Hallo - ich bin neu nüchtern :-)

  • Hallo Zusammen,

    ich bin bei der Recherche zu und der Auseinandersetzung mit dem Thema Alkoholabhängigkeit auf dieses Forum gestoßen. Da mir die Struktur des Forums aber vor allem der Umgang miteinander und der Ton gut gefällt, hoffe ich hier auf eine gute Möglichkeit zum Austausch.

    Ich habe bisher ein wenig hier gelesen und möchte mich euch vorstellen.
    Ich bin 43 Jahre alt, arbeite als Sozialpädagogin im ambulant betreuten Wohnen für Menschen mit geistiger Behinderung, bin glücklich verheiratet und eigentlich läuft alles ziemlich gut in meinem Leben. „Läuft bei mir…“ - trifft in Bezug auf Alkohol voll und ganz im negativen Sinne zu.

    Vor 4 Wochen kam dann die Erkenntnis, dass ich psychisch abhängig bin. Ich kam bei der Recherche zum Thema Alkoholabhängigkeit auf die Seite von Nathalie Stüben, machte den angebotenen Test und der bestätigte den Verdacht. Auch der CAGE-Test war ein Volltreffer, bis auf den Kontra-Alk am nächsten Morgen. Ich machte direkt das kostenlose Seminar und das brachte noch mehr Klarheit.

    Ich habe nie täglich getrunken, seit vielen Jahren unter der Woche gar nicht mehr, tatsächlich „nur“ am Wochenende. Aber dann sehr häufig mit Kontrollverlust über die Menge und ganz oft bis zum Vollrausch. Kontrolle in beruflichem Kontext bei einer Feier oder beim Zusammensein mit der Familie war mir zwar möglich, aber sobald ich zuhause war, musste meistens das „große Finale“ noch kommen. Zur Belohnung, dass ich mich so gut gehalten hatte. So auch, wenn ich mit meinem Mann in der Öffentlichkeit unterwegs war - obwohl ich mich da früher auch oft genug abgeschossen habe - konnte ich mich da oft gut zusammenreißen und mich zuhause dann mit reichlich Nachgießen belohnen. Weinschorle war das Getränk meiner Wahl, 2 Flaschen reiner Wein waren es dann oft.

    Interessanterweise habe ich im Studium Drogenarbeit als Praxisfeld und Sozialpsychiatrie als Schwerpunkte gehabt und jahrelang Menschen mit Suchterkrankung durch Coaching betreut. Da ging es aber weniger um Neurobiologie und Diagnostik sondern vielmehr um die Verbesserung der sozialen Situation und Arbeitssuche etc. Das hat meinen „Blinden Fleck“ für mein eigenes Trinkverhalten nicht tangiert. War oft mal zu viel aber hey, es funktionierte doch alles wunderbar.

    Nachdem ich nun ehrlich war, zuerst zu mir selber und dann zu meinem Partner, konnte ich endlich verstehen, was mit mir los war. Ich habe mich so oft gefragt, was bitte mit mir nicht stimmt. Warum ich nicht „normal“ trinken kann, so wie andere das können. Warum ich nicht zufrieden bin, weil doch alles eigentlich total gut läuft. Jetzt weiß ich es und habe den Entschluss gefasst, abstinent zu leben. Suchtgedächtnis und Trigger sind mir vertraut, da ich eine professionelle Rauchentwöhnung gemacht habe. Da kann ich viel von ableiten. Außerdem lese ich alles, was ich in die Finger kriege zum Thema und arbeite an Achtsamkeit. Für Cravings bin ich dabei, meinen Weg zu finden. Situationen, auf die ich konditioniert bin zu trinken, meide ich nicht. Ich mache mir bewusst, das ist "Bimmel bimmel, sabber sabber", wie bei Pawlows konditioniertem Hündchen und weiß, dass es vorbei geht.

    Ich bin seit 4 Wochen nüchtern und bin - glaube ich - in der „Pink Cloud“ unterwegs. Ich gehöre wahrscheinlich zu den „high functioning alcoholics“ und hatte noch das „Pech“, dass es mir nach einem Totalabschuss nie so schlecht ging, wie ich es eigentlich verdient hatte. Das heisst, ich hatte keine furchtbaren Kater. Die hätte ich bei der Menge haben sollen. Aufstehen, Kopf schütteln, los geht`s was bringt der Tag funktionierte bis vor einiger Zeit wunderbar. So fehlten mir die physischen Konsequenzen als warnende Abschreckung. Aber die psychischen Konsequenzen wurden quälend. Der Blick aufs Handy, Nachrichten im Suff, das Gefühl in Sachen Kontrolle wieder versagt zu haben...Es ist so schön, am Wochenende ohne das aufzuwachen :)

    Ups, das ist viel geworden. Vielen Dank für´s Lesen schon mal :)

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***

  • Hallo, Nana!

