• Hallo miteinander,

    ich bin Rent, 49 Jahre und bin nun seit dem 19.05.2023 ohne Alkohol und sonstigen chemischen Wohlfühlern.

    Ich habe mit meiner Sucht seit 30 Jahren zu kämpfen gehabt, hatte in der Vergangenheit eine rechte Kamikazezeit hinter mir und war daraufhin 9 Jahre komplett ohne Alkohol unterwegs, wodurch mein Leben in dieser Zeit wieder recht stabil und gutbürgerlich geworden ist.

    Scheinbar ging es mir in der Zeit zu gut, sodass ich die letzten 4 Jahre durch den ernsthaften, aber unglückseligen Versuch des kontrollieren Trinkens zum heimlichen Spiegeltrinker geworden bin.

    Ende 2022 hatte ich teilweise wieder mein altes Pensum erreicht und hatte im Januar 2023 einen der halbherzigen und heimlichen Versuche gestartet, wieder clean zu werden.

    Halbherzig und heimlich deswegen, weil ich mir es überhaupt nicht mehr vorstellen konnte, wie ein Leben ohne Alkohol funktionieren sollte, er war wie ein Teil von meinem Leben, manchmal habe ich wirklich gedacht, dass ich ihn biologisch brauche um zu funktionieren, ernsthaft.

    Mitte Mai habe ich dann nach tagelangen Craving nachgegeben und für einige Tage wieder Alkohol konsumiert. (im Nachhinein gesehen hatte ich mich durch alkoholfreies Bier voll getriggert und sparsamst dosierte Opioide und fehlendes Mindset haben die Qual eigentlich nur verlängert)

    Ich war in diesen Tagen echt zerrissen, ich wollte trinken, wollte den Alkohol nicht hergeben, auf der anderen Seite konnte ich nicht mehr, ich habe mich gehasst, dass ich es nicht kontrolliert schaffe bzw. dass ich überhaupt trinken muss und hätte alles dafür gegeben, nichts mehr trinken zu müssen.

    Ich bin an einen Punkt der Verzweiflung angekommen, wie ein Zerbruch, der mich den Teil von mir aufgegeben lassen hat, der nie genug von allem bekommen konnte.

    Es war wie ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit oder als hätte der Teil in mir gewonnen, der nicht mehr trinken wollte, anders kann ich das zur Zeit nicht umschreiben.

    Mir ist in daraufhin bewusst geworden, dass der Alkohol nicht zu meinen Leben gehören muss, ich ihn nicht mehr brauche und eigentlich nie gebraucht habe.

    Sozusagen, dass ein zufriedenes Leben ohne Alkohol möglich ist, lebenswert und erfüllend sein kann und auch ist.

    Ich würde das mal als eine Initialzündung umschreiben, die ich nie wieder hergeben will.

    Es ist das Beste, was mir zumindest mental in diesem Leben passiert ist.

    Seit dieser Zeit lebe ich alkoholfrei, (die letzten Opioide sind schon lange entsorgt/ Rauchen ist schon seit Jahrzehnten kein Thema mehr) und ich bin so dankbar darüber, nicht mehr trinken oder andere Substanzen nehmen zu müssen.

    Klar kommt situationsbedingt ab und zu ein kurzer Gedanke an das Trinken zurück, der sich aber leicht wegwischen lässt, mit der Zeit immer weniger wird und mit echtem Craving nicht vergleichbar ist.

    Und ich kann wirklich von mir sagen, dass ich mich über jeden Tag freue, den ich in dieser Freiheit lebe und auch merke, wie mental alles wieder zurückkommt, was mir der Alkohol über die Jahre genommen hat.

    Es ist ein neues Leben in echter Freiheit.


    Das war es erstmal in Kurzform von mir und ich freue mich auf einen Austausch mit euch.

    VG Rent

    2 Mal editiert, zuletzt von rent (14. September 2023 um 00:25)

  • rent 13. September 2023 um 23:35

    Hat den Titel des Themas von „Das Leben nach dem Alkohol“ zu „Leben in Freiheit“ geändert.
  • Herzlich Willkommen hier in der Runde!

    Einiges von Deinem Weg (außer den Opioiden) kommen mir seeehr bekannt vor.

    Schön, dass Du den Absprung geschafft hast - hoffentlich auf Dauer.

    Muss aber gleich zur Arbeit, wollte Dir nur einen kurzen Gruß dalassen.

    Gruß

    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo und herzlich Willkommen, Rent,

    Danke dir für deine ausführliche und sehr informative Vorstellung.

    Manches, was du schreibst, ist mir nicht gänzlich unbekannt, auch wenn ich selbst es nicht so extrem erleben musste wie du.

    Es freut mich sehr für dich, dass du sozusagen die Initialzündung gefunden hast, die du nicht mehr hergeben willst.

    Mir geht’s diesbezüglich ja ähnlich. Auch ich möchte das, was ich jetzt habe, nicht mehr hergeben. Während ich früher geglaubt habe, wie furchtbar ein Leben ohne Alkohol sein würde, ist es jetzt tatsächlich so, dass mich so absolut gar nichts mehr daran reizt.

    Auch ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass etwas zurückgekommen ist, von dem ich gar nicht erwartet hätte, dass ich’s dermaßen verloren hätte.

    wie ein Zerbruch, der mich den Teil von mir aufgegeben lassen hat, der nie genug von allem bekommen konnte.

    Diese Formulierung spricht MICH besonders an, weil mir das, was du damit beschreibst, so bekannt vorkommt. Ich kenne das auch.

    Ich wünsche dir ein gutes Ankommen hier und einen guten Austausch.

    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Greenfox und AmSee,

    erstmal vielen Dank für die nette Begrüßung.

    Ich bin ja schon froh, dass sich jemand gemeldet hat, habe in einem Nebenthread gelesen, dass eventuell die Lichter gelöscht werden sollen.

    Der Ehrlichkeit halber muss ich sagen, dass ich vorher eine zeitlang auch in dem größeren Forum war, ich mich aber dort nicht so richtig wiedergefunden habe und es nicht als meinen Weg ansehe.

    Ich bin aber auch der Meinung, dass es den EINEN Weg nicht pauschal für jeden gibt und wie eben jeder Mensch anders ist, gibt es auch für jeden SEINEN Weg.

    Ich hatte mich eigentlich vorerst entschlossen, forenlos durch meine alkoholfreie Welt zu streifen, habe aber auch gemerkt, dass mir zumindestens der Austausch schon etwas gut getan hat und es hilfreich ist, sich mit dem Thema zu befassen.

