When nothinhg goes right, go link ! Oder ...

  • Was das lesen und schreiben angeht...ich meine, ein Forum lebt ja davon, dass welche schreiben, dass es was zu lesen gibt und dass es nicht immer nur die gleiche Handvoll Schreiber ist, bei denen man sich die nächste Antwort irgendwann im Voraus schon ausrechnen kann. Also eigentlich kann da schon prinzipiell niemand zu viel sein, ausser er ist extrem unfriedlich drauf.

    Ansonsten ist die Welt zwar klein, aber ich denke wenn Du bei Orten nicht mit Namensnennungen, sondern mit Umschreibungen arbeitest, dann ist die Wiedererkennung gar nicht so einfach. Ich bin bei Facebook bei ein paar Regionalgruppen, wo es wirklich um genau beschriebene Gegenden geht, und da finde ich es manchmal unglaublich wie gering das Vorstellungsvermögen vieler Zeitgenossen entwickelt ist.

    Und die Wahrscheinlichkeit, aus München zu sein und irgendwo in Berlin Bekannten über den Weg zu laufen, ist höher als die Wahrscheinlichkeit der Wiedererkennung hier, einfach von der Zahl her. Zufälle gibts, aber wie Du schon schreibst, haben die ja vielleicht das gleiche Problem.

    Was das Ganze Psychothema angeht: ich wollte am Anfang nur deswegen mit dem Trinken aufhören, weil ich unmittelbar körperlich unter meinen Suff-Folgen gelitten habe. Es waren eigentlich ein paar ganz "harte" Themen, nächtliche Schweissausbrüche, Kotzen, Schlaganfallrisiko, auch meine Ausflippereien im Suff, wo die Anfangsaufgabe eigentlich nur ganz klar hiess, das erste Glas stehen zu lassen, denn der Durst kam bei mir während des Trinkens. Wenn ich schon mal angetrunken war habe ich erst recht nicht "Nein" zum nächsten Schluck gesagt, und das wusste ich ja irgendwann aus Erfahrung, habs oft genug ausprobiert. Mit ein bisschen zusätzlicher Information, dass das beim Alkoholismus relativ normal ist, konnte ich mich damit einigermaßen leicht abfinden. Aber auch erst nachdem ich die Schnauze voll davon hatte, davor hab ich das biligend in Kauf genommen.

    Ich wollte anfangs kein anderer Mensch werden, sondern ich wollte der gleiche Mensch, nur ohne diese Trinkfolgen bleiben. Bei mir dauerte es längere Zeit, bis ich gemerkt habe, dass ich an meinem Leben doch noch einiges ändern muss, weil ich dann zwar schon längere Zeit (ein, zwei, drei Jahre) nüchtern und auch zufrieden trocken in dem Sinn war, dass das für mich OK war, nichts mehr zu trinken, aber ich war mit einigen anderen Dingen derartig unzufrieden, dass ich doch noch was tun musste. Also ich bin dann irgendwann noch mal in eine etwas unkonventionelle Psychotherapie gegangen, die nichts mit Alkohol zu tun hatte (für die aber längere Abstinenz Voraussetzung war).

    Nach 8 Wochen ohne Alkohol war bei mir grade mal die Motivationsgruppe in der Suchtberatung kurz vor dem Ende, und dann hab ich ca. ein dreivierteljahr lang überhaupt nichts mehr unternommen, ausser eben nicht zu trinken. Ich hab mich überhaupt nicht mehr mit dem Thema beschäftigt. Erst dann fing ich so langsam wieder an, mich da ran zu tasten. Und das lag daran, dass ich abends nicht runtergekommen bin und mir dann einfiel, klar, früher hast Du Dir die Kante gegeben, um abzustressen (eigentlich hab ich mir die Kante gegeben wenn ich gerade Lust hatte, ob das nun viel Sinn hatte oder nicht war mir eigentlich ziemlich egal, ich bin ja nur nem spontanen Impuls gefolgt wenn ich Lust drauf hatte. Aber wohl schon mit einer inneren Erwartung, dass der Druck in mir dann nachlässt und der Abend irgendeinen Spaß bringt, was schon lange nicht mehr richtig funktionierte, was ich aber immer erfolgreich verdrängt habe), und heute hast Du (also ich) offensichtlich nichts mehr, was Dir dabei hilft, also hat es vielleicht doch noch damit zu tun.

    Ich bin eine eindeutige Verfechterin dessen, dass jeder selbst wissen muss, warum und wie er das macht, wobei für mich die Motivation zum Aufhören eigentlich wichtiger ist, als die Gründe warum man getrunken hat. Ich persönlich musste vor allem wissen, was ich damit erreichen will, dass ich aufhöre (und das war primär, dass ich anders schlafen und aufwachen wollte mit dem ganzen drumrum), natürlich kann ich Dir auch einen Vortrag halten warum ich damit angefangen habe, aber meine Trink/Konsumgründe haben sich während über 25 Jahren Suchtkarriere deutlich gewandelt und mindestens die Hälfte meiner Probleme hatte ich erst vom Trinken bzw. früher von den Drogen. Das Zeug hat ja Wirkung und sorgt selbst für Schäden aller Art. Letztlich wars eigentlich sowieso nur noch Sucht mit den Hauptgründen Montag, Dienstag, Mittwoch. Oder es hat geregnet wahlweise die Sonne gescheint, saufen kann man wegen allem, wenn man einen scheinbar vernünftigen Grund dafür braucht.

    Und Königsweg oder Standardprozedere...gerade bei Langzeit-Trockenen, also bei Leuten die länger als 10 Jahre nüchtern sind, erlebe ich es relativ oft, dass sie sagen, dass es eines Tages einfack klick gemacht hat und sie plötzlich genug hatten und ohne das übliche Prozedere aufgehört haben. Schon was gemacht, sich damit auseinandergesetzt, aber nicht nach strengen Regeln. Was natürlich mit der Zusammensetzung meines Bekanntenkreises zu tun haben kann, klar.

    Und an sich gilt, was funktioniert ist immer richtig. Ob das jetzt jemand Anderes genau so macht oder völlig anders, dient dem Erfahrungsaustausch, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

  • Und Königsweg oder Standardprozedere...gerade bei Langzeit-Trockenen, also bei Leuten die länger als 10 Jahre nüchtern sind, erlebe ich es relativ oft, dass sie sagen, dass es eines Tages einfack klick gemacht hat und sie plötzlich genug hatten und ohne das übliche Prozedere aufgehört haben.

