischen Umgang mit Alkohol hast.
    Wie du schreibst, hast du‘s schon mal mit kontrolliertem Trinken versucht, aber gemerkt, dass das irgendwie nicht funktioniert. Auch das kommt mir bekannt vor.
    Einen problematischen Umgang mit Alkohol sieht man vielen nicht an. Auch mir würdest du das nicht ansehen. Es spielt eigentlich auch keine Rolle, dass man es dir (noch) nicht ansieht. Dir selbst ist aufgefallen, dass da etwas nicht richtig ist, und dazu kann ich dich nur beglückwünschen.
    Bist du vertraut mit den verschiedenen Trinker-Typen? Typ Alpha, Beta, Gamma usw.? Wo würdest du dich einsortieren?
    Du schreibst, du willst es ohne Klinik schaffen. Bedeutet das, dass du noch rechtzeitig die Kurve kriegen willst?
    Dein Konsum hört sich so an, wie meiner bis vor einer Woche war, und du schreibst, dass du verzichten kannst. Für mich hört sich das nicht so an, dass du schon so weit bist, einen Entzug in der Klinik machen zu müssen. Noch also kannst du, ohne große körperliche Entzugserscheinungen durchmachen zu müssen, aufhören. Oder habe ich da etwas missverstanden? Ab einem gewissen Grad an körperlicher Abhängigkeit kann es nämlich lebensgefährlich werden, so einen Entzug allein durchzuführen.
    Ich selbst hab mich hier viel eingelesen und ich lese zur Zeit auch zwei der hier auf der Literaturliste empfohlenen Bücher. Vielleicht ist das ja auch etwas für dich. Die Auseinandersetzung mit den anderen hier hat mir sehr geholfen, mir über mich selbst und über meinen Alkoholmissbrauch klar zu werden. Mein Bedürfnis nach einem Glas Wein ist erstmal verschwunden. Ich gehe übrigens kleine Schritte, in dem ich mir sage täglich sage: „Heute trinke ich nicht.“
    Viele Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo
    Orangina
    Willkommen hier
    Ja du schreibst :
    Eine Flasche Wein am Abend schaffte ich manchmal 4 mal die Woche...und vor einem Jahr versuchte ich es ernsthaft anzugehen.

    Du sagst selber das du dich gefährdet Fühlst.
    Mach doch maleinen Selbsttest,alle Flaschen mit Alkohol aus dem Haus,ich bin davon überzeugt,das du genügend Vorrat hast,wenn es dann Kommt,bei deiner Jetzigen Einstellung immer noch einen Notfall griffbereit zur Hand zu Haben.
    Dann siehst du wie dein Gehirn darauf Reagiert.
    Denkst du an Alkohol?
    Wie kannst du wenn du eingeladen bist darauf verzichten?
    Das musst du für dich mal Klären,und ehrlichzu dir selbst sein.
    LG

    Der Weg ist das Ziel<br />Konfuzius (551–479 v. Chr.

  • Hallo Orangina,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin Alkoholiker und 50 Jahre alt. Ich lebe jetzt schon lange ohne Alkohol, habe aber die Gedanken, das Handeln und die Gefühle meiner Trinkerzeit noch voll im Gedächtnis. Ich denke, das wird auch immer so bleiben. Deshalb habe ich, als ich Deine Vorstellung las, sofort gedacht: das kenne ich alles aus eigener Erfahrung.

    Das hier z. B.

    Zitat

    Würde ich jemanden davon erzählen, dass ich einen problematischen Umgang mit Alkohol habe,würde mir niemand glauben.
    Ich sehe gepflegt aus, bin sehr zuverlässig und funktioniere sehr gut .


    Hätte ich damals genauso von mir sagen können. Ich weiß nicht wie Dein Trinkverhalten genau aussieht. Ich trank die meiste Zeit meines Alkoholikerdaseins heimlich. Das gelang mir, obwohl ich Familie hatte und man normalerweise davon ausgehen müsste, dass man da irgendwann auffliegt. Zumindest bei den Mengen die ich trank, welche in den letzten Jahren meiner Sucht deutlich über dem lag, was Du von Dir schilderst.

    Und auch wenn ich in diesen besagten letzten Jahren dann nicht mehr ganz so toll aussah und sich manch einer dachte "was ist mit dem eigentlich los? ist er krank?", so kam doch niemand auf die Idee das Problem beim Alkohol zu suchen. Denn man sah mich ja nie trinken. Ich funktionierte also bis zum Schluss. Und ganz ehrlich, so ist das bei den allermeisten Alkoholikern. Nur die wenigsten gehören zu jenen, die von der Allgemeinheit auch sofort als solche wahr genommen werden. Der größte Teil funktioniert und es bekommt entweder niemand mit oder eben nur das engere Umfeld welches dann nicht selten dabei "hilft" die Sucht des Anghörigen noch zu vertuschen. Was dann sowohl der Leiden des Trinkers als auch das der Angehörigen verlängert.

    Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass Du für Dich erkannt hast, dass da etwas nicht stimmt, obwohl Du noch sehr gut funktionierst und äußerlich nichts zu sehen ist.

    Zitat

    Der Vorsatz hielt maximal 5 Tage ,mit dem Ergebnis, dass ich dann am 6. Tag wieder eine Flasche entkorkte mit dem Gedanke,dass ich es im Griff habe ,denn sonst hätte ich die 5 Tage nicht geschafft...und: was ist schon dagegen einzuwenden, wenn ich ab und zu mal ein Glas trinke.
    Bei dem Glas konnte ich aber nie bleiben.


    Auch das kenne ich sehr gut. Wahrscheinlich kennt das jeder Alkoholiker. Wir nennen das dann im Nachhinein eine Trinkpause. Meine längste dauerte übrigens fast ein Jahr..... Daran siehst Du, dass diese Sucht nie schläft oder vergeht, wenn man sie einmal entwickelt hat. Als ich diese lange Pause einlegte, trank ich auf relativ niedrigem Niveau aber ich trank regelmäßig, fast täglich. Zwar relativ niedrige Mengen aber eben so gut wie jeden Tag. Nach fast einem Jahr war es ein Biermischgetränk, ein einziges welches vielleicht einen Alkoholanteil von irgendwas um die 2 % hatte, das mich zurück in die Spur brachte. Von da an ging es dann immer weiter bergab und auch deutlich beschleunigt. Es schien, als ob ich das nachholen wollte, was ich in diesem Jahr "verpasst" hatte.

