Und wieder hat ein neues Jahr begonnen; das zwölfte, um genau zu sein.
Was Alkohol, Sucht und Suchtdruck betrifft, gibt es nichts zu berichten; es herrscht einfach nur Ruhe. Was ich jedoch immer wieder empfinde und was hoffentlich auch nie aufhören wird, ist die Freude darüber, nicht mehr rauchen und trinken zu müssen. Ich glaube, dass ich diesen Satz schon zigmal schrieb. Aber er beschreibt ein Gefühl, das heute noch so aktuell wie vor 11 Jahren ist.
Wenn ich zurückblicke, sehe ich Entschlossenheit und Kampfeswille in der Anfangsphase des Suchtausstiegs; dann, als ich spürte, dass es mit dem Ausstieg klappte oder zumindest so aussah, als ob es klappen könnte, eine große Euphorie; und irgendwann kehrte Normalität ein. In dieser Normalität begann ich die Euphorie zu vermissen. Ich fühlte mich nicht mehr wie der tolle Hecht, der Großes vollbringt, sondern war einfach ein Mann, der nicht mehr trinken oder rauchen muss.
Und doch passierte auch nach dem Abklingen der Euphorie immer wieder Neues. Und das tut es auch jetzt noch. Ich gehe Wege, die ich zuvor nicht ging, tue Dinge, die ich bis dahin nicht tat, und ich stelle fest, dass ich mutiger und auch unabhängiger von der Meinung Anderer wurde und noch immer werde.
Ich glaube, nein ich bin davon überzeugt, dass ich diese Entwicklung niemals als Süchtiger hätte machen können. Sucht macht klein, denn sie zeigt dem zum Ausstieg bereiten Süchtigen, der ich viele Jahre lang war, Tag für Tag aufs Neue, dass er ein Schwächling ist. Er will sein Suchtmittel nicht mehr konsumieren, geht am Abend mit dem festen Willen ins Bett, ab dem nächsten Tag nicht mehr zu trinken/zu rauchen; nur um dann meist früher als später festzustellen, dass er genau das NICHT tut.
Eine solche, sich Tag für Tag wiederholende negative Erfahrung, kann keinen Mut und auch keine echte Freude aufkommen lassen.
Ich bin gespannt, was das zwölfte Jahr an Erfahrungen ermöglicht.
Eins noch: Ich habe mich nie als Opfer des Alkohols, sondern als Täter gesehen; ein Nötiger, der nach der Gewöhnung an eine bestimmte Alkoholmenge, ständig die Dosis erhöhte, um so dem Alkohol die von ihm bis dahin (freiwillig) gelieferte positive Wirkung abzutrotzen. Vermutlich habe ich nach dem Ausstieg deshalb auch nie den Plan entworfen, mich vor dem Alkohol zu schützen, sondern entschieden, nie wieder zum Nötiger, also nie wieder Täter zu werden.
So war und blieb ich derjenige, der das Steuer in der Hand hält und den Kurs bestimmt.
Bassmann