    Und an sich gilt, was funktioniert ist immer richtig. Ob das jetzt jemand Anderes genau so macht oder völlig anders, dient dem Erfahrungsaustausch, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Hallo!

    Das sind 2 interessante Punkte. Wichtig ist, dass der Aussteiger den Ausstieg für sich selbst will und nicht nur aufgrund des Drängelns von außen. Die zusätzliche Befeuerung des "Klicks" z.B. durch die Führerscheinstelle, dem Arbeitgeber, den Arzt oder der Familie schadet sicherlich nicht. Ich habe Herrschaften kennen gelernt, die zunächst gar nicht recht wollten, aber die MPU stand vor der Tür und sie begannen, sich mit ihrem Problem ernsthaft zu befasssen und erkannten schon nach wenigen Monaten die Vorteile der Abstinenz und sind seitdem clean und selbstverständlich wieder im Besitz ihres Führerscheins.

    Wichtig ist m.E. die eigene Abstinenz und somit die eigene Gesundheit rückhaltlos an erste Stelle zu setzen, sie nicht in Frage zu stellen und ihr (nahezu) alles unterzuordnen. Das hört sich jedoch leichter an als es anfangs ist.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Guten Morgen Susanne und Rekonvaleszent,

    "Wie viel gibt man in einem Forum von sich preis und wen interessiert das?" Mit dem Interesse meinte ich wohl zweideutig: Wer hat Interesse daran, wie viel ich preisgebe, also wer hätte Interesse an diesen Informationen, außer selbst Betroffene, die es gerade deshalb interessiert, weil sie betroffen sind und nicht, weil sie schaden wollen. Deshalb habe ich auch beschlossen offen zu sein.

    Und ja Susanne, die Wahrscheinlichkeit aus München zu stammen und in Berlin jemanden zu treffen ist gering, aber nicht unmöglich. Die Wahrscheinlichkeit in Berlin zu wohnen und jemanden in Berlin zu treffen ist auch irgendwie gering, wenn man nun nicht gegenüber wohnt. Aber die Wahrscheinlichkeit in einem kleineren Ort zu wohnen und dort jemanden zu treffen, den man kennt ist schon höher ;)

    Aber wie gesagt, im Endeffekt ist es ok für mich. Ich bin sowieso für mehr Offenheit, ob sexueller Missbrauch, Massentierhaltung, Depression, Krebs, kulturell bedingte Verstümmlung, Sucht, usw. ganz egal - mit mehr Offenheit gäbe es weniger Scham und damit mehr Toleranz, bzw. Gegenwehr.

    Du schreibst, dass du vordergründlich erst einmal aufgehört hast zu trinken, weil der körperliche Aspekt und der Mensch, der du im Suff warst, zu viel war und dir nicht guttat. Was sicherlich noch schwer untertrieben formuliert ist.
    Ich habe weder meine Arbeit, meinen Führerschein, meinen Partner oder Freunde durch den Suff verloren. Aber auf jeden Fall meine Selbstachtung, meinen Selbstwert und Selbstbestimmung. Ich war auch oft ein furchtbarer betrunkener Mensch. Immer wieder habe ich Probleme hervorgekramt und sie herausgeschrien, darauf herum geweint und mich selbst bemitleidet. Oder ich habe verletzende und enttäuschende Dinge gemacht. Manche waren ganz unterste Schublade. Ich habe betrogen und gelogen und am Ende bin ich in meiner Scham depressiv geworden.

    Ich habe dann aber Unterstützung bekommen - von fiesen Magenbeschwerden, resultierend aus zu viel saurem Wein. Es ging dann oft gar nix mehr. Mir war übel neben den Schmerzen, so richtig, über Tage und das immer wieder. Das hilft mir jetzt ungemein. Sobald ich einen Ansatz von Verlangen wahrnehme spiele ich sofort diesen Trumpf.

    Aber trotz oder weil eben soviel negatives im Suff passiert ist, ich immer wieder mal ein paar klare Momente hatte, konnte ich schon während meiner Trinkzeit viel von mir lernen. Wer ich sein will und was keinen Bestand haben soll (habe hier schon angefangen Freunde und Umfeld zu filtern). Und da war einfach das Resultat, dass ich nicht mehr trinken will, dass es für mich keinen Sinn macht, dass ich mich betrunken einfach nicht leiden kann. Aber so einfach war und ist das eben nicht, weil Sucht zum einen ganz speziell individuell ist und zum anderen gerade Alkohol einen nicht zu unterschätzenden soziokulturellen Wert besitzt, den man vor lauter Bäumen im Wald erstmal nicht erkennt. Mein Vorteil in diesem Falle ist, dass ich zu einem großen Teil auf unsere Gesellschaft scheiße - im Herzen ein Punk. Soll heißen: Es ist mir sehr egal, wenn andere trinken und mich belächeln, wenn ich es nicht tue - ich habe für mich beschlossen, dass Alkohol eine große Verarschung ist. Es gilt jetzt halt das aufrecht zu erhalten, die Suchtgedanken zu erkennen und manche davon genauer zu analysieren, bevor sie zu viel Raum einnehmen.

    "Und das lag daran, dass ich abends nicht runtergekommen bin" Vor diesem Punkt habe ich ordentlich Respekt. Daran bin ich bei meinem ersten ernsthaften Versuch aufzuhören gescheitert. Das war nach 3 Monaten im letzten Dezember. Ich war irgendwie im Dauerstresszustand und gereizt. Ich dachte, dass das nie aufhört. Dann kam eben an einem Tag noch ein Problem hinzu und ich habe aufgegeben, bzw. nachgegeben. Druck. Ganz wichtiger Punkt. Aber nichtsdestotrotz habe ich daraus gelernt und setze das wohl gerade um, denn ich habe diesmal eine ganz andere Einstellung, viel gefestigter, geduldiger und tiefer.

    Was hast du gegen diesen Stresspunkt unternommen?

    Und ich gebe dir auf jeden Fall Recht, dass die Motivation zum Aufhören eine übergeordnete und dauerhafte Rolle spielen muss, um die Abstinenz genießen zu können. Aber die Gründe für die Sucht herauszufinden ist für mich unumgänglich. Sie sind das Verlangen, der Druck und meine Reaktionen auf bestimmte Auslöser. Ich habe einfach keinen Bock damit mein ganzes Leben zu leben, deshalb werde ich dem nachgehen und mal gucken, was da so ist.

