Beiträge von Bassmann-neu

    Das zwölfte Jahr nach der endgültigen Verabschiedung aus den mich viele Jahre begleitenden Süchten ist in das dreizehnte übergegangen.

    Woran ich zurzeit immer wieder denken muss, ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal spürte, was ein Leben ohne Sucht wirklich ausmacht. Lange Zeit dachte ich, dass es die wieder erlangte Freiheit ist, also der Fortfall des Zwangs etwas tun zu müssen, was ich nicht mehr tun wollte. Doch irgendwann, nachdem ich nicht nur das Rauchen, sondern auch das Trinken beenden konnte, durfte ich erfahren, dass es viel mehr ist.
    Es ist der unglaubliche Zuwachs an Energie, die zur Verfügung steht, um Neues zu denken, Neues zu tun und Neues zu erfahren. Plötzlich sind wieder Entwicklungen möglich, ist Neugier auf Veränderung spürbar, und das vorherrschende Gefühl ist Zuversicht. Diese Zuversicht, das Vertrauen darauf, dass das Leben trotz aller auftauchenden Ärgernisse und Probleme letztendlich immer wieder -zumindest in der Rückschau- zu einer Bereicherung führt, hatte ich zu Suchtzeiten verloren.

    Als ich startete, wollte ich einfach nur nicht mehr abhängig sein. Und daraus wurde ein komplett neues Leben mit Freuden und Erfahrungen, an die ich im Traum nicht gedacht hätte.

    Bassmann

    Wenn es einem Menschen ab dem Tiefpunkt möglich ist auszusteigen, WARUM ist es dann auf einmal möglich? Es ist ja an sich kein anderer Mensch.

    Es gibt nur dann einen Tiefpunkt, wenn es nach einer Abwärtsphase wieder aufwärts geht. D.h., nur derjenige, der erfolgreich aus seiner Sucht ausstieg, stellt in seinem Suchtleben einen Tiefpunkt fest. Ich denke deshalb, dass nicht der nur nachträglich feststellbare Tiefpunkt Aussagekraft besitzt, sondern das, was vorher im Menschen ablief und ihn dazu bewegte, sein Suchtleben zu beenden. Anders ausgedrückt: Nur weil ich vor dem Tiefpunkt ein Anderer wurde, gibt es den Tiefpunkt in meinem Suchtleben.

    Bassmann

    Ich habe gestern ziemlich Klartext mit meinem Freund gesprochen und ihm auch gesagt, er hat nun das Wissen, wo sein Problem liegt und eigentlich nur die Wahl, sich für sich oder gegen sich zu entscheiden. Und ihm ist es auch bewusst. Aber ich weiß, wie schwer der Deckel ist und ich drücke ihm die Daumen, ebenfalls das Loch zu schließen. Da kann ich ihm aber nicht helfen außer, ein Vorbild zu sein, dass es möglich ist und sich lohnt.

    Das erinnert mich an meinen besten Freund, der im letzten Jahr an den Folgen seines übermäßigen Alkoholkonsums starb, trotz meiner Erfahrungsberichte und trotz meines "Vorbilds". Und ich frage mich, warum ich einen anderen Weg als er gehen konnte. Oder musste?
    Ich weiß nur eins: Bei mir begann es mit den Rauchstopp, bei dem ich die Erfahrung machte, dass es ein unglaubliches Freiheitsgefühl ist, nicht mehr rauchen zu müssen. Und ab da wollte ich die komplette Freiheit, was bedeutete, mit dem Trinken aufzuhören.
    Mir war zu diesem Zeitpunkt absolut klar, dass ich nur glücklich werden kann, wenn ich jegliches Suchtverhalten ablege.

