Lieber Stevie,
Du hast geschrieben, dass du mit so wenigen Tagen nicht prahlen möchtest, hast es aber in diesen Thread ja getan. Ich wiederum "prahle" mit meinen Tagen ja sozusagen auch. Und ich persönlich finde das gar nicht verkehrt. Ich bin auf meine nüchternen Tage total stolz! Einfach weil es sich anfühlt, als würde ich langsam jeden Tag neu geboren und jeder Tag ist für mich ein Erfolg in die richtige Richtung. Ich habe ja auch tausend Mal erwähnt, dass ich noch lange nicht trocken bin und das meine jetzigen Gefühle und Gedanken sich nochmal vollständig ändern können. Jeder hier im Forum hatte den Tag 1, an dem seine Reise in ein neues, nüchternes Leben gestartet ist. Es gehört einfach auch Mut dazu - für diese lange Reise.
Ich war gestern bei den Guttemplern und ich war dort mit gemischten Gefühlen. Ich hatte erst ein Einzelgespräch, in dem ich offen und ehrlich über meine Sucht gesprochen habe (Was ich alles getan habe und welche Gefühle und Gedanken ich hatte/habe). Das war irgendwie befreiend und ich war traurig und wütend über mich zugleich.
In der Gruppe waren alle Menschen 50+ und mir fiel es ehrlich gesagt schwer mich zuerst mit den Menschen dort zu identifizieren. Nach der Gruppe habe ich mich noch mit verschiedenen Mitgliedern unterhalten. Und da habe ich gemerkt: Unsere Geschichten sind alle ähnlich. Mir wurden Telefonnummern gegeben und das Angebot, dass ich mich in Krisen melden kann. Wow! Das war gut!
Mir wurde aber auch das gesagt, was viele andere hier immer wieder sagen: Du kannst so oft du willst eine Therapie machen oder zur Gruppe gehen, jedoch kann dir keiner den Weg abnehmen. Niemand verbietet dir das Trinken. Du kannst jederzeit los und dir was holen und dich vollsaufen. Nur du allein musst diesen Weg gehen, alle anderen (SHG, Therapie, Forum) können und werden dir aber zur Seite stehen.
Das du dich zur Witzfigur machst, würde ich so nicht sagen. Ich sehe deine Posts aber auch mit gemischten Gefühlen. Das du noch trinkst, habe ich auch vermutet. Vergiss nicht, dass wir alle diese Verhaltensweisen kennen und erkennen können.
Ich kann mir auch wirklich gut vorstellen wie du dich fühlen musst, lieber Stevie. Diese Zerrissenheit zwischen dem Wunsch aufzuhören und den kläglichen Versuchen. Das sind absolut normale Schuld und Schamgefühle und auch sie sind es, die dich weiter trinken lassen.
Ich glaube es ist für viele Mitglieder hier einfach hier ermüdend einem "nassen" Trinker zu schreiben, weil es einfach keinen Sinn macht mit ihm zu schreiben. Zumindest wäre es bei mir so. Hätte ich wieder getrunken, wäre ich zu sehr mit meiner Schuld und Scham beschäftigt und alles würde an mir vorbeigehen.
Mein Vorschlag an dich wäre folgender, wenn ich ihn dir als Frischling geben darf: Gehe in dich (nüchtern), überlege ob du trinken willst oder nicht, dann entscheide dich (von tief innen) und dann gehe deinen Weg. Vllt ist eine Entgiftung und co der erste Schritt. Und ich kann dir nur wärmstens empfehlen dein Leben in die Hand zu nehmen.
Und wenn du diese Reise aufnimmst, werde ich es auch nicht müde dir zu antworten und dir zu schreiben.
Das sind meine Gedanken.
Liebe Grüße