Mein Freund, seine Freunde, der Alkohol und ich

  • Hallo zusammen,

    Ich bin w, 30 Jahre alt und leider hat der Alkoholkonsum meines Freundes (33) zu vielen Problemen in unserer Beziehung geführt. Ich bin hier, um mich mit anderen Angehörigen von Alkoholikern auszutauschen, Rat zu bekommen und von euren Erfahrungen zu lernen.

    Mein Freund und ich sind seit fast 4 Jahren zusammen und wohnen zusammen. Er ist sehr extrovertiert und hat viele Freunde. Allesamt sind super nett und ich mag alle sehr. Mit fast allen habe ich mich auch angefreundet. Bereits am Anfang fiel mir auf, dass wir seine Freunde immer in Bars treffen und das mein eigener Alkoholkonsum stieg (3-4 Bier aber eigentlich trinke ich wenn überhaupt nur einmal die Woche ein Glas, immer passend zum Gericht das ich esse). Daraufhin achte ich darauf. Dann fiel mir auf, dass mein Freund und ein Großteil seiner Freunde an solchen Abenden 8-10! Bier trinken. Sobald sie anfangen zu trinken, können sie nicht mehr aufhören. Und sie treffen sich 2-3 Mal die Woche seitdem sie 18 Jahre alt sind! Ansonste zu Hause trinkt mein Freund keinen Tropfen Alkohol, nur mit seinen Freunden. Diese Treffen+Alkohol haben folgende Probleme verursacht:

    - Viele Dates und Pläne die wir hatten musste er absagen, weil er am nächsten Tag zu verkatert oder müde war

    - Er verliert jegliches Zeitgefühl und kommt selten nach Hause um die Zeit, die er angibt wieder zu Hause zu sein oder wo er sich aufhält (z.B. sagt er, er sei um 2 Uhr morgens wieder zu Hause, aber ist dann erst um 9-11 Uhr morgens wieder da ohne mir Bescheid zu geben, weil er bei einem Kumpel zu Hause war und weiter getrunken hat, auch in der Woche!)

    - Er verpasste ein paar Mal Meetings bei der Arbeit, weil er seinen Rausch ausschlief, konnte es aber mit "Krankschreibung" oder "Internet ging nicht" verschleiern und es fiel bisher nicht weiter auf.

    - Er begann mich mehrmals zu belügen (z.B. "Ja, ich bin im Bus auf dem Weg nach Hause, du kannst mir vertrauen", war dann aber 5 Stunden später erst zu Hause weil er noch in der Bar oder bei Freunden trinken war)

    Ich habe den Eindruck, dass er und viele Freunde von ihm Alkoholiker sind und ihren Konsum als normal sehen "alle trinken hier so" und so eine Blase kreiert haben in der sie sich das nicht eingestehen müssen. Wie gesagt, wenn er sie nicht trifft, trinkt er keinen Alkohol.

    Ich hatte nun die Schnauze voll und habe vor einigen Tagen, nachdem er wieder nicht nach Hause kam, Schluss gemacht. Ich kann das lügen und "irgendwann taucht er nach Alkohol riechend wieder zu Hause auf" nicht mehr ertragen. Er hat sich dann eigenständig mehr über Alkoholismus informiert und will ab nächster Woche zum AA Meeting gehen. Er sagte er will sich bessern und sieht auch die Verbindung zwischen seinem Alkoholkonsum und seinen Freunden. Er erhofft sich, dass wir wieder ein Paar werden.

    Ich habe etwas Hoffnung, da er zu Hause und in mehrwöchigen Urlaube nicht trinkt.... Aber wie verringert oder hört man auf zu trinken, wenn es in Freundesgruppen so verankert ist? Müsste man dann alle Freundschaften aufgeben? Oder würde sich ohne Freunde das trinken auf zu Hause verlagern?

    Hat jemand von euch in einer ähnlichen Situation als Betroffener oder Angehöriger gesteckt und könnte seine Erfahrungen/ Rat zu Thema Umgang Freunde und Alkohol teilen?