    Herzlich Willkommen :welcome: hier bei uns und erstmal Glückwunsch zu Deiner ehrlichen Einschätzung Deiner selbst und natürlich Deinem Entschluß, dem auch Taten folgen zu lassen.

    Kurz zu mir (damit Du weißt, mit wem Du es zu tun hast): Ich bin m, noch 59, Alkoholiker und seit etwas über 14 Jahren trocken. Und seit etwa 12 Jahren bin ich auch ein wenig in der Suchtselbsthilfe unterwegs.

    Zitat

    Kontrolle in beruflichem Kontext bei einer Feier oder beim Zusammensein mit der Familie war mir zwar möglich, aber sobald ich zuhause war, musste meistens das „große Finale“ noch kommen. Zur Belohnung, dass ich mich so gut gehalten hatte.

    Yepp, kenne ich auch. Das war auch der Grund, warum Viele auf mein "Outing" damals ein wenig verwundert reagiert haben. Weil sie eben nur gesehen haben, dass ich wenig bis moderat getrunken habe - aber nie, dass ich zu Hause dann erstmal druckbetanken musste, um den Tatterich und die innere Unruhe wieder loszuwerden.

    Schön, dass Du auch mit Deinem Mann/Partner über dieses Thema gesprochen hast. Das macht nach meiner Erfahrung doch Einiges, um nicht zu sagen: Vieles, leichter.
    Aber ich hoffe auch, dass Du nicht davon ausgehst, dass Du es auf jeden Fall alleine schaffst, von dem Suchtmittel Alkohol wegzukommen, nur weil Du "vom Fach" bist!

    Natürlich ist das nicht ausgeschlossen. Aber wie heisst es so schön: Den Weg muss man alleine gehen - aber man muss ihn nicht alleine gehen.
    Klingt zwar im ersten Moment verwirrend, hat aber eine tiefe Wahrheit.

    Schau Dich hier um, lies die Geschichten der Leute (auch wenn jeder seine eigene hat, so ähneln sie sich doch oft).
    Und wenn Du Fragen hast - wir sind hier.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Nana,
    herzlich Willkommen in diesem Forum, schön, dass du zu uns gefunden hast. :welcome:
    Danke für deine anerkennenden Worte. :)
    Ich wünsche dir einen guten Austausch hier, die Möglichkeit hast du hier gewiss. 44.

    Wenn du hier schon ein bisschen gelesen hast, dürftest du schon dem einen oder anderen Beitrag von mir begegnet sein. ;) Kurz zu mir: Ich bin fast 50, vor fast zwei Jahren an dieses Forum geraten, habe durch die Auseinandersetzung mit anderen hier im Forum begriffen, wo ICH in Bezug auf Alkohol stehe und dass ich die Reißleine ziehen muss. Seitdem bin ich trocken und Dank einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema auch schon eine ganze Weile tatsächlich zufrieden abstinent.


    Das hat meinen „Blinden Fleck“ für mein eigenes Trinkverhalten nicht tangiert. War oft mal zu viel aber hey, es funktionierte doch alles wunderbar.

    Das kommt mir ziemlich bekannt vor, auch wenn mein eigener Werdegang etwas anders war als deiner. ;)

    Seit ich mich dem Thema endlich gestellt habe, habe ich mich intensiv damit beschäftigt. In der Herangehensweise scheinst du mir ähnlich zu sein. Der Austausch könnte interessant werden. :)


    Situationen, auf die ich konditioniert bin zu trinken, meide ich nicht. Ich mache mir bewusst, das ist "Bimmel bimmel, sabber sabber", wie bei Pawlows konditioniertem Hündchen und weiß, dass es vorbei geht.

    Nach allem, was ich bislang darüber in Erfahrung gebracht habe, gibt es zwei Wege, sich diesen Situationen zu stellen, den der Vermeidung (zumindest zunächst) und den der Konfrontation. Nach allem, was ich bislang über Psychologie in Erfahrung gebracht habe, haben beide Wege etwas für sich und durchaus ihre Berechtigung, auch wenn ich bislang eher selten von Alkoholikern gehört oder gelesen habe, die von Anfang an den Weg der Konfrontation gehen. Es würde mich durchaus interessieren, wie es dir mit deinem Weg geht.