    Später waren meine Trinkpausen, wo bei nicht wenigen eigentlich der Vorsatz war nie mehr zu trinken, deutlich kürzer. Einige Wochen und je länger die Sucht dauerte dann einige Tage. Bis maximal 14 Tage ging relativ lange wobei oft nach spätestens einer Woche Schluss war. Mit genau den Gedanken, die Du von Dir auch geschildert hast. Ich hatte mir ja "bewiesen", dass ich gar kein Problem haben kann. Sonst hätte ich jetzt ja nicht soooo lange verzichten können. Dazu kamen dann auch Gedanken, dass ich das ja jederzeit wieder machen könnte, also eine Pause einlegen.

    Das alles sind Gedanken, die einem das Suchthirn so einspielt. So funktioniert diese Sucht und das macht sie auch so gefährlich. Das ist der Grund dafür, dass es nur so wenige schaffen sie dauerhaft zu überwinden. Sie hat so gute "Argumente", sie kennt denjenigen den sie befallen hat, in und auswendig, kennt alle Stärken und Schwächen und hebelt die Stärken aus um die Schwächen dann zu nutzen. Klingt jetzt vielleicht ein wenig komisch, weil man ja selbst der Süchtige ist und es ja die eigenen Gedanken sind. Aber so könnte ich das im Nachhinein von mir beschreiben.

    Und wenn Du mich jetzt fragen würdest, warum ich glaube das mein letzter Ausstiegsversuch dann funktioniert hat und die vielen anderen immer nur in Trinkpausen geendet haben, dann würde ich Dir Folgendes sagen:

    Bei allen Trinkpausen die ich gemacht habe, hatte ich IMMER ein Hintertürchen offen. Ein Hintertürchen, durch das die Sucht wieder herein schleichen konnte. Das sah in der Regel so aus, dass ich als heimlicher Trinker der Meinung war, ich könnte auch heimlich damit aufhören. Somit sozusagen eine WIN-WIN-Situation schaffen. Ich bin das Saufen los und ich muss niemanden beichten das ich eigentlich Alkoholiker bin. Keine unangenehmen Fragen, kein beichten von Dingen die während dieser Zeit verzapft hatte, einfach still und leise raus aus der Sucht und schön mein tolles Leben als toller Papa, Partner, Vorgesetzter, Freund, etc. weiter leben. Alles prima, keine Aufregung und fertig.

    Das genau funktioniert nicht, also zumindest bei mir nicht und meine jetzige Erfahrung mit anderen Alkoholikern legt den Verdacht nahe, dass es sogut wie nie funktioniert "einfach so nebenher" aus der Sucht auszusteigen. Denn immer wieder sind sie dann da, diese Gedanken: So schlimm kann es ja nicht sein, ein Glas kannst Du doch trinken, es bekommt ja keiner was mit, du kannst ja jederzeit wieder aufhören, etc. etc.

    Da Du offensichtlich etwas Angst vor einer Klinik, vielleicht auch von einer klassischen Therapie hast (so interpretiere ich Deine Zeilen jetzt mal), möchte ich Dir sagen, dass ich beides nicht in Anspruch nahm. Aber trotzdem seit vielen Jahren nicht mehr trinke. ABER: das bedeutet nicht, dass ich still und heimlich und ohne Hilfe aufgöhrt habe. Als ich meine letzte, bis heute andauernde Trinkpause begann, war alles anders als die vielen Male vorher. Meine Trinkpause begann mit dem Satz: Ich bin Alkoholiker! Welchen ich zu meiner damaligen Frau sagte und damit ihr Leben aus den Angeln hob. Mit diesem Satz und mit der Tatsache, dass ich ihr anschließend all meine Geheimverstecke, randvoll mit Alkohol, zeigte und das Zeug auch gleich wegschüttete, begann mein Suchtausstieg. Und mit diesem Satz habe ich auch mein erstes Hintertürchen vernagelt. Aber es ging natürlich weiter. Auch meine Kinder mussten es erfahren, meine Eltern, meine Geschwister, meine verbliebenen engeren Freunde. Überall machte ich reinen Tisch und überall brachen Welten zusammen.

    Dann war es bei mir so, dass ich die letzten Jahre meiner Sucht ein Doppelleben geführt hatte. Das so weit fortgeschritten war und derart viele Leichen im Keller hatte, dass es nicht möglich gewesen wäre, dieses ohne massives Lügen zu verheimlichen. Und wenn ich eines nicht mehr wollte, war es lügen. Denn das belastete mich extrem und ich konnte das eben nur durch den Alkoholkonsum überhaupt aushalten. Also gab es nur eine Möglichkeit für mich, nämlich alles auf den Tisch zu legen. Und ich sage Dir, da habe ich Dinge gebeichtet die Du nicht wissen willst.... Das nächste Hintertürchen, das ich zugenagelt habe. Denn dieser Druck war dann auch weg. Zwar mit erst mal katastrophalen Folgen für mich aber eben ohne weiteren Langzeitdruck.

    Und dann war mir klar, ich muss mit Menschen in Kontakt kommen, die was von dieser Krankheit verstehen. Und zu allererst kam mir da natürlich eine SHG in den Kopf. Und schon nach den ersten 24 h ohne Alkohol besuchte ich eine SHG, welche mir dann erst mal so die Basisinfos lieferte. Diese SHG war für mich in den ersten Monaten mit die wichtigste Anlaufstelle. Und so entwickelt sich das dann. Ich war dann der Meinung ich brauche auch psychologische Hilfe und habe mir diese auch geholt. Und als ich der Meinung war, der Psychologe passt nicht zu mir bzw. versteht mein Problem nicht, habe ich mir anderweitig Hilfe gesucht. Und so ergab eines das andere und je länger man von dem Zeug weg ist, desto unterschiedlicher können auch Hilfen werden, die man sich holt. Sehr individuell das ganze. Ich bin mir aber sicher, und da kann ich natürlich nur für mich sprechen, dass ich es ganz ohne Hilfe wohl nicht geschafft hätte.