    Vielleicht ist eine solche Erfahrung ein Glücksfall, wahrscheinlich hat sie aber Gründe. Nur welche sind es? Was war bei mir anders?
    Ich bin inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht mehr an Zufälle glauben kann, weil es davon zu viele in meinem Leben gab, die sich im Rückblick als Notwendigkeit erwiesen, um mich zu dem werden zu lassen, der ich jetzt bin. Und diese "Zufälle" waren im Zeitpunkt ihres Vorkommens nicht immer erfreulich.

    Vielleicht hat ein Anderer ähnliches erlebt und ist an einem Punkt angelangt, wo er die Zusammenhänge klarer sieht als ich?

    Bassmann

    Es ist immer dasselbe mit unseren (oder anderen) Politikern. Sie meinen besser als wir selbst zu wissen, was gut und was schlecht für uns ist. Und weil sie der Meinung sind, dass Erziehung mit Verboten die beste Erziehung ist, kommt so etwas, wie es jetzt in Groß Britannien vorexeziert wird, zustande.

    Aus meiner Sicht gibt es zwei Wege: Ich kann mich immer wieder mit meiner Suchtvergangenheit auseinandersetzen, um dem Vergessen vorzubeugen. Oder ich lasse täglich die Freude darüber in mein Herz, dass ich nicht mehr trinken muss.

    Ich gehe den zweiten Weg.

    Dieser zweite Weg ist zumindest bei mir ein Selbstläufer. Ich muss mich nicht dazu anhalten, an meine Suchtvergangenheit zu denken, sondern tue es zwangsläufig. Aber indirekt, indem ich meine Gegenwart genieße.

    Bassmann

    Ich glaube, es ist ganz einfach.

    Wir sehen ständig Menschen, die Alkohol trinken und es danach wieder sein lassen. Bei mir/uns war das anders. Und das lässt uns an uns selbst zweifeln. Wir stellen uns die Frage: Warum kann ich mit Alkohol nicht so umgehen, wie das die meisten Menschen augenscheinlich tun? Was stimmt mit mir nicht?

    Und so kommt eben doch ein Gefühl der Scham auf.

    Ganz sicher ist es so, dass das Gefühl der Scham unangebracht ist. Aber seit wann richten sich Gefühle danach, ob sie angebracht sind oder nicht?

    Und irgendwann ist die Scham auch weg. Bis mir war das Gefühl der Scham in dem Augenblick wie weggeblasen, nachdem ich wusste, dass ich die Kraft habe, den Teufelskreis zu verlassen. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich kein Problem mehr darüber zu sprechen, dass ich bislang abhängig war.

    Bassmann

    Es wird echt Zeit das sich Abstinenz wirklich etabliert und das neue Normal wird. Und nicht das saufen an jeder Ecke.

    Abstinenz wird sich m.E. nicht etablieren.

    Und letztendlich kann das dem Abstinenten auch ziemlich egal sein. Denn er lebt die Abstinenz ja Tag für Tag und erlebt das Positive dieses Zustands Tag für Tag.
    Denn die Abstinenz ist sein Normal.
    Aber es ist eben auch nur sein Normal und nicht das Normal der Anderen. Die entscheiden selbst darüber, was für sie normal ist.

    Ich kann das akzeptieren.

    Bassmann

    M.E. sollte Sport in erster Linie, ich würde sogar für ausschließlich plädieren, Freunde machen.

    Wenn man damit anfängt, kann das für eine gewisse Zeit etwas anders sein, denn da funkt der innere Schweinehund gerne dazwischen. Er kann aber ausgetrickst werden, indem man sich mit anderen Personen zum Sport verabredet. Irgendwann wird die sportliche Betätigung zum Selbstläufer und zu einer von hoffentlich vielen Freuden des Lebens.

    Eine Aufgabe sollte der Sport m. E. jedoch -zumindest primär- nicht haben: Gewichtsreduktion. Die erfolgt über die Veränderung der Essgewohnheiten. Sport verhindert hier nur, dass bei einer Diät nicht zuerst die Muskeln abgebaut werden.

