Ich beziehe mich hier auf ein "Phänomen", was mir immer wieder begegnet und zwar das öffentliche "Bekenntnis" zu seiner Abstinenz in der Öffentlichkeit. Und ich meine nicht damit, der Welt nun mitzuteilen dass man ein Alkoholproblem hat oder hatte, sondern das man schlicht und einfach es selber für normal erachtet KEINEN Alkohol zu trinken und dieses auch mitzuteilen.
An einer andere Stelle habe ich das gerade gelesen und ich wundere mich gerade. Da geht es in dem Fall um die Nachfrage wie man sich verhalten soll, wenn man zu einer Weihnachtsfeier eingeladen wird. Es geht nicht darum getriggert zu werden sondern das man sich augenscheinlich "schämt" Alkohol abzulehnen. Und auch die Ratschläge zu dem Thema gehen in die Richtung, sich entweder eine Ausrede einfallen zu lassen oder ggf. die Veranstaltung zu meiden.
Und ich frage mich wirklich ernsthaft, weil ich das schon oft mitbekommen habe, warum ist das Nichttrinken nicht normal? Warum scheint es so zu sein, das abstinente Menschen anscheinend oft in einer "Scham"-Ecke sitzen und sich (gezwungen fühlen?) rechtfertigen, KEINEN Alkohol (mehr) zu trinken und ganz viel Wert darauf legen was das Umfeld denkt. Und vor allem auch noch das Umfeld, was oftmals selber konsumiert und ggf. sogar problematisch konsumiert.
Ich würde meinen Teil habe in meinem Kopf den Gedanken etabliert, es gibt nur ein Personenkreis, die das Recht haben KÖNNTEN, meinen (ehemaligen) Alkoholkonsum in irgendeiner Weise zu kommentieren: Das sind die Leute, die selber keinen Alkohol trinken und von daher eine ganz andere Sichtweise auf mich haben.
Allen anderen, und besonders die Leute, die bei besonderen Zusammenkünften selber Alkohol konsumieren und das nicht zu knapp, habe doch faktisch überhaupt kein Recht dazu, über mich zu urteilen, weil sie selber mitten drin stecken? Im Gegenteil sogar, wenn ich dazu stehe, KEINEN Alkohol mehr zu trinken, aus welchen Gründen auch immer, bin ich den trinkenden Menschen in meiner Entscheidung und Entwicklung doch einen riesigen Schritt voraus. Ich habe für mich erkannt, das mir Alkohol nicht gut tut. Und Alkohol tut niemanden gut, das ist doch Fakt.
Ich habe mich auch eine Zeitlang dem Gedanken hingegeben, mich in irgendeiner Weise schuldig zu fühlen oder mich "schämen" zu müssen, weil ich wohl mit Alkohol nicht umgehen kann. Und dann kam ich aber schnell zu der Erkenntnis: ICH bin die Person, die mit Alkohol umgehen kann, denn ich trinke ihn nicht mehr. ALLE anderen, die mit einem Bier in der Hand meinen Konsum meinen kommentieren zu müssen, DIE können nicht mit Alkohol umgehen. Denn wer meint, den NICHT-Konsum einer Droge negativ oder abwertend kommentieren zu müssen, relativiert und verharmlost SEINEN Konsum.
Ich stehe mittlerweile wirklich standhaft dafür, als NTM -> Nicht Trinkender Mensch - selbstbewusst zu agieren und sich nicht zu verstecken. Es gibt NICHTS wofür man sich verstecken müsste. Wenn ich auf einer Weihnachtsfeier mal wieder Scheisse gebaut habe und dem Chef auf den Schreibtisch gekotzt habe, das ist KEINE lustige Geschichte. Wenn ich besoffen meine Freundin tätlich angegangen bin oder wieder X-WhatsAPP der Schande geschrieben haben, ist das NICHTS zum lachen. Wenn ich besoffen neben einem komischen Menschen im Bett aufgewacht bin und mir am nächsten Morgen deswegen nicht in die Augen gucken kann, muss ich im Boden versinken. Und nicht die Person, die in voller Willensentscheidung - weil nicht vernebelt in der Birne, andere, sinnvolle Entscheidungen getroffen hat.
Ich weiß nicht Leute, wir NTM, und es ist echt egal warum man ein NTM ist, müssen echt mal aus der Ecke raus als ob WIR etwas falsch gemacht haben. Diese gesellschaftlich etablierte Annahme oder Scham ist so verlogen und falsch, da kräuseln sich bei mir echt die Fussnägel.
Es wird echt Zeit das sich Abstinenz wirklich etabliert und das neue Normal wird. Und nicht das saufen an jeder Ecke.