    Nach meinen eigenen Erfahrungen mit diesem Thema kann ich dir nur raten, dich nicht zu überfordern, denn Suchtdruck KANN auch eine gute Weile nach der Konfrontation auftreten und dich dann mächtig fordern. Mehr dazu gerne, wenn gewünscht, später.

    Nu muss ich erstmal weiter, Termine erledigen.

    Gutes Ankommen hier und viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

    Einmal editiert, zuletzt von AmSee13 (27. September 2022 um 16:35)

  • Hallo Greenfox und AmSee,

    vielen Dank für eure Antworten und die herzliche Aufnahme hier im Forum. :)
    Ich habe eure Vorstellungen und einige Beiträge von euch gelesen und entdecke durchaus Parallelen zu mir.

    @ Grennfox: Du hast recht, dass es sehr erleichternd ist, das Thema und Teile der eigenen Auseinandersetzung mit dem Partner gemeinsam anzugehen. Ich habe ihm gegenüber meinen Konsum nie verheimlicht, er war allerdings genauso ratlos wie ich, warum ich darüber so die Kontrolle verliere. Wenn ich ihm die Dinge erkläre, die ich lese, verstehen und auf mich übertragen kann, wird es mir auch noch mal ein Stück klarer und da bin ich sehr dankbar dafür.

    Ich verstehe was du mit dem Weg meinst. Ich empfinde es für mich so, dass ich einen Mentor / Mentoren brauche. Die finde ich im Moment in erfahrenen und zufrieden abstinenten Personen. Im Moment fühle ich mich durch Videos und den Podcast "Ohne Alkohol mit Nathalie" gut abgeholt. Auch wenn keine Interaktion mit diesen Personen stattfindet, beantworten sie quasi (jedenfalls im Moment) meine Fragen, ohne dass ich sie real stellen muss. So könnte ich es erklären. Wenn ich mehr brauche, wende ich mich an den Seminarleiter, mit dem ich vor über 7 Monaten das Rauchen aufgehört hat. Er bietet auch die Entwöhnung von Alkohol an, hat verschiedene therapeutische Ausbildungen und mein Vertrauen ;) Ich hätte also einen Plan B. Zunächst fühlt es sich ganz gut so an, wie es gerade ist.

    Mit Outing habe ich mich intensiv beschäftigt und für mich beschlossen, dass ich das nur bei ausgewählten Personen zu gegebenem Zeitpunkt möchte. Mich völlig öffentlich zu outen macht ein schlechtes Gefühl und das wäre jedenfalls jetzt echt kontraproduktiv.

    @ AmSee:

    Den Weg der Konfrontation habe ich eher intuitiv gewählt. Ich bin zwar allein schon aufgrund meines Berufs ganz gut auf der kognitiven und analytischen Ebene unterwegs, aber der Bauch ist hin und wieder auch ein ganz guter Berater und Kopf und Bauch ein gutes Team. Das hatte den Hintergrund, dass ich ungefähr zwei Wochen bevor wir in den Urlaub gegangen sind, beschlossen habe nichts mehr zu trinken. Und ich wollte auch nicht mit mir rumdiskutieren, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt wäre. Es hätte ja immer einen Grund gegeben, den Zeitpunkt zu verschieben. Also habe ich meinem Mann erklärt, dass mein Leben nicht vorbei sein wird, weil ich nichts mehr trinken WILL. Nicht nichts mehr trinken DARF. Dass ich viel mehr gewinne, als ich verliere.

    Urlaub war normalerweise hier ein Gläschen zum Mittagessen, da eins bevor es zum Strand geht und Abends dann ein paar ganz viele, um den tollen Tag schön ausklingen zu lassen. Wir haben ein Wohnmobil und ich habe vor diesem Urlaub jetzt noch nie nüchtern darin geschlafen. Also eigentlich eine permanent andauernde Trigger-Situation. Es hat erstaunlich gut funktioniert, das auszuhalten. Und das krasseste AHA-Erlebnis: Das schöne warme und zufriedene Gefühl am Strand kommt gar nicht vom Alkohol! Das ist in mir drin und ich kann das hervorholen ohne Alkohol :)

    Es gab keine Alternative für mich. Ich wollte in den Urlaub und ich war total erleichtert, dass ich nicht über das Trinken und die zum Scheitern verurteilten Kontrollversuche nachdenken musste.