  • Hallo und herzlich willkommen bei uns, Jane.

    Vielen Dank für deine ausführliche Vorstellung, ich schalte dich gleich für den Austausch im öffentlichen Bereich frei und verschiebe deinen Vorstellungsthread in das entsprechende Unterforum für Angehörige.

    Ich wünsche dir ein gutes Ankommen hier und einen hilfreichen Austausch.

    Viele Grüße

    AmSee (als Moderatorin)

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo JaneBenett und willkommen im Forum

    Du sprichst da ein vielschichtiges Thema an. Mein erster Eindruck ist vllt das dein Freund sich die Jahre über geweigert hat erwachsen zu werden. Man bleibt nicht so einfach über Nacht weg wenn eine Freundin zuhause wartet. Da scheint mir jemand irgendwann mal hängengeblieben zu sein. Das andere ist halt sich nicht der realen Ursache seiner Krankmeldungen führt nie zu einem guten Ergebnis. Es ist ein ewiges jounglieren.
    Das er jetzt die AA besuchen will ist ja ein positives Zeichen auch wenn er es im Moment halt stark danach ausschaut das er dich mit so einem Zugeständnis zurück will. Doch du hast ja jetzt erstmal die Zeit mal nur zu beobachten wie sich die Dinge so entwickeln.
    Was seinen Freundeskreis angeht müsste er erstmal auf Abstand gehen bis sich da mal die Spreu vom Weizen trennt. Da scheint mir so ziemlich alles auf Bölkstoff hinauszulaufen, keine gute Basis um einen Neustart, und das ist ein nüchternes Leben, anzugehen.

    Einen lieben Gruß und eine gute Nacht


    Brant

  • Hallo JaneBenett,

    und Willkommen hier.

    Ich selbst bin hier, weil ich es vor einigen Jahren geschafft habe eine Alkoholproblematik in meinem Leben zu lösen.

    Aber wie verringert oder hört man auf zu trinken, wenn es in Freundesgruppen so verankert ist? Müsste man dann alle Freundschaften aufgeben? Oder würde sich ohne Freunde das trinken auf zu Hause verlagern?

    Hat jemand von euch in einer ähnlichen Situation als Betroffener oder Angehöriger gesteckt und könnte seine Erfahrungen/ Rat zu Thema Umgang Freunde und Alkohol teilen?

    Es ist schon mal viel Wert, dass eine Problemeinsicht bei Deinem Freundvorhanden ist. Weil das ganze Unterfangen nur dann Sinn macht wenn er das auch selbst möchte, er selbst motiviert ist da etwas zu verändern.

    Was ich euch als Tipp geben kann wäre vielleicht, dass ihr euch zusätzlich noch nach einer Suchtberatung umseht. Zu einem Meeting zu gehen (AA, Caritas, ander Träger,...) ist schon mal eine gute Idee. Aber: es gibt viele verschiedene Gruppen, und jede einzelne Gruppe ist anders. Manchmal ist sogar die gleiche Gruppe von Woche zu Woche anders, je nach dem welche Teilnehmer da sind. Das führt aber manchmal auch dazu, wenn die Chemie mal nicht stimmt, das es auch ein eher enttäuschendes Erlebnis sein kann und jemand dadurch dann schnell wieder "die Flinte ins Korn wirft" oder die Motivation weg ist.

    Ich will nicht sagen dass es so sein muss. Zu wünschen ist auf jeden Fall dass es eine Bereicherung und ein guter Austausch sein wird.

    Was ich sagen will ist, dass man nicht vom ersten Eindruck auf alle Gruppen schließen soll. AA sind z.B. Monologgruppen. Jeder darf von sich erzählen, ohne dass es kommentiert wird. Es gibt aber auch Dialoggruppen, wo mehr Austausch stattfinden kann. Es gibt Gruppen die von betroffenen geleitet werden andere Gruppen können von einem Suchtberater moderiert werden.

    Und, es gibt auch Leute denen liegt es gar nicht in eine Gruppe zu gehen.

    Zurück zu dem Tipp mit der Suchtberatung (ich bin zur SHG etwas abgeschweift):

    Aber wie verringert....

    in den Selbsthilfegruppen finden sich, meines Wissens nach, eigentlich nahezu ausschließlich Betroffene, die über komplette Abstinenz aus der Sucht gefunden haben. Ein Austausch über das zitierte, also Reduktion, ist dort oft nicht möglich oder stößt sogar auf Gegenwind. Für einige Menschen ja auch mit recht. Aber, m.M.n. eben nicht unbedingt für alle.

    Die Suchtmedizin und Suchtberatung hat da in den letzten Jahren hingehen schon auch andere Wege und Möglichkeiten ins Programm mit aufgenommen. Mit einem guten Suchtberater könnte Dein Freund im ausführlichen Gespräch(en) erst mal schauen: Wo steht Dein Freund? (Ggf. wo stehst Du?) Was gibt es für Möglichkeiten? Was gibt es im Ort/ in der Region für Angebote? Und Anderes mehr...

    Und überhaupt ist es gut nicht nur auf eine Karte (wie z.B. Gruppe) zu setzten, sondern noch ein zwei Optionen mehr in petto zu haben.

    Soweit erst mal erst mal von mir.

    Ich wünsch Dir einen guten Austausch hier, und wünsche Euch das Beste auf den Weg!

    Mojo

  • Hallo Jane,
    zunächst erstmal möchte ich dich in deinem Entschluss, dir das nicht länger anzutun, bestärken. Gut, dass du „die Schnauze voll“ hattest und die Beziehung beendet hast. Gut, dass du da deinem eigenen Empfinden gefolgt bist.
    Das ist leider gar nicht mal so selbstverständlich für Angehörige von Menschen mit einem Alkoholproblem. Deshalb betone ich diesen Punkt so.

    Nun hat er sich also über Alkoholismus informiert, will zu AA-Meetings gehen und sich bessern. Aus der Distanz und aufgrund meiner eigenen Erfahrung mit dem Thema Alkoholismus kann ich nicht beurteilen, was davon zu halten ist, ob er nun tatsächlich schon den entscheidenden Wendepunkt erreicht hat, um sein Problem ernsthaft anzugehen.

    Das wird letztlich nur die Zeit erweisen, ob er das wirklich durchzieht, durchziehen kann.

    Zum Thema „Alkohol verringern“:

    Du hast da einen entscheidenden Satz geschrieben:

    Sobald sie anfangen zu trinken, können sie nicht mehr aufhören.

    Das klingt ganz danach, dass bei ihnen der Durst sozusagen mit dem Trinken kommt.
    Ob dein Freund angesichts dieser Beobachtung zu einem kontrollierten, verringerten Konsum zurückfinden kann, ist fraglich. Da spielt eine Rolle, ob er das überhaupt noch kontrollieren kann, und ob er dem sozialen Druck, den eine dermaßen konsumierende Gruppe ausübt, gewachsen ist.

    Wenn dein Freund tatsächlich den entscheidenden Wendepunkt erreicht haben sollte, wird sich sein Leben verändern. Und es wird sich ihm auch die Frage stellen, ob er sich weiter mit seinen Freunden treffen sollte oder das lieber lässt, um sich - zumindest zunächst - selbst zu schützen.
    In der Regel stellt, wer tatsächlich aussteigt und abstinent wird, nach einer Weile fest, dass er mit seinem bisherigen trinkenden Umfeld nichts mehr anzufangen weiß.

    Oder würde sich ohne Freunde das trinken auf zu Hause verlagern?

    Das kommt ganz darauf an, was er sich vom Alkoholkonsum verspricht, ob er Alkohol aufgrund einer bestimmten Wirkung konsumiert, bspw. zum Entspannen, als Tröster in der Not usw.

    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Moin Jane,

    willkommen bei uns!

    Was Du erzählst kommt mir seltsam bekannt vor. Und zwar in dem Falle ist es nicht meine Geschichte, in dem Falle ist es die Geschichte meines Bruders.

    Die Schemata sind da ziemlich gleich, um das auf den Punkt zu bringen, sprechen wir da von einer Clique in dem er sich da befindet, die sind alle enorm "versoffen" als auch trinkfest. Und über die Jahre, Jahrzehnte, haben sich so viele "Saufgeschichten" und Exzesse entwickelt, da könnte man ein Buch von schreiben.

    Bis vor gar nicht langer Zeit wäre das auch in meinen Augen ein lustiges Buch gewesen, die ganzen "Ausfälle" als humorige Stories, aber eigentlich ist es gar nicht lustig.
    Zudem, auch so wie Du das beschreibst, ist die Clique so groß und eingeschworen, das ist ebenfalls eine Blase, in der das Trinken mit regelmäßigen Abstürzen vollkommen normal. Das war früher so, in der Jugend, als auch heute so, im mittleren Alter, nur halt jetzt mit Beruf und Familie.

    Ich beobachte das Trinkverhalten meines Bruder schon länger mit Sorge, ich bin dann meinen eigenen Weg gegangen, lebe ja seit über einem Jahr sehr glücklich abstinent und natürlich ist meine Abstinenz auch Thema. Auf der einen Seite bekomme ich Bewunderung, gleichzeitig Unverständnis gepaart mit der Aussage

    "boah ja, du warst ja auch echt heftig drauf, also so regelmäßig und so trinke ich ja nicht.....bei mir ist alles in Ordnung, ich hab das im Griff...."

    Ja, natürlich waren / sind unsere Trinkverhalten unterschiedlich, ich war zwar regelmäßiger dem Alkohol zugeneigt, aber meine Totalabstürze, Vernachlässigungen der sozialen Pflichten, Lügen zu Hause, Streitigkeiten wegen des Alkohols fanden wiederum bei mir nie statt. Oder ganz selten.

    Bei ihm ist es quasi jedes Wochenende die Regel.

    Und eines der größten Antreiber bei ihm sind die Freunde und würde er aufhören zu trinken, würde meiner Meinung nach ein riesiges, soziales Netzwerk wenigstens erst einmal auf Eis gelegt werden. Und dazu ist mein Bruder defintiv nicht bereit.

    Trinken bei ihm zu Hause, also privat, findet statt, allerdings, soweit ich das sehen kann, gemäßigt. Wobei ich mittlerweile auch weiß, wenn ein Mensch fröhlich erzählt, dass er neuerdings alkoholfreies Bier zu Hause hat, das in der Woche auch ganz gut schmeckt, man ja nicht "immer" normales Bier trinken muss, dann kann ich da schon ableiten dass da durchaus zu Hause auch mehr fließt und das alkoholfreie Bier da eine Rechtfertigung ist.

    Also in Summe kann ich mir vorstellen, da ist bei deinem Freund eine echte Baustelle, dessen Tragweite er oder auch Du da überhaupt noch gar nicht begreift, so ein sozialer Druck kann immens hoch sein.

    Das Du so krass reagierst, und Schluss machst, das ist eine sehr starke Reaktion. Bei meinem Bruder sind auch einige Beziehungen in die Brüche gegangen, wenn man viele davon runter bricht, was der Alkohol immer ein großes Thema und (Mit)-Auslöser für die ganzen Streitigkeiten etc.

    Ich hoffe ganz stark, dass die Liebe zu Dir sehr stark ist und das Dein "Ex-Freund" sein Problem wirklich erkennt. Wenn nicht, dann hast Du einen enorm starken Gegner und gegen den zu gewinnen......ganz ehrlich, das ist fast unmöglich. Da würde ich meiner Tochter ganz ernsthaft nur raten: Mädchen, lauf.
    Aber, hier antworten ja auch einen Haufen Leute, die haben es geschafft, davon mal ab. Aber, stell Dich drauf ein, das meine ich ernst, dass Du Dich soweit vorbereitest um Dich rechtzeitig, wenn es nötig wird, in Sicherheit bringst.