    Meine Sportarten sind das Schwimmen und das Radfahren. Das Laufen habe ich mal für eine gewisse Zeit probiert, aber festgestellt, dass es nicht wirklich mein Ding war. Ich traue mich, jedem zu versprechen, dass er nach endgültiger Überwindung des inneren Schweinehunds den Sport nicht mehr missen will, wenn er die für ihn richtige Sportart gewählt hat.

    Zusammengefasst: Die Aufgabe/ der Sinn des Sports sollte m.E. die Bereicherung des Lebens sein.
    Also einfach loslegen.

    Das sehe ich anders, Bassmann, weil das für den, der am Anfang steht, durchaus ein Thema ist, was erstmal bewältigt werden muss, und zwar WEIL Alkohol (und leider vielleicht demnächst wirklich auch Gras) in unserer Gesellschaft so eine Omnipräsenz und Selbstverständlichkeit hat.

    Ich machte bei meiner Nikotinsucht die Erfahrung, dass es mir half, mich mit denjenigen zu umgeben, die noch rauchen mussten. Da konnte ich hautnah erleben, warum ich das nicht mehr tun wollte. Gut, bei den Nikotinabhängigen war das leichter als bei den Alkoholsüchtigen, weil ich jene am Arbeitsplatz studieren konnte, wenn sie in den Pausenbereich stürmten, um das zu tun, was ihnen die Sucht befahl, bevor sie sich z.B. um die Nahrungsaufnahme kümmern konnten. Beim Saufen hätte ich wahrscheinlich auf das Münchner Oktoberfest gehen müssen, um ähnliche Eindrücke sammeln zu können.

    Ich brauchte das nicht, weil ich zuvor die Erfahrung beim Rauchstopp gemacht hatte.

    Es fällt mir wirklich schwer nachzuvollziehen, warum jemand, der aus einer Sucht aussteigt, ein Problem damit hat, dass andere die Droge (noch) konsumieren. Es ist vielleicht Allen Carrs "Gehirnwäsche" geschuldet, die bei mir möglicherweise besonders gut anschlug. Aber ich erlebte es sowohl beim Ausstieg aus der Nikotinsucht als auch aus der Alkoholsucht so, dass ich zwar durchaus Entzugsprobleme hatte, aber niemals diejenigen beneidete, die das Suchtmittel noch konsumierten. Ich wollte raus aus der Spirale, und jeder, der noch drin war, taugte allenfalls als negatives Beispiel, das mich auf meinem Weg bestärken konnte.

    So wie ich das sehe, ist der Ausstieg aus einer Sucht ein Akt der Befreiung. Und warum soll ich auf diejenigen neidisch sein, die sich noch nicht befreien konnten?

    Mir hat diese Sichtweise geholfen, meine Süchte nicht nur einfach zu überwinden, sondern den Ausstieg als einen Zuwachs an Freiheit zu erleben.

    Es grüßt
    der Bassmann.

    Immer dieses "Gejaule", dass man sich dafür rechtfertigen muss, keinen Alkohol zu trinken.
    Na und?

    In unserer Gesellschaft gehört die Droge Alkohol nunmal zum Alltäglichen. Demnächst vielleicht auch Gras.

    Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein kann hier nicht schaden.
    Ich werde mich nicht dafür rechtfertigen, etwas zu tun oder nicht zu tun.
    Ich bin kein Veganer, ich bin kein Raucher, ich saufe nicht.

    Das kann jeder andere akzeptieren oder auch sein lassen, weil es nur mich angeht.

    Bassmann

    Die Neugestaltung des Forums hat sich auch auf mich ausgewirkt. Der alte Bassmann kann im neuen Forum nicht mehr schreiben. Deshalb wird jetzt aus dem (alten) Bassmann der Bassmann-neu.

    Vielen Dank an AmSee für das Suchen nach einer Lösung, die jetzt in dieser Form gefunden wurde.

    Bis denne,
    Bassmann.