    Ich nehme den Rat, mich nicht zu überfordern, gerne auf. Ich gehe sehr achtsam und mit GROßEM Respekt an die Konfrontation heran und weiß, dass Suchtdruck einen aus heiterem Himmel ohne offensichtliche Trigger überfallen kann. Das habe ich recht stark erlebt, als ich aufgehört habe, zu rauchen. Und auch das ist noch nicht vorbei, das Suchtgedächtnis ist immer da und Amygdala ne blöde Hexe. Auch da ist für mich völlig klar, bei mir ist nix mit eine ist keine, dann bin ich sofort wieder dran. Und das weiß ich vom Alkohol auch. Ich will nicht überheblich klingen und weiß auch, dass ich nicht ewig auf der Pink Cloud tanzen werde. Aber ich glaube auch an "Sich selbst erfüllende Prophezeihungen" und mögliche Verhaltensänderungen durch Mentales Training.

    Ich denke auch, der Austausch hier wird interessant und ich kann viel für mich mitnehmen, auch wenn ich erst mal hauptsächlich lese :)

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***

  • Hallo Nana!
    Mir ging das mit meinem Mann ganz ähnlich. Ich hab ihm gegenüber meinen Konsum in der Regel nicht verheimlicht. Ich schreibe „in der Regel“, weil ich die wahren Mengen zuletzt doch etwas verschleiert habe, um eben nicht von ihm darauf angesprochen zu werden. Ich mochte es nämlich ganz und gar nicht, wenn er mich auf meinen Konsum ansprach. Ich glaubte tatsächlich, er übertreibe mit seiner Sorge, weil er wusste, dass mein Vater Alkoholiker war.
    Und dann kam bei mir irgendwann dann doch der Punkt, an dem mir mein Konsum richtig unheimlich wurde, weshalb ich mich dann hier im Forum angemeldet und mich vorgestellt hatte.

    Nachdem ich mich dem Thema endlich gestellt hatte, habe ich ziemlich bald meinen Mann eingeweiht und ihm von dem erzählt, was ich so nach und nach erfahren habe. Das hat zum einen mir selbst noch mehr Klärung gebracht, es hat zum anderen aber auch ihn sehr nachdenklich werden lassen, was seinen eigenen (übrigens wirklich harmlosen) Konsum und den Konsum unserer Umgebung (Freunde, Familie, Kollegen, Nachbarn usw.) betrifft. Inzwischen trinkt mein Mann von sich aus ebenfalls überhaupt keinen Alkohol mehr, und das schon seit über einem Jahr, obwohl er zweifellos kein Alkoholproblem hatte, sondern zu den Menschen zählte, die tatsächlich „ganz normal“ Alkohol konsumieren können.



    Ich verstehe was du mit dem Weg meinst. Ich empfinde es für mich so, dass ich einen Mentor / Mentoren brauche.

    Ich hatte das nach deiner Vorstellung übrigens auch so verstanden, dass du deinen Weg allein gehst, d.h. mehr oder minder ohne Unterstützung von anderen.
    So, wie du das hier schilderst, klingt das anders und es trifft meines Erachtens das, was Greenfox in jener Wahrheit angedeutet hat. Du wirst den Weg nicht gänzlich allein gehen, wenn du dir einen Mentor/ Mentoren suchst. Ob das jemand in einer realen SHG vor Ort ist oder jemand in einem Forum wie diesem, hängt meines Erachtens von den jeweiligen persönlichen Bedürfnissen ab. Meine „Mentoren“ hab ich in diesem und in einem anderen Forum „gefunden“.

    Ob du dich allgemein outen solltest oder nur gegenüber ausgewählten Personen, wirst du selbst am ehesten einschätzen können. Ich hab von einigen Alkoholikern gehört bzw. gelesen, dass ihnen das geholfen hat, sich mehr oder minder allgemein zu outen. Reaktionen sollen bei denen oft auch ganz anders, d.h. viel besser verlaufen sein, als erwartet. Sich zu outen kann ein Selbstschutz sein, zum einen weil dir dann nicht immer wieder Alkohol angeboten wird, den du ablehnen musst, zum anderen weil ggf. Rücksicht auf dich genommen wird und möglicherweise aus Respekt vor dir eben kein Alkohol in deiner Gegenwart konsumiert wird. Und drittens schließt du dir damit eine mögliche Hintertür.
    Ich selbst aber habe mich ebenfalls nicht öffentlich geoutet, sondern nur gegenüber ausgewählten Personen. Das hat bei mir mit fehlendem Vertrauen zu meinem Umfeld zu tun. Ich erwarte da eher weniger Verständnis, sondern eher Hindernisse. Auf die möchte ich aus Selbstschutz dann doch lieber verzichten.

