Hallo ihr Lieben,
ich bin nun 30 Jahre alt. Ich glaube meine Geschichte beginnt mit meiner Geburt - oder sogar noch davor.
Ich komme aus einer typischen Suchtfamilie. Bereits meine beiden Großväter waren Alkoholiker. Beide sind recht früh gestorben und ich habe sie nicht kennengelernt. Beide waren gewalttätig. Und mein Vater setzte die Tradition einfach fort. Er war kein Pegeltrinker, sondern hat immer "quartalsweise", vor allem bei Ärger mit meiner Mutter getrunken. Und wurde auch gewalttätig - meiner Mutter gegenüber. Er selber ist seit ca. 10 Jahren trocken. Meine Schwester ist Heroinabhängig und mein Bruder ist - Tada - Alkoholiker.
Ich wurde in jungen Jahren als Schutzschild benutzt und zum Co-Abhängigen gemacht. Mit 14 Trank ich dann mein erstes Glas - Es war fabelhaft. Mit einem älteren Freund, mitten im Wald. Ich erinnere mich, wie gut es mir getan hat. Die Ängste waren weg und ich habe mich so großartig gefühlt. Schon damals erkannte ich: Wenn ich trinke, dann richtig. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals Maß halten zu können.
Wenn ich trank, wurde ich oft weinerlich oder einfach komisch und unangenehm. Aber alle tranken und ich wollte auch trinken.
Mit ca. 21 hatte ich dann eine starke Angststörung bekommen und wurde sehr depressiv. Die Ängste hielten permanent, 24 h am Tag an. Ich fing eine Therapie an und war sogar stationär aufgenommen. Nach meiner Therapie an, Silvester, schoss ich mich derbe ab und wollte mir mit jeder Menge Tabletten das Leben nehmen (hat natürlich nicht geklappt, ich hatte nur seeeehr starke Bewusstseinsstörungen und Halluzinationen und wurde wieder kurzfristig eingeliefert).
Ich hatte da beschlossen keinen Alkohol mehr zu trinken. Das klappte sehr sehr gut. Zumindest ein Jahr lang, bis ich das Studium wechselte und neue Freunde gewann. Dort habe ich mich dann auch regelmäßig bis zur Vergessenheit betrunken. Ich machte viele peinliche Dinge und war gefangen zwischen Depression, Scham und Schuld und dem neuen Kick zu Trinken. Ich trank einfach weiter. Und irgendwann fing ich an alleine zu trinken.
Erst waren es 1-2 Bier am Abend, die mir auch gereicht haben. Und dann wurden es langsam immer mehr. Auf einmal waren es 3, dann vier, dann fünf, dann sechs...
Mittlerweile ist mein normales Pensum 6 Halbe am Abend. Es können auch mal mehr werden. So bis zu 10 Halbe, wenn ich zu früh anfange oder noch irgendwo unterwegs bin.
Ich trinke also ca. seit 5-6 Jahren fast täglich. In den letzten Monat hatte ich es auch mal geschafft nur 1-2 mal die Woche zu trinken. Dieser Zustand hielt, wie man sich vorstellen kann, nicht sehr lange an. Nun bin ich seit 4 Wochen (mein letzter Urlaub) wieder voll drin.
Mein Trinkprotokoll der letzten Wochen dürfte sich zwischen 5-7 Tage die Woche mit 6-9 Bier täglich belaufen. Und ich beginne während des Trinkens immer mehr in Depressionen zu rutschen. Teilweise mit Suizidgedanken. Mir ist klar geworden, dass ich einfach kein Maß halten kann. Das ich den Punkt überschritten habe zur akuten Sucht. Körperliche Entzugssymptome habe ich noch keine - zumindest keine sichtbaren - kein Schwitzen, kein Zittern. Aber Gereiztheit, schlechte Laune, Unlust und Stimmungsschwankungen sind eindeutig da.
Ich möchte das Trinken aufhören, ich möchte so gerne leben und meine Lebenslust, meine Kreativität wiedergewinnen. Ich habe bereits 2 mal versucht in einer Therapie unterzukommen, jedoch habe ich das Ganze irgendwann abgebrochen. Beim ersten Mal kam ich irgendwann nach Hause und habe mir eingeredet: So schlimm es doch nicht?! Das geht schon. Beim zweiten Mal wurde ich einfach immer wieder in der Suchtberatung vergessen und dann verlor ich die Motivation.
In mir wird eine Stimme immer lauter, die das Trinken einfach nicht mehr möchte. Jedem ersten Schluck geht ein großer Kampf in mir los zwischen: TRINK JETZT WAS! und Ich will das nicht!
Ich zögere diesen Schritt momentan hinaus. Ich wollte schon vor 2 Wochen aufhören. Allerdings stand letztes Wochenende eine Hochzeit an und heute fahre ich mit meinem Besten Freund in den Urlaub. Wir trinken immer zusammen.
Die Hochzeit und der Urlaub haben meine Gedanken derart in Beschlag genommen, dass ich den ganzen Tag an nichts anderes denken konnte. Also "Wie soll ich auf eine Hochzeit gehen ohne zu trinken?! Wie soll ich die 10 Tage da überstehen. Er trinkt Bier und ich habe permanenten Saufdruck?!"
Ich weiß dass das Ausflüchte sind, aber ich hatte mir eigentlich zurechtgelegt, dass ich nach diesem Urlaub aufhören werde zu Trinken. Und zwar ganz. Seit ungefähr 3 Wochen erarbeite ich mir Strategien, die ich gegen den Saufdruck benutzen kann. Lese viel über zufriedene Abstinenz und Süchte. Ich besitze generell viel Wissen darüber, da ich Sozialarbeiter bin. Dieses Wissen hat mir aber bis jetzt nicht geholfen.
Vielleicht klingt das ganze total wirr und ich weiß selber nicht, was ich eigentlich sagen möchte. Momentan bin ich einfach total zerrissen zwischen dem Wunsch nicht trinken zu wollen und diesem Urlaub. Mein Plan ist ab dem 05.08. nüchtern zu bleiben. Und ich möchte dieses Forum nutzen um mich auszutauschen und Tipps und Unterstützung zu finden.
Liebe Grüße
licerin