    Das wollte ich Dir jetzt einfach mal schreiben. Ich weiß zu wenig von Dir um speziell auf Deine Situation eingehen zu können. Wenn Du magst, dann beschreibe uns hier doch noch ein wenig mehr, wie die Situation bei Dir genau aussieht. Es geht gar nicht so sehr um Trinkmengen oder so. Sondern was Dich umtreibt, wie Dein Umfeld aussieht, ob z.B. Dein Partner (falls Du in Partnerschaft lebst) Bescheid weiß, welche Ängste Du genau hast oder wovor Du generell Angst hast. Vielleicht können wir Dir dann auch bessere Argumente liefern, mehr aus unsere eigenen Erfahrung berichten.

    Auf jeden Fall finde ich es sehr gut, dass Du Dein Trinkverhalten hinterfragst und ich wünsche Dir viele interessante und vor allem hilfreiche Anregungen hier aus dem Forum.

    LG
    gerchla

  • Hallo zusammen
    ich muss mich hier erst mal zurecht finden, das Einloggen klappt nihct immer. UNd ich weiß jetzt auch nicht,ob ich in der richtigen Sparte antworte-
    ich habe mich sehr über eure Beiträge gefreut und ich danke Euch sehr. Ich hätte nicht gedacht, was das für eine positive Wirkung auf mich hat und ich bin sehr froh, dass ich mich angemeldet habe. Ich bin sehr dankbar, dass Ihr geschrieben habt und ich eure Erfharungen lesen durfte, darin spiegelte ich mich und das Bewusstsein , dass ich in der Tat ein Problem habe, wurde deutlicher.
    Ich will es einfach ohne Klinik schaffen, weil ich denke, dass ich es auch ohne hinkriege, auch wenn ich doch immer wieder mein Vorhaben gebrochen habe.
    Mit Exmann hat mir immer wieder gesagt, dass er meinen Konsum bedenklich findet. Wir haben oft am Abend eine Flasche Wein getrunken, dabei konnte er es bei eine Glas belassen, ich hingegen konnte das nie verstehen. Einmal angefangen, fühlte ich mich gleich leichter, nicht mehr so belastet vom Alltag.
    Ich habe erkannt, auch wenn ich es lange leugnete, dass ich den Wein lieben lernte, um zu entspannen, meine Ängste zu reduzieren, die ich seit Jahren habe und die ehrlicherweise durch meinen Alkoholkonsum größer wurden.
    Es wurde ein richtiger Teufelskreislauf, in dem ich aber auch wohlfühlte und mich darin versteckte.. ich ging kaum noch raus, unter Menschen bin ich kaum gegangen. Manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich wieder eine Flasche öffnete und mein Ex mich wieder so anschaute, mit dem BLick, warum schon wieder ?
    Ich hab natürlich heftig reagiert und alles abgestritten und fand ihn spießig. Was ist schon dabei, einen Wein am Abend zu trinken ?
    Oft, tausende male bin ich morgens noch mit Restalk zur Arbeit gefahren, mit einem Schamgefühl und trotzdem der Gewissheit, alles im Griff zu haben, Solang ich noch arbeite und funktioniere, hab ich kein Problem.
    Im Sommer hatte ich 2 komplette Abstinenzmonate, die mir sehr gut taten und ich war mir dann auch sicher, dass ich hin und wieder am Wochenende wieder mal ein Glas trinken könnte. Aber ich war schnell in der Schleife drin, bald täglich gab es eine Ausnahme, und einen GRund wieder zu trinken.
    Ich hasste mich dafür. Dann trickste ich herum. ...nur noch 2 Gläser am Abend, anstatt 3 (also eine ganze Rotweinflasche ) und leerte schon mal das eine Viertel in den Aufguss und markierte wieder im Kalender mein Kreuzchen, das mir sagte, da hab ich wieder getrunken. Vergangenen Monat waren es dann zusammengerechnet 8 Liter Rotwein auf den ganzen Monat verteilt. Das hat mich erschreckt. NUn bin ich seit dem 31. 10 nüchtern und will es auch dabei belassen... ich weiß, es wird wieder schön werden , nüchtern zu sein, aber im Kopf hab ich immer ein Hintertürchen offen, ...und das ist das, das mir gefährlich werden kann.
    Durch Eure Beiträge fühle ich mich sehr gestützt und gestärkt.
    Ich schicke das jeztz mal ab und melde mich wieder etwas ausfühlicher. Danke an euch!!

  • Ja, ich denke oft an Alkohol und freu mich manchmal tagsüber aus dem Nichts auf den Abend, auf ein Glas Wein und dann zucke ich zusammen...
    WEnn ich einige Tage abstinent war (was ehrlich gesagt selten vorkam bis auf wenige Ausnahmen), dann war ich stolz und zufrieden. Ich finde es hilfreich, dass man sich vor Augen hält, was man für einen Gewinn hat, wenn man nicht trinkt, ...es ist im Prinzip kein Verzicht, sondern ein Gewinn, aber das ist noch nicht richtig in meinem Kopf angekommen, da ich ja süchtig bin.
    Hilfreich war auch dieser Satz : "Heute trinke ich nicht!" Danke, dass du das AmSee13 geschrieben hast. Diesen Satz hörte ich schon mal und er hat mich damals schon sehr angesprochen.

  • Es ist für mich sehr wohltuend zu erfahren, welche Geschihten Ihr mitbringt und freue mich über weitere Beiträge.
    Ich bin wirklich beeindruckt, welche Wege ihr gegangen seid und ihr könnt echt sehr stolz auf euch sein.
    Welche positiven Veränderungen habt ihr an euch festgestellt, dadurch ,dass ihr keinen Alk mehr trinkt?
    Übrigens, ich habe keinen Tropfen WEin mehr im Haus.
    Wenn dann hab ich mir nur meine Tagesration geholt: Eine Flasche und mehr nicht.
    Schön, wie man sich selbst austricksen kann (kleine Ironie am Rande)