    Mir geht’s diesbezüglich ja ähnlich. Auch ich möchte das, was ich jetzt habe, nicht mehr hergeben. Während ich früher geglaubt habe, wie furchtbar ein Leben ohne Alkohol sein würde, ist es jetzt tatsächlich so, dass mich so absolut gar nichts mehr daran reizt.

    Ja, ich bin auch jahrelang dieser Lüge, dieser Gehirnwäsche, die ich mir über Jahre selber aufgebaut und geglaubt habe, erlegen.

    Für mich war das Aufhören immer ein ewiger Verzicht, alles Gute in meinem Leben habe ich (verklärt) mit Alkohol in Verbindung gebracht.

    Es war sprichwörtlich eine toxische Beziehung, bei der ich schon lange wusste, dass mir diese Beziehung nicht gut tut und es schon lange an der Zeit wäre, sich zu trennen.

    Die Vernunft in mir hat schon lange gesagt, dass Trennung die einzige wirkliche Lösung ist, aber der andere Teil von mir hat dem Alkohol jedesmal nach kurzer oder auch längerer Trennungszeit hinterhergetrauert und zurückgewünscht.

    Das war eben auch der Grund, warum ich nach jahrelanger Abstinenz wieder in die alten Muster gefallen bin.

    Nach dem Motto: "lass es doch einfach nochmal miteinander probieren, wenigstens um der alten Zeiten willen, es war doch so schön mit uns und diesmal klappt es bestimmt besser"

    Naja, geht meistens nicht gut, wenn man etwas Altes wieder aufwärmt.

    Ich bin auch der Typ, der früher jede Stimmung chemisch reguliert und auch seine Sucht gerne verlagert hat.

    In der letzten Zeit meiner langjährigen Abstinenz habe ich erst sporadisch, dann täglich zu Flupirtin und alkoholfreiem Bier gegriffen, um mir sozusagen ein alkoholfreies High mit Biergeschmack zu kreieren.

    Naja, es hat nicht lange gedauert und die über Jahre gewachsenen Grenzen wurden schnell wieder aufgeweicht und weggespült.

    Die letzten 4 Jahre mit dem Versuch des kontrolliertem Trinkens hätte ich mir sparen können und der Weg der kompletten Abstinenz (beinhaltet auch das Weglassen sämtlicher Hilfsmittelchen, selbst Nikotin) ist der Weg, der für mich einfachsten funktioniert.

    Und wie gesagt, ich erlebe gerade, dass es keine Qual sein muss, auf Alkohol oder ähnliche Substanzen zu verzichten und dafür bin ich echt dankbar.

    Ich weiß auch, dass es Disziplin und Vorausschau braucht, die sich ein Nichtsüchtiger überhaupt nicht vorstellen kann, aber ich erlebe dafür gerade diese Freiheit, die man eben ohne Sucht hat und das ist wirklich großartig.

    VG

    2 Mal editiert, zuletzt von rent (14. September 2023 um 12:17)

  • Hallo Rent,

    ja, das Forum wird am 30.9. umstrukturiert, aber bis dahin wirst du hier schreiben können und es dürfte sich, auch wenn es hier nur noch wenige tatsächlich aktive Nutzer gibt, immer wieder jemand melden.

    Sofern wir dich bis zu dem Termin gut genug kennengelernt haben, um einschätzen zu können, mit wem wir es zu tun haben, besteht auch die Möglichkeit, dich zum Vollmitglied freizuschalten. Dann könntest du dich auch nach dem besagten Termin noch hier austauschen.

    Die Gründe für die Umstrukturierung hast du in dem anderen Faden vielleicht schon gelesen.

    Falls du schon ein wenig von mir gelesen hast, dürftest du wissen, dass auch ich eine Weile in dem anderen Forum aktiv war, dann aber gegangen bin, weil jene SHG nicht zu MIR passte. So etwas kommt eben vor und der Text auf der Willkommensseite wurde nicht ohne Grund so verfasst.

    Ich kann auch nachvollziehen, dass du es erstmal forenlos versuchen wolltest, hab ich nämlich auch eine Weile gemacht, als ich mich aus diesem Forum hier für eine Weile verabschiedet hatte.

    Ich bin dann irgendwann hierher zurück, zunächst eigentlich nur, um mich zu bedanken und ein positives Lebenszeichen zu posten, und dann bin ich geblieben und ab März letzten Jahres sogar Moderatorin geworden. Ich hatte mich in der Zwischenzeit, in der ich weg war, verändert und ich konnte, als ich zurückkam, die Nutzer hier besser einschätzen.

    Als ich hier Ende Oktober ´20 zum ersten Mal aufschlug, war ich noch nicht so weit wie du jetzt. Ich befand mich da noch in der Phase, dass mir bereits bewusst war, ein Problem zu haben, aber eigentlich nicht auf Alkohol verzichten wollte. Auch ich verband das Schöne in meinem Leben mit Alkoholkonsum.

    Heute, bald drei Jahre später, ist das für mich kaum mehr vorstellbar. Auch ich bezeichne das, was MIR widerfahren ist als eine Befreiung von einer Art Gehirnwäsche.

    Die letzten 4 Jahre mit dem Versuch des kontrolliertem Trinkens hätte ich mir sparen können und der Weg der kompletten Abstinenz (beinhaltet auch das Weglassen sämtlicher Hilfsmittelchen, selbst Nikotin) ist der Weg, der für mich einfachsten funktioniert.

    Hättest du vielleicht, aber wie wäre es, wenn du das als wichtige und eventuell sogar notwendige Lernerfahrung verbuchst?

    Für mich ist der Weg, den ich vor bald drei Jahren eingeschlagen habe, definitiv auch keine Qual, eher im Gegenteil. Natürlich ist nicht immer alles wunderschön und wunderbar, denn das Leben ist nun einmal nicht immer schön, dennoch ist es ein besseres Leben als zuvor.

    Ich weiß nicht, was du mit Disziplin meinst, denn ich selbst hab nicht das Gefühl mich anstrengen oder disziplinieren zu müssen. Das Wort klingt für mich irgendwie nach Kampf, Kraftanstrengung. Vielleicht hab ich‘s inzwischen aber auch vergessen, wie das bei mir in den ersten beiden Jahren war. 🤷‍♀️

    Ein Mal nach über einem Jahr hatte ich heftigsten Suchtdruck. Den habe ich übrigens mithilfe des anderen Forums, in dem ich zu dem Zeitpunkt recht aktiv war, überwunden. Danach hab ich das für mich aufgearbeitet und meine Perspektive verändert. Seither hatte ich nie wieder so ein Erlebnis von Suchtdruck.

