• Ein Hallo mal wieder hier ins Forum!

    Nun möcht ich auch einen eigenen persönlichen Thread hier starten - und damit auch eine Vorstellung hier nachholen.

    Um Neujahr herum hab ich mal wieder die Zeit überschlagen, und festgestellt - selbst etwas ungläubig die Finger als Zählhilfe hinzu nehmend - dass ich gerade dabei bin das zehnte Jahr nach meinem Suchtausstieg zu vollenden. In 2014 gelang mir mein Ausstieg, und damit der Einstieg in eine für mich nachhaltig sehr spannende Entwicklung. In dem Frühjahr, an das ich mich zurück erinnere als wäre es heute, konnte ich aus einem zunehmend unguten Alkoholkreisel ausbrechen, und (m)eine Abhängigkeit von Alkohol überwinden. Die kraftvolle Dynamik die daraus für mich entstand, konnte ich kurz darauf sogar auch nutzen, mich endgültig vom Tabakrauch zu lösen. Dies war wohl eine logisch fortsetzende Folge, weil es mir in dieser Zeit gelang, grundlegende Suchtmuster in mir anzugehen, sie zu durchschauen und aufzubrechen.

    In der intensiven Zeit meines Ausstiegs war ich auch User hier im Forum. Damals habe ich hier, unter dem Namen Land-in-Sicht, eine ganze Weile lang nahezu täglich viel geschrieben und Austausch gehabt. Wen es vielleicht interressiert, kann ja mal in meine damalige Vorstellungsrunde reinschauen: Hallo hier ins Forum...

    Zu meinem Ausstiegspunkt war ich eigentlich ziemlich fertig mit der Welt. Und wusste noch gar nicht was eigentlich noch vor mir lag und was mich erwartete. Es war ein neuer, mir unbekannter Weg. Und ich hielt mir manches auch bewusst offen, um das ganze für mich so frei wie möglich anzugehen. Zunächst erst mal für ein par Wochen, gestand ich mir zu. Danach könne ich immernoch schauen wie es weitergeht, sollte sich der Weg als nicht gangbar zeigen.

    Das ganze liegt nun schon ein ganzes Stück weit zurück. Es ist weiterhin sehr viel passiert, und die Entwicklung ging für mich weiter. An den vielen guten und schönen Dingen die in der langen Zeit bereits Einzug gehalten haben in mein Inneres und in mein Leben, und die mir auch heute noch täglich begegnen, weiß ich im Nachhinein: die Entscheidungen die ich in 2014 getroffen habe, sind mit die bedeutsamsten und wichtigsten meines erwachsenen Lebens. Viele der Dinge die heute Teil meines Lebens sind, sind nur da, weil ich damals das Steuerruder wieder selbst in die Hand genommen, und diesen neuen Kurs gesetzt habe. Heute noch, und immer wieder, empfinde ich eine tiefe Freude und Dankbarkeit dafür.

    Hier im Thread möchte ich Raum finden ab und an für Gedanken, Notizen und Austausch. Danke nochmal an Alle, die das hier so in dieser Form ermöglichen.

    Gute Grüße!

    - Mojo -

  • Dann herzlich Willkommen zurück und schön dass Du Dich als erfahrener Abstinenzler - oder wie nennst Du Dich? - wieder mit einbringen magst. Ich denke es ist sehr wertvoll für alle, und auch für sich selber, wenn man mit Abstand zur eigenen Entscheidung der Abstinenz, noch einmal darüber nachdenkt, ggf. seinen Kurs reflektiert und auch ein wenig Weisheit spendet.

    Was Du mit dem Tabak beschreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen, bei mir war es andersherum. Der Entzug vom Tabak, schon vor mittlerweile 16 Jahren, hat mir bei der Alkoholabstinenz sehr geholfen, ich konnte da sehr aus dem damaligen Erfahrungsschatz schöpfen und bin jetzt sehr glücklich "drogenlos".

    Dann wünsche ich Dir eine gute Zeit hier, ich bin sehr gespannt von Dir zu lesen und ein bisschen mehr Frequenz wird ebenfalls dafür sorgen, dass der eine oder andere auch ins Nachdenken kommt und vielleicht, so wie Du, wie ich, die bedeutsamste Entscheidung im Leben treffen wird!