    Zweifellos war dein Urlaub war für dich Konfrontation und mir fallen auf Anhieb ein paar trockene Alkoholiker ein, die dir von einer Konfrontation dieser Art abgeraten hätten, aber ich hätte in deiner Situation bestimmt ebenfalls nicht auf den Urlaub verzichtet oder meinen Ausstieg verschoben. Ich kann ziemlich gut nachvollziehen, wie erleichternd sich das angefühlt hat, nicht über das Trinken und die zum Scheitern verurteilten Kontrollversuche nachdenken zu müssen. - Glückwunsch übrigens zu den schönen (krassen) Aha-Erlebnissen! Mögen noch viele weitere solcher Aha-Erlebnisse folgen!

    Ich hatte dich allerdings so verstanden, dass du generell den Weg der Konfrontation gehen willst. Und ich habe diesbezüglich eher noch weiter gedacht, wie z.B. gesellschaftliche Runden, in denen Alkohol konsumiert wird, oder daran, dass sich noch Alkohol in deiner Wohnung/ deinem Haus befindet, usw.

    Gewiss gibt es etwas wie „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ und besteht umgekehrt definitiv die Möglichkeit, sein Verhalten durch Mentales Training zu verändern, nicht ohne Grund habe ich geschrieben, dass es zwei Wege gibt, sich den Situationen zu stellen.
    Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen mit diesem Thema und dem, was ich mir inzwischen darüber an Wissen angeeignet habe, ist mir nur bewusst geworden, warum viele der mir bekannten erfolgreich abstinenten Alkoholiker zumindest anfangs eher den Weg der Vermeidung gehen. Deshalb habe ich dich darauf angesprochen. Und es interessiert mich durchaus, welche Erfahrungen du auf deinem Weg machst. Mir selbst bekannt ist bislang nur eine Person, die von Anfang an den Weg der Konfrontation gegangen ist und damit Erfolg hatte.

    Ich selbst hab diesen Suchtdruck in Bezug auf Alkohol ein Mal erlebt und es war reichlich knapp, dass ich das ohne Rückfall überstanden habe. Ohne Hilfe hätte ICH das in dem Moment nicht überstanden, weil’s mich völlig überrascht hat. Ob ich im Falle eines Rückfalls den Absprung gleich wieder geschafft hätte, weiß ich nicht, ich bezweifle es.

    Auf mich wirkst du übrigens nicht überheblich und ich hoffe, dass meine Beträge ebenfalls nicht überheblich rüberkommen.

    Beste Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich empfinde es für mich so, dass ich einen Mentor / Mentoren brauche. Die finde ich im Moment in erfahrenen und zufrieden abstinenten Personen. Im Moment fühle ich mich durch Videos und den Podcast "Ohne Alkohol mit Nathalie" gut abgeholt. Auch wenn keine Interaktion mit diesen Personen stattfindet, beantworten sie quasi (jedenfalls im Moment) meine Fragen, ohne dass ich sie real stellen muss. So könnte ich es erklären. Wenn ich mehr brauche, wende ich mich an den Seminarleiter, mit dem ich vor über 7 Monaten das Rauchen aufgehört hat. Er bietet auch die Entwöhnung von Alkohol an, hat verschiedene therapeutische Ausbildungen und mein Vertrauen ;) Ich hätte also einen Plan B. Zunächst fühlt es sich ganz gut so an, wie es gerade ist.

    Für mich fühlt sich Deine Aussage etwas widersprüchlich an:

    Einerseits schreibst Du, dass Du Mentoren brauchst, erfahrene zufrieden abstinente Personen. Andererseits schreibst Du von Videos und Podcasts, die Deine Fragen ohne Interaktion beantworten. Und dass Dir das vorerst genügt.

    Videos und Podcasts und Bücher sind aber keine Mentoren. Und bei MIR ist es oft so, dass beim hören/lesen Fragen auftauchen, die ich gerne SOFORT beantwortet hätte.
    Und das geht nunmal nur im direkten Gespräch - mit den besten Spezialisten, die es gibt: anderen Betroffenen.
    Gerade in der Anfangszeit finde ich diese Interaktion wichtig.

