• Ich hoffe, es ist ok, dass ich hier mal meinen Werdegang in der Entgiftung als eine Art Tagebuch aufschreibe, vielleicht hilft es zukünftigen Teilnehmern dieser Maßnahme die Angst zu nehmen. Und es hilft mir leere Zeit zu füllen 😁

    Tag1:Normale medizinische Aufnahme, Formalitäten erledigen, Zimmer und Station zeigen. Zimmer beziehen, Ablaufe erklären und viele neue Menschen kennenlernen. Erste Medikation und Gespräch mir Fachärztin. Dann Mittagessen, dabei ist mir dann mir prompt meine Schwiegermutter über den Weg gelaufen, anscheinend hat sie mich nicht erkannt oder übersehen. Bis zum Abendessen dann Pause, AA ausgefallen, aber viele nette, aber auch komische Menschen kennengelernt. Um 22:00 Uhr totmüde ins Bett gefallen.


    Tag 2: um 08:00 Uhr aufgewacht, zehn Stunden Am Stück gepennt, das hatte ich schon ewig nicht mehr, und bis dahin kaum Entzugserscheinigungen, nur leichtes Zittern. Vormittags Erstgespräch mir Psychologin und Sozialtherapeut. Alle, Ärzte und Schwestern sind empathisch und jederzeit für einen da. Kurzes Gespräch mit einer Schwester, dass ein Kontakt zu meiner Schwiegermutter provoziert werden sollte, wird morgen mit einem Arzt geklärt. Entzugserscheinungen am Ta:, Tremor Abgeschlagenheit und umsicherer Gang. Heute noch Abendessen und blaues Kreuz SHG. Beide SHGs sind einmal Pflicht. Uberhaubt sind viele Veranstaltungen Pflicht und die Teilnahme wird geprüft. Wenn da was fehlt gibts Mecker vom Oberarzt!

    Und dann noch der Hammer: Ich laufe hier um eine Ecke und stoße fast mit meiner Schwiegermutter zusammem. Wir gucken uns erstaunt an, dann sie ganz erfreut:“ Hallo A. Du auch hier?“ „Ja, ich brauche auch mal Hilfe“. „schön, dann sehen wir uns ja bestimmt mal!“. Sie hat dann einer Schwester ganz freudig erzählt, dass ihr Schwiegersohn hier auch Urlaub macht 😄 Geht doch 😉

  • Mir geht’s immer besser, gestern war der Tag ziemlich voll gepackt mit Therapien. Ich bekomme noch Medis gegen die Entzugserscheinungen, die aber aber so langsam nachlassen. Korperlich fühle ich mich deutlich fitter und ich esse wieder ganz normal. Das Gute an dieser Blase ist, dass ich nur Gleichgesinnte treffe, einige sind sehr nett, so dass es schon eine gewisse Cliquenbildung gibt, im positiven Sinne. Am Wochenende passiert natürlich nicht viel, aber meine Familie will mich besuchen, darauf freue ich mich natürlich schon sehr. 😊

  • Eben waren meine Töchter hier, dass war natürlich sehr schön. Sie waren sehr ehrlich interessiert daran, wie es mir geht und wie die Therapie so abläuft. Aber auch alltägliches war Thema. Sie haben natürlich auch ihre Oma besucht, was wohl etwas schwieriger war. Ich habe großen Respekt davor, wie sie mit den beiden Situationen umgehen. Meine Ex war nicht mit, ich habe den Verdacht, dass sie gar nicht damit einverstanden ist, dass ich es gewagt habe trotz Anwesenheit ihrer Mutter hierher zu kommen. Dass das für mich existentiell wichtig war ist ihr wohl nicht bewusst. Nicht mein Problem!

    Danach erstmal eine rauchen und dabei mit einem jüngeren Patienten über meine Schwiegermutter unterhalten , die ist hier wohl bekannt wie ein bunter Hund 😄 Er stellte die berechtigte Frage, warum sie nicht auf der Geriatrie liegt, die gibt es hier auch. Mein erster Impuls war: da frage ich mal nach, Aber eigentlich geht mich das nichts an.

    Morgen kommen dann wahrscheinlich mein Sohn und seine Freundin, das wird bestimmt auch nett.

  • Kurzes Update: weder mein Sohn noch meine Ex haben mich besucht, denn eben nicht. Ich ärgere mich nicht darüber, ich habe genug mit mir selbst zu tun.