    Bis später!

  • Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen…


    Matthias Claudius (1740 - 1815)


    Einen treffenden Titel hast du dir für deinen Thread ausgesucht. Das, was als Weg beginnt, entwickelt sich im Laufe der Zeit unter Umständen ja tatsächlich zu einer höchst spannenden, bereichernden, lebensverändernden Reise.

    Einfach schön zu lesen, dass deine Reise, nachdem du vor zehn Jahren Land in Sicht gesehen hast, einen so guten und schönen Verlauf genommen hat.

    Meine Gratulation zum Zehnjährigen! 🌈 Mögen es noch viele weitere Jahrzehnte werden. 🍀

    Auf einen guten, inspirierenden Austausch!

    Beste Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Ihr,

    ich danke Euch, Honk, AmSee und Bassmann, für Euer Willkommen und für Eure Zeilen! Es ist sehr schön, hier so herzlich wieder aufgenommen zu werden.

    Zitat

    erfahrener Abstinenzler - oder wie nennst Du Dich? -

    Ehrlich gesagt hab ich mich die ganze Zeit über eigentlich nirgends als irgendwas bezeichnet oder benannt. Ich kann mit sowas nicht viel für mich anfangen, bzw. habe ich nicht das Gefühl dass es mir etwas geben würde. Ich für mich persönlich bevorzuge Formulierungen und Worte wie beispielsweise Nüchtern Sein oder nüchternes Leben.

    Und zum Punkt 'erfahren' kann ich nur sagen, dass ich meine wichtigsten Schlüsselerfahrungen tatsächlich ganz zu Beginn und in der Anfangszeit gemacht habe. Irgendwann wird es ein Selbstläufer. Schon recht bald war mir innerlich klar, dass es kein Zurück mehr für mich geben wird, und dass Alkoholmissbrauch schlichtweg keine Option mehr für mich darstellt. Die Droge war als klapprige Krücke enttarnt, und hatte ihren Zauber verloren. Der Kompass zeigte von nun an in eine andere, wertvollere Richtung.

    Und dann, vergeht die Zeit ja bekanntlich von alleine.

    Erfahrung an sich habe ich selbst eigentlich sozusagen nur auf meinem eigenen Weg gemacht. Und genau das war für mich persönlich auch ein fast schon entscheidendes Stichwort und Erkenntnis: dass es da diesen einen Weg gibt, den nur ich selbst gehen kann. Sucht hat so viele Gesichter wie es Süchtige gibt. Und mindestens ebenso viele Wege gibt es folglich auch aus der Sucht heraus.

    - Mojo -

  • Hallo Methusal... äääh Bassmann! Und auch hallo Alle!

    Ja es ist wirklich sehr schön, hier auch alte, wertvolle Weggefährten wieder zu treffen!

    Den/Deinen Gruß von Neulich greif ich hier nochmal auf, weil für mich auch der Rückblick in diese Zeit etwas wirklich Besonderes ist. Ich habe in den letzten Wochen bewusst mal wieder ganz weit zurückgegriffen, ein par alte Threads hier geschmökert, und es ist echt schön hier im Forum die Zeilen von Damals zu lesen. Die Begegnungen die hier so stattfanden. Fast schon eine Art Zeitfenster.

    Ich muss aber auch ehrlich zugeben, dass es derzeit auch ein Stück weit ein Experiment für mich ist, mich hier wieder anzumelden und zu schreiben. In den vielen vergangenen Jahren hat sich so vieles bewegt in meinem Leben, streckenweise recht intensiv. Inneres Wachstum. Aus- und dann Weiterbildung, Festigung in einem tollen Berufsfeld, schließlich Eltern werden und Sein,… manchmal sagte ich mir, wenn z.B. X geschafft ist dann wird es bestimmt ruhiger und dann schau ich vielleicht mal wieder ins Forum. Derzeit ist mein Leben weiterhin reichhaltig und mitunter recht intensiv, so dass meine Kapazitäten für ein Forum sicher mal mehr mal weniger sein werden.