    Du schreibst, Du hast meine Vorstellung gelesen. Dann weisst Du, was ich meine. Das ich u.a. nur durch diese Gespräche und das Zuhören überhaupt erst erkannt habe, dass ich ein Problem OHNE Alkohol habe (mittlerweile: hatte).
    Und auch in meinen Krankenhausvorstellungen empfehle ich den Leuten, sich erstmal in eine SHG zu setzen und zuzuhören. Zum Einen, weil sie dann feststellen, dass die Menschen dort keine beisswütigen Außerirdischen mit vollkommen fremden Problemen sind und zum Anderen, weil sich die Fragen und Gesprächsthemen dann von ganz alleine ergeben - wenn sie dazu bereit sind.
    Selbsthilfegruppen - wozu eigentlich? Um sich direkt und schnell austauschen zu können. Und vor allem, um das direkte Gefühl zu bekommen, mit seinen Problemen nicht alleine zu sein.

    Nur mal so als Denkanstoß.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo AmSee und Greenfox,

    ich habe gerade sehr ausführlich auf eure Beiträge geantwortet, aber irgendwie wurde meine Sitzung automatisch ausgeloggt und alles war weg. Wie schade, ich wollte so ein bisschen besser vermitteln, wie ich ticke. Ich muss den Haken glaube ich auf immer eingeloggt setzen. Ich bin gerade beruflich viel unterwegs und schreibe es noch mal, sobald möglich.

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***


  • Ich muss den Haken glaube ich auf immer eingeloggt setzen.

    Korrekt!

    Ja, das ist ärgerlich, wenn so ein Text im Nirwana verschwindet. Deshalb habe die Angewohnheit, wenn ich weiß, dass der Text länger werden könnte, ihn in Word zu schreiben und dann hier reinzukopieren ...

    Bis dann
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo AmSee und Greenfox,

    sodele, jetzt nochmal...mit einem in Word geschriebenen Text ;)


    So, wie du das hier schilderst, klingt das anders und es trifft meines Erachtens das, was Greenfox in jener Wahrheit angedeutet hat. Du wirst den Weg nicht gänzlich allein gehen, wenn du dir einen Mentor/ Mentoren suchst. Ob das jemand in einer realen SHG vor Ort ist oder jemand in einem Forum wie diesem, hängt meines Erachtens von den jeweiligen persönlichen Bedürfnissen ab. Meine „Mentoren“ hab ich in diesem und in einem anderen Forum „gefunden“.

    Das trifft es ziemlich gut und ich denke tatsächlich, dass ich meine Mentoren - zumindest für den Moment – hier im Forum finden kann. Ich ticke grundsätzlich so, dass ich mir Dinge gerne erst mal selbst erschließe und erarbeite und mir dann, wenn ich nicht weiter komme, Rat und Hilfe von außen hole. Wenn man den Begriff „Mentor“ betrachtet, ist das natürlich in erster Linie eine reale Person, die einen berät und unterstützt und mit der man Fragen sofort klären kann. Allerdings habe ich solche brennenden Fragen im Moment nicht und für mich ist es okay, wenn mir Fragen nicht sofort beantwortet werden. Im übertragenen Sinne sind die Erfahrungsberichte von zufriedenen abstinenten Personen in Büchern, Podcasts usw. für mich auch eine Art von Werkzeug, die „Mentoren“ mir an die Hand geben.

    Ich habe für meinen Weg der Abstinenz sozusagen einen großen Werkzeugkasten und muss jetzt für mich ausprobieren, welche Werkzeuge mir am besten in der Hand liegen. Allerdings schließe ich nicht aus, dass ich mir irgendwann vielleicht einen realen Mentor – z.B. in einer SHG – suche. Ich finde, SHGs sind ein ganz wichtiger und tragender Pfeiler der Suchthilfe und ohne Menschen, die sich in dem Bereich engagieren, hätten wir eine riesige Lücke. Für jetzt reicht mir, der Input den ich bekomme und ich empfinde das so ähnlich, als würde ich erst mal nur zuhören und Wissen und Erfahrungen aufnehmen.

    Ich schreibe bewusst so oft „im Moment“ und „für jetzt“ da es sich für jetzt mit den Werkzeugen, die ich benutze, gut anfühlt, wie es ist.


    Ich hatte dich allerdings so verstanden, dass du generell den Weg der Konfrontation gehen willst. Und ich habe diesbezüglich eher noch weiter gedacht, wie z.B. gesellschaftliche Runden, in denen Alkohol konsumiert wird, oder daran, dass sich noch Alkohol in deiner Wohnung/ deinem Haus befindet, usw.