  • Hallo Orangina,
    das liest sich hoffnungsvoll für dich.
    Je mehr du über dich erzählst, umso mehr finde ich mich selbst in dem wieder, was du geschrieben hast.
    Ich hab für mich schon länger befürchtet, ein Problem mit dem Alkohol zu haben, aber irgendwie hab ich mich dann immer wieder beruhigt und das Ganze verdrängt. Ich hab online diese Selbsttests gemacht, recherchiert, woran man einen Alkoholiker erkennt, das für mich immer ausschließen können, zwischendurch verzichtet usw. Vor einer guten Woche setzte sich in meinem Kopf der Gedanke fest, dass ich nun doch ernsthaft ein Problem haben könnte. Da ich mit einem Forum für ehemalige Raucher bzw. solche, die es werden wollen, sehr gute Erfahrungen gemacht hatte, suchte ich nach einem entsprechenden Forum für Alkoholiker, fand dieses, meldete mich an und stellte mich vor. Vielleicht hast du mein Thema schon gelesen?
    Im Laufe einer Woche durch die Auseinandersetzung mit den Nachrichten derer, die mir antworteten, durch Anwenden dessen, was ich vom Rauchausstieg kannte, und durch die Lektüre zweier guter Bücher zu diesem Thema, veränderte sich endlich etwas in meinem Kopf.
    Meine Hintertürchen habe ich nach und nach zu gemacht. Ich bin nicht so weit gegangen, wie Gerchla, d.h. meiner angeheirateten Familie habe ich (noch?) nichts gesagt, aber mein Mann, mein Arzt und dieses Forum wissen Bescheid.
    Dieses „Heute trinke ich nicht.“ kenne ich aus dem Raucherforum und dort habe nicht nur ich es erfolgreich angewandt. Ich weiß auch, dass ich gleich das erste Glas stehen lassen bzw. ablehnen muss, denn ich weiß, was passiert, wenn ich dieses erste Glas trinke.
    Ein Hintertürchen habe ich mir noch offen gelassen, ich kann für mich noch nicht sagen, dass ich nie mehr trinken werde, aber ich bin gewarnt und mir ist u.a. auch durch das, was Gerchla über seine Erfahrung erzählt hat, sehr viel bewusster geworden, auf was ich mich einlasse, wenn ich ein Glas Wein o.ä. trinke. Beim Rauchen habe ich diese Erfahrung mehr als ein Mal gemacht und, bis ich dann wieder aussteigen konnte, hab ich ne Weile gebraucht. Rauchen werde ich gewiss nie wieder, der Schalter ist bei mir endlich endgültig umgelegt. Die Lust auf ein Glas Wein o.ä. ist mir zur Zeit gründlich vergangen und ich habe vor, mir das, was ich hier im Forum lese, immer wieder eine Warnung sein zu lassen.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee13
    ja, ich habe deinen Beitrag hier als erstes gelesen und mich in deinem Erleben sehr entdecken können. Das war mir alles sehr vertraut, bzw ist mir vertraut, was du geschildert hast.
    Es tut mir gut, Gleichgesinnte um mich zu haben, so wie diese vielen Beiträge hier.
    Der eine oder andere Beitrag ist mir näher als der andere, aber alles haben wir gemeinsam: Wir haben ein Problem mit dem Alkohol (gehabt) und ganz gleich wie unterschiedlich die Geschichten sind, jeder wurschtelt sich durch diese Sucht, durch die Qual, durch Hoffnung, Selbstleugnung.
    Ich habe übrigens mit noch niemanden darüber geredet. Ich habe es nach wie vor nach außen im Griff und noch keinem anvetraut, dass es so ist, wie es ist: Dass ich ein Problem habe.
    Es ist das erste mal, dass ich hier so offen sein kann.
    Im Kopf wissen wir es alle, dass wir nicht trinken sollten, schließlich gibt es genügend Horrorgeschichten darüber, Krankheiten und so weiter. Aber diese andere Ebene: Die Gefühlsebene muss auch soweit sein, dass es von innnen raus heißt : Ich mag keinen Alkohol mehr trinken.
    Ich war übrigens seit meinem 13. Lebensjahr starke Raucherin, aufgehört habe ich mit 35. Das heißt ich bin seit 14 Jahren Nichtraucherin. Es war ein langer Weg zum endgültigen Aufhören.
    Dann habe ich einen ernsten Entschluss gefasst und es bis heute sein lassen.
    Die ersten 15 Monate waren nicht leicht, aber heute bin ich dankbar und überglücklich, dass mich eine Zigarette nicht mal mehr in den Sinn kommt und inzwischen habe ich einen riesigen Ekel vor Zigaretten. Da bin ich geheilt und das gleiche wünsche ich mir auch für den Rotwein!
    Übrigens: in den zwei Monaten Abstinenz vom Wein wurde mir das erste mal richtig bewusst, wie viel ich getrunken hab.
    das war, wie wenn ein Vorhang aufgeht und ich das das erste mal betrachten konnte wie es ist: Widerlich!
    Aber dann wurde ich irgendwann wieder neugierig und schwach und war mir sicher, wenn ich ein Glas trinke, wird mir das nichts ausmachen.
    Das war mir wohl auch noch mal eine Lehre, dass ich die Finger davon lasse. Für mich war es vielleicht auch wichtig zu erlebe, wie schnell ich wieder in meinem alten Fahrwasser drin war.. Es gibt mir auch Hoffnung, es wirklich endgültig zu lassen und meinen Fokus darauf richte, was mich im Leben entspannt, sei es Sport oder sonstiges.
    Das sollte doch möglich sein!?

  • Hallo Orangina,


    Das sollte doch möglich sein!?

    Klar ist das möglich. Und du siehst es ja auch beim Nicht-mehr-Rauchen, was möglich ist.
    Wenn du Fragen hast oder dich ein Gedanke besonders beschäftigt, nur heraus damit.
    Viele Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Gerchla
    Deinen langen Bericht hab ich noch mal gelesen und ich danke auch dir für deine Zeilen und ausführliche Beschreibung.
    Ich führe seit 3 Jahren ein Doppelleben oder eines das ich nicht mehr will und den Ausstieg nicht schaffe.
    Ich kann davon nicht berichten,zu groß ist die Angst ,dass es raus kommt.
    Im Prinzip belüge ich mich seit Jahren selbst und tu Dinge,die ich nicht will und ich weiß was ich tun sollte schaffe es aber nicht ,mich selbst an die Hand zu nehmen und die Wahrheit auszusprechen. Sicher ist das auch in meiner Psyche eine stark verwurzelte Angst , die auch zum Alkkonsum führte.

  • ..ich habe mir durch mein Handeln mein aufgebautes Leben ,das meines war und das mir gut tat, selbst vermasselt. Selbstvorwürfe, Schuld und Scham sind große Themen.
    Mir ist klar geworden, dass der Alkohol mich umbringt,wenn ich nicht aufhöre.
    Jetzt versuche ich ,nach und nach mein Leben wiederherzustellen..erst mal Finger weg vom Alkohol und den Geist klar kriegen.

  • Hallo, Organina!