    Magst du erzählen, was du unter „Disziplin“ verstehst?

    Vorausschau ist mit Sicherheit etwas, was äußerst hilfreich sein kann, um eben nicht in eine Lage zu geraten, seine Abstinenz infrage zu stellen, Suchtdruck aufkommen zu lassen und ggf. rückfällig zu werden.

    Ich gehe einfach mal davon aus, dass dir bewusst ist, warum du früher jede Stimmung chemisch reguliert hast, deine Sucht gerne verlagert hast und warum du herumprobiert hast, ein alkoholfreies High mit Biergeschmack zu kreieren.

    Nüchtern wirst du’s rausfinden können und neue gesündere, nachhaltigere Wege kennenlernen können, die zu DIR passen.

    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee,

    Ich weiß nicht, was du mit Disziplin meinst, denn ich selbst hab nicht das Gefühl mich anstrengen oder disziplinieren zu müssen. Das Wort klingt für mich irgendwie nach Kampf, Kraftanstrengung. Vielleicht hab ich‘s inzwischen aber auch vergessen, wie das bei mir im ersten Jahr war. 🤷‍♀️

    Magst du erzählen, was du darunter verstehst?

    Ja die Formulierung "Disziplin" ist wahrscheinlich etwas ungünstig gewählt und soll auf keinen Fall Kampf oder Kraftanstrengung bedeuten.

    Ich mache mir damit eher bewusst, dass ich mit dem ersten Glas früher oder später (wahrscheinlich früher) wieder auf meinem alten Level wäre, Tendenz steigend.

    Das ich mit diesem Glas wieder alles ausreißen würde, was jetzt gerade "zart am wachsen" ist und ich möchte meine Nüchterheit auf keinen Fall mehr hergeben!

    Ich vergleiche das manchmal auch recht gerne mit einer Nussallergie, ich weiß ich kann keine Nüsse essen, darauf reagiere ich allergisch, deshalb lasse ich es (diszipliniert) weg, aber es kostet mich auch keine weitere Kraftanstrengung.

    Klar, Nüsse machen nicht süchtig, höchstens in der Haselnusscreme ;)

    Und ich merke, dass ich den Alkohol mehr und mehr, wie eben diese Tüte Nüsse betrachte. Er ist eben da, aber ich brauche ihn nicht mehr.

    Für mich ist auch aus diesem "ich kann/ darf leider nicht mehr trinken" (Verzicht), ein "gottseidank brauche/muss ich nicht mehr trinken" geworden (Erlösung)

    Und diese Erlösung geht bei mir mehr und mehr in eine Gewissheit über und dadurch ist es für mich eben diese Freiheit ohne Kampf.

    VG

  • Für mich ist der Weg, den ich vor bald drei Jahren eingeschlagen habe, definitiv auch keine Qual, eher im Gegenteil. Natürlich ist nicht immer alles wunderschön und wunderbar, denn das Leben ist nun einmal nicht immer schön, dennoch ist es ein besseres Leben als zuvor.

    Ja der nüchterne Weg muss keine Qual sein.

    Und ja, es gibt weiterhin Höhen und Tiefen im Leben, die es zu meistern gilt.

    Aber gerade in eher nicht so guten Momenten sage ich mir, "wenigstens brauche ich jetzt nicht mehr zu trinken, dass hat ja auch noch nie geholfen, hat alles nur noch verschlimmert" und ich versuche auch die Situationen auszuhalten, die ich früher immer mit Alk reguliert habe.

    Und man wächst mit der Zeit, die Ruhe und Selbstsicherheit, die eigene Stärke kommt wieder zurück und ich werde wieder fähig, Grenzen zu setzen, Bedürfnisse zu formulieren und auch mal Nein zu sagen.

    Ja es ist nicht alles immer schön im Leben, aber aus meiner jetzigen Sicht sind gerade die unschönen Seiten nüchtern weitaus besser zu ertragen.

    Hätte nie gedacht dass ich mal so etwas schreiben würde ;)

  • Ah ok, ja, diese Strategie kann ich nachvollziehen.

    Wenn für DICH dieser Vergleich stark genug ist, dann dürfte das gewiss hilfreich sein.

    Ich selbst fahre eine ähnliche Strategie, die setzt aber noch ein bisschen früher an.

    Ich bin mir zwar dessen bewusst, was folgen würde, wenn ich wieder trinken sollte, aber mir persönlich war diese Vorstellung nicht stark genug, weil sie ja zeitlich verzögert einsetzen würde.

    Und von meinen zahlreichen Rückfällen beim Rauchen weiß ich, wie ich mich selbst immer wieder getäuscht habe, dass ich’s gleich wieder hinkriegen würde nach der kleinen Ausnahme, die ich überzeugt war, mir in meiner Not mangels Alternativen einräumen zu müssen.

    Mein Bild setzt gleich beim Geschmack und bei der ersten Wirkung im Kopf ein. Während ich früher glaubte, wie gut Wein oder Bier oder … schmeckte, verbinde ich den Geschmack inzwischen mit etwas Unangenehmem, was ich definitiv nicht mehr schmecken will. Wenn ein Lebensmittel gärig riecht oder schmeckt, will man das in der Regel ja auch aus gutem Grund nicht mehr konsumieren.

    Und bei der Wirkung im Kopf denke ich an die wattigen, unangenehmen Empfindungen des ersten Kontrollverlustes nach ein paar Schlucken Alkohol. Sowas WILL ich nie mehr in meinem Kopf haben. Es fühlt sich so viel besser an, die Kontrolle zu haben und zu behalten.

    Zusätzlich erinnere ich mich an diese grenzenlose Erschöpfung und alles andere, was ich bei meinen letzten Alkoholmissbräuchen empfunden habe.

    Das und jeeeeeede Menge Beschäftigung mit dem Thema hat bei MIR aus einem „ich brauch das nicht“ sogar ein „ich WILL das nicht“ gemacht.

    VG

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • ich versuche auch die Situationen auszuhalten, die ich früher immer mit Alk reguliert habe.

    Ich denke, ich weiß, was du meinst, dennoch stutze ich bei den Worten „ich versuche“ und „aushalten“.

    Nun kann man sich nicht auf alle möglichen und unmöglichen Situationen vorbereiten, manche Situation überkommt einen mehr oder minder unvorbereitet von außen.

    Manches lässt sich aushalten, aber meiner eigenen Lebenserfahrung nach kann immer mal wieder etwas eintreten, was kaum oder so gut wie gar nicht auszuhalten ist. Was würdest du in einer solchen Situation, die eigentlich nicht „auszuhalten“ ist, tun?

