Hallo Miteinander,
ein Austausch im Thread Honk - Handbremse gezogen hat mich auf den Gedanken gebracht, dass wir uns mal in einem Extra-Thread über das Thema „Achtsamkeit“ austauschen könnten.
Greenfox hatte dort geschrieben:
ZitatUnd diese Achtsamkeit ist mittlerweile schon zur Normalität geworden. Geworden. Ich zumindest musste es erst lernen.
Honk hatte darauf geantwortet:
ZitatIch denke dass ist ein guter Punkt den Du ansprichst. Gleichzeitig auch wieder ein Punkt, über den man vortrefflich streiten kann, wie man Achtsamkeit definiert und wie man Achtsamkeit lebt.
Für die einen ist es einfach ein stiller Entschluss, der reicht ihnen aus. Die anderen machen sich den Entschluss anders bewusst in dem sie laut sind. Weiter andere gehen regelmäßig zu SHG´s und tauschen sich dort aktiv aus, hier im Forum tauschen wir uns aus. Btw, ich muss gerade schmunzeln....ich habe mal ordentlich auf die Mütze bekommen ich würde meine Abstinenz nicht ernst nehmen, ich würde mich nicht ausreichend damit beschäftigen...sprachs und antwortete mir in einem Forum mit einem Bezug zu Alkohol..merkt ihr was ?
Ich selbst stieß vor ungefähr fünfzehn Jahren auf diesen Begriff „Achtsamkeit“. Ich begriff damals schon, dass das ein wichtiges Thema für mich sein könnte, verstand damals aber nicht wirklich, was sich eigentlich hinter diesem Begriff verbarg und wie ich das umsetzen könnte. Ich erinnere mich, dass ich im WWW gesucht hab, was das eigentlich genau ist, und ob es eine Anleitung gab, wie ich diese „Achtsamkeit“ denn umsetzen könnte. Mit dem, was ich fand, konnte ich damals nichts anfangen. Also ließ ich das Thema erstmal links liegen und machte so weiter wie bisher.
Honks Worte riefen bei mir diese Zeit und die Zeit, die später kam, in Erinnerung. Was bedeutet denn eigentlich „Achtsamkeit“, wie definiert man das, wie lebt man das?
Honks Antwort entnehme ich, dass er das auf die „Selbstfürsorge“ / „Trockenarbeit“ bezieht, die auf unterschiedliche Weise und unterschiedlichen Wegen betrieben wird, um die eigene Alkohol-Abstinenz zu bewahren. In dem anderen Forum zum Beispiel haben sie ihre „Grundbausteine“ dafür entwickelt. Andere, Selbstbetroffene in diesem Forum zum Beispiel, gehen wiederum andere Wege.
Nach meinen eigenen Erfahrungen mit dem Thema „Achtsamkeit“ denke ich, dass Achtsamkeit noch weiter geht als das, was wir in unserem Zusammenhang als „Selbstfürsorge“ oder „Trockenarbeit“ bezeichnen. Teilweise mag das Hand in Hand gehen, aber „Achtsamkeit“ bedeutet für mich noch etwas anderes. Im Grunde eigentlich ist das für mich nichts weiter als aktives Wahrnehmen dessen, was um mich herum und in mir drin grad los ist bzw. geschieht.
Als ich vor achteinhalb Jahren wegen schwerer Depressionen in die Klinik ging, traf ich auf eine Ärztin, die mir tatsächlich vermitteln konnte, was „Achtsamkeit“ eigentlich ist. Ich begriff, dass ich den größten Teil meiner letzten Jahre mehr oder minder auf „Autopilot“ unterwegs gewesen war. Auf „Autopilot“ unterwegs sein ergibt sich zwangsläufig durch die Gewohnheit. Was wir gewohnt sind, nehmen wir in der Regel nicht mehr sonderlich bewusst wahr. Deshalb haben wir, je älter wir werden, immer mehr das Gefühl, dass die Zeit schneller vergeht.
Ich lernte, dass Achtsamkeit bedeutete, diesen sogenannten Autopiloten abzuschalten und mich ganz bewusst in die reine Wahrnehmung meiner fünf Sinne zu begeben, ohne diese Wahrnehmungen zu werten.
Ich musste das zunächst ganz schön üben, bis ich das hinkriegte. Meistens habe ich das während meiner vielen Spaziergänge in der Klinik geübt. Auch beim Essen und in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens hab ich mich drum bemüht. Später habe ich das dann in meinen Alltag integriert.
Nachdem ich das mit der Wahrnehmung von äußeren Reizen halbwegs hinkriegte, ging’s einen Schritt weiter und zwar in die Wahrnehmung dessen, was von Innen kommt: Welche Gefühle fühle ich in meinem Inneren? An welchen Stellen in meinem Körper äußern sich diese? Was für Gedanken gehen mir gerade durch den Kopf? Dabei ging‘s steht’s nur ums Wahrnehmen und Beobachten.
Heute Jahre später ist mir dieses Training zur Selbstverständlichkeit geworden und es hat mein Leben zum Positiven verändert. Mitunter führt dieses achtsame Wahrnehmen dazu, dass ich rechtzeitig merke, wenn etwas bei mir in eine nicht so gute Richtung läuft. Das gibt mir dann ggf. die Chance in Richtung „Selbstfürsorge“ tätig zu werden.
Das von mir nur als „Aufhänger“. Vielleicht fühlt sich ja der eine oder die andere inspiriert, eigene Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema zu äußern.
Viele Grüße
AmSee