    Auch von mir ein (verspätetes) HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Ganz kurz zu mir: Ich bin m, 57, Alkoholiker, nach mehreren Anläufen nun seit etwas über 12 Jahren trocken und seit ca. 10 Jahren in der Suchtselbsthilfe unterwegs.

    Jetzt versuche ich ,nach und nach mein Leben wiederherzustellen..erst mal Finger weg vom Alkohol und den Geist klar kriegen.

    Ich führe seit 3 Jahren ein Doppelleben oder eines das ich nicht mehr will und den Ausstieg nicht schaffe.
    Ich kann davon nicht berichten,zu groß ist die Angst ,dass es raus kommt.
    Im Prinzip belüge ich mich seit Jahren selbst und tu Dinge,die ich nicht will und ich weiß was ich tun sollte schaffe es aber nicht ,mich selbst an die Hand zu nehmen und die Wahrheit auszusprechen. Sicher ist das auch in meiner Psyche eine stark verwurzelte Angst , die auch zum Alkkonsum führte.

    Ich habe im Laufe der Zeit gelernt bzw. für mich selbst festgestellt, dass das A und O auf dem Weg aus der Sucht ist, mit dem Selbstbetrug aufzuhören. Man muss aufhören, sich selbst zu belügen - erst dann kann man auch aufhören, sein Umfeld ständig zu betrügen. Denn ich habe damals festgestellt, dass ich meistens die Lügen, die ich meinem Umfeld auftischte, mehr oder weniger selbst glaubte, glauben wollte. Obwohl ich es ja eigentlich besser wusste.
    Und ich habe mir auch immer wieder eingeredet, dass ich es schon alleine schaffen würde - was natürlich absoluter Mumpitz war.

    Würde ich jemanden davon erzählen, dass ich einen problematischen Umgang mit Alkohol habe,würde mir niemand glauben.

    Vielleicht würdest Du Dich auch wundern. Vielleicht würde auch der Eine oder die Andere aus Deinem Umfeld sagen "Na endlich - ich wusste einfach nicht, wie ich Dich darauf ansprechen soll!"?!
    Was meinst Du, wieviel die Menschen mitbekommen - und nur nichts sagaen, weil sie unsicher sind?
    Wie oft habe ich gehört: "Mein/e Kind/er hat aber nie etwas mitbekommen!" So ähnlich habe ich auch gedacht. Bis ich von meiner damals 4jährigen Tochter den Hammer schlechthin vor den Kopf geknallt bekommen habe: "Ich will nicht mit Papa kuscheln - der stinkt und is besoffen!" :o :( Bumm - das hat gesessen! Und trotzdem habe ich noch über ein Jahr gebraucht, bevor ich eine Therapie gemacht habe ...

    Mit dem Belügen der Umwelt hilfst Du niemandem - Du schadest nur Dir selbst!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Orangina,

    Zitat

    Ich führe seit 3 Jahren ein Doppelleben oder eines das ich nicht mehr will und den Ausstieg nicht schaffe.
    Ich kann davon nicht berichten,zu groß ist die Angst ,dass es raus kommt.
    Im Prinzip belüge ich mich seit Jahren selbst und tu Dinge,die ich nicht will und ich weiß was ich tun sollte schaffe es aber nicht ,mich selbst an die Hand zu nehmen und die Wahrheit auszusprechen. Sicher ist das auch in meiner Psyche eine stark verwurzelte Angst , die auch zum Alkkonsum führte.

    Da ich leider ein Doppellebenspezialist bin, muss ich Dir dazu einfach etwas schreiben. Ich verstehe GENAU was Du sagen willst. Ganz genau. Ich hatte mein Doppelleben in den letzten Jahren meiner Sucht und ich war auf der einen Seite der liebevolle Familienmensch, der Erfolgreiche im Beruf und der, bei dem immer alles so läuft wie es soll. Und auf der anderen Seite, da war eine Parallelwelt, da machte ich Dienstreisen die es gar nicht gab, da jettete ich um die Welt und war doch nur um die Ecke, da ließ ich meine Mama fast sterben obwohl sie sich bester Gesundheit erfreute. Um dieses Doppelleben aufrecht erhalten zu können, und es war ein RICHTIGES Doppelleben, musste ich Lügen was das Zeug hielt. Lügen bauten sich auf wieder neuen Lügen auf und nicht selten wusste ich selbst manchmal nicht mehr, was ich eigentlich gesagt hatte und was nicht. Und manchmal glaube ich meine Lügen aus selbst, je häufiger ich sie "anwendete". Das ist schwer zu erklären führt aber natürlich dazu, dass man ein absolut überzeugender Lüger sein kann. Wenn man selbst glaube was man da sagt bzw. lügt.

    Auch ich habe mir NIEMALS vorstellen können, dieses Doppelleben offen zu legen. Unvorstellbar....

    Doch leider muss ich Dir sagen: Das ist der einzige Weg um da raus kommen zu können. Eine wichtige Voraussetzung um aus der Sucht heraus kommen zu können ist es, die Trinkgründe zu beseitigen. Da gibt es ganz fiese, versteckte Gründe, wo man erst mal richtig in seine Suchtgeschichte einsteigen muss um die überhaupt finden zu können. An die muss man ran aber das kann man gut im Rahmen einer Aufarbeitung der eigenen Suchtgeschichte machen. Im Rahmen eines Prozesses der meist etwas länger dauert.

    Aber es gibt eben oft auch ganz offensichtliche Gründe, die so akut sind, dass sie unbedingt erst mal weg müssen um überhaupt erst mal den Alkohol weglassen zu können. So wie z.B. so ein Doppelleben. Das ist etwas, das extremst belastend ist, zumindest war es bei mir so. Das alles aufrecht zu erhalten hat mir all meine Energie geraubt und ich konnte das überhaupt nur so lange aushalten weil ich getrunken habe. Natürlich wäre es dazu erst gar nicht gekommen wenn ich nicht in die Sucht gerutscht wäre. Aber Einstieg in dieses Doppelleben hat dann meine Sucht noch manifestiert und extrem verschlimmert. All mein Lügen, all mein Betrügen, all das hat mich so belastet, dass ich (als bereits Süchtiger) natürlich das getan habe, was ein Süchtiger eben so tut: Dosis soweit erhöhen, dass man mal wieder ein paar Stunden an nichts mehr denken muss. Eine Spirale in den Abgrund, aus dem man nicht aussteigen kann. Man kann sie nur stoppen in dem man ihr die Grundlage entzieht.