    (Zudem haben digitale Medien, oder Bildschirme im Allgemeinen, ja auch Potenzial als ungewollte Zeitfresser… Die schriftliche Kommunikation hier hat viele gute Seiten, kann aber auch Nachteile haben und ist ab einem gewissen Punkt mitunter auch begrenzt.)

    Dann denke ich manchmal auch, ob ich von der ganzen Thematik mittlerweile vielleicht doch schon sehr weit weg bin? Ich merke, dass es mir mitunter nicht leichtfällt, mich in die Denkweise meiner persönlichen Ausstiegs- und Suchtbewältigungszeit zurück zu versetzen. Ich habe mich in der ganzen, langen Zeit weiterentwickelt. Mich verändert. Das war ja auch mein Ziel. Ich wollte immer meine Sucht überwinden. Gesund werden, und mich nach vorne hin weiterentwickeln, wie jeder andere gesunde Mensch auch. Schon seit einigen Jahren weiß ich, dass mir dies auch gelungen ist. Was macht das nun mit mir, wenn ich nun wieder in einen gedankenintensiven Austausch gehe, wie ich ihn vor etwa acht Jahren zuletzt hatte? Könnte es vielleicht auch ein gedanklicher Schritt (damit meine ich ausschließlich mich selbst) zurück sein? Ich werde dem nachspüren…

    Naja, so Gedanken mache ich mir halt. Und doch fühlt es sich momentan richtig an, hier wieder zu schreiben. Wenn ich an einem Austausch Teil haben kann, der es vielleicht hin und wieder schafft, den Funken im ein oder anderen zu schüren und/oder zu unterstützen, um etwas weitergeben zu können, von dem was ich erleben durfte und darf - dann scheint das dem Experiment schon mal eine gute Grundlage zu geben.

    Gute Grüße an Alle in einen schönen Abend!

    - Mojo -

  • Was macht das nun mit mir, wenn ich nun wieder in einen gedankenintensiven Austausch gehe, wie ich ihn vor etwa acht Jahren zuletzt hatte? Könnte es vielleicht auch ein gedanklicher Schritt (damit meine ich ausschließlich mich selbst) zurück sein? Ich werde dem nachspüren…

    Über diesen Gedanken hab ich auch schon öfters nachgesonnen. Aber ich denke nicht, dass es ein Schritt zurück sein wird. Ich kann nur von mir sprechen, wenn ich nach langer (längerer) Zeit wieder ein Thema aufgreife, was ich eigentlich meinte abgeschlossen zu haben, wird mir langweilig, das Thema bleibt uninteressant und ich belasse es dann dabei. Das ist dann auch eine Art von Abschluss.

    Auf der anderen Seite kann man sich wiederum in der Sichtweise des "Weisen" wieder finden, da mit mit einer Zeitraum Abstand eine neue, weitere Sichtweise entwickelt hat. Man sieht Dinge globaler, weiter, nicht so eng.

    Ich denke man fühlt das, ob sich das Schreiben gerade richtig anfühlt oder nicht. Manchmal beginnt man Sätze und entweder ergibt sich daraus ein Flow oder man stellt fest: Nonsense, mein Beitrag macht gerade, ggf für mich, keinen Sinn.
    Und es zwingt Dich auch niemand, das ist doch eigentlich das Schöne. Gib Deinen - gerne gelesenen - Senf dazu oder halt nicht :)

    VG!

  • Ich sehe das ganz ähnlich wie Honk und zwar in allen Punkten.

    Zusätzlich fällt mir dazu etwas ein, was ich bei mir selbst so erlebt habe.
    Es stellt sich ja immer mal wieder die Frage, ob man an alte Geschichten nochmals rühren sollte oder es besser lassen sollte. Manche alte Geschichte hat sich bei mir durch die Zeit, die vergangen ist oder durch die persönliche Entwicklung, die ich durchlaufen habe, erledigt.
    Manche alte Geschichte hat sich für mich nicht erledigt, sondern hat noch (negative) Auswirkungen in meiner Gegenwart.

    Ich kenne Menschen, die sowas trotzdem lieber ruhen lassen und sozusagen den Deckel drauf packen. Ihre Entscheidung, ihr gutes Recht.