    Ansonsten ist die körperliche Entgiftung durch und ich fühle mich bestens. Ich merke, wie die Kräfte in meinen Körper zurückkommen und ich psychisch gelassener werde. Ich kann gut schlafen (sicher auch wegen der Medis) und fresse wie ein Scheunendrescher 😄. Der Tag ist voll mit diversen Therapien und Gesprächsrunden und ich habe das Glück, dass wirklich nette Leute unter den Patienten sind, mit denen ich gute Geapräche führen kann. Suchtdruck hatte ich auch noch nicht, aber ich vergesse nicht, dass ich hier in einer Blase lebe. Alles in allem sehe ich sehr positiv in die Zukunft 🙂

  • Und mal wieder ein Update: Mir geht’s gut, keine Entzugserscheinungen mehr und körperlich fühle ich mich jeden Tag fitter. Und: morgen nach dem Frühstück kann ich nach Hause, Belastungswochenende! Darauf freue ich mich natürlich und hoffe, dass die Eine oder der Andere aus der Familie morgen Abend Zeit findet, damit wir etwas Zeit verbringen können Bzgl. Alkohol habe ich keine Bedenken und bin gespannt, wie sich der erste Abend nüchtern zu Hause anfühlen wird.

  • Hey Paddy! Bei mir hieß das Ganze damals BEP (=Belastungserprobung). 😃 Hach ja, da kommen Erinnerungen hoch. Die erste BEP fiel mir schwer, da wir hier im Stadtteil Straßenfest hatten und alles voll war im Trinkenden. Hattest du dein zu Hause vorher schon Klarschiff und Alkfrei gemacht, bevor du in den Entzug bist? Hoffe, die BEP lief gut und landest gleich in der Klinik wieder wohlbehalten und nüchtern an. ✌🏻

  • Moin Baghira, meine Wohnung war clean, das letzte Leergut haben meine Kinder rausgeholt. Ich war ja nur einen Abend alleine zu Hause, es fühlte sich aber völlig normal an abends vorm TV leckeren Tee zu trinken statt Wein. Einkaufen war ach kein Problem, kein Gedanke daran, Alk zu kaufen. Sa war mein Sohn mit seiner Freundin da, Sonntag meine Stieftochter. Also alles gut gelaufen 😊

  • Hallo Paddy,

    ich glaub' , du hast genau die richtige Einstellung, unverkrampft, es locker sehen, zuversichtlich, so nach dem Motto "das wird schon", denn vorher ging's ja auch.

    So startete ich auch. Dann besuchte ich eine SHG ... da malte man den Suchteufel an die Wand, wie schwer und mühevoll das alles sei ... man ständig unter Suchtdruck leiden müsse u.s.w. - schnell war ich da wieder weg!

    Hin und wieder war ich zwar etwas unsicher, nicht gerade wankelmütig oder gar versucht, jedoch, ich hatte mich entschieden und wusste, vertraute darauf, dass das anfängliche mögliche Craving oder die ganze Triggerei nur in meinem Kopf stattfinden würde und wenn überhaupt ... es nachlässt mit der Zeit.

    Ich sollte recht behalten.

  • Moin Paul, ja, ich gehe da relativ entspannt ran, vergesse aber nicht den Ernst der ganzen Sache. Ich bin zum Glück in einer SHG, in der es recht locker zugeht, das hilft mir sehr. Ich vergesse auch nicht, dass ich hier im KH in einer Blase lebe und dass der Alltag wieder herausfordernd wird. Das kann ich nur bedingt andern und muss lernen, damit umzugehen. Wird schon 🙂

  • ... und dass der Alltag wieder herausfordernd wird.

    Genau das benötigt Zeit, was dir heute noch herausfordernd erscheint, wird in ein paar Wochen/Monaten keine Herausforderung mehr sein.

    Außer du hälts diesen Gedanken immer am Leben.

    Mir ist Alkohol mittlerweile sowas von egal.

    Wir sind eben doch das Produkt unserer Gedanken.:)

  • Paul, wir haben mittlerweile alle verstanden, was Du für ein Supertyp bist, der alle Herausforderungen des Lebens mit einem Handstreich erledigt.

    Ich kann Dir versichern, dass es keine einfachen Lösungen in komplexen Situationen gibt. Die Geschichte zeigt, dass soetwas zum scheitern verurteilt ist. Deine Simpel-Lösung "einfach nicht mehr an Alkohol denken, dann ist das alles ganz easy" ist eine Abwertung der Menschen, die ernsthafte Suchtprobleme haben. Auch wenn Du das nicht explizit aussprichst.

    Es ist bei Sucht nicht die Flasche Bier, die im Regal steht, die man nicht mehr anschauen kann, weil sie evtl. Suchtdruck auslöst. Ich muss nicht mit gesenktem Kopf durch die Schnapsabteilung laufen. Suchtdruck entsteht oft durch emotionale Konflikte, die Betroffene mit Alkohol oder anderen Drogen gelöst haben. Und für mich gesprochen löst nicht die Flasche Bier oder andere Drogen die auf dem Tisch liegen den Suchtdruck aus, sondern Probleme, die mich alltäglich emotional belasten und unlösbar sind. Und ich habe keine andere Möglichkeit diese Scheißgedanken anzuhalten, als durch Betäubung. Ich hab die ersten Wochen meiner Trockenheit eine halbe Kneipe im Keller stehen gehabt - es ist nicht die Flasche, die mich zum trinken motiviert, sondern die Depressionen, die ich bekomme, wenn mein Kopf niemals Ruhe gibt und permanent über alle Sorgen des Alltags kreist.