    Und damit meine ich reinen Tisch machen. Einmal mit einem lauten Knall nach dem Motto: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ein platter Spruch der hier aber voll zutrifft.
    Und wenn ich damals versucht hätte mit dem Trinken aufzuhören, mein Doppelleben aber weiter geführt hätte, es wäre unmöglich gewesen das zu schaffen. Niemals. Ich hätte es auch nicht "nebenher" auslaufen lassen können. Zu viel war passiert, zu viele Leichen im Keller, und zu viel hing ich auch emotional da mit drin. Nein, es gibt nur eine Alternative: REINEN TISCH.

    Reinen Tisch machen, die Basis eines jeden Alkoholausstiegs!

    Ich wünsche Dir, dass Du den Mut hast da reinen Tisch zu machen. Ich will nichts schönreden. Es war schlimm bei mir, sehr schlimm. Es war eine Katastrophe, ich werde nie vergessen wie ich z. B. meiner Frau alles erzählt habe..... Aber, ich wäre heute kein so zufriedener und glücklicher Mensch wenn ich diesen Schritt damals nicht getan hätte.

    Alles alles Gute für Dich!

    LG
    gerchla

  • Hallo Gerchla
    ich danke dir für deine Nachricht.
    Ich weiß das im Inneren schon lange, dass ich so nicht weiter machen kann und dass ich reden muss.
    Ich habe aber Angst und ich bekomme manchmal gar nicht den Mund auf. Das ist ein altes Thema, das sich vor ca 6 Jahren manifestiert hat, als ich einen Jobwechsel vornahm, bzw eine andere Stelle an einem anderen Ort annahm. Meine Angst manifestierte sich so.
    Ich habe studiert, einen notenmäßigen guten Abschluss gemacht, ich habe lange Berufserfahrung und war "gesettelt", souverän und kompetent, was ich auch heute noch bin.
    In meinem Beruf gab es nie Probleme und doch hatte ich damals in mir drin ein ganz anderes Bild von mir entwickelt, ich hatte Angst, in ein neues Team zu kommen, ich wurde fast paranoid, weil ich dachte, die lehnen mich alle ab und werden mich nicht akzeptieren.
    Da verstand ich zum ersten mal, wie sehr ich Angst vor etwas Neuem entwickelt habe und ich fast gefühlsmäßig gestorben bin, mich zu zeigen, wer ich bin, wie ich bin... aus Angst vor Kritik.
    Das Glas Wein verschaffte mir kurzfristig Erleichterung und auch Mut.
    Aber ich brauche ja nicht auszuführen, dass genau das Gegenteil der Fall war.
    Die Angstspirale wurde immer größer.
    In meiner Herkunftsfamilie wurde nie wirklich gesprochen, da hatte alles so zu laufen, wie die Eltern das vorgaben.
    Ich habe mich nie getraut zu sprechen und mir scheint, dass das damals vor 6 Jahren ganz deutlich wurde, welche inneren Konflikte und Zerrissenheiten hatte.
    Ich habe schon einiges ausprobiert, auch an Psychotherapien, aber heute sehe ich, dass es nie funktionieren konnte, weil ich nie das umsetzen konnte, was gefordert war.
    Demnach war meine Strategie: Schweigen und trinken, denn das war für mich einerseits die einfachere Variante und dann natürlich auch durch meinen Rotweinkonsum, die erlösendere.
    Mit meinem Mann habe ich mir ein schönes Leben aufgebaut.
    Ich wollte es weiter führen, aber ich machte einen Fehler nach dem anderen-und obwohl ich es wusste, dass ich mir immer mehr ins eigene Fleisch schnitt, begann ich mein zweites Leben aufzubauen mit massiven LÜgen, auch vor meinen Freunden, Eltern,---mein Mann ist längst ausgezogen, ich könnte nun endlich die Karten auf den Tisch legen und auch meinen Freunden sagen, was Sache ist, aber ich kann nicht.
    Ich weiß, dass es notwendig ist und ich weiß, dass kein Weg an der Wahrheit vorbeigeht. Ich war immer die Verfechterin von Wahrheit...
    und jetzt ? Jetzt verurteile ich mich für meine Leben, für das, was ich meinem Mann angetan hab und das schlimme ist, dass ich immer noch an ihm hänge und es aber nicht schaffe, ihn zurückzuholen, anstatt dessen mache ich das zweite Leben weiter, obwohl es mir nicht gut geht damit-anfangs war es wunderbar, aber jetzt ist es nicht mehr.
    Ich kann niemanden weh tun, ich denke immer erst an die anderen und verliere mich selbst dabei.
    Mir ist rein kognitiv alles klar, was zu tun ist.
    Während ich das schreibe, klingt es fast so, dass mein "Doppelleben " oder ich nenne es lieber "andere Leben" ganz ähnlich gestrickt ist wie die Sucht: Man weiß, man sollte es lassen , denn sonst gehts nicht gut aus.
    Ich lebe mein anderes Leben weiter, obwohl ich mir damit schade..

    In meiner zweimonatigen Abstinenz im Sommer wurde mir alles noch viel klarer und ich konnte es nicht fassen, wie ich das alles zerstört habe, was ich mir aufgebaut habe.
    Ich scheine immer in irgendwelchen Konflikten zu stecken, und fühle mich natürlich so, wie wenn das Leben MICH lebt, anstatt dass ich das Leben lebt.
    Ich habe immer wieder depressive Tendenzen und manchmal denke ich: ich habe gar keine CHance aus meinem Schlamassel rauszukommen.

    Ich freue mich, dass ich heute den fünften Tag ohne Wein habe, also abstinent! UNd das beste: Ich habe keine Lust mehr darauf und ich glaube, dass ich es schaffen kann , weil ich es schaffen will und ich will auch reinen Tisch machen und doch weiß ich, dass das noch ein Weilchen dauernd wird, bis ich weiß, wie ich vorgehe und bis ich genügend Mut gesammelt hab. Schlimm genug, dass ich mich selbst verleugne und mir das selbst zumute, was ich mit mir anstelle und wie ich mich behandle.