    Ich selbst brauchte in meinem Leben immer mal wieder neue Perspektiven, probate Lösungen, Werkzeuge. Mittlerweile verfüge ich über ganze Reihe davon, die ggf. tatsächlich hilfreich sein können.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich denke, ich weiß, was du meinst, dennoch stutze ich bei den Worten „ich versuche“ und „aushalten“.

    Wahrscheinlich wieder falsch ausgedrückt ;)

    Ich begebe mich bewusst in Situationen, um zu lernen, dass es für mich möglich ist, diese Situation ohne Alk&Co. zu meistern.

    Das heißt jetzt nicht, dass ich mich auf das Oktoberfest mit einer Apfelschorle hinsetzen würde, aber es gibt Situationen/ Stationen in meinem Leben, die sind mir sehr wichtig und die möchte ich nicht verpassen und der Alk war gerade in solchen Situationen sekundär.

    z.B. war vor ein paar Monaten die Schulabschlussfeier meiner Kinder mit anschließendem Grillfest oder einfach nur ein Grillabend mit Freunden oder ein Theaterbesuch.

    Situationen eben, die früher mit Trinken und auch teilweise mit Opioiden verknüpft waren.

    Und die ich bis jetzt wunderbar ohne Alk erlebt habe und ich freue mich abends nüchtern heimzukommen.

    Ehrlich gesagt spielt dort der Alk für mich fast keine Rolle mehr.

    Das ist übrigens auch eine Strategie, wenn der Abend z.B. etwas anstengender wäre und ich ihn früher chemisch reguliert hätte, freue ich mich darauf, nüchtern wieder daheim zu sein und die Sache gut gemeistert zu haben.

    Ich sehe (visualisiere) mich sozusagen schon abends nüchtern zu Hause auf der Couch.

    Und in Situationen, die von von Haus anstrengend werden könnten, ich sie aber nicht umgehen kann (z.B.bei unangenehmen Gesprächen habe ich mir früher gerne mal eine Tilidin gegönnt) gehe die Situation jetzt nüchtern an.

    Die Nüchterheit ist für mich wie eine Art Schild, wo früher Beduseltsein, Scham-und Schuldgefühle waren, ist jetzt das Gefühl wirklich sauber und echt zu sein. Und ich bin nicht in jeder Situation der Gewinner, aber ich habe die Situation ohne Chemie gemeistert.

    Für mich ist das sozusagen ein "Wieder"lernen, dass ich wieder fähig werde, diese Situationen ohne Berauschung zu meistern.

    Vielleicht nennt das auch einer "russisch Roulette", aber für mich ist dass der beste Weg mit meiner Sucht umzugehen.

    Mich vor allem verstecken und "größtmögliche Risikominimierung" erzeugt bei mir eine Art von Verzicht, wo mir die ganze Zukunft grau und trist erscheint und wenn über eventuelle Triggersituation in 20 Jahren philosophiert wird, erzeugt das in mir nur den Gedanke, da kannste ja auch gleich weitersaufen und eine Dystopie.

    Für mich ist es wichtig positive Bilder und Visionen zu entwickeln.

    Nun kann man sich nicht auf alle möglichen und unmöglichen Situationen vorbereiten, manche Situation überkommt einen mehr oder minder unvorbereitet von außen.


    Manches lässt sich aushalten, aber meiner eigenen Lebenserfahrung kann immer mal wieder etwas eintreten, was kaum oder so gut wie gar nicht auszuhalten ist. Was würdest du in einer solchen Situation, die eigentlich nicht „auszuhalten“ ist, tun?

    Ja man kann sich nicht auf alle Sitationen vorbereiten.

    Ich hatte seit Ende Mai 2 bis 3 Situationen, die über den Gedanke "und jetzt ein Bier" hinausgingen, aber überhaupt nicht mit dem starkem tagelangen Verlangen vor meiner Initialzündung vergleichbar sind.

    Diese Situationen hängen stark mit alten Mustern zusammen.

    z.B. einmal an einem Freitag, Arbeit geschafft, der Gedanke: "jetzt könnteste dich mal richtig wegballern", ich habe sogar schon das Etikett von meiner Lieblingsbiersorte gesehen, das war richtig plastisch.

    Oder einmal im Urlaub, in einem kleinen Laden bin ich sowas daran erinnert worden, was doch meine Lieblingsbiersorte war, dass war ein Gefühl, als hätte ich nie aufgehört zu trinken, als wäre es ganz normal, als würde das trinken noch zu mir gehören.

    Ich begegne dem am besten, in dem ich die Situation / Eindruck erstmal zulasse und die Situation aushalte, Ruhe beware.

    Mir hilft es auch, zu wissen, dass es nur ein Gefühl ist, dass auch wieder geht bzw. stelle ich mir die Konsquenzen vor in dem ich es zu Ende denke. Meistens reicht mir das schon.

    Es gibt da übrigens auch ein super Buch: "Alk" von Simon Borowiak, mir hat das sehr gut geholfen, um manche Hintergründe besser zu verstehen und Situation besser zu begegnen

    Also Simon, falls du hier mitliest, danke dir :thumbup:

    Für den kleinen Suchtdruck (besser gesagt, dass undefinierbare Verlangen auf etwas alkoholisches oder ist's manchmal nur Durst?) hilft mir sehr gut ein gekühltes Spezi von einem bekannten Bierhersteller in der braunen Bierflasche, die ich wie früher mit Zollstock oder ähnlichem öffne.

    Ich habe erst später darüber gelesen, dass mich das hätte triggern können, manchmal ist es gut, man weiß nicht alles.

    Manchmal vielleicht auch nicht.

    Und ich sage auch nicht, dass das pauschal allgemeingültig ist, aber mir hat es bis jetzt sehr gut geholfen.

    Einmal editiert, zuletzt von rent (14. September 2023 um 18:25)

  • Wahrscheinlich wieder falsch ausgedrückt ;)

    Warum sagst du das immer wieder? 😉

    Der Austausch hier gilt doch nur der gegenseitigen Verständigung und ggf. der Perspektiverweiterung.

    Ich selbst hab’s übrigens wirklich mit Wörtern. Ich suche immer wieder nach dem treffenden Ausdruck, so bin ich nun mal. Denn wenn der Begriff passt, fühlt sich‘s richtig an und das gefällt mir.