    Von Rekonvaleszent

    "Wichtig ist m.E. die eigene Abstinenz und somit die eigene Gesundheit rückhaltlos an erste Stelle zu setzen"

    Manchmal ist es schwierig diesen gesunden Egoismus konsequent zu praktizieren. Das sagst du ja auch. Ich habe für mich gemerkt: Wenn ich nicht trinke, bin ich ganz gut selbstsicher. Das wirkt sich auf meinen Umgang mit Kind und Partner aus und umgekehrt. Es wandelt sich von lächerlich wankelmütig bis widersprüchlich hinzu stabil und damit vollwertig. Aber noch ist es nur ein Anfang für mich, ein Gefühl dafür wie es sein kann, sein wird.

    "Und Königsweg und Standardprozedere..."

    Manche schwören und predigen auf diese Wege des Standardprogramms. Und ich finde, dass es schon ein gewisses Suchtverständnis benötigt, um mit sich selbst in der Sucht umgehen zu können. Aber am Ende finde ich gut, dass es eben noch andere Sichtweisen gibt, die einem nicht von Vornerein den Mut nehmen sich der Sucht zu stellen, wenn man eben ein anderer Typ Mensch ist, bei dem es Klick gemacht hat.

    Grüße

    Zelda

    (PS schreibe auf Word - deshalb die Zitierweise)

  • Manchmal ist es schwierig diesen gesunden Egoismus konsequent zu praktizieren.

    "Und Königsweg und Standardprozedere..."

    Manche schwören und predigen auf diese Wege des Standardprogramms.

    (PS schreibe auf Word - deshalb die Zitierweise)

    Hallo!

    Der Begriff des Egoismus ist m.E. verkehrt. Ersetze ihn durch Achtsamkeit.

    Ein kluger Kopf hat mal formuliert: "Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen gut geht." Da steckt alles Wichtige drin.

    Das einzige und für jeden gültige Standartprogramm lautet: "Das erste Glas stehen lassen." Und das ist anfangs schon schwer genug.

    Alle Wege zu diesem Ziel sind individuell verschieden, dennoch habe ich mir bei meinem Weg die Ratschläge erfahrener Abstinenter angehört, abgewogen und soweit ich sie mich überzeugten, auch umgesetzt.

    Gruß
    Rekonvaleszent


  • Was hast du gegen diesen Stresspunkt unternommen?

    lange und anhaltende Übung.
    Die Dinger im Stil "ändern sie in zwei Wochen ihr Leben" funktionieren bei mir nicht.

    Also erst mal hab ich festgestellt, dass reden in der Gruppe mir überhaupt nicht hllft.

    Dann hab ich erst mal Yoga angefangen, dabei auch Entspannungsübungen kennen gelernt und erste Meditationserfahrungen gemacht. War sehr schwierig, weil dabei erst mal die ganze Wut, die in mir drin steckte, innerlich aufstieg, einige Male bin ich aufgesprungen und musste dann erst mal ne Stunde laufen, um mich wieder zu beruhigen.

    Irgendwas sagte mir aber, das es der richtige Ansatz für mich war, aber erst mal wurde es dadurch noch schlimmer. Irgendwie hatte ich halt eine innere Tür geöffnet, meine Büchse der Pandora, und dann musste erst mal raus was drin war, oder so ähnlich eben.
    Jedenfalls bin ich über mehrere Jahre immer unzufriedener mit meinem Leben geworden, bis ich dann nach 4 Jahren Trockenheit mal nach einem Therapeuten gesucht habe. Nach ein paar Probestunden bei Verschiedenen geriet ich dann an einen alten Hasen, einen klinischen Psychotherapeuten, der sich auf Meditation und Hypnosetechniken spezialisiert hatte, das Ganze lief dann auch unter dem Ziel Eigencoaching, also das man dabei sein eigener Betreuer wird.
    Ich war da über ein Jahr einmal im Monat, musste das selbst bezahlen (was gut für die Motivation ist), und das war natürlich darauf angelegt, dass man das selbst dann praktisch laufend macht. Natürlich nicht Stunden am Tag, sondern halt auch alle zwei drei Tage mal wie es am besten reinpasst.
    Ich hab mich dann auch weiter mit Meditation beschäftigt und mache das bis heute. Es ist ein Teil meines Lebens geworden. Tut mir halt gut. Also ich muss mich dazu nicht zwingen, sondern ich darf das und nehme mir die Zeit, wenn ich das Bedürfnis dazu verspüre.

    Und dass ich nicht mehr mit dem Trinken angefangen habe, lag halt da dran, dass ich ganz genau wusste, dass der Weg da ganz gewiss nicht lang geht. Ich habe mehrere Jahre Erfahrung mit Versuchen, mein Trinkverhalten durch Trinkpausen zu normalisieren, das wurde immer schlimmer und da wollte ich eben definitiv nicht mehr hin, das war absolut keine Option, da habe ich lieber ein paar Jahre die schlechte Laune ausgehalten, das war im Vergleich immer noch besser.

    Gruß Susanne

  • zu dem was ich da schreibe, gibts übrigens noch nen Satz, der trifft nicht immer zu, aber bei mir ging das wohl nur so, um mit mir ins Reine zu kommen:

    Da wo es weh tut, geht es lang.

    Aber nicht mit Selbsthass und dem Willen sich zu schaden, sich selbst fertig zu machen, wie ich es saufend oft gemacht habe, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass es manchmal einfach erst mal weh tun muss, um einen Heilungsprozess in Gang zu setzen.

  • Hallo zusammen,

    Hallo Susanne,

    Ich kenne da einen ähnlichen Satz:

    "Es muss weh tun, damit es heilen kann" Ist aus der unendlichen Geschichte und ich mag ihn sehr.

    Ich finde es ganz schön heftig, dass du diese Laune 4 Jahre lang ausgehalten hast. Heftig im Sinne von absoluter Konsequenz gegenüber deinem Entschluss nichts mehr zu trinken. Das ist ganz schön stur und rebellisch ;)
    Gut, dass du etwas dagegen gefunden hast, denn es war mit Sicherheit sehr anstrengend.