    Das stimmt so. Nach der ersten intuitiven Entscheidung habe ich mich bewusst dafür entschieden. Vielleicht waren die Intuition und die bewusste Entscheidung auch ein Stück weit parallel. Ob ich das jetzt vor, während oder nach dem Urlaub dazu gelesen habe, weiss ich gar nicht mehr genau. Jedenfalls kam ich dann darauf, als ich Input zum Umgang mit Cravings gesucht habe. Und ich denke, dass mein Weg – je nach Situation – eine Mischform aus Ablenkung und Suchtdruck bewusst aushalten sein wird. Zu Beginn aber auch die Vermeidung der wirklich ganz krassen Trigger. Also Konfrontation in Schritten. Der psychologische Ansatz zur Konfrontation ist grob hier beschrieben:

    „Den Suchtdruck aushalten
    Nicht alle Ansätze, die sich mit der Behandlung des krankhaften Konsums von Medikamenten, Drogen und Alkohol beschäftigen, zielen auf Ablenkung und Gespräche ab. Immer mehr neue Methoden beschäftigen sich stattdessen mit dem Gedanken, dass das Aushalten des Verlangens auf lange Sicht bessere Erfolge verspricht. Ein Beispiel hierfür sind Achtsamkeitstrainings, bei denen es vorrangig darum geht, die körperliche Wahrnehmung zu verbessern. Wer intensiv spürt, was er fühlt, kann innerhalb kürzester Zeit auf Signale angemessen reagieren. Oftmals macht sich der Suchtdruck schließlich nicht nur mit psychischen Symptomen bemerkbar, sondern auch durch körperliche Signale, wie etwa Magenschmerzen, Schwitzen oder Zittern. Wer in der Therapie lernt, diese Signale richtig zu deuten, kann die passenden Maßnahmen ergreifen und so gezielt die Gefahr eines Rückfalls verringern.
    Darüber hinaus wird das starke Suchtverlangen im Rahmen des Achtsamkeitstrainings ganz neu betrachtet. Anstatt sich abzulenken und dem Problem aus dem Weg zu gehen, konzentrieren sich die Patienten voll und ganz auf das Verlangen. Sie spüren, wie der Druck in ihrem Inneren ansteigt, sich wie eine hohe Welle auftürmt, dann aber allmählich wieder abebbt. Wenn Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit oder einer anderen Sucht im Rahmen von Therapie und Behandlung lernen, dass das Verlangen nach dem Suchtmittel nicht konstant hoch bleibt, sondern mit der Zeit sicher abflaut, können sie die Erfahrung eines neuen Reiz-Reaktionsmusters machen. In Situationen, in denen sie normalerweise den Konsum von Medikamenten, Drogen oder Alkohol zur Problemlösung genutzt haben, können sie nun anders reagieren und ihr Leben entsprechend nicht mehr von den Substanzen steuern lassen.“ Quelle: https://www.mywaybettyford.de/suchtkompendium/craving/

    Das ist für mich absolut schlüssig und logisch und ich denke, dass ich ja sowieso immer wieder in Situationen komme, in denen ich mit Suchtdruck konfrontiert werde. Und es wird auch welche geben, die ich nicht vermeiden kann. Deshalb möchte ich diesen Weg wählen. Mit ganz viel Achtsamkeit und Respekt davor.

    Es ist auch tatsächlich so, dass mein Mann „normal“ Alkohol trinken kann und Bier in unserem Keller ist. Das triggert mich allerdings überhaupt nicht. Das ist nicht meins im zweideutigen Sinn: Zum einen „gehört es mir nicht“. Also ist es tabu. Zum anderen war es nicht das Getränk meiner Wahl, um mir einen Rausch anzutrinken. Ich war auch schon auf einem Straßenfest, bei dem überall Wein getrunken wurde. Das war okay, das auszuhalten. Ich würde jetzt aber noch nicht in die Kneipe gehen, in der ich oft abgestürzt bin. Die ganz krassen Situationen möchte auch ich jetzt also noch vermeiden.

    Vielleicht konnte ich jetzt ein bisschen verständlicher machen, wie ich ticke. nixweiss0

    Die Beiträge von euch kommen mir übrigens auch überhaupt nicht überheblich vor. Ich freue mich, dass ihr mich an euren Erfahrungen teilhaben lasst und ich berichte gerne weiter über meinen Weg. :)

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***

  • Hallo Nana,
    die Wege aus der Sucht heraus sind durchaus unterschiedlich, jeder tickt ein bisschen anders und so manches sieht man im Laufe der Zeit u.U. anders als am Anfang.

    Das ist gerade eine spannende Zeit für dich und ob du mit DEINEM Weg richtig liegst, wird sich für dich zeigen.

    Ich selbst hab am Anfang manches anders wahrgenommen, als ich das nun zwei Jahre später sehe.

    Auch ich habe natürlich Greenfox‘ Erfahrungsbericht gelesen und nicht nur seinen und kann daher ziemlich gut nachvollziehen, was er meint, wenn er betont, wie wichtig die Interaktion, das direkte Gespräch mit anderen Betroffenen, gerade in der Anfangszeit ist.

    Zum Thema „Konfrontation“:

    Ich hab davon gehört, dass in Entzugskliniken mitunter auch der Ansatz der Konfrontation gegangen wird. - Ich selbst war nicht in einer solchen. - Dein Zitat von der Betty Ford Klinik passt auch dazu. Der Ansatz hat gewiss auch einiges für sich.

    ICH wäre nach MEINEN Erfahrungen und Kenntnissen bezüglich unseres Themas allerdings vorsichtig, etwas, was unter ganz bestimmten Bedingungen und therapeutischer Begleitung in einer Klinik geschieht, eins zu eins in den Selbstversuch zu Hause zu übertragen.

    „Wer intensiv spürt, was er fühlt, kann innerhalb kürzester Zeit auf Signale angemessen reagieren.“

    Ich weiß ja nicht, welche Erfahrungen DU mit intensivem Fühlen gemacht hast, ICH zum Beispiel habe die Erfahrung gemacht, wie schwer bis unmöglich das mitunter und wie schwer das ganz besonders am Anfang ist. Manch ein Alkoholiker/ eine Alkoholikerin trinkt ja gerade deswegen Alkohol, um Gefühle runterzuregulieren oder um überhaupt irgendwie zu funktionieren und weitermachen zu können.
    Manch einer muss daher überhaupt erst lernen, sich grundsätzlich seinen Gefühlen stellen und sie überhaupt aushalten zu können. Reines Achtsamkeitstraining reicht da u.U. nicht aus.

    Als ich das eine Mal jenen fürchterlichen Suchtdruck gespürt habe, war ich mit Achtsamkeitstraining und Gefühlsregulation durchaus schon vertraut und darin geübt, aber das, was da war, war gewaltig und ich habe und hätte mich in jener Lage zweifelsohne nicht in der Lage gefühlt, noch intensiver nachspüren zu können, was ich fühle.

    Nun will ich dir keine Angst vor Suchtdruck (solchen habe ich übrigens in Bezug aufs Rauchen schon des öfteren erfahren, aber im Vergleich war der Suchtdruck nach Alkohol noch ne andere Hausnummer) aber vor diesem Hintergrund sehe ich diesen o.g. Satz, so einfach und logisch seine Aussage klingt, kritisch und denke an eine mögliche Überforderung, wenn das unbegleitet im häuslichen Selbstversuch ausprobiert wird.

    Es werden durchaus Situationen auf dich zukommen, in denen du mit Suchtdruck konfrontiert wirst, im Laufe des ersten Jahres begegnet man in der Regel den meisten Situationen. Für mich selbst war das, was andere erfahrene Betroffene mir in dieser Zeit geraten haben, in diesem ersten Jahr sehr hilfreich, manches hätte ich so u.U. nicht kommen sehen und es hätte mich u.U. trotz aller Achtsamkeit und allen Respekts überfordern können.

    Beste Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Guten Morgen AmSee,

    ich verstehe deine Skepsis, was die Methode der Konfrontation im Alleingang und ohne professionelle Begleitung betrifft. Und ich danke dir auch, dass du mich darauf hinweist. Greenfox Ausssagen zum direkten Austausch und den Stellenwert anderer Betroffener dabei habe ich auch absolut verstanden.

    Bei MIR ist es derzeit so, dass ich in der Konfrontation noch keine Situation hatte, in welcher der Suchtdruck so stark war, dass ich das Gefühl hatte, ich muss nachgeben. Was das intensive Fühlen betrifft, ist es mir bisher gelungen, das alles auf die kognitive Ebene zu holen und dort zu halten. Ich habe mich dann starkt auf das körperliche konzentriet (z.B. Wasser läuft im Mund zusammen - Kaugummi einwerfen) und die Gefühle ins Positive gedreht. Ich habe mir dann z.B. gesagt: "Das ist gerade echt schwierig, aber das geht in 20 bis 30 Minuten vorbei. Du machst das super, schau wie geil du dich dabei fühlst, das nicht tun zu müssen. Du musst dich nicht mit dem Zeug vergiften und das fühlt sich richtig gut an. Der nächste Morgen ohne Scham auch. Dafür lohnt es sich, diese kurze Zeit jetzt auszuhalten." