Wer kennt noch die Pioniere der funktionierenden Alkoholiker? Meine ersten Vorbilder waren die Jungs von Dallas. Nach der Arbeit ging J. R. erst mal in die Hausbar und dann wurden ein paar Whiskey konsumiert.
So ähnlich habe ich das bei mir auch Anfang der 80ger Jahre eingeführt. Etwas Whiskey oder Bier nach der Arbeit zur Entspannung. Das habe ich nie als Problem empfunden, sondern als ein Stück Lebensqualität. Ich habe auch niemals tagsüber getrunken, bei der Arbeit, wenn ich noch Autofahren musste oder Ähnliches. Ich war stets der Meinung, dass ich die Sache völlig im Griff habe.
Irgendwie hat sich die Dosis aber, ohne das mir das bewusst wurde, im Laufe der Zeit gesteigert. Ich begann vorausplanend Vorräte anzulegen und nicht mehr ganz so öffentlich zu trinken als ich nicht mehr alleine wohnte.
Trotzdem habe ich noch bei der Arbeit und sozial absolut funktioniert. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass es mich gesundheitlich irgendwie beeinträchtigen würde. Im Gegenteil, ich konnte abends immer sehr gut einschlafen. Wenn ich Urlaub gebucht habe – na klar, alles inclusive. Etwas anderes kam nicht in Frage.
Ich habe gerade mal hochgerechnet, im vorletzten Jahr war ich ungefähr bei einer Tagesdosis von 280 Gramm angelangt!
Mein Arzt meinte damals, ich sollte mal (wegen anderer gesundheitlicher Gegebenheiten) eine Kur machen. Darauf habe ich mich dann auch eingelassen. Als ich dann dort war, hieß es, dass Alkoholkonsum absolut verboten sei und dass man mit unangekündigten Alkoholtests rechnen müsste. Ich hatte zwar noch einige Wiskeyvorräte für alle Fälle im Kofferraum meines Auto gebunkert, habe aber gedacht, ich könnte es ja mal ohne Alkohol versuchen. Ich hatte allerdings starke Bedenken, ob ich dann wohl ein- oder durchschlafen würde. In der ersten Nacht habe ich schlecht geschlafen, aber danach ging es ganz gut. Bei der Schlussbesprechung am Ende der Kur wurden auch die Blutuntersuchungen erörtert. Da hat man mir ganz klar gesagt, diese würden auf Alkoholmissbrauch hindeuten und die Werte am Ende der Kur würden auf Abstinenz während der Kur hindeuten.
Danach habe ich dann erst mal so weiter gemacht, wie vor der Kur, dann hatte ich aber wieder schlechte Leberwerte und habe mich dann entschlossen, aufzuhören. Ich wusste ja jetzt, dass sich das schlechte Schlafen nur kurz ergab. Gesagt, getan. Zum Glück gab es keine Entzugserscheinungen und ich bin nun schon viele Monate abstinent. Für alle, die auch funktionierende Alkoholiker sind und aufhören möchten, kann ich folgende positive Aspekte zusammenfassen:
1. Einschlafprobleme ohne Alkohol bekommt man -entgegen der Erwartung- nur kurze Zeit.
2. Schlafen ohne Alkohol ist sehr viel erholsamer und unterhaltsamer, da man mehr träumt.
3. Wenn man Blutdruckprobleme hat, werden die nach einer Weile besser, auch wenn man vielleicht vordergründig glaubt, der Alkohol abends senkt den Blutdruck ab.
4. Man kann jederzeit, auch abends, Autofahren.
5. Man kann auch Abends komplizierte Filme schauen und erinnert sich am nächsten Tag noch daran.
6. Man muss in Bezug auf die Sucht nicht voraus planen.
7. Man spart jede Menge Geld.
8. Wenn man eine zittrige Hand hat, normalisiert sich das (Das war für mich auch ganz wichtig).
9. Die Leber regeneriert sich und man hat wieder gute Leberwerte.