    Momentan geht es mir gut. Ich habe gemerkt, dass Kaffee mein Stresslevel stark erhöht und habe ihn jetzt sein lassen. Zumal sich auch mein Konsum drastisch erhöht hatte. Ich hatte angefangen mir ein neues Trinkritual damit zu schaffen. Ich hatte dann aber auch wahrgenommen, dass es das Verlangen nach Alkohol anspricht. Alles in Allem kann ich sagen, dass Kaffee nun auch nichts mehr für mich ist.

    Ich habe zurzeit einen sehr geregelten Tagesablauf. Das hilft mir auf jeden Fall entspannt zu bleiben, auch wenn es oft wenig Ruhe Phasen gibt. Ich mache ein bisschen Sport, denke aber das es mehr sein könnte - aber! Auch hier muss ich aufpassen mich mental nicht zu überfordern. Es könnte schnell passieren, dass ich mir zu viel vornehme, es nicht schaffe und dann frustriert bin. Achtsamkeit lernen, wie Rekonvaleszent es formuliert hat :) Bei mir in kleinen Schritten. Das meinst du wohl auch damit Susanne "ändern sie in 2 Wochen ihr Leben" Kann ich mir nämlich auch nicht vorstellen. Das braucht Zeit.

    Letzten Samstag habe ich mir einen Termin holen wollen. Corona bedingt waren diesmal nicht alle im Laden, sondern haben schön brav Schlange draußen gestanden. Nach einer Weile fragte eine:" Wer will noch was trinken?" Ich habe dann bemerkt, dass der Ladenbesitzer in seiner Tür einen kleinen Getränkestand aufgebaut hatte. Es gab neben Cola & Co auch Rum und Sekt. Automatisch habe ich "Nein" gesagt. Als ich dann weiter vorne stand und mir diesen Tisch mit den Getränken betrachtete dachte ich mir: "Wenn du jetzt eine Mischung oder zwei trinkst, bekommt das keiner den du kennst mit." Ich habe die Flasche dann eine Weile angestiert und mir das mal genauer überlegt. Ich mache das ja nicht für Andere, sondern ich trinke für mich nichts mehr, also ist es doch völlig egal, ob das jemand mitbekommt oder nicht. Auf jeden Fall habe ich dann noch mal kurz durchgespielt, was alles so passieren würde, würde ich jetzt das erste Glas trinken. Ich verglich das dann mit der Frau, die 2 Becher trank und abends noch auf Arbeit musste. Wahrscheinlich trinkt sie die 2, geht nach Hause, isst was oder schläft oder trifft sich noch mit Freunden. Sie trinkt wahrscheinlich nicht weiter. Also ist es völlig ok für sie, die 2 Becher zu trinken. Ich dagegen würde dann mit Sicherheit nicht mehr auf Arbeit gehen können, weil ich irgendwann schwer betrunken wäre.

    Die Vorstellung hat mir geholfen und gutgetan. Ich war auch nicht neidisch, ich war froh nichts trinken zu müssen. Die Sache hat mir gezeigt, dass ich mich vorbereiten kann wie ich will, die Knackpunkte kommen dann, wenn ich nicht damit rechne, unvorbereitet bin und mein Impuls hinterfragt werden muss. Ich kann mir damit ein Stück weit mehr vertrauen. Ein Kleines Stück. Ich hätte auch einfach gehen können, aber das hätte mich sehr enttäuscht und wahrscheinlich auch zurückgeworfen.

    LG Zelda


  • Ich finde es ganz schön heftig, dass du diese Laune 4 Jahre lang ausgehalten hast. Heftig im Sinne von absoluter Konsequenz gegenüber deinem Entschluss nichts mehr zu trinken. Das ist ganz schön stur und rebellisch ;)
    Gut, dass du etwas dagegen gefunden hast, denn es war mit Sicherheit sehr anstrengend.

    Das war nicht so viel anders als Du das mit dem Wein beschreibst. Ich hab jahrelange Erfahrung mit Trinkpausen und ich wusste aus Erfahrung, dass es bei mir eben auch nicht bei einem Schluck bleibt, um die Laune zu heben, sondern mit Sicherheit in noch größerer Scheixxe endet als vorher.
    Und als ich noch gesoffen habe, war ich ja keine Spur glücklicher. Schon da waren die besten Momente in den letzten Jahren nüchtern, ich meine, da gibts ja noch eine Menge Abstufungen. Zum Teil wars sicher auch der Gegensatz, wenn ich richtig abgestürzt war, war es nüchtern kurz mal schöner, es ist ja so schön wenn der Schmerz wieder nachlässt, alter Masochistenwitz, bis der Druck halt wieder kam. Und ich hab ihm nachgegeben, aber das half da schon immer nur nen Moment lang, und dann musste ich schon nachlegen, um wenigstens dieses Anfluten noch ein bisschen zu haben. Ich war da schon lange nicht mehr in der Situation, dass ich gemütlich mal was getrunken hätte, ich war längst in der Sturztrunkphase.
    Also einfach mal nur, da gabs nichts mehr zu holen. Das war ausgeluscht, restlos.
    Und zum Teil hab ich mich auch mit dem Gedanken über Wasser gehalten, wie viele Leute auf der Welt in viel größerem Elend leben als ich und die auch nichts haben, um das runterzuspülen.

    Zu dem was Du da schreibst, es ist richtig, dass man sich nicht auf alle Situationen geistig vorbereiten kann und auch mal mit Überraschungen fertig werden muss. Trotzdem kann einen der Saufdruck auch völlig überraschend auch mal heftig erwischen, ich hatte das zwei mal, und dann braucht man ein paar Strategien um da wieder rauszukommen. Denn ich hab dann festgestellt, in dem Moment war das mal kurz, nur zwei drei Minuten, so intensiv, dass es das klare Denken deutlich beeinträchtigt hat. Da hilfts dann schon wenn man sich vorher was überlegt hat.

    Und so am Anfang, so lange das noch nicht so richtig "sitzt", würde ich solche Situationen auch nicht unbedingt suchen.

    Vieles wird ja dann sowieso langweilig, wenn man dann mitkriegt, was andere besoffen für Schwachsinn labern und man sich vor Augen hält, dass man selbst ja genau so war, und genau den gleichen Schrott erzählt hat, ober so was in der Art.

    Ansonsten bin ich absolut bei Dir, drüber nachdenken, was das tatsächlich bringt, also über den Moment raus, wie sieht das dann morgen, übermorgen aus wenn ich jetzt mit trinken anfange, und sich dabei nichts vorzumachen, kann schon viel helfen. Aber wohl auch nur, wenn man trotz allem Licht am Ende des Tunnels sieht und davon überzeugt ist, dass das auf Dauer was bringt.