    Was du da schilderst, klingt ganz nach dem Weg der Konfrontation. Wenn der für dich funktioniert, spricht ja nichts dagegen, oder? Es gibt ja durchaus Alkoholiker, die diesen Weg gehen, deshalb haben wir das in dem Info-Text Bewahrung der eigenen Abstinenz durch „Selbstfürsorge“ so festgehalten.

    Ich bin diesen Weg anfangs nicht gegangen, sondern erst später, als ich mich einigermaßen gefestigt fühlte und wusste, wie ich für mich sorgen kann, falls es brenzlig werden sollte.

    Hast du ggf. einen Notfallplan, der auch funktionieren würde, wenn’s wirklich mal brenzlig für dich werden sollte? Es muss ja nicht soweit kommen, aber es kann nicht schaden, wenn man sich ggf. Selbsthilfe leisten kann.

    Ja, das Buch kenne ich. Hab‘s mit einigem Schmunzeln gelesen und für mich einiges davon mitgenommen.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich hab bei „aushalten“ übrigens tatsächlich an andere Situationen gedacht und zwar an solche, die ich selbst als psychisch hoch belastend empfunden habe.

    Als ich noch getrunken habe, ist mir zum Beispiel, nachdem ich meine kurz zuvor verstorbene Mutter zum letzten Mal gesehen habe, nix Besseres eingefallen, als meine Gefühle mit Bier erträglich zu machen….

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Wahrscheinlich wieder falsch ausgedrückt ;)

    Das war eher selbstironisch gemeint, bitte nicht missverstehen.

    Aber es ist eben manchmal so, der eine schreibt etwas und der andere versteht damit etwas ganz anderes.

    Beispielsweise war in dem anderen Forum für einige der Schlüsselbegriff: "ich KANN nicht mehr trinken, bei mir assoziert dieses kann eher ein: ich DARF nicht mehr trinken (Verzicht) und ich komme eben besser mit ich BRAUCHE oder MUSS nicht mehr trinken, klar.

    Was du da schilderst, klingt ganz nach dem Weg der Konfrontation. Wenn der für dich funktioniert, spricht ja nichts dagegen, oder? Es gibt ja durchaus Alkoholiker, die diesen Weg gehen, deshalb haben wir das in dem Info-Text Bewahrung der eigenen Abstinenz durch „Selbstfürsorge“ so festgehalten.

    Ja ist möglich, dass das der Weg der Konfrontation ist.

    Auf alle Fälle scheint es bis jetzt gut zu funktionieren.

    Ich sehe das vielleicht auch eher so, dass der Alkohol für mich auf einen anderen Spielfeld ist und er mich nicht mehr zu interessieren braucht.

    Es gibt ihn halt, wie es auch Lottoziehung, Bingo-Abende und Rosamunde Pilcher gibt, die mich aber auch nicht sonderlich interessieren.

    Wir waren z.B. vor kurzem im Urlaub und da steht immer zur Begrüßung eine Flasche Wein.

    Meine Frau hatte ihn geöffnet und so stand die Flasche eine Woche halb voll bei den anderen Getränken mit dabei.

    (zu Hause sind ihre 1- 2 Flaschen, die sie im halben Jahr trinkt, schon weggeräumt und sie trinkt mir auch nicht ihren halbes Glas Prosecco oder was auch immer vor der Nase, aber selbst das würde mich nicht stören)

    Aber mir ist das wirklich erst nach ein paar Tagen aufgefallen, dass da die Flasche steht und da war überhaupt kein Gedanke, was wäre wenn...(und ich kenne mich noch von früher, wenn da mal was herumgestanden hat)

    Klar wenn, da ein Kasten mit meinem ehemaligen Lieblingsbier gestanden hätte, wäre die Situation vielleicht anders, aber selbst da würde ich zur Zeit sagen, dass mich das nicht groß anhebt.

    Wiederum hatte ich vor kurzem zufällig Wasser aus einem Weinglas getrunken, das war schon irgendwie seltsam, wie als wöllte meine Zunge den Weingeschmack erspüren und ich hab dann wieder brav aus einem Saftglas getrunken, macht man ja auch nichts falsch.

    Ich will damit nur sagen, dass ich die Sache schon mit Bedacht angehe und mich nicht absichtlich triggere, um irgendwas herauszufordern.


    Hast du ggf. einen Notfallplan, der auch funktionieren würde, wenn’s wirklich mal brenzlig für dich werden sollte? Es muss ja nicht soweit kommen, aber es kann nicht schaden, wenn man sich ggf. Selbsthilfe leisten kann.

    Ehrlich gesagt nein, im anderen Forum gab es ja diesen Notfallkoffer, wo eben Tätigkeiten, Ablenkungen dabei waren, die ich teilweise intuitiv auch schon gemacht habe.

    Ich kenne auch Zeiten mit sehr starkem Craving, da hat mir auch kein Spaziergang, Sport, ein Gespräch oder sonst etwas groß genützt. Das war nur ein zeitliches Hinausschieben, die Entscheidung war vorher sowieso schon im Kopf gefallen.

    Aber du hast Recht, ich werde das auch nochmal überdenken und schaden kann es ja auch nicht :thumbup:


    Ich hab bei „aushalten“ übrigens tatsächlich an andere Situationen gedacht und zwar an solche, die ich selbst als psychisch hoch belastend empfunden habe.

    Ja schwierig, aber ich muss sagen, dass ich den vergangenen Jahren schon soviel Mist mit dem Alkohol erlebt habe, dass ich derzeit viel zu viel Angst und Respekt vor dem nächsten Morgen hätte. (ich würde an Selbstzweifeln, Scham- und Schuldgefühlen zu Grunde gehen + das Problem, warum ich getrunken hätte, wäre auch noch da)

    Kenne ich, habe ich schon x-Mal durchlebt und ich würde sagen, dass ich mich in den 30 Jahren wenigstens soweit dahingehend konditioniert habe, dass das nicht passiert.

    Ok, man kann niemals nie sagen.

    Aber ich hatte wirklich schon leichte bis mittelschwere Situationen, die ich "ausgehalten" habe (ist nicht schön) aber dafür bin ich früh nüchtern und mit dem Gefühl, das Richtige gemacht zu haben, aufgewacht.

    Alkohol ist in der Richtung als Problemlöser schon lange keine Option mehr und das wäre eine echte Katastrophe, wenn das passieren würde.

    Und bei mir hat sich da wirklich dieser simple Spruch etabliert, den ich mir dann sage: "Wenigstens muss ich jetzt nicht auch noch trinken, damit ist es ja auch noch nie besser geworden" und das klappt eigentlich ganz gut.

