Nun bin ich in das zehnte Jahr einer Entwicklung gestartet, in der ich meine Alkoholabhängigkeit nicht als unabwendbares Schicksal, sondern als veränderbares Ergebnis eines Irrwegs begreife. Und es ist das 15. Jahr einer intensiven Auseinandersetzung mit Sucht.
Es ist und bleibt eine Reise mit immer wieder neuen erfreulichen Überraschungen. In meiner Suchtzeit redete ich mir ein, dass ich zwar einerseits meinen Körper schädige, mir aber andererseits die Droge viel mehr gibt, als sie mir nimmt. Das änderte sich schlagartig in dem Augenblick, in dem ich erkannte, dass mir meine Süchte schlicht und einfach die Freiheit nahmen. Ab da wollte ich nur noch weg von Tabak und Alkohol, musste aber feststellen, dass zwischen Wollen und Können bzw. Tun Meilensteine lagen.
Die sind jetzt schon seit langer Zeit überwunden. Und doch gibt es keinen Stillstand. Ich entdecke bzw. erfahre immer wieder Veränderungen in meinem Leben, die mich freier werden lassen und meine Lebensqualität steigern. Das spielt sich nicht nur auf physischer Ebene ab, sondern mehr und mehr auch spirituell.
Seit ich mich nicht mehr mit Sucht auseinandersetzen muss, sind jede Menge Energien frei geworden für das Beschreiten neuer Wege. Die Angst mich selbst zu schädigen ist weg und damit auch die enorme Anstrengung, das Negative meines Suchtverhaltens vor mir selbst zu kaschieren.
Dafür bin ich dankbar.
Die Natur ist wichtig geworden. Wie früher in meiner Kindheit, in der ich viele Waldspaziergänge mit meinen Eltern und Verwandten unternahm, sind auch heute wieder Wald und Wandern Teil meines Lebens. Und damit verbunden Entschleunigung und auch Rückbesinnung auf ein, wie ich es empfinde, urwüchsiges und echtes Leben. Selber kochen statt Fertigpizza oder anderes „Beinahe-Essen“ in den Ofen schieben; ich entdecke wieder den guten Geschmack von Kohl, Graupen in der Suppe und so vieles mehr. Es ist eine Bewegung zurück, also in die Vergangenheit, gleichzeitig aber auch nach vorn.
Und auf jeden Fall eine Bereicherung.
Was ich seit Beginn des COVID19-Rummels in meinem Inneren erfahre, ist eine bis dahin nicht gekannte Gelassenheit. Ich weiß, dass ich ein Leben führe, das mich stark macht. Und ich weiß, dass ich es in der Hand habe, diese Stärke zu erhalten und zu fördern. Genauso weiß ich aber auch, dass das Leben endlich ist.
Das befreit und macht gelassen.
Alles begann mit dem Rauchstopp. Ein einziger Schalter wurde umgelegt. Und die Folgen sind nicht abzusehen. Dass ich anschließend mit dem Trinken aufhörte, war nur ein zweiter von vielen weiteren Schritten.
Denn die Reise ist noch lange nicht zu ende.