Mal ein Zwischenbericht:
Es fühlt sich gut an, gelassen und geerdet zu sein.
Zu Suchtzeiten fühlte sich nur gut an, wenn ich meine Süchte befriedigen konnte; wirkliche Gelassenheit blieb mir in dieser Zeit versagt.
Mittlerweile glaube ich, dass Sucht nicht nur den Körper schädigt, sondern auch -oder vielleicht sogar primär- die Seele. Denn seitdem die Sucht aus meinem Leben verschwand -und das ist bei mir nicht der Suchtstoff als solcher, sondern meine Abhängigkeit von diesem Stoff- scheinen meine Sinne mehr als zuvor wahrzunehmen; auch das, was über jenes hinausgeht, das durch Sehen, Hören, Riechen usw. erfahrbar ist. Die innere Stimme ist (wieder) da und das Wissen, dass sich Leben nicht im Materiellen erschöpft.
Ich kann heute einfach im Jetzt sein, während ich zu Suchtzeiten ständig in der Zukunft oder in der Vergangenheit verweilte: Ist noch genug vom Suchtstoff im Haus oder muss ich vor Ladenschluss noch nachkaufen, wie verstecke ich meine Sucht auf einem Transatlantikflug vor Mitreisenden und Crew, wie überdecke ich das durch die Sucht tief verwurzelte Gefühl, ein Schwächling zu sein, habe ich gestern im Suff jemanden beleidigt usw. usf..?
Die Sucht verkopft; zumindest war das bei mir so. Freiheit von Sucht dagegen verschafft eine Vergrößerung der Wahrnehmungskanäle.
Und bei mir führte sie darüber hinaus zu einer lange nicht mehr gekannten Gelassenheit.
Dass ich meine innere Stimme wieder hören kann, empfinde ich als das größte Geschenk der Suchtfreiheit. Sie macht mich unabhängiger von den Urteilen anderer Menschen und sie hat u.a. bewirkt, dass ich meinen Körper nicht mehr als mein persönliches Eigentum betrachten kann und deshalb auch nicht das Recht beanspruchen kann, ihn nach Belieben zu schädigen. So gewann der Sport neben der Spaßfunktion, die er für mich immer hatte, eine weitere Funktion, nämlich die des pfleglichen Umgangs mit Geliehenem.
Und wie Honk an anderer Stelle bereits schrieb: Man sieht besser aus.
Bassmann