    Gruß Susanne

  • Noch mal zu der Situation da.

    Ich hab mir früher an der Supermarktkasse oft eine Batterie Flachmänner mitgenommen, um eine Stunde pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu verkürzen, und an denen bin ich danach natürlich auch noch vorbeigelaufen. Und klar, hab ich mir auch schon vorgestellt, wie das wäre, heute graust mir nur noch davor. Schon der beschissene Geschmack im Mund.
    Und die Überlegung, man könnte ja, jetzt siehts ja keiner..mein Partner war nach ein paar Wochen meiner Trockenheit im Krankenhaus, da hab ich mir auch noch mal deutlich überlegt, dass ich das ja wegen mir mache.

    Trotzdem würde ich keine Spielchen damit machen, ich hab schon ein paar Leute ganz fürchterlich an der Sauferei verrecken sehen und von daher ist das für mich eine absolut ernst zu nehmende Erkrankung. Deswegen muss man ja jetzt nicht lebenslang Trübsal blasen. Humor hilft bei vielem, und mit der Zeit ist auch Vieles möglich, aber "dumm rumtun" würde ich mir überlegen.
    Ich meine, bei mir ist die Nüchterneit schon lange Normalität und mein Handeln ist nicht mehr groß davon bestimmt, obs irgendwo Gefahren für mich gibt. Ich leb wie ganz normale Leute. Trotzdem bin ich mir des Risikos bewusst und ich hab auch schon ein paar Leute gesehen, die dann nach 12, 15 Jahren meinten, jetzt könnten sie mal ein Gläschen probieren.


  • Ich leb wie ganz normale Leute. Trotzdem bin ich mir des Risikos bewusst und ich hab auch schon ein paar Leute gesehen, die dann nach 12, 15 Jahren meinten, jetzt könnten sie mal ein Gläschen probieren.

    Genau das macht mir so Angst! Ich bin jetzt schon lange nicht-Raucherin und nichts würde mich dazu bringen mir eine zu grillen...nicht mal Geld,weil es mich so anekelt und es mir überhaupt nichts bringen würde. Beim Alkohol scheint das nicht so zu sein wenn Leute nach 20 Jahren noch rückfällig werden...habe ich in der Gruppe 2x erlebt...erschreckend.

  • Hallo Rina,

    Was genau macht Dir da dran so Angst?

    Ich meine, ich hab natürlich auch schon drüber nachgedacht. Ich hab mich mit solchen Leuten auch schon ausgiebig unterhalten, was denn da los war. Einige waren lange Zeit zufrieden trocken und sind dann einfach leichtsinnig geworden, haben es zum Teil einfach vergessen.
    Oder sie hatten immer irgendwie die Hoffnung, irgendwann könnten sie wieder, tief drinnen einfach nicht abgeschlossen.
    Bei den anderen ist oft irgendwas mit Depressionen oder ähnlichem, wo Trockenheit dann auch kein rechtes Lebensgefühl bringt und die Rückfälle wenigstens eine zeitlang Erleichterung bringen, vor allem bei Leuten die eher langsam wieder anfangen. Und wenn Du am Leben nichts findest, ist ja irgendwie auch grade schon egal, ob das nun gesund ist.
    Ich kannte auch schon Leute, die haben sich mit regelmässigen Entgiftungen richtiggehend eingerichtet, da kennen sich die Drehtürkandidaten ja schon gegenseitig und sind alte Bekannte, die haben sich irgendwie damit abgefunden.

    Genau da dran denke ich halt, wenn ich aus irgendwelchen Gründen wieder in engen Kontakt zu Alkohol komme, zuletzt eben bei meinem Vater, den ich betreut habe und der ja seinen Alkohol bis zum Schluss wollte und brauchte.
    Und irgendwo glaube ich, dass es mein Vorteil ist, dass ich keinerlei Hemmungen habe, mich darüber zu unterhalten bzw. zu schreiben und dass ich es auch ein interessantes Thema finde, was man ja auch wissenschaftlich betrachten kann. Damit vergesse ich es auf jeden Fall schon mal nicht. Und wie ich dabei ja auch immer mal wieder lese, gibt anderen helfen Sinn im Leben und das ist mit Sicherheit auch ein Mittel gegen Sinnlosigkeit.

    Und wenn das mit dem Lebensgefühl bei mir auch mal so wäre, dann weiss ich natürlich auch nicht, was ich täte. Vielleicht wärs mir ja dann irgendwie auch schon egal.
    Nur möchte ich natürlich nicht so enden und ich habe mit Sicherheit eine Menge Möglichkeiten, um mich anders zu entscheiden. Und da dran, an diesen Entscheidungsmöglichkeiten, musst Du dann halt arbeiten, wenn Du diese Angst hast.

    Gruß Susanne

  • Ich glaube da schwingt bei mir die Angst des eigenen Scheiterns mit, ganz klar. Vielleicht auch die Bestätigung, dass man eben nie über den Berg ist, das es so eine Art Sicherheitszone nicht gibt und es aber immer ein Zurück in den Sumpf geben kann.

    Ich habe ja mal geschrieben dass für mich der Weg in die Abstinenz lange ein rationaler Kampf war, ich lebe eigentlich erst jetzt wirklich eine glückliche Zeit wo ich mich frei fühle. Falls ich irgendwann mal wieder rückfällig werden sollte, bin ich mir echt nicht sicher ob ich es nochmals auf die Füsse schaffe. Deshalb diese Ehrfurcht vor dem Alkoholismus. Und dann halt der Gedanke dass wenn jemand nach 20 Jahren wieder trinkt, muss da ja ein ungeheuerer Antrieb sein zum Glas zu greifen...

    Ich habe in meiner Jugend viel mit Suizidgedanken gespielt weil Ich den Lebensinn nicht mehr sah, ich hatte da null Perspektive. Die Lösung war dann der Alkohol, der machte einen Realitätswechsel möglich und sogar einen kleinen Suizid...ein bisschen Tod aber am nächsten Morgen wieder lebendig. Und wenn ich mir heute das Desaster meiner Alkoholkarriere ansehe dann hat diese Entscheidung damals zwar mein Leben gerettet aber das Leid in eine andere Richtung gelenkt. Und schlussendlich habe ich heute zwei Probleme statt nur eines: meine Wunden aus der Vergangenheit die halt nie geheilt wurden und dazu noch ein schwerwiegendes Alkoholproblem.
    Um gesund oder ungesund gehts ja weniger, sondern dass man durch einen Rückfall dann ja mehr Probleme hat als ohne...jedenfalls auf längere Sicht.

