Hallo an alle,
nach langem Überlegen habe ich beschlossen, nicht nur passiv in Forum zu lesen, sondern paar Zeilen zu schreiben.
Warum? schwer zu sagen...Es ist wahrscheinlich einfach die Zeit gekommen...
Ich bin Dagny, fast 44 ..Meine Geschichte ist keine Ausnahme und absolut trivial...Ich bin Alkoholikerin.
Ich habe schon immer gerne getrunken, in Studienzeit ging es richtig los und auch später, auch viel ab und zu.
Aber nicht jeden Tag und damals machte es noch Spass, auch wenn ich ab und zu am nächsten Tag "krank" war...
Bin viel umgezogen (andere Länder), viel Stress, so trank ich auch unter der Woche ab und zu Flasche Wein alleine.
Am Wochenende so wieso....Stress..tja...Alkoholiker finden immer einen Grund zu trinken - Freude, Trauer, Feier oder Depression, Stress oder Wut, es ist schlechtes Wetter, es ist gutes Wetter, jemand ist geboren, jemand ist gestorben.....Alkohol ist stets mein fester Begleiter geworden....
Wie ist all die Jahre, besonders die letzten, funktionierte, keine Ahnung, um ehrlich zu sein.
Ich wusste schon immer im Hinterkopf, dass ich die Schwäche für Alkohol habe.....
Aber ich "hatte doch alles im Griff"...ich trinke doch "ästhetisch mein Wein und liege doch nicht irgendwo unter der Brücke"..und habe keine Probleme mit dem Alkohol...
Ha! Die Erkenntnis, dass ich ein riiiiesiges "Problem" mit Alkohol habe, beschlich mich vor Paar Jahren, wo ich versuchte eine Pause anzulegen und ...gescheitert...
Selbstverständlich begleitete auch andere "Merkmale" mein Leben mit allem drum-dram wie Verhaltensveränderungen, Verlust der Interesse an allem ausser Trinken, Schuldgefühle, Aussehen etc..
Ich arbeite von zu Hause, seltene Termine versuchte immer am Nachmittag zu verlegen.....
und dann am späten Abend am Computer, wo alles zu Ruhe kommt, ich und mein Wein...Kreativität braucht doch "Stimulation"..Schlimm.
Irgendwann war auch das nicht mehr so einfach, da ich schon am Mittag mein Wein brauchte...So "langsam aber sicher" habe ich meine tägliche Dosis 1-2 Flaschen Wein erreicht...Die Nächte sind zu einem Alptraum geworden, morgens konnte ich nicht mehr in Spiegel schauen und versprach, dass ich aufhöre.
Schon am Mittag holte ich mir wieder Wein...
Ich trank heimlich und versteckte die Flaschen...
Ich versuchte mich damals an den Tag erinnern, an dem ich nicht trank....die letzten 4-5 Jahre gabs so ein Tag nicht (vielleicht länger wer weißt...)...
Und rückblickend konnte ich mich nicht an einem Monat ohne Alkohol erinnern, seit ich 20 war...das ist erschreckend..
Ich war fertig und erschöpft, physisch und psychisch am ende.
So begann ich damals, in Internet über das Thema zu suchen und lesen, bin auf diesen Forum gekommen und auch paar anderen.
Meine Strategie war - ich versuche selbst "mich aus dem Sumpf rauszuziehen"..wenn es innerhalb paar Monate nicht klappt, gehe ich zum Arzt...
Aber so einfach war es nicht...Jegliche Vorstellung, dass "ich nicht mehr ..nein - NIE mehr mein Wein trinken werde", versetzte mich in Schock und jagte mir Angst..
so dass ich an dem Tag noch mehr getrunken habe. Auf Vorrat sozusagen :))) (bin Geizkragen, mag nicht mein Wein teilen :)))
An einem gewöhnlichen Tag führ ich die Straße, die ich mehrmals pro Woche fahre...
Es war ca. 8 Uhr morgens, schien die Sonne. Es war 19.02.2019 und ich beschloss, an dem Tag nicht zu trinken...
Es ist sehr schwer zu beschreiben...aber ich habe mir gesagt "heute trinke ich nicht, nur heute"...Wie es morgen wird, weiss nicht, aber heute trinke ich nicht.
Ich weiss noch die Stelle wo es war und jedes mal, wenn ich jetzt fahre, denke ich an diesen Moment.
Es war ...es war einfach befreiend....ich muss heute nicht lügen, muss heute nicht planen, wie ich so trinke, dass keiner merkt ..(merken sowieso alle, aber tja..Selbsttäuschung funktionierte ja super davor :))
Seitdem trinke ich nicht....Mittlerweile 1 Jahr und 7 Monate..
Das erste Jahr war nicht einfach...besonders die ersten Monate....(dabei hatte ich keinen Druck oder Verlangen zu trinken)...
Kein Wunder, Anästhesie war weg...ich dachte, ich falle auseinander :))) Alle Entzugserscheinungen etc...
Mein Kopf habe ich die ersten Wochen und später Monate für "Tunnel" modus geschalten mit einem einzigen Gedanken - "heute trinke ich nicht"....
Und ich musste nicht viel tun....ich musste nur "heute nicht trinken" ...komischerweise klappte es..
Alles andere veränderte sich von alleine..mit der Zeit ..Ich hatte Gefühl, als ob ich mich mitten in einem Hurrikan befinde, alles dreht sich um mich..und reißt mit sich den Staub und Rost, das mich bedeckt.... Ich habe mich sehr verändert in der Zeit.
Nach ca. 1,5 Jahre hat sich der Sturm gelegt...Ich spüre, es ist Zeit, den nächsten Schritt zu machen - zur Abstinenz.
Denn davor war ja nur "Austrocknen"...
Heute erschreckt mich der Gedanke, nie wieder zu trinken, nicht mehr :))))
Aber ich mache mir keine Illusionen, dass ich "geheilt bin"...und mir ist klar, dass das Aufhören zu trinken - erst der Anfang ist.
Ich muss noch lernen, nicht wieder anfangen zu trinken....
wenn man dabei noch Glücklich wird oder bleibt...heh...dann hat man Zen erreicht :))))