Was das lesen und schreiben angeht...ich meine, ein Forum lebt ja davon, dass welche schreiben, dass es was zu lesen gibt und dass es nicht immer nur die gleiche Handvoll Schreiber ist, bei denen man sich die nächste Antwort irgendwann im Voraus schon ausrechnen kann. Also eigentlich kann da schon prinzipiell niemand zu viel sein, ausser er ist extrem unfriedlich drauf.
Ansonsten ist die Welt zwar klein, aber ich denke wenn Du bei Orten nicht mit Namensnennungen, sondern mit Umschreibungen arbeitest, dann ist die Wiedererkennung gar nicht so einfach. Ich bin bei Facebook bei ein paar Regionalgruppen, wo es wirklich um genau beschriebene Gegenden geht, und da finde ich es manchmal unglaublich wie gering das Vorstellungsvermögen vieler Zeitgenossen entwickelt ist.
Und die Wahrscheinlichkeit, aus München zu sein und irgendwo in Berlin Bekannten über den Weg zu laufen, ist höher als die Wahrscheinlichkeit der Wiedererkennung hier, einfach von der Zahl her. Zufälle gibts, aber wie Du schon schreibst, haben die ja vielleicht das gleiche Problem.
Was das Ganze Psychothema angeht: ich wollte am Anfang nur deswegen mit dem Trinken aufhören, weil ich unmittelbar körperlich unter meinen Suff-Folgen gelitten habe. Es waren eigentlich ein paar ganz "harte" Themen, nächtliche Schweissausbrüche, Kotzen, Schlaganfallrisiko, auch meine Ausflippereien im Suff, wo die Anfangsaufgabe eigentlich nur ganz klar hiess, das erste Glas stehen zu lassen, denn der Durst kam bei mir während des Trinkens. Wenn ich schon mal angetrunken war habe ich erst recht nicht "Nein" zum nächsten Schluck gesagt, und das wusste ich ja irgendwann aus Erfahrung, habs oft genug ausprobiert. Mit ein bisschen zusätzlicher Information, dass das beim Alkoholismus relativ normal ist, konnte ich mich damit einigermaßen leicht abfinden. Aber auch erst nachdem ich die Schnauze voll davon hatte, davor hab ich das biligend in Kauf genommen.
Ich wollte anfangs kein anderer Mensch werden, sondern ich wollte der gleiche Mensch, nur ohne diese Trinkfolgen bleiben. Bei mir dauerte es längere Zeit, bis ich gemerkt habe, dass ich an meinem Leben doch noch einiges ändern muss, weil ich dann zwar schon längere Zeit (ein, zwei, drei Jahre) nüchtern und auch zufrieden trocken in dem Sinn war, dass das für mich OK war, nichts mehr zu trinken, aber ich war mit einigen anderen Dingen derartig unzufrieden, dass ich doch noch was tun musste. Also ich bin dann irgendwann noch mal in eine etwas unkonventionelle Psychotherapie gegangen, die nichts mit Alkohol zu tun hatte (für die aber längere Abstinenz Voraussetzung war).
Nach 8 Wochen ohne Alkohol war bei mir grade mal die Motivationsgruppe in der Suchtberatung kurz vor dem Ende, und dann hab ich ca. ein dreivierteljahr lang überhaupt nichts mehr unternommen, ausser eben nicht zu trinken. Ich hab mich überhaupt nicht mehr mit dem Thema beschäftigt. Erst dann fing ich so langsam wieder an, mich da ran zu tasten. Und das lag daran, dass ich abends nicht runtergekommen bin und mir dann einfiel, klar, früher hast Du Dir die Kante gegeben, um abzustressen (eigentlich hab ich mir die Kante gegeben wenn ich gerade Lust hatte, ob das nun viel Sinn hatte oder nicht war mir eigentlich ziemlich egal, ich bin ja nur nem spontanen Impuls gefolgt wenn ich Lust drauf hatte. Aber wohl schon mit einer inneren Erwartung, dass der Druck in mir dann nachlässt und der Abend irgendeinen Spaß bringt, was schon lange nicht mehr richtig funktionierte, was ich aber immer erfolgreich verdrängt habe), und heute hast Du (also ich) offensichtlich nichts mehr, was Dir dabei hilft, also hat es vielleicht doch noch damit zu tun.
Ich bin eine eindeutige Verfechterin dessen, dass jeder selbst wissen muss, warum und wie er das macht, wobei für mich die Motivation zum Aufhören eigentlich wichtiger ist, als die Gründe warum man getrunken hat. Ich persönlich musste vor allem wissen, was ich damit erreichen will, dass ich aufhöre (und das war primär, dass ich anders schlafen und aufwachen wollte mit dem ganzen drumrum), natürlich kann ich Dir auch einen Vortrag halten warum ich damit angefangen habe, aber meine Trink/Konsumgründe haben sich während über 25 Jahren Suchtkarriere deutlich gewandelt und mindestens die Hälfte meiner Probleme hatte ich erst vom Trinken bzw. früher von den Drogen. Das Zeug hat ja Wirkung und sorgt selbst für Schäden aller Art. Letztlich wars eigentlich sowieso nur noch Sucht mit den Hauptgründen Montag, Dienstag, Mittwoch. Oder es hat geregnet wahlweise die Sonne gescheint, saufen kann man wegen allem, wenn man einen scheinbar vernünftigen Grund dafür braucht.
Und Königsweg oder Standardprozedere...gerade bei Langzeit-Trockenen, also bei Leuten die länger als 10 Jahre nüchtern sind, erlebe ich es relativ oft, dass sie sagen, dass es eines Tages einfack klick gemacht hat und sie plötzlich genug hatten und ohne das übliche Prozedere aufgehört haben. Schon was gemacht, sich damit auseinandergesetzt, aber nicht nach strengen Regeln. Was natürlich mit der Zusammensetzung meines Bekanntenkreises zu tun haben kann, klar.
Und an sich gilt, was funktioniert ist immer richtig. Ob das jetzt jemand Anderes genau so macht oder völlig anders, dient dem Erfahrungsaustausch, nicht mehr, aber auch nicht weniger.