Beim Thema Scham fällt mir vor allem ein Punkt ein: Der Schmerz über ein ungelebtes Leben. Wenn man irgendwann unmittelbar vor seinem Ableben steht und sich dann selbst eingestehen müsste, dass man ein ungelebtes Leben geführt hat, dass man Chancen immer wieder verstreichen ließ, dass man lethargisch vor sich hin lebte, dass man keine Spuren im Diesseits hinterlassen hat - ja dann würde man vor seinem Tod nochmals damit konfrontiert werden, dass man es vergeigt hat und nix mehr tun kann.
Da wir ja gerade im Leben stehen mein bescheidener Tipp: In Richtung Leben gucken.
Ich mag es überhaupt nicht, (Lebens-)Zeit zu verschwenden. Es kann ja durchaus sinnvoll bis notwendig sein, sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen oder diese gar schätzen zu lernen, aber es gilt auch hierbei: Jede (unnötige) Minute, die wir in der Vergangenheit schwelgen, behindert uns ein wenig, in Richtung Leben zu gucken.
Das könnte klappen Und denk immer daran, welcher Film in den letzten Minuten Deines Lebens mal auf Deiner geistigen Leinwand aufgeführt werden soll. Du kannst an Deinem Drehbuch des Lebens durchaus noch kräftig mitschreiben. Viel Spaß dabei!
Ja, Nein, Jein....das Thema finde ich schwierig. Auf der einen Seite hast Du Recht, auf der anderen Seite KANN das Streben nach dem "erfüllten" Leben auch sehr starken Druck erzeugen. Ich meine, wir sind ja gerade in einer Zeit, maximal befeuert durch die sozialen Medien, wo wir ständig mit den erfüllten Leben anderer Menschen konfrontiert sind. Wenn ich so durch meinen Instagramfeed scrolle, werde ich bombardiert mit "tollen Sachen" anderer Menschen.
Auf der anderen Seite kenne ich diese Blase ein wenig und weiss auch das viele Creator nicht gerade glücklich sind und das erzeugen schöner Bilder sehr harte Arbeit ist die viele auffrisst.
Nur hinterlassen diese maximal schönen Bilder sehr viele, tiefe Spuren in Menschen, die nicht differenzieren können zwischen Medien und Realität. Und gerade bei jungen Menschen ist das ein riesiges Problem mittlerweile. So groß, das Florida ein Gesetz erlässt, das Kids unter 16 Jahren der Zugang zu sozialen Medien bei Strafe verboten werden soll.
Und als Erwachsener, trotz dass ich diese Blase durchschaue, habe ich mich auch, gerade in der süchtigen Zeit oft gefragt, "warum kann ich das nicht?" Die Antwort war, weil ich lieber an der Flasche genuckelt habe. Jetzt nuckel ich nicht mehr an der Flasche, aber ich nehme den Druck raus, ich habe mir verziehen und bin mit mir selber im reinen. Und alleine das ist schon viel um ein erfülltes Leben zu spüren. Der Rest sind Bonuspunkte.
Um mal so ein Beispiel zu nennen, um mich herum knallen gerade Beziehungen und Ehen am laufenden Band. Menschen, von denen ich es nicht erwartet habe, alle das selber Muster: Mitte 40, Kinder aus dem Gröbsten raus und rumms trennen sich vorzugsweise die Frauen von ihren Männern. Die Midlifecrisis schlägt voll ein.
Und ich kann mich glücklich schätzen vielleicht nicht aufregendste Ehe zu habe, wer hat die schon, dafür aber eine sehr harmonisches Familienleben mit zwei tollen Kindern. Und ich freue mich persönlich wie ein Schnitzel der alte Honk, nachdem er die Buddle weggelegt hat, ein ganz ansehnlicher Kerl (wieder) geworden ist.
Was ich aber konkret mit dem Thema Scham meine, ist gar nicht die Rückschau, sondern das Momentum. Ich meine es geht doch vielen so, die sich mit ihrem Absprung beschäftigen, dass sie sich nicht in die Augen sehen können. Viele, vielleicht sogar alle gefährlich trinkenden Menschen wissen doch eigentlich was sie da tun. Und ich behaupte mal, ab einem gewissen Grad trinkt niemand mehr gerne. Nur der Absprung gelingt nicht. Sind das nicht die Momente des größten Schams?
Als aber auch die kurze Zeit danach, wenn man aufgehört hat und sich ggf. in der Rechtfertigungsposition befindet oder erstmal für sich aufarbeiten muss, was da die letzten Jahre gelaufen ist. Und da, so mein Gedanke, ist die Einstellung, sich nicht schämen zu müssen weil man in irgendeinerweise (mit) ferngesteuert gewesen zu sein, ein Guter.