    Ich selbst zähle nicht zu denen. Manche alte Geschichte, die noch (negative) Auswirkungen in meiner Gegenwart hatte, ist gerade dadurch, dass ich mich aus meiner gegenwärtigen Perspektive mit ihr beschäftigt habe, verarbeitet und bewältigt worden.

    Ich selbst brauchte dafür zwar teilweise professionelle Hilfe, aber wenn ich betrachte und nachspüre, wie es mir heute geht, würde ich mich wieder für genau diesen Weg entscheiden.

    Ich denke nicht, dass ein gedankenintensiver Austausch zu einem gedanklichen Schritt zurück führt. Ich find‘s aber gut und wichtig, dass du selbst so achtsam mit dir bist, dass du dem nachspüren willst.
    Vielleicht kommt was Altes, Unverarbeitetes hoch, aber wenn das passieren sollte, bietet sich dir damit auch die Chance, das jetzt zu verarbeiten und tatsächlich gänzlich hinter dir zu lassen.

    Beste Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Liebe AmSee, lieber Honk,

    habt vielen Dank für Eure Rückmeldungen!

    Ich erwarte eigentlich nicht dass da Unerwartetes hoch kommt, denn ich denke dass ich wirklich sehr intensiv alles bearbeitet habe was für mich entscheidend und wichtig war.

    Vor Kurzem habe ich ein Interview mit Jorge Bucay gelesen, welches ich gerade eben auch hier im Geschichten Thread verlinkt habe: RE: Eine kleine Geschichte Dort bin ich in einem Punkt für mich wieder auf eine Bestätigung gestoßen, denn Bucay sagt, dass jeder Mensch im Leben drei „Pflichten“ hat. "Erstens: Glücklich sein. Das ist nicht nur dein Recht auf Erden, sondern deine absolute Pflicht. Du musst deine innere Ruhe und das Glück in dir finden. Zweitens: Wir müssen absolut alles daran setzen, die beste Person zu werden, die wir sein können. Die Definition davon kennt und findet jeder für sich selbst. Drittens: Jeder von uns ist dazu verpflichtet, einem Menschen im Leben zu helfen, sein Glück zu finden, es zu verwirklichen und ihn dabei zu unterstützen, sich zur bestmöglichen Person zu entwickeln, die er sein kann."

    Nun, ich sehe es nicht als Pflicht in dem Sinne. Es ist eher so, dass ich mich vor meinem Ausstiegspunkt an wirklich verzweifelten Punkten und Verstrickungen befand. Aber das was ich durch meine aktive Befreiung von den Suchtmitteln Alkohol und Nikotin erlebt habe und erlebe, dass diese Befreiung, und die darauf folgende persönliche Entwicklung für mich tatsächlich auch heute noch zehn Jahre danach so schön ist, dass ich es am liebsten laut in die Welt hinaus rufen würde, damit jeder es hören kann.

    An meinem Ausstiegspunkt, konnte ich mir ganz ehrlich gesagt immer noch nicht vorstellen wirklich niiieee, niiieeee wieder im Leben einen Tropfen zu konsumieren. Dennoch musste/wollte ich etwas ändern, und so beschloss ich es unter anderer Promisse anzugehen. Und bis heute hin ist das auch immer noch nicht meine oberste Promisse. Ich sagte mir: zunächst mal nur ein par Wochen. Und in dieser Zeit gehe ich aktiv meine Probleme an. Und wenn die par Wochen vorbei sind, dann kann ich ja nochmal prüfen ob es sich wirklich lohnt den Weg so zu gehen. Naja, und binnen kürzester Zeit kamen Dinge in mir in Bewegung und Steine ins rollen, so dass es schnell ein Selbstläufer wurde. Ich hatte nach ein par Wochen gar nicht mehr den Gedanken daran irgendwas zu überprüfen, sondern war mir felsenfest sicher, dass der Weg so wie ich ihn gerade gehe richtig ist.