    ZUrück noch mal zu meinem Jobwechsel von damals.Es hat drei Jahre gedauert, bis ich mich dort eingelebt habe und auch heute gibt es noch Tendenzen des Rückzugs und des Gefühls, nicht angenommen zu sein. Ich bin in diesem Bereich wirklich sehr labil und ich verstehe es manchmal , rein sachlich betrachtet, auch nicht, dass ich so ticke, wie ich bin.
    Der Alkohl hatte bei mir die Funktion , zu trösten, zu vergessen, mich mutiger zu fühlen...meine Angst zu reduzieren etc...

    Gerchla, weißt du, warum du damals so gelogen hast ? Warum konntest du früher nicht eher die Reißleine ziehen und reinen Tisch machen ? Was waren die Gründe ?
    Angst, deine Frau zu verletzen ? Was ist JETZT und HEUTE besser in deinem Leben im Vergleich zu damals ? Mags du davon berichten ?

    Sei herzlich gegrüßt, Orangina

  • Hallo GReenfox
    ich danke dir für deine Nachricht. Es ist echt eine Leistung, die du da geschafft hast in den letzten Jahren! Der Satz, "Mein Papa ist besoffen und stinkt" muss gesessen haben, das kann ich mir vorstellen.
    Das sind so Momente, in denen einem bewusst wird, wie weit man unten ist.
    Mein Exmann sagte mir vor Kurzem zu mir:" Du hast mir damals Sachen gesagt, die waren unter der Gürtellinie... " .
    Ich wusste gar nicht, was er meinte und ich vermutete schon, dass ich in meinen betrunkenen Zuständen sehr angriffslustig war und vorwurfsvoll werden konnte...ich wurde quasi zu einer Hexe , ich erschrak selbst manchmal vor mir.
    Die NOt in mir war groß, ist groß...
    und sie brach unter Alkohol leicht nach außen.
    Ich fragte ihn dann vorsichtig, was ich denn so alles gesagt hätte, was ihn verletzt hätte. Er sagte es mir. Ich konnte mich nicht erinnern! Das war heftig!UNd meine Scham riesengroß.
    Da meinte er dann " weißt du, du hast so viel gesagt, was daneben war, wenn du gesoffen hast."
    Das tat weh. Es war das erste mal, dass er das Wort "gesoffen" genannt hat. Zuvor war es immer "Dein WEinkonsum ist manchmal schon bedenklich!"
    Er sprach mich schon oft arauf an, aber ich fand immer, er übertreibt.
    Wenn ich an all diese Szenen denke, wird es mir ganz anders.
    Ich will so nicht mehr sein und ich will mich und mein Leben wieder selbstbestimmen und nicht mehr anders herum.

    Grüße, Orangina

  • Liebe Orangina,

    ich will gerne versuchen Dir meine damaligen Gefühle und Gedanken zu schildern.Und auch was sich geändert hat.

    Erst mal dazu:

    Zitat

    Gerchla, weißt du, warum du damals so gelogen hast ? Warum konntest du früher nicht eher die Reißleine ziehen und reinen Tisch machen ? Was waren die Gründe ?
    Angst, deine Frau zu verletzen


    Also, erst mal war ich Alkoholiker, also aktiver, trinkender Alkoholiker. Alles was ich vorher mal war, also vor dieser Sucht, war längst in den Hintergrund gedrängt worden. Jahrelange Sucht hatten Spuren hinterlassen. Mein Hirn legte sich, suchtbedingt, die Dinge so zurecht, wie sie der Sucht am besten dienlich sein konnten. Was ich sagen will: Mein Doppelleben wäre in dieser Form sicher niemals möglich gewesen ohne die Sucht. Denn vor dieser Sucht hatte ich noch sowas wie Charakter, wie Moralvorstellungen, sowas wie ein Gewissen. Das alles veränderte sich jedoch mit dem Trinken bzw. meine Werte, etc. waren völlig verzerrt, regelrecht irrational. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mit jedem Monat den ich länger trocken war, entsetzter auf das blickte, was ich da eingentlich getan hatte. Und wenn ich das selbst nicht wirklich alles erlebt hätte, wenn ich nicht selbst der Täter gewesen wäre, ich würde sogar daran zweifeln, das sowas überhaupt möglich ist und ich würde auch zweifeln, dass ein Mensch sowas über eine längere Zeit aushalten kann. Aber der Alkohol machte es möglich....

    Warum konnte ich nicht raus? Ja, wegen der Sucht. Sie hielt mich darin gefangen, sie hatte mich derart verändert das ich nicht mehr "vernüftig" denken und handeln konnte. Und trotzdem war mir auch klar, dass ich da nicht mehr "heimlich" heraus kommen KANN. Und da kommen wir jetzt zum Punkt "andere verletzen". Ja ich hatte auch Angst meine Frau zu verletzen aber mir war eigentlich auch klar, dass meine Frau mich auf jeden Fall verlassen würde, wenn sie das alles erführe (hier irrte ich, sie wollte mit mir da durch gehen und ich war es dann, der sich von ihr trennte). Was mich gar nicht mal so sehr ängstigte, denn ich spürte schon damals, dass diese Beziehung (durch mich) an die Wand gefahren war. Viel mehr Angst hatte ich davor, was ich meinen Kindern damit antun würde. Ich liebte meine Kinder über alles, trotz Dauersuff. Meine kleine Tochter war einfach alles für mich, mein Großer mein ganzer Stolz. Ihnen diese Verletzung zuzuführen konnte ich mir niemals vorstellen. Lieber noch so lange wie möglich durchhalten. Und so dachte ich auch. Wenn sie größer ist, dann..... etc.

    Irgendwann war dann aber der Punkt erreicht, wo ich nicht mehr konnte. Das war ganz ungeplant. An einem Abend fiel dann der Satz: Ich bin Alkoholiker und an diesem Abend, den ich nie mehr vergessen werde, brach dann die Welt meiner Familie zusammen. Und alles war anders, von einer Sekunde auf die nächste. Es wurde "reiner Tisch" gemacht, die einzige Möglichkeit da raus zu kommen. Ich kann es nur wiederholen.

    Es folgten die schlimmsten Tage, Wochen und Monate meines bisherigen Lebens. Nie werde ich die trautigen, verzweifelten Augen meiner Tochter vergessen. Glaube mir, es war die Hölle. Für meine Kinder und für meine Frau noch mehr als für mich. Denn sie waren ja unschuldig.