    Das klingt so fies negativ was ich hier schreibe, aber ich hab echt Schwierigkeiten damit dir ganz viel Zuspruch zu geben, "das es wieder wird...", der Alkohol und gerade dann noch mit sozialen Faktor ist halt ein echter Endgegner. Und ohne das dein "Ex-Freund" da wirklich sagt, ich höre auf, wird das ganz schwer bis nichts :/

    Ganz liebe Grüße!

  • Hallo zusammen,

    Vielen Dank für eure zahlreichen und wunderbaren Antworten! Ich bin so froh, dass ich mich hier angemeldet und geschrieben habe :)

    dein Freund sich die Jahre über geweigert hat erwachsen zu werden

    Ich denke das ist ein großer Anteil an dem Problem! Er und seine Freunde kennen sich zum Teil aus der Schulzeit und Studienzeit und haben ihr Trinkverhalten seither nicht verändert. Und wie du Honk von deinem Bruder erzählst, wird das in den 20ern gerne als "wilde spaßige Gechichten und wir sind ja jung" abgetan und lange nicht vom Umfeld erkannt, dass das bereits ein problematisches Trinkverhalten ist. Ab 30 (viele in der Gruppe sind schon Mitte 30), fällt das langsam unangenehm auf. Eine Ex-Freundin eines Kumpels (Trennung aus dem gleichen Grund wie ich) und eine neue Freundin eines Kumpels haben darauf schon aufmerksam gemacht, warum man wöchentlich mit Mitte 30 noch auf Nächtliche 10 Stündige Sauftouren geht und den Partner nicht mal Bescheid gibt, wann man wieder zu Hause ist. Dir Kumpels meinten dann, sobald Kinder da wären würden sie es natürlich nicht mehr machen und da wurde mir klar, dass das nicht aufhören wird. Wenn die Partnerschaft darunter leidet und sogar bereits Trennung im Raum steht und man es da nicht schafft für die Beziehung das Verhalten zu verändern, ist die Kontrolle darüber verloren gegangen und ein Kind wird dies nicht ändern.

    Das war auch für mich ein Grund nun den Schlussstrich erstmal zu ziehen, da bereits das Thema Kinder anfing für uns anzustehen (nächsten 1-2 Jahren konkreter). Zudem bin ich gerade selber in einem Heilungsprozess aufgrund eines Burnouts und habe gemerkt, dass diese Streitereien um sein Verhalten mit Alkohol mich immer wieder zurück werfen und ich mich jetzt um mich kümmern muss. Zum Glück kann ich bereits nächste Woche eine neue kleine Wohnung beziehen, um Abstand zu schaffen. Aber etwas Hoffnung habe ich dennoch...

    Das kommt ganz darauf an, was er sich vom Alkoholkonsum verspricht, ob er Alkohol aufgrund einer bestimmten Wirkung konsumiert, bspw. zum Entspannen, als Tröster in der Not usw.

    .... aber schaue aus diesem Grund mit etwas Sorge darauf. Mein Freund hatte eine furchtbare Kindheit mit viel Gewalt gegen ihn und seine Geschwister. Seine Freunde waren seine Rettung und ich befürchte seitdem er 18 ist wurde auch der Alkohol zum Tröster. Da stecken viele Komplexe Strukturen dahinter, die er sich auch stellen müsste. Denn ich kann zwar verstehen warum er manchmal handelt wie er handelt, aber d.h. nicht, dass ich es akzeptieren muss. Und bei dem Punkt bin ich mit dem Thema Alkohol bei ihm angelangt.

    Mojo vielen Dank für den Einblick in AA Gruppen und Beratungsstellen! Ich habe ihm das erzählt und er wird heute erstmal zur Beratung gehen, um eine Einschätzung zu erhalten wo er steht und welche Form von Therapie/Gesprächen/Gruppen am besten passen würden. Ich bot ihm auch an, wenn es Angebote für Gespräche mit Partner gibt, dass ich mitkommen würde. Auch würde ich zur Unterstützung ihn zu solchen Meetings begleiten. Also er muss schon alleine die Gespräche führen, aber ich kann in einem Cafe in der Nähe warten. ABER er muss dran bleiben und eine neue Form seine Freunde zu treffen kreieren (oder ganz Abstand nehmen), denn nur dann würde ich auf ein Gespräch über eine mögliche Beziehung eingehen. Ich hoffe er schafft es...