    Aber es ist ja nicht gesagt dass es mir auch so ergeht, aber nur live zu sehen dass es eben könnte macht mir schon Angst. Vielleicht kann ich das mit wachsender Sicherheit und genug Selbstvertrauen in einen „gesunden Respekt „ umwandeln. Dazu ist wahrscheinlich meine Abstinenz einfach noch zu frisch, ich fühle mich ja noch immer etwas instabil in gewissen Situationen.

    Lg
    Rina

  • Kann ich schon nachvollziehen. Erstens war ich in meiner Jugend auch ziemlich perspektivlos mit den gleichen Gedanken, und zweitens habe ich mir ja in der Trockenheit große Teile dessen, wofür es sich für mich zu leben lohnt, erst erarbeitet. Ich erzähle ja hier nur Teilbereiche dassen, was ich mache, und ich denke auch nicht laufend drüber nach, aber manchmal fällt mir schon auf, was alles anders wäre, wenn ich noch trinken würde. Wenn ich überhaupt so alt geworden wäre :)

  • Hallo Zelda,

    nun habe ich Deinen Post von Anfang bis Ende gelesen und wollte Dir gratulieren zu
    Deinem Entschluss, keinen Alkohol mehr zu trinken! Du bist auf einem sehr guten Weg. 44.

    Am Anfang half mir immer der Gedanke, diesen Tag schaffe ich... Danach sehe ich weiter. Und so habe ich
    es gehalten Tag für Tag.

    Mittlerweile über 7 Jahre. Und ja... ich bin schon etwas "weit weg", wie Du es beschreibst,
    aber ich habe noch immer die Erinnerungen lebhaft im Kopf!

    Und so möchte ich Dich motivieren weiter für Dich zu sorgen, denn das ist es ja im Grunde!



    Momentan geht es mir gut. ...

    Ich habe zurzeit einen sehr geregelten Tagesablauf. Das hilft mir auf jeden Fall entspannt zu bleiben, auch wenn es oft wenig Ruhe Phasen gibt. Ich mache ein bisschen Sport, denke aber das es mehr sein könnte - aber! Auch hier muss ich aufpassen mich mental nicht zu überfordern. Es könnte schnell passieren, dass ich mir zu viel vornehme, es nicht schaffe und dann frustriert bin. Achtsamkeit lernen, wie Rekonvaleszent es formuliert hat :) Bei mir in kleinen Schritten.

    Sehr gut! Weiter so!!!

    LG Elly

    Das Leben ist nicht immer einfach, aber eindeutig einfacher ohne Alkohol zu bewältigen!

  • Guten Morgen,

    vielen lieben Dank Elly, deine Worte freuen mich :) Und sie motivieren mich tatsächlich.

    Gerade erst gestern hatte ich mit meiner 18 jährigen Ziehtochter etwa folgendes Gespräch:

    "Wie lange trinkst du schon nichts mehr?" Etwa 2 Monate, darauf sagte sie, dass sie stolz darauf wäre.
    "Hast du manchmal Lust zu trinken?" Ja, schon. Das sind kurze Momente.
    "Aber willst du jetzt nie mehr trinken oder nur ab und zu mal?" Nie mehr. Ab und zu geht nicht mehr.
    "Aber es gibt doch viele, die nur ab und zu trinken und dann ist es doch ok" Aber ich kann gehöre nicht dazu, ich kann es nicht kontrollieren.

    Ich habe es dann noch versucht ein bisschen zu erklärendass sie ja auch an mitbekommen hat, wie ich betrunken sein kann und dass ich es dann jeden Tag will.
    Sie hat es nur bedingt verstanden. Ihre Mutter war schwer alkoholabhängig und ist an den Folgen gestorben als die Ziehtochter jünger war. Sie selbst trinkt gar nicht. Das Gespräch viel mir insofern schwer, als dass ich Mühe hatte das wirklich zu erklären, weil es für mich selbstverständlich ist, dass ich mit Alkohol nicht umgehen kann. Aber ich habe halt auch nicht von früh bis abends getrunken und manche Tage auch gar nicht. Das macht das Verständnis für manche schwierig, so bekomme ich den Eindruck. Die Mentalität ist ja immer noch dahingehend, dass ab und zu trinken bis saufen völlig ok ist oder sogar das tägliche Feierabendbier. Schwierig, da muss ich mir nochmal was überlegen, wie ich das etwas geschickter erklären kann. Ich weiß, dass da noch einige Gespräche kommen werden.

    Meine Schwägerin war da zum Beispiel ganz anders. Wir waren dort zu Besuch und sie fragte, ob ich ein Alkoholfreies Bier haben möchte, "Nein, schmeckt mir nicht" Sie sagte: "Aber du hast doch auch immer Bier getrunken" Ja, sagte ich, aber es hat mir nie geschmeckt, ich wollte nur die Wirkung. Und sie lachte und sagte "Achso, na dann ist es ja gut, dass du es nicht mehr trinken musst" Thema erledigt und geklärt.
    Damit konnte ich viel besser umgehen.

    Naja, vielleicht wird auch jedes Gespräch einfach sehr individuell sein, je nach Erfahrung und Meinung des Gegenübers und meiner Wortwahl. Ich kann nur versuchen immer etwas davon für mich mitzunehmen.

    Zu dem was Du da schreibst, es ist richtig, dass man sich nicht auf alle Situationen geistig vorbereiten kann und auch mal mit Überraschungen fertig werden muss. Trotzdem kann einen der Saufdruck auch völlig überraschend auch mal heftig erwischen, ich hatte das zwei mal, und dann braucht man ein paar Strategien um da wieder rauszukommen. Denn ich hab dann festgestellt, in dem Moment war das mal kurz, nur zwei drei Minuten, so intensiv, dass es das klare Denken deutlich beeinträchtigt hat. Da hilfts dann schon wenn man sich vorher was überlegt hat.

    Und so am Anfang, so lange das noch nicht so richtig "sitzt", würde ich solche Situationen auch nicht unbedingt suchen.

