Hallo Zusammen,
ich bin bei der Recherche zu und der Auseinandersetzung mit dem Thema Alkoholabhängigkeit auf dieses Forum gestoßen. Da mir die Struktur des Forums aber vor allem der Umgang miteinander und der Ton gut gefällt, hoffe ich hier auf eine gute Möglichkeit zum Austausch.
Ich habe bisher ein wenig hier gelesen und möchte mich euch vorstellen.
Ich bin 43 Jahre alt, arbeite als Sozialpädagogin im ambulant betreuten Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung, bin glücklich verheiratet und eigentlich läuft alles ziemlich gut in meinem Leben. „Läuft bei mir…“ - trifft in Bezug auf Alkohol voll und ganz im negativen Sinne zu.
Vor 4 Wochen kam dann die Erkenntnis, dass ich psychisch abhängig bin. Ich kam bei der Recherche zum Thema Alkoholabhängigkeit auf die Seite von Nathalie Stüben, machte den angebotenen Test und der bestätigte den Verdacht. Auch der CAGE-Test war ein Volltreffer, bis auf den Kontra-Alk am nächsten Morgen. Ich machte direkt das kostenlose Seminar und das brachte noch mehr Klarheit.
Ich habe nie täglich getrunken, seit vielen Jahren unter der Woche gar nicht mehr, tatsächlich „nur“ am Wochenende. Aber dann sehr häufig mit Kontrollverlust über die Menge und ganz oft bis zum Vollrausch. Kontrolle in beruflichem Kontext bei einer Feier oder beim Zusammensein mit der Familie war mir zwar möglich, aber sobald ich zuhause war, musste meistens das „große Finale“ noch kommen. Zur Belohnung, dass ich mich so gut gehalten hatte. So auch, wenn ich mit meinem Mann in der Öffentlichkeit unterwegs war - obwohl ich mich da früher auch oft genug abgeschossen habe - konnte ich mich da oft gut zusammenreißen und mich zuhause dann mit reichlich Nachgießen belohnen. Weinschorle war das Getränk meiner Wahl, 2 Flaschen reiner Wein waren es dann oft.
Interessanterweise habe ich im Studium Drogenarbeit als Praxisfeld und Sozialpsychiatrie als Schwerpunkte gehabt und jahrelang Menschen mit Suchterkrankung durch Coaching betreut. Da ging es aber weniger um Neurobiologie und Diagnostik sondern vielmehr um die Verbesserung der sozialen Situation und Arbeitssuche etc. Das hat meinen „Blinden Fleck“ für mein eigenes Trinkverhalten nicht tangiert. War oft mal zu viel aber hey, es funktionierte doch alles wunderbar.
Nachdem ich nun ehrlich war, zuerst zu mir selber und dann zu meinem Partner, konnte ich endlich verstehen, was mit mir los war. Ich habe mich so oft gefragt, was bitte mit mir nicht stimmt. Warum ich nicht „normal“ trinken kann, so wie andere das können. Warum ich nicht zufrieden bin, weil doch alles eigentlich total gut läuft. Jetzt weiß ich es und habe den Entschluss gefasst, abstinent zu leben. Suchtgedächtnis und Trigger sind mir vertraut, da ich eine professionelle Rauchentwöhnung gemacht habe. Da kann ich viel von ableiten. Außerdem lese ich alles, was ich in die Finger kriege zum Thema und arbeite an Achtsamkeit. Für Cravings bin ich dabei, meinen Weg zu finden. Situationen, auf die ich konditioniert bin zu trinken, meide ich nicht. Ich mache mir bewusst, das ist "Bimmel bimmel, sabber sabber", wie bei Pawlows konditioniertem Hündchen und weiß, dass es vorbei geht.
Ich bin seit 4 Wochen nüchtern und bin - glaube ich - in der „Pink Cloud“ unterwegs. Ich gehöre wahrscheinlich zu den „high functioning alcoholics“ und hatte noch das „Pech“, dass es mir nach einem Totalabschuss nie so schlecht ging, wie ich es eigentlich verdient hatte. Das heisst, ich hatte keine furchtbaren Kater. Die hätte ich bei der Menge haben sollen. Aufstehen, Kopf schütteln, los geht`s was bringt der Tag funktionierte bis vor einiger Zeit wunderbar. So fehlten mir die physischen Konsequenzen als warnende Abschreckung. Aber die psychischen Konsequenzen wurden quälend. Der Blick aufs Handy, Nachrichten im Suff, das Gefühl in Sachen Kontrolle wieder versagt zu haben...Es ist so schön, am Wochenende ohne das aufzuwachen
Ups, das ist viel geworden. Vielen Dank für´s Lesen schon mal
Viele Grüße
Nana