    Und die zweite Rückfallvariante kommt auch oft aus der "ich muss einfach nicht mehr dran denken und alles wird gut"-Lösung. Wenn man nämlich länger nicht mehr getrunken hat und durch diese Leichtigkeitseuphorie plötzlich glaubt die Sucht überwunden zu haben.

    Wenn das alles so easy wäre würden nicht 95% im ersten Jahr rückfällig.

    Beste Grüße Helga

  • Mein Ziel ist es definitiv auch, dass mir Alkohol völlig egal ist. Das habe ich noch nicht ganz erreicht, ist ja klar weil ich noch nicht solange von der Brühe weg bin. Aber eins steht fest….Alkohol hilft bei gar nichts im Leben. Egal welche Krisen man durchlebt, mit Alkohol wird alles nur noch schlimmer. Alkohol unterstützt und hilft nicht. Krankheiten, auch Depris, werden durch Alkohol noch schlimmer. Alkohol ist ein Nervengift und Paul hat für sich einen guten Weg gefunden. Er hat ja schon mehrere Jahre erfolgreich geschafft. Mir gefällt dieser Weg auch sehr viel besser als dauerhaft an dem Thema festzuhalten. Ich gehe mal davon aus, dass es in seinem Leben auch Höhen und Tiefen gibt. Mir zeigt sein Erfolg, dass diese Möglichkeit gut funktionieren kann. Natürlich ist nicht jeder gleich, es gibt zig Wege um ans Ziel zu kommen. Jeder Mensch ist unterschiedlich, jeder hat seine persönlichen Stärken und Schwächen. Deshalb ist auch der Umgang mit der Abstinenz individuell. Ich z.B. kenne meine Stärken und Schwächen sehr genau, ich weiß was ich kann und was mir schwer fällt. Selbstverständlich nutze ich das dann für meine Abstinenz. So hat das Paul für sich bestimmt auch gemacht. Andere sprechen oder schreiben viel zu dem Thema um nicht zu vergessen wo sie nicht mehr hin wollen. Erinnern sich an die Kater, den Brummschädel usw. um den Alkohol stehen zu lassen. Es ist alles gut was hilft. Wichtig ist einzig und allein, nüchtern zu bleiben. Das ist das A und O.

    Ich bin für Tips sehr offen und dankbar und schaue was zu mir passt und mir hilft.

  • Paddy das hört sich doch sehr vielversprechend an. Ich denke öfter an dich und wünsche dir gutes Gelingen. Die Daumen sind gedrückt. Alles braucht seine Zeit, es wird mit jedem Tag besser und besser. 🙋‍♀️💪👍

  • Ein langweiliger Feiertag geht zu Ende, heute war einfach nichts los. Ein kleiner Spaziergang im Wald, das hat gut getan. Morgen Mittag geht’s dann bis Sonntag wieder nach Hause, ich freue mich schon darauf. Und dann noch drei Tage, dann hat mich der Alltag wieder. Wenn ich sehe, was für Gestalten hier die letzten Tage angekommen sind weiß ich, dass ich auf dem einzig richtigen Weg bin.

  • Ruhe und Langeweile sind doch auch mal schön, man kann sich auf sich besinnen und Pläne schmieden wie nun der neue Weg gestaltet werden kann. Wichtig ist auch sich nen Notfallplan zu überlegen. Den braucht man in der ersten Zeit. Auch einfach mal die Seele baumeln lassen. Wünsche dir ein schönes Wochenende.

  • Moin Paddy! Ich bin damals auch Anfang November aus dem Entzug raus und das war auch zu einem Zeitpunkt, als das Publikum dort sich stark veränderte. Jetzt kommt die Jahreszeit, in der Manche in den Entzug gehen, um einen warmen Schlafplatz plus warmer Mahlzeit zu haben.
    Wie geht es denn nun für dich weiter? Kommt da noch eine Anschlussbehandlung oder wie möchtest du für dich fortfahren?

  • Stimmt,einige kommen nur wegen Bett und Essen, lassen sich „Trockenschleudern“ und gehen dann wieder. Ich habe am 11. einen Termin bei sozialpsychiatrischen Dienst, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ich bin erstmal für alles offen und ich habe vor, ab übernächster Woche wieder zu arbeiten, wer weiß, wann eine Reha losgehen könnte. Aktuell habe ich den Eindruck, dass ich den weiteren Weg auch ohne Reha schaffe, nicht alleine, aber mit SHG und Rückhalt aus der Familie. Aber das werde ich nächste Woche auch nochmal mit der Psychologin besprechen.

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