  • Hallo Jane,

    Danke dir für deine Rückmeldung.
    Oft schreibt man hier was, weiß aber aufgrund fehlender Rückmeldung gar nicht, ob das, was man zum Ausdruck bringen wollte, überhaupt richtig angekommen ist.

    Du klingst, wenn ich dir das sagen darf, sehr reflektiert und tatsächlich in dem Sinne „erwachsen“, wie Brant das deinem Ex-Freund eher abgesprochen hat. - Sorry, die Formulierung ist schief, aber ich krieg das nicht besser hin, was ich sagen möchte…. -

    Dieses Thema Verantwortung für sich selbst zu übernehmen bzw. dass erwachsene Menschen, insbesondere wenn auch noch Kinder mit im Spiel sind, ihrer Verantwortung für sich selbst und ggf. ihre Kinder eben nicht nachkommen, ist leider immer mal wieder Thema in so einer Selbsthilfegruppe wie dieser hier.

    Zudem bin ich gerade selber in einem Heilungsprozess aufgrund eines Burnouts und habe gemerkt, dass diese Streitereien um sein Verhalten mit Alkohol mich immer wieder zurück werfen und ich mich jetzt um mich kümmern muss.

    Das hast mein Mitgefühl, dass du in so jungen Jahren (ich selbst bin 51 und hab am eigenen Leib erfahren müssen, was „Burnout“ bedeutet) schon mit so etwas zu tun haben musstest.
    Gut aber, dass du dadurch gelernt hast bzw. lernst, auf dich Acht zu geben, dich um DICH zu kümmern.

    Das ist, das musste ich selbst leidvoll erfahren, soooooo wichtig.

    .... aber schaue aus diesem Grund mit etwas Sorge darauf. Mein Freund hatte eine furchtbare Kindheit mit viel Gewalt gegen ihn und seine Geschwister. Seine Freunde waren seine Rettung und ich befürchte seitdem er 18 ist wurde auch der Alkohol zum Tröster. Da stecken viele Komplexe Strukturen dahinter, die er sich auch stellen müsste. Denn ich kann zwar verstehen warum er manchmal handelt wie er handelt, aber d.h. nicht, dass ich es akzeptieren muss. Und bei dem Punkt bin ich mit dem Thema Alkohol bei ihm angelangt.

    Da schaust du meiner eigenen Erfahrungen und meines Wissens um solche Problematiken nach mit Recht und gutem Grund mit Sorge drauf.
    Das klingt ganz danach, dass dein Ex-Freund eine noch größere Baustelle zu bewerkstelligen hat, als er selbst und du das vielleicht ahnt.

    Ich sehe das ganz genau so wie du, dass man zwar verstehen (ich nenne das lieber „nachvollziehen“) kann, warum jemand so handelt, wie er handelt, das aber nicht zwangsläufig akzeptieren muss. So wie du ist er in seinem Alter ein erwachsener Mensch, der für sich selbst Verantwortung übernehmen muss. Das kann ihm niemand abnehmen, denn er ist eben kein kleines Kind mehr und er trifft ja durchaus auch seine eigenen Entscheidungen, selbst wenn er damit u.U. sich selbst und anderen schadet.

    Ich schreibe dir das, weil ich weiß, wie leicht man sich als Angehöriger oder auch Freund in eine Verantwortungsrolle begibt, die man nicht einnehmen sollte und auf der man, wenn der andere nicht will, auf verlorenem Posten steht.

    Hoffnungsvoll klingt, dass er dir offenbar zugehört hat und sich gleich heute um eine Beratung bemühen will. Ich kann ihm (und dir) nur wünschen, dass er das findet, was ihm den Stein zu einem echten Anstoß gibt.
    Es steht und fällt damit, dass ER das wirklich von sich aus angehen will und sich selbst dafür einsetzt.