    Das ist es eigentlich warum ich gerade hier bin. Ich würde gerne etwas von dem was ich erfahren durfte weitergeben können. In der stillen Hoffnung, dass vielleicht der/die Ein oder Andere sich darin ein Stück weit wieder finden kann, und weitere Anregungen erhält, aus den Fängen des Suchtlabyrinthes hinaus zu finden. In eine lebenswerte und suchtfreie Zukunft.

    - Mojo -

  • In einem anderen Thread kam die Tage wieder das Thema Heilung oder nicht auf, und ich möchte das für mich mal hier her in einen Thread von mir ziehen und ein par Gedanken von mir dazu schreiben.

    Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen:

    Die Sucht hat so viele Gesichter wie es Süchtige gibt.

    Das trifft ganz gut wie ich die Sache sehe und für mich erlebe. Ich selbst habe noch nie viel von verallgemeinernden Grundsatzdiskussionen gehalten. In den meisten Fällen führen diese dazu, dass letztlich keiner der Beteiligten Recht hat.

    Ein Erlebnis von mir:

    Auf meinem persönlichen Weg hatte ich im ersten Jahr meines Ausstieges unterstützend auch suchttherapeutische Angebote zuzüglich Nachsorge etc. wahrgenommen. Nach ein par Monaten, ich war schon weiter vorangeschritten und in der Abstinenz auch recht gefestigt, kam in einer (therapeutisch) geleiteten Gruppensitzung das Thema auf. Und ich sprach offen heraus über meine Einstellung: Dass ich meinen Weg gehe, weil ich heilen und genesen möchte. Und dass es mir guttut, meinen Weg zu gehen, weil ich merke, dass mir diese Heilung und Genesung gelingt. Um mich herum gerieten schlagartig einige Beteiligte nahezu in Schnappatmung, und redeten fast schon durcheinander auf mich ein, dass das nicht ginge, dass es das nicht gibt, dass das nicht geht weil es soundso ist, und das alles. In diesem Moment bat der Gruppenleiter (ein erfahrener Suchttherapeut) die Gesprächsteilnehmer freundlich zur Ruhe, und sagte: dass das völlig in Ordnung ist. Wenn ich meinen Weg als Genesung und Heilung betrachte, ist das gut, hat seine Richtigkeit, und sollte unterstützt werden. Das tat mir in diesem Augenblick sehr gut, und brachte mich auf meinem Weg wirklich wieder ein Stück weiter.

    Mein Ausstieg ist nun über ein Jahrzehnt her. Mein Leben hat sich in vielerlei Hinsicht gewandelt. An meinem Ausstiegspunkt war mein Leben ein Scherbenhaufen. Arbeitslos, hoch Verschuldet, sozial nahezu isoliert, hohe Mietschulden... und hochgradiger Kontrollverlust in Bezug auf Alkohol in gelegentlichem Mischkonsum mit Cannabis, zunehmend über viele Jahre hinweg.

    Vielleicht hatte ich noch das „Glück“, dass eine körperliche Abhängigkeit noch nicht sehr stark ausgeprägt war. (Ein qualifizierter stationärer Entzug war in meinem Falle nicht nötig, ich hatte keine starken körperlichen Entzugserscheinungen wie Zittern, Krämpfe, Halluzinationen oder ähnliches. Ich musste im körperlichen Entzug nicht medikamentös unterstützt/behandelt werden.)

    Aber ich weiß heute - auch durch Berührungspunkte mit Alkohol, die ich nach einigen Jahren durchaus hatte - dass mein Weg des nüchternen Lebens weiterhin der gesunde Weg ist. Und dass mein aktiver Suchtausstieg für mich eine dankbare Heilung bedeutet hat.

    In den angesprochenen Vorfällen/Rückfallsituationen (welche nicht zu einem Rückfall führten), habe ICH für MICH beobachtet: der Konsum war nach wie vor wirkungsorientiert. Eine bestimmte Mindestmenge um eine bestimmte Wirkung zu erreichen. Aber: im Vergleich zu meinem alten pathologischen Trinkmuster gab es keinen Kontrollverlust. Die Menge war weitaus, um ein Vielfaches, geringer als früher. Kein Filmriss. Kein Nachschub holen irgendwo. Kein offenes Fass ohne Boden. Es blieb bei dem einen Konsumabend. Keine Fortsetzung des Konsums an den nächsten Tagen oder Wochen.