    Vieles wird ja dann sowieso langweilig, wenn man dann mitkriegt, was andere besoffen für Schwachsinn labern und man sich vor Augen hält, dass man selbst ja genau so war, und genau den gleichen Schrott erzählt hat, ober so was in der Art.

    Mich würde interessieren, was das für Strategien sind. Ich habe gehört: Situation verlassen (nicht immer möglich), Wasser trinken (immer möglich). Was gibt es noch für Möglichkeiten?
    Also nochmal zu der Situation: Warten vor dem Laden. Der Typ vergibt nur 2x im Jahr Termine. Das Projekt, was damit verbunden ist, hat viel mit meinem jetzt eingeschlagenen Weg zu tun. Jemand sagte mal: "Setz dir ein Mahnmal, wenn du eine Sucht besiegen willst." Das mache ich damit. Für mich war es sehr wichtig dort zu bleiben, um die Termine zu holen. Ich hatte auch nicht einen Augenblick das Gefühl etwas zu trinken. Der Gedanke war eben da und ich wollte sehen wo er hinführt, damit er wieder gehen kann. Verdrängung hatte ich genug.

    Meine größte "Problemzone" ist meine Wohnung, abends alleine, meine Laune, Streit und wie ich schrieb und feststellen musste, unvorhersehbare Trinkangebote.


    Ich glaube da schwingt bei mir die Angst des eigenen Scheiterns mit, ganz klar. Vielleicht auch die Bestätigung, dass man eben nie über den Berg ist, das es so eine Art Sicherheitszone nicht gibt und es aber immer ein Zurück in den Sumpf geben kann.

    Hallo Rina, ich habe davor auch mal Angst, mal großen Respekt. Ich hatte die letzten Tage Träume darüber, dass ich trinke. Es war ganz furchtbar, weil ich versagt hatte. Ich will das ganz klar nicht, aber dennoch kann ich es nicht für immer garantieren. Es macht mir auch Angst, dass es mich ein Leben lang begleiten wird. Ich hoffe, dass ich da noch wesentlich stärker werde, stabiler.

    Ich fühle mich aber langsam bereit für eine Selbsthilfegruppe. Ich bekomme immer mehr das Gefühl dafür, dass es gut sein würde, mich einmal in der Woche damit auseinanderzusetzen und mit Menschen, denen es hoffentlich ähnlich geht.

    Ich habe in meiner Jugend viel mit Suizidgedanken gespielt weil Ich den Lebensinn nicht mehr sah, ich hatte da null Perspektive. Die Lösung war dann der Alkohol, der machte einen Realitätswechsel möglich und sogar einen kleinen Suizid...ein bisschen Tod aber am nächsten Morgen wieder lebendig. Und wenn ich mir heute das Desaster meiner Alkoholkarriere ansehe dann hat diese Entscheidung damals zwar mein Leben gerettet aber das Leid in eine andere Richtung gelenkt. Und schlussendlich habe ich heute zwei Probleme statt nur eines: meine Wunden aus der Vergangenheit die halt nie geheilt wurden und dazu noch ein schwerwiegendes Alkoholproblem.
    Um gesund oder ungesund gehts ja weniger, sondern dass man durch einen Rückfall dann ja mehr Probleme hat als ohne...jedenfalls auf längere Sicht.

    Mir sind diese Gedanken auch nicht fremd. Ich war sehr müde vom Leben und hatte auch wenig Hoffnung. Alkohol machte eine süße Melancholie daraus. Er hat mich eingepackt und Schwere genommen. Bis zum nächsten Morgen. Wobei ich auch da oft mehr mit meinem Kater als mit dem inneren Schmerz beschäftigt war. Auf den konnte ich dann wieder trinken usw. Das hat sich alles gewandelt über die Jahre und vor allem durch mein Kind: keine süße Melancholie mehr. Das gemütliche Glas war ein Sturztrunk bis zur (gewünschten?) Wirkung, die dann verstärkt werden musste und schlussendlich überhaupt nicht das war was ich wollte. Aber wem erzähle ich das. Ihr wisst es ja selbst.

    LG Zelda

  • Am Anfang half mir immer der Gedanke, diesen Tag schaffe ich... Danach sehe ich weiter. Und so habe ich
    es gehalten Tag für Tag.

    Mittlerweile über 7 Jahre. Und ja... ich bin schon etwas "weit weg", wie Du es beschreibst,
    aber ich habe noch immer die Erinnerungen lebhaft im Kopf!

    Und so möchte ich Dich motivieren weiter für Dich zu sorgen, denn das ist es ja im Grunde!

    LG Elly

    Ich wollte noch schreiben, dass ich mich schwer damit tue nur von Tag zu Tag zu gehen. Ich sehe manchmal dieses große Ganze vor mir und denke mir je nach tagesform, dass ich das auf jeden Fall schaffen werde oder dass das ein ganz schön "großer Berg" ist. Das heißt manchmal freue ich mich auf alles was da kommt, weil ich es jetzt endlich erleben darf und manchmal scheint es ewig zu sein, was mir wie weiter oben beschrieben Angst macht. Als ich mit dem Rauchen für einige Zeit aufhörte konnte ich das gut mit dem Tag für Tag. Ich weiß nicht, warum das beim Alkohol so anders ist.

    LG Zelda


  • Ich habe es dann noch versucht ein bisschen zu erklärendass sie ja auch an mitbekommen hat, wie ich betrunken sein kann und dass ich es dann jeden Tag will.
    Sie hat es nur bedingt verstanden.

    Damit hab ich ziemlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Meine Mutter hat sich schon wegen den Drogen aufgeregt, und wenn ich dann zu betrunken war, ebenfalls, und es war auch schon einer der Scheidungsgründe der Ehe mit meinem Vater. Anderseits ist meine Mutter selbst ein Mensch, der der Meinung ist bzw. lange war, dass man arm dran ist, wenn man nicht mehr "darf" und von daher wollte sie es lange nicht verstehen, das ich ganz damit aufgehört habe. Noch Jahre später fragte sie mich, wie ich dann von einer Veranstaltung heimkomme, weil es für sie absolut undenkbar war, dass man nach einer Feier noch fahrtüchtig ist. Denn auch meine Mutter hätte da nicht mehr fahren dürfen und konnte sich das auch nicht vorstellen, wie man feiern kann, ohne zu trinken.