    Meine Bedenken wären eher, aus einer Feierlaune heraus irgendwelchen Blödsinn zu machen, das kann ich mir aber zur Zeit auch nicht vorstellen.

    Zur Zeit fühle ich mich relativ sicher, klar es kann auch andere Zeiten geben.

    Mir hilft es aber besser, wenn ich mich als frei von der Sucht betrachte, positiv nach vorne schaue, als dass ich irgendwann einen Rückfall erwarte.

    VG

  • Guten Morgen, Rent.

    Das war eher selbstironisch gemeint, bitte nicht missverstehen.


    Aber es ist eben manchmal so, der eine schreibt etwas und der andere versteht damit etwas ganz anderes.

    Alles klar. 😉

    Ja, genau so sehe und kenne ich das auch.

    Ich selbst könnte mit diesem „ich kann nicht mehr trinken“ auch nicht so viel anfangen und würde es für mich übersetzen. Wie ich oben schon geschrieben hätte, hab ich das gern, das Worte und Begriffe passen oder vielmehr zu mir passen, was ich denke, was ich ausdrücken möchte usw.

    Ich will damit nur sagen, dass ich die Sache schon mit Bedacht angehe und mich nicht absichtlich triggere, um irgendwas herauszufordern.

    Das nehme ich dir durchaus ab, wobei MIR persönlich auch etwas mulmig wird, was du dir da zugemutet hast. MIR wäre der Alkohol da zu nah gewesen und ich wäre - und bin es anfangs ja auch - dem, was mich triggern könnte, allein aus Selbstschutz vor Überforderung aus dem Weg gegangen.

    Aufgrund dessen aber, was du eingangs über deinen persönlichen Tiefpunkt geschrieben hast, kann ich nachvollziehen, warum dich diese Nähe möglicherweise nicht so tangiert. Das erinnert mich an eine Nutzerin hier, mit der ich mich viel ausgetauscht habe, die auch ihren absoluten Tiefpunkt erreicht hatte und ihren abstinenten Weg ganz anders angegangen ist als viele andere. Susanne68 hat sich vor ein paar Tagen abgemeldet, aber ihre vielen Beiträge findest du hier. Vielleicht könnte das interessant für dich sein, dich mal durch ihre zahlreichen Beiträge zu lesen.

    Wie gesagt, ICH hätt‘s nicht so gemacht wie du, aber du bist für dich selbst verantwortlich und wenn du dir das zumuten willst und kannst, und es dann auch noch gut geht, nun, dann ist das vielleicht DEIN Weg. Beurteilen kannst du das letztlich nur selbst.

    Ehrlich gesagt nein, im anderen Forum gab es ja diesen Notfallkoffer, wo eben Tätigkeiten, Ablenkungen dabei waren, die ich teilweise intuitiv auch schon gemacht habe.

    Ich kenne auch Zeiten mit sehr starkem Craving, da hat mir auch kein Spaziergang, Sport, ein Gespräch oder sonst etwas groß genützt. Das war nur ein zeitliches Hinausschieben, die Entscheidung war vorher sowieso schon im Kopf gefallen.


    Aber du hast Recht, ich werde das auch nochmal überdenken und schaden kann es ja auch nicht :thumbup:

    Vielleicht findest du etwas, was wirklich zu DIR passt. Falls du’s wirklich mal brauchen solltest, wirst du froh sein, wenn du dir dann selbst helfen kannst.

    „Das war nur ein zeitliches Hinausschieben, die Entscheidung war vorher sowieso schon im Kopf gefallen.“ - Das nehme ich auch so wahr bzw. sehe das genau so.

    Deshalb halte ich es auch für sinnvoll, es möglichst gar nicht erst zu dieser Entscheidung kommen zu lassen. Und damit meine ich nicht den sogenannten Notfallkoffer, der letztlich nur für den Notfall gedacht ist, sondern die Zeit davor.

    Ich selbst hab mich viel mit den Themen „Neurobiologie der Sucht“ und „Rückfallprävention“ beschäftigt. Unter anderem, weil ich wissen wollte, was diese Entscheidung, unbedingt trinken zu WOLLEN, schließlich auslöst. Ich wollte vorsorgen können, damit es gar nicht erst dazu kommt. Falls das auch dich näher interessieren sollte, wirst du zum Beispiel in unserer Linksammlung fündig.

    Ja schwierig, aber ich muss sagen, dass ich den vergangenen Jahren schon soviel Mist mit dem Alkohol erlebt habe, dass ich derzeit viel zu viel Angst und Respekt vor dem nächsten Morgen hätte. (ich würde an Selbstzweifeln, Scham- und Schuldgefühlen zu Grunde gehen + das Problem, warum ich getrunken hätte, wäre auch noch da)

    Kenne ich, habe ich schon x-Mal durchlebt und ich würde sagen, dass ich mich in den 30 Jahren wenigstens soweit dahingehend konditioniert habe, dass das nicht passiert.

    Ok, man kann niemals nie sagen.

    Das kann ich gut nachvollziehen, dass du derzeit zu viel Angst und Respekt vor dem nächsten Morgen hast. Ob das aber immer so bleibt, kann ich dir nicht versichern. Denkbar ist durchaus, dass du dir deiner Selbst nach einer Weile zu sicher sein könntest, denn die Angst und der Respekt treten möglicherweise irgendwann im Laufe deiner abstinenten Zeit in den Hintergrund und in einer solchen Situation KÖNNTE es vorkommen, dass du leichtsinnig wirst.

    Ist anderen durchaus passiert und dann war’s vielleicht das eine Bier, das dir dein neuer Nachbar übern Gartenzaun überraschend angeboten hat, das zu deinem Rückfall führt, der u.U. wieder ein paar Jährchen andauert. Hier im Forum hat zum Beispiel Gerchla von so einem Erlebnis erzählt.

    Mir hilft es aber besser, wenn ich mich als frei von der Sucht betrachte, positiv nach vorne schaue, als dass ich irgendwann einen Rückfall erwarte.

    Das ist meines Erachtens auch gar nicht so verkehrt, denn ich persönlich halte die Erwartung von etwas Positivem für tragfähiger als ständige Angst vor etwas.

    Meines Erachtens geht’s nur um entsprechende Vorsorge. Ab einem bestimmten Alter gehen Männer und auch Frauen zur Vorsorgeuntersuchung. Tun sie das aus Angst oder gibt es einen anderen Grund dafür?

    Viele Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee,

    Das nehme ich dir durchaus ab, wobei MIR persönlich auch etwas mulmig wird, was du dir da zugemutet hast. MIR wäre der Alkohol da zu nah gewesen und ich wäre - und bin es anfangs ja auch - dem, was mich triggern könnte, allein aus Selbstschutz vor Überforderung aus dem Weg gegangen.

    du hast vielleicht Recht, vielleicht bin ich wirklich zu naiv an die Sache herangegangen und habe einfach nur Schwein gehabt.

    Auf der anderen Seite war das aber auch der Weg, mit dem ich es 9 Jahre "geschafft" habe, nüchtern zu bleiben.

    Der einzige Unterschied dabei ist, dass ich dem Alkohol die ganzen Jahre hinterhergetrauert habe, als Verlust gesehen habe.

    Und ich hatte damals auch nicht wieder angefangen, nur weil mich eine halbleere Bierflasche irgendwo getriggert hat, sondern weil mein ganzes Denken (Verlustdenken) auf den Alk ausgerichtet war.

    Es war so eine Art Sehsucht in mir, es gab einen Teil in mir, der hat das Trinken mehr geliebt als alles andere.

    Aber diese Sehnsucht ist nun nicht mehr in mir.

    Kann sie wiederkommen? Daran versuche ich ja gerade an mir zu arbeiten.

    Ich würde vielleicht auch mal ganz ketzerisch behaupten, hätte ich mir damals schon eingestanden, Alkoholiker, "unheilbar krank" zu sein, hätte ich vielleicht in meiner Naivität die trockenen Jahre überhaupt nicht geschafft.

    Ok dafür habe ich dann wieder mit dem kontrolliertem Trinken angefangen, weil mir nicht bewusst war, ein "echter" Alkoholiker zu.

    Naja, so gleicht sich das im Leben eben wieder aus.

    Vielleicht wäre ich jetzt aber auch jahrelang glücklich trocken, wer weiß das schon.

    Bloß nochmal zum Verständnis:

    In den früheren Jahren war es bei mir wirklich "Kamikaze", die späteren heimlichen Spiegeltrinkerjahre nach der längeren Trinkpause könnte man beinahe als "gutbürgerlich" bezeichnen.

    Aber gerade in der Kamikazezeit hatte ich mich nicht als Alkoholiker gesehen, sondern "nur" als jemanden, mit einem fetten Alkohol- und Suchtproblem. Aus heutiger Sicht Alkoholiker, definitiv.

    Ich komme aber leider mit dem Stigma "ewig krank" nicht so gut klar.

    Das erzeugt in mir eher den Impuls nach dem Motto: "du hast doch eh keine Chance, früher oder später wird es dich eh wieder erwischen, da kann ich auch gleich weiter saufen/ aufgeben" (das ist jetzt auch etwas überzeichnet, aber soll den Grundgedanken dahinter ausdrücken)

    Ich bin z.B. auch Nichtraucher (Nikotin'iker) und nach der Definition Alkoholiker bin ich damit auch "ewig krank". Die nächste nächsten Zigarette hätte bei mir die selbe Auswirkung wie der Alkohol (ich "müsste" wieder trinken oder rauchen)

    Und ja, die beiden Süchte unterscheiden sich deutlich, was die Auswirkungen betrifft. Aber es bleiben beides Süchte.

    Der Exraucher (Nikotin'iker) bekommt sogar ein Lob, "gut gemacht und Respekt, wie du das geschafft hast"

    Der Extrinker (Alkohol'iker) ... "unheilbar krank, wer weiß wie der auch gesoffen hat".

    Ja, das sind gesellschaftliche Stigmen (vielleicht auch gerade etwas überzeichnet) und vielleicht auch nur Begrifflichkeiten, aber MIR hilft diese Denkweise, mich nicht als "ewig krank", sondern als Nichttrinker, "Frei vom Alkohol" zu sehen.

    Hier und in dem anderen Forum habe ich aber auch gelesen, dass manche gerade den Begriff Alkoholiker/ ewig krank brauchen, um sich z.B. daran zu erinnern und ist auch gut so.

    Aber ich will mich nicht daran erinnern, ewig krank zu sein, wir hatten ja schon mal weiter oben über den Begriff Disziplin geredet.

    Ja irgendwo sind das nur Begrifflichkeiten, aber du suchst ja auch gerne Wörter, die für dich passen.

    Und das ist MEIN Weg, meine Gedanken und das kann bei jemand anderem wieder ganz anders aussehen.

    Deshalb halte ich es auch für sinnvoll, es möglichst gar nicht erst zu dieser Entscheidung kommen zu lassen. Und damit meine ich nicht den sogenannten Notfallkoffer, der letztlich nur für den Notfall gedacht ist, sondern die Zeit davor.

    Da gebe ich dir total Recht und es geht ja gerade darum, es gar nicht zu dieser Entscheidung kommen zu lassen.

    Meine Vorsorge besteht ja auch zum Teil darin, hier zu schreiben, mich über Bücher und Podcast mit dem Thema auseinanderzusetzen und mein Denken und die Sichtweisen zu ändern.

    Danke auch für die Tips mit den Geschichten von anderen Usern und die Linksammlung, ich werde da bestimmt fündig :thumbup:

    VG

    Einmal editiert, zuletzt von rent (15. September 2023 um 12:29)

  • Der einzige Unterschied dabei ist, dass ich dem Alkohol die ganzen Jahre hinterhergetrauert habe, als Verlust gesehen habe.

    Und ich hatte damals auch nicht wieder angefangen, nur weil mich eine halbleere Bierflasche irgendwo getriggert hat, sondern weil mein ganzes Denken (Verlustdenken) auf den Alk ausgerichtet war.

    Es war so eine Art Sehsucht in mir, es gab einen Teil in mir, der hat das Trinken mehr geliebt als alles andere.

    Aber diese Sehnsucht ist nun nicht mehr in mir.

    Kann sie wiederkommen? Daran versuche ich ja gerade an mir zu arbeiten.

    Nach meinen eigenen Beobachtungen sitzt da wohl der knifflige Punkt, ob diese Sehnsucht noch da ist oder ob sie sozusagen überwunden ist.

    Ich selbst hatte so ungefähr nach eineinhalb Jahren, als ich mich schon in Sicherheit wiegte, ein überaus heftiges Suchtdruck-Erlebnis, was ich ohne Hilfe wohl kaum überstanden hätte. Es hat mich sowas von überrascht und ich fühlte mich sowas von hilflos angesichts dieses überaus mächtigen Verlangens. Auf Anraten anderer habe ich sooooo viel Wasser in mir reingeschüttet, wie nur in meinen Bauch reinging. Und ich hab mir mit anderen aus dem Forum geschrieben.

    Im Nachhinein hab ich das für mich reflektiert, was denn Auslöser gewesen sein könnte. Im Vorfeld war mehreres zusammengekommen, es gab also mehrere Trigger UND irgendwo in mir drin war offenbar noch diese Sehnsucht vorhanden. Tief in mir habe ich mich offenbar doch noch dafür bedauert, keinen Aperol mehr konsumieren zu können, keine Gelage mit meinen Nachbarn, keine ordentlichen Parties, auf denen es eine Flatrate für alle Getränke gab, mehr feiern zu können.

    Daran habe ich dann für mich gearbeitet, dafür gesorgt, dass dieses Gefühl, einen Verlust zu erleiden, auf etwas verzichten zu müssen, verschwindet. Es ist inzwischen schon eine ganze Weile weg und ich lasse es auch nicht zu, dass auch nur ein Fünkchen davon zurückkommt. Ich lebe und erlebe meine Freiheit ganz bewusst und mit viel Vergnügen.

    Ich komme aber leider mit dem Stigma "ewig krank" nicht so gut klar.

    Ich selbst arbeite für mich auch nicht mit dieser Vorstellung, „ewig krank“ zu sein. Bei mir ist das vom Prinzip nur eine Basis, die sozusagen da ist und von der aus ich mein Leben gewissermaßen neu ausrichte.

    Um nachvollziehbarer zu machen, was ich meine:

    Ich selbst bin zum Beispiel an chronischen Depressionen erkrankt und an MS. Beides Erkrankungen, die nicht mehr weggehen werden, sondern mir sozusagen „auf ewig“ bleiben, beides Erkrankungen, die in meinem Alltag so ein paar mehr oder minder unangenehme Handicaps mit sich bringen.

    Nun könnte ich darüber jammern und wehklagen und mich bedauern, tue ich aber nicht, denn das würde mir ja nix weiterhelfen und geht davon ja auch nicht wieder weg.

    Stattdessen nehme ich an, was eben ist bzw. was jeweils gerade möglich ist und mach mein Ding. Ich richte mich sozusagen darauf ein und tue das, was möglich ist. Und ich bin in der Regel zufrieden damit, wie’s läuft.

    Wir lesen uns.?!

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich selbst arbeite für mich auch nicht mit dieser Vorstellung, „ewig krank“ zu sein. Bei mir ist das vom Prinzip nur eine Basis, die sozusagen da ist und von der aus ich mein Leben gewissermaßen neu ausrichte.

    Ich finde, damit hast du es gut auf den Punkt gebracht.

    Ja, es ist das Annehmen einer Tatsache, die in ihrer Grundcharakteristik nicht änderbar ist (in diesem Fall wirklich mal ein "kann": ich KANN nicht mehr trinken, es ist eben so.)

    Aber ich hadere nicht mehr mit der Tatsache (ich kann sie ja nicht ändern) und bedauere mich nicht deswegen.

    Sondern ich nehme sie an, schaue nach vorn und erlebe die wahren Vorteile und die Freiheit, die ein nüchternes Leben zu bieten hat.

    Ich ende mal mit einem Spruch, den habe ich auch nur irgendwo geklaut ;)

    Der Alkoholverzicht hält alles das, was der Alkohol verspricht.

    Wir lesen uns! :thumbup:

  • Ich selbst arbeite für mich auch nicht mit dieser Vorstellung, „ewig krank“ zu sein. Bei mir ist das vom Prinzip nur eine Basis, die sozusagen da ist und von der aus ich mein Leben gewissermaßen neu ausrichte.

    Ein Gruppenfreund hat es mal so erklärt:

    "Stellt Euch vor, Ihr wärt Diabetiker. Natürlich wisst Ihr, was passiert, wenn Ihr Kuchen esst. Verbietet es Euch jemand? Nein. Ihr dürft jederzeit essen, was Ihr wollt - auch Kuchen und Zucker. Aber es verbietet sich von selbst, wenn Ihr weiterleben wollt."

    Der Gruppenfreund hat übrigens, wenn man ihm Alkohol angeboten hat, mit der Begründung abgelehnt, er wäre allergisch auf Alkohol und verliert dann die Kontrolle. Ist nichtmal gelogen.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Der Gruppenfreund hat übrigens, wenn man ihm Alkohol angeboten hat, mit der Begründung abgelehnt, er wäre allergisch auf Alkohol und verliert dann die Kontrolle. Ist nichtmal gelogen.

    Mein Sohn z.B. hat wirklich eine Allergie gg. Nüsse und Schalenfrüchte und er muss teilweise schon selber auf sich aufpassen/ sich kümmern.

    (Er hatte auch schon mal erlebt, was passiert, wenn er etwas nusshaltiges ist)

    Er ist sozusagen gewarnt, er weiß, es tut ihm nicht gut und kann sie ohne Willensanstrengung einfach so weglassen.

    Aber er versteckt sich auch nicht davor, wenn z.B. seine Klassenkameraden irgendetwas mit Nüssen essen würden und fühlt sich nicht ausgegrenzt. Er isst sie einfach nicht.

    (Klar Nüsse machen nunmal nicht süchtig, deshalb kann man das nicht 1:1 vergleichen)

    Aber so ähnlich ist es ja auch mit dem Alkohol, er tut mir nicht gut (bin allergisch) und deshalb lasse ich ihn ohne Willensanstrengung einfach weg.

    (weil ich meine allergische Reaktion auf ihn kenne)

  • Zitat

    Ein Gruppenfreund hat es mal so erklärt:

    "Stellt Euch vor, Ihr wärt Diabetiker. Natürlich wisst Ihr, was passiert, wenn Ihr Kuchen esst. Verbietet es Euch jemand? Nein. Ihr dürft jederzeit essen, was Ihr wollt - auch Kuchen und Zucker. Aber es verbietet sich von selbst, wenn Ihr weiterleben wollt."

    Der Gruppenfreund hat übrigens, wenn man ihm Alkohol angeboten hat, mit der Begründung abgelehnt, er wäre allergisch auf Alkohol und verliert dann die Kontrolle. Ist nichtmal gelogen.

    Guten Morgen,

    darf ich aus der Sicht eines Vaters, dessen Kind Diabetiker ist, diese Aussage einmal berichtigen? Ich weiß was er da meint, die Aussage selber, ist fachlich - sachlich nicht korrekt. Aber man könnte einen vergleichbaren Bezug zwischen einem Diabetiker und einem Alkoholiker herstellen, da gibt es auf jeden Fall Parallelen in der Akzeptanz und dem Management der Erkrankung.

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