    Den per se irreparablen Kontrollverlust, kann ich also von meiner Seite her so nicht bestätigen. Und mir ist auch keine medizinische Erhebung oder wissenschaftlich belegte Studie bekannt, wo dies so in dieser Form für Jeden und allgemeingültig dargestellt wird.

    Nun… könnte ich ja dem Irrdenken erliegen... Na dann. Kann man doch einfach wieder…

    Tu ich aber nicht. Weil ich, wie jeder andere gesunde Mensch auch, einfach keinen Bock habe auf die Kopfschmerzen am nächsten Tag (die man auch schon nach 1 oder 2 Bier hat). Weil ich mittlerweile dieses Gefühl der Betäubung als sehr, sehr unangenehm ja sogar bedrohlich empfinde. Weil ich einfach, wie jeder andere gesunde Mensch auch, keinen Bock drauf habe mit einer Krücke, namens was auch immer, durchs Leben zu gehen. Ich möchte, wie jeder andere gesunde Mensch auch, selbstverantwortlich mein Leben lenken. Ich habe gelernt, was ich vorher nie lernen durfte, dass Alkoholmissbrauch unverantwortlich mir selbst und anderen gegenüber ist. Mal ein Grill- oder Fussballabend? Ja klar. Sehr gerne. Aber ich möchte am nächsten Tag trotzdem früh aufstehen, und klar, leistungsbereit und fit zur Arbeit gehen. Mit der Erinnerung an einen schönen Abend, mit der Familie und lieben Freunden. Ich lebe nüchtern, aus Überzeugung, und weil ich es seit vielen Jahren konkret so erlebe, dass die Nüchternheit für mich einen unbezahlbar großen Zugewinn und Mehrwert in meinem Leben darstellt, den ich für nichts in der Welt mehr hergeben will.

    Zu meinem Ausstiegspunkt, als ich vor einem Scherbenhaufen stand, und eine (temporäre) Abstinenz für mich ja erst mal nur sowas wie ein allerletzter Strohalm war an den ich mich klammern konnte, ein winziges Sandkörnchen der Hoffnung – zu dem Zeitpunkt hätte ich mir das so noch gar nicht vorstellen können. (Auch wenn ich die Möglichkeit dafür unbewusst schon einräumte.)

    Aber es dauerte nicht lange, nur wenige Wochen, und ich spürte da schon, dass es etwas Wahres und Großes zu sein schien was mich da packte.

    Ich habe auf meinem Weg für mich die Erfahrung gemacht: die Ansichten, das Gefühl in mir, meine Gedanken zu meinem Weg, alle Dinge die MIR gut tun, die mich voranbringen ohne jemand anderen zu schaden, was mich mir und meiner inneren Kraft näher bringt, das ist auch gut und richtig für mich.

    Ganz gleich, was irgendwelche Statistiken „sagen“, oder andere Menschen als angeblich allgemeingültig immer und immer wieder wiederholen. Es kann niemand, kein Betroffener und auch kein Therapeut, in mich hineinblicken. Ich kann mir Hilfe suchen wo ich sie brauch, aber ich bin für mich selbst verantwortlich. Ich persönlich finde es daher sinnvoller und schöner, wenn sich Gesprächsebenen nicht in Argumentationen wie -Der Süchtige- (wer soll das denn sein?) oder -Die Statistik- oder dergleichen ergeben, sondern wenn Menschen einfach von sich selbst und ihrem persönlichen Weg berichten.

    Für mich war es jedenfalls so hilfreich wichtig. Weil es mir die Möglichkeit öffnete, mir dort, an allen Stellen, in den Lebensgeschichten von Betroffenen, an Anlaufstellen wo ich mir Hilfe suchte - dankbar jeweils das für mich heraus zu nehmen, was für mich passte, was für mich gut war, und was mich auf meinem Weg unterstützte und weiter brachte.

    Liebe Grüße an Alle,

    Mojo

  • Nun… könnte ich ja dem Irrdenken erliegen... Na dann. Kann man doch einfach wieder…

    Genau diese "Logik" ( Achtung: Anführungszeichen ) find' auch ich sehr sonderlich.

    Fragt man jemanden danach oder bittet, um eine Erklärung, kommen die absonderlichsten "Argumente", Vergleiche ... plötzlich werden Allergien oder andere Erkrankungen nicht etwa verglichen, sondern gleichgesetzt ... a la wenn das bei XY so ist, muss es ja beim Alkoholismus auch so sein - woher rührt diese Weisheit, Logik?

    Wenn ich einmal auf einen Stoff allergisch reagiere, sein es Pollen, Chlor, Ethanol oder ein anderer Stoff (in einer bestimmten Konzentration im Körper), würde sich das mit der Zeit wieder legen, meine Zellen, Rezeptoren würden nicht mehr auf diesen Stoff reagieren, ihn sogar tolerieren?

    Das glauben wir (viele) wirklich, das nehmen wir an???

    Wenn das so ist, ist das wirklich irr!

  • @All ich fände es sehr lieb, wenn wir bitte die Kuh im Dorfe lassen können. Es ist hier Mojos Reise. Ich habe von mir, meinem Weg und meinem Empfinden geschrieben. Gerne bin ich für einen, auch gegenseitigen, Austausch auf dieser Ebene offen. Also auf Ebene von persönlichem Erleben, und persönlichem Empfinden.

    Ich habe aber auch dargelegt, dass ich Verallgemeinerungen und Grundsatzdiskussionen nicht viel abgewinnen kann. Der Allergievergleich z.B. zählt für mich deutlich in diesen Bereich. Wo ist da die persönliche Schilderung, das persönliche Erleben? Ich finde mich darin nicht wieder...

    ICH kann die Argumentation in dieser Form nicht nachvollziehen. ICH verstehe auf dieser Ebene einfach nicht, was genau man mir damit sagen will.

    Das glauben wir (viele) wirklich, das nehmen wir an

    Wer ist "wir"? Wer ist "viele"? Wer soll das denn sein? Um wen geht es in diesen Zeilen?

    Sorry. Es tut mir wirklich leid. Aber so sehr ich mich auch bemühe, so kommt da einfach nichts Greifbares bei mir an.

    LG, Mojo

  • Liebe Mojo, du hast so Recht. Grundsatz Diskussionen bringen überhaupt nichts. Jeder muss für sich einen Weg finden und damit leben können. Jeder ist für sich und sein Tun verantwortlich. Du warst ganz unten und hast es geschafft, und das ist gut so. Und Vergleiche mit Allergien, die ich auch habe bringen nichts, die kann ich nur symptomatisch behandeln. Das Thema Alkohol ist da schon komplexer. Es ist ein langer Weg mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen. Sei stolz auf dich, dass du es geschafft hast. LG

  • Hallo Maggi,

    Danke für deine liebe Rückmeldung!

    Liebe Mojo,...

    Mach da mal noch ein "r" hinten dran, also an das Lieber Mojo dann wird da ein Schuh draus....;)

    Du warst ganz unten ...

    Schlimmer geht immer. Ich glaube Sucht kennt kein ganz unten, sondern nur ein noch weiter unten...

    Sei stolz auf dich,...

    Das bin ich. Oder war ich? In der ersten Zeit, den ersten Wochen und Monaten habe ich wirklich jede noch so kleine positive Empfindung sehr bewusst wahrgenommen, und fast schon zelebriert. Eine Freude, innerer Stolz und Dankbarkeit haben mich über die ersten Jahre begleitet, mich getragen und immer wieder stark motiviert. Seit einiger Zeit, seit vielen Jahren, ist das nüchterne Leben für mich zur absoluten Normalität geworden. Es gibt nun andere Dinge die sich entwickelt haben, die entstehen, auf die ich stolz bin.

    Geblieben sind weiterhin tagtäglich, tiefe innere Freude und Dankbarkeit, über das Geschenk des Lebens.

  • Gut, dann mach ich ein r hinten dran. Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Ich hab noch einen langen Weg vor mir. Ich denke ein Ziel ist hilfreich.. und bevor ich alles kaputt mache, was ich habe, wähle ich die Abstinenz. LG

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