    Aber, nach und nach wurde es wieder besser. Langsam und natürlich mit der Grundvoraussetzung, dass ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr trank. Nach und nach konnte ich mein Leben wieder in Griff bekommen. Natürlich war da so viel passiert, so viel Schuld die mich belastete, dass ich mir Hilfe holen musste. Ein Psychologe, ein Mönch, der eine zentrale Rolle in meinem Leben nach dem Trinken ein nahm, das brauchte ich. Alleine hätte ich es nicht geschafft.

    Und so ging es nach und nach aufwärts. Nach etwa einem Jahr ging es mir deutlich besser, ich hatte das Gröbste aufgearbeitet und konnte nun beginnen tiefer in mein Inneres zu schauen. Ich begann meine Zukunft aktiv zu gestalten. Langsam verbesserte sich auch das Verhältnis zu meiner Ex-Frau (ich trennte mich kurz nachdem ich aufgehört habe zu trinken und zog aus), das zu meinen Kindern war zwar anders aber es wurde normaler, besser. Ganz langsam kam Vertrauen zurück.

    Und gleichzeitig war ich auch frei für Neues.

    Und jetzt dazu:

    Zitat

    Was ist JETZT und HEUTE besser in deinem Leben im Vergleich zu damals ?


    ALLES ist besser wirklich alles. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch. Ich liebe mein Leben, ich bin wahnsinnig dankbar für alles was ich habe. Dadurch, dass ich damals diesen Schritt getan habe (Stichwort:Reiner Tisch und alkoholfreies Leben), bekam ich die Chance auf ein neues Leben. Ein Leben ohne Heimlichkeiten, ein Leben ohne Lügen. Ich wollte NIE mehr lügen (ähm, kleine Höflichkeitslügen schließe ich jetzt mal aus ;) ) Ich habe wieder geheiratet, ich wurde nochmal Papa, es ist einfach wunderbar. Ich habe eine gute Beziehung zu meiner ersten Frau, ich habe eine sehr gute Beziehung zu meinen Kindern und auch meine jetzige Frau hat diese gute Beziehung.

    Ich greife heute auf all diese schlimmen Erfahrungen zurück um es JETZT besser zu machen. Ich denke oft an diese Erfahrungen um JETZT die Dankbarkeit für das was ich habe, zu spüren. Ich darf jetzt mein Leben gestalten, selbst gestalten. Ich kann jetzt daran arbeiten der Mensch zu werden, der ich gerne sein möchte. Das alles ging damals nicht, ich war fremdgesteuert. Vom Alkohol, von meinem Doppelleben, von meinen Ängsten die daraus resultierten.

    Das alles ist schon lange vorbei. Aber ich kann nichts anderes sagen: Es ging nur über den "reinen Tisch". Ohne diesen Schritt wäre es eine never ending story geworden. Manchmal muss man einen Cut machen, ich denke solche Entscheidungen gehören letztlich zum Leben. Klar ist nicht bei jedem eine derartige, und auch noch selbst zu verantwortende Tragweite dahinter, wie das bei mir war. Aber jeder steht irgendwann mal an dem Punkt, wo er Entscheidungen treffen muss. Und je nachdem wie man dann entscheidet verläuft eben das Leben weiter. Bei mir konnte es letztlich nur besser werden. Aber das wollte oder konnte ich jahrlang nicht akzeptieren, auch wenn ich es im innersten trotz meiner Sucht wusste.

    Soviel zu meiner Geschichte. Vielleicht kannst Du was für Dich heraus ziehen.

    LG
    gerchla

  • Hallo AmSee
    Ich wollte dir noch sagen,dass ich mit den Klassifikationen nichts anfangen kann..siehe Alpha Beta Trinker etc.
    Es reicht mir zu wissen,was mein Problem ist.
    Sich darauf zu fixieren ist mir wichtiger.
    Ich habe immer gern wegen der Wirkung getrunken und vor allem zur Entspannung, zum Bewältigen von Schwierigkeiten, zum Musikhören...und die Liste könnte ich ewig weiterführen.
    Kurzum: Wirkung war wichtig und dann schlitterte ich in diese Gewohnheit ,die schwierig war dauerhaft zu durchbrechen.
    Ich lese gern hier und die Erfahrungsberichte bereichern mich und regen zum Nachdenken und Reflektieren an.
    Über eines aber stolpere ich immer wieder und das ist die Bezeichnung " ich bin Alkoholiker"...
    Alkoholiker ist jemand,der aktuell trinkt,aber nicht jemand, der seit Jahren nicht mehr trinkt.
    Durch diese Bezeichnung reduziert man sich auf ein Problem.
    Der Mensch an sich wird dadurch weiterhin krank gehalten.
    Ich war mal Raucherin.
    Seit etlichen Jahren rauche ich nicht mehr.
    Also sage ich doch auch nicht " ich bin Raucherin und rauche seit Jahren nicht mehr!".
    Ich bin ab dem Tag ,an dem ich nicht mehr dieses Suchtmittel konsumiere,abstinent.
    Und ich bin jetzt wieder seit 1 Woche Nichttrinkerin und mir geht es sehr gut damit und ich will es bleiben.
    Ich weiß, dass es schwierig ist ,dran zu bleiben

    Aber schlimm finde ich ,wenn man sich ein Leben lang als Alkoholiker bezeichnen muss und sich damit seine Krankheit dauernd vor Augen hält, obwohl man seit Jahren abstinent ist.
    Da vermittelt man sich selbst doch ein ganz falsches Bild.
    Viele Grüße und schönen Sonntag

  • Hallo Gerchla
    Danke für deine lange Ausführung.
    Ich kann nun viel besser nachvollziehen, was dich damals bewegt hat.
    Ich konnte einiges für mich rausziehen aus deinem Bericht.
    Mir wird auch immer bewusster,auch damals in meiner Abstinenz im Sommer dass das alte Leben so nicht mehr weitergeht.
    Vieles muss und will aufgeräumt und geklärt werden ,alles,was noch mit dem Trinkerleben zusammen hängt.
    Seit 1 Woche bin ich abstinent und ich habe das auch wieder bewusst entschieden ,aus innerer Überzeugung, weil ich so nicht weiter machen will und ich merke,wie erleichtert ich bin ,nicht mehr meinen lang benötigten Rotwein zu trinken.
    Ich habe seitdem kein Verlangen mehr gehabt und fühle mich gut, klar und nüchtern zu sein.
    Ich bin auch körperlich fitter.
    Möge es so bleiben.
    Schöne Grüße
    Orangina

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