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • JaneBenett Hallo liebe Jane! Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich hier nun unbeliebt mache mit meinem Post, aber deinem nunmehr Ex-Freund mit der Trennung die Pistole auf Brust zu setzen und damit bei ihm eine Veränderungsmotivation hervorrufen zu wollen, kann auch extrem nach hinten losgehen. Extrinsische Motivation ist nicht das Gleiche wie intrinsische Motivation. Ich kenn das noch von mir, dass ich meinem Ex-Partner zu Liebe mit dem Trinken aufgehört habe und ihm unterschwellig auch die Schuld daran gegeben habe, dass ich verzichten musste und er weiterhin trinken konnte (er hatte/hat kein Alkoholproblem). Als hätte man mir etwas weggenommen und ich habe im Gegenzug nichts von ihm für meinen Verzicht erhalten. Insoweit hoffe ich, dass die extrinsische Motivation deines Ex-Freundes zur intrinsischen Motivation werden mag. Wenn sie Motivation aus einem selbst heraus kommt, dann ist der Wille auch entsprechend stark den Weg auch weiterzugehen.

    Liebe Grüße von der Bighara 🖖🏻

  • JaneBenett ich finde das übrigens total richtig (für Dich und für Ihn), dass Du erst mal nen Schlussstrich gezogen hast. Nach allem was Du bisher erzählt hast, was bestimmt nur die Spitze des Eisberges ist.

    Eine Sucht betrifft nicht nur den Konsumierenden. Sondern auch die betroffene Familie, Partnerschaft,... das geht ganz schnell und mach hängt selbst mit drinnen, in Streits, Eskapaden, Lügen, Gefühlswirrungen und dergleichen mehr. Und dann - beginnt man irgendwann selbst, den Arbeitgeber des Partners anzulügen um ihn zu entschuldigen, fängt an den Partner zu "kontrollieren" um ihn zu schützen, hofft und bangt, um wieder nur enttäuscht zu werden.

    Es ist aber auch immer, alles, eine Abwägung. Ich finde es auf der anderen Seite auch gut dass Du ihn nicht fallen lässt, und das Du ihm signalisierst ihn zu unterstützen. Für mich zum Beispiel war es sehr hilfreich im Ausstieg, dass ich immer noch nahe Menschen hatte, auf deren Beistand und Hilfe ich zurückgreifen konnte, wenn ich z.B. jemanden zum Reden brauchte.

    Auch würde ich zur Unterstützung ihn zu solchen Meetings begleiten. Also er muss schon alleine die Gespräche führen, aber ich kann in einem Cafe in der Nähe warten.

    ABER: zieh Dir den Schuh nicht zu sehr selbst an!

    Den Weg zur Gruppe sollte er mit Anfang Dreißig, so meine Meinung, schon selbst finden können.........

    Und dann noch das gute Sprichwort:

    Eine Schwalbe allein macht noch lange keinen Sommer.

    Übertragen meine ich, wenn er mit 18 schon so exzessiv getrunken hat, dann ist davon auszugehen, dass er das Muster des Wirkungstrinkens an sich, schon weit vorher erlernt hat. Also nehmen wir mal an vielleicht wohlwollend mit 15 Jahren.

    Ein Trinkmuster dass man über so lange Zeit hinweg, also über 18-20 Jahre, so gravierend zum heutigen Stand hin ausgeprägt hat, das wirft man sicher nicht mal eben von heute auf morgen über Bord. Und das ist nicht weg von einmal zu einer Gruppe oder Beratung gehen. (Und nein, auch nicht bei drei mal...)

    Das Vertrauen z.B. zu Dir wieder aufbauen, das wird auch dauern. Da muss schon echt erst mal ein bisschen was passieren, in Bewegung kommen und bleiben.

    Und übrigens, ja die Beratungen die ich kenne sind ebenso auch rein für Partner/Angehörige da. Eben aus oben genanntem Gründen.

    Schau auf Dich. Tue Dinge die Dir gut tun.

    Grüße in einen schönen Abend!

    Mojo

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