    Mich würde interessieren, was das für Strategien sind. Ich habe gehört: Situation verlassen (nicht immer möglich), Wasser trinken (immer möglich). Was gibt es noch für Möglichkeiten?

    Rekonvaleszent hat hier mal eine Liste geschreiben, ich finde sie gerade nicht mehr. Such mal in seinen Beiträgen.

    Trinken, Vernünftig essen gehört jedenfalls auch dazu, satt sein und nicht nur mit Fast Food, sondern was wirklich sättigt.
    Möglichkeiten sich abzureagieren, also nicht nur aus der Situation raus, sondern auch Sound hören, spazieren gehen, drauf achten das man ausgeschlafen ist.

    Das Wissen, dass es vorbei geht.
    Und der feste Entschluss, es gibt sowieso nichts, egal was passiert.

    Bei mir wars einmal einfach saumäßig Durst, mit Apfelschorle bekämpft, und das andere mal wurde es durch einen Geruch geweckt, der nicht mal was mit Alkohol zu tun hatte, sondern nur eine Erinnerung an eine Situation weckte. Bin rausgegangen und habe tief durchgeatmet.

    Am Anfang hab ich mich stark damit beschäftigt, in welcher Situation ich gewöhnlich angefangen habe und was das in dem Momenrt, wo ich zugelangt habe, für ein Gefühl war. Also was mein hauptsächlicher Trinkanlass war, zu dem Zeitpunkt (früher habe ich auch noch aus anderen Gründen getrunken, aber das spielte da keine so große Rolle mehr) war das bei mir so die "Feierabendsituation". Wenn ich nach einer Situation, in der ich unter Stress und Druck stand, rauskam und endlich wieder "frei" war. Ich hatte dann oft den ganzen Tag nicht ans trinken gedacht, aber da überkams mich halt und dann gleich richtig. Wobei das auch nicht immer gleich war, sondern sogar ziemlich verwirrend, manchmal hab ich mir auch lange vorher ausgemalt, wie ich mich so richtig volllaufen lasse, wenn ich mal ein paar Tage keine Verpflichtugen habe (und es auch keiner merkt, der mich dran hindern könnte)..aber diesen Gedanken habe ich mich dann auch nicht mehr hingegeben.

    Und der ganze Saufstil, den ich hatte, ging ja sowieso nur, weil ich mich zu den Pausen gezwungen habe und es daher überhaupt einen definierbaren Punkt gab, an dem ich angefangen habe.

    Ich hab mir dann eine Strategie zurechtgelegt, was ich genau in der Situation mache. Meistens musste ich nur erst mal was essen, bevorzugt Eisbecher, dann war dieser Impuls weg. Das funktionierte bei mir sehr gut.

    Ausserdem hab ich mich schon damit beschäftigt, also auch Bücher gelesen und mich "verortet", wo ich in dem ganzen Suchtgeschehen eigentlich stehe und wie ich ticke. Was bringt mich zu welchen Reaktionen, und das ganz ohne Wunschkonzert, sondern möglich so betrachtet wie es eben war und dann entsprechende Schlüsse draus gezogen. Eine Zeitlang habe ich mich mit "Du musst zufrieden trocken werden" sogar unnötig unter Druck gesetzt, hab da zu Perfektionismus geneigt bis ich akzeptiert habe, dass ich einfach mal schlecht drauf bin, wenn ich schlecht drauf bin, dass ich das nicht erzwingen kann - und dass ich deswegen aber noch lange nicht trnken muss. Ich hab das also innerlich voneinander getrennt, Trinken und Unzufreidenheit.

    Und lange ging das bei mir eh nicht mit dem Saufdruck, also in der ganzen Zeit in der ich so unzufrieden war musste ich dagegen trotzdem kaum ankämpfen, Bedürfnis zu trinken hatte ich da nicht. Kann ich nicht erklären, warum das bei mir so gründlich durch war und bei anderen nicht so funktioniert.

    Gruß Susanne


  • Ich wollte noch schreiben, dass ich mich schwer damit tue nur von Tag zu Tag zu gehen. Ich sehe manchmal dieses große Ganze vor mir und denke mir je nach tagesform, dass ich das auf jeden Fall schaffen werde oder dass das ein ganz schön "großer Berg" ist. Das heißt manchmal freue ich mich auf alles was da kommt, weil ich es jetzt endlich erleben darf und manchmal scheint es ewig zu sein, was mir wie weiter oben beschrieben Angst macht. Als ich mit dem Rauchen für einige Zeit aufhörte konnte ich das gut mit dem Tag für Tag. Ich weiß nicht, warum das beim Alkohol so anders ist.

    Zelda, nimm Dir doch nicht so viel für den Anfang vor. Natürlich hast Du ein Gedankenkarusell,
    weil Du nun endlich wieder richtig denken kannst.

    Aber sei doch einfach auch mal stolz auf Dich!

    Wer weiss, was morgen, nächste Woche ist... Es kann sich immer etwas ändern.

    Umso mehr muss man den heutigen Tag leben.

    Für mich ist es klar, warum der Entzug von Alkohol schwieriger ist, als der vom Tabak.

    Alkohol ist reinstes Nervengift und benebelt die Sinne. Die Zigarette räuchert zwar,
    aber berauscht nicht!

    Um zu Deiner Ziehtochter zu kommen... Auch ich habe einige Gespräche mit
    unseren Jungs geführt. Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht aufhören kann, wenn ich
    erstmal zu trinken angefangen habe. Dass ich kein Limit kenne.

    Wie ein Fass ohne Boden!

    Und das es besser ist, wenn ich erst gar nichts trinke. Das haben sie verstehen können.

    Alkoholiker können nicht mit Alkohol umgehen, deswegen gibt es für sie nur
    eine Lösung, um gesund zu werden! Gar keinen Alkohol!

    LG Elly

    Das Leben ist nicht immer einfach, aber eindeutig einfacher ohne Alkohol zu bewältigen!


  • Für mich ist es klar, warum der Entzug von Alkohol schwieriger ist, als der vom Tabak.

    so unterscheiden sich die Erfahrungen.
    Ich hab ein Jahr nach dem Trinken mit dem Rauchen auch noch aufgehört, demgegenüber erschien mir das mit dem Alkohol nachträglich wie ein Spaziergang. Hab ich von einigen anderen auch schon so gehört, und das was Du schreibst aber auch.
    Kann man irgendwie alles nicht über einen Kamm scheren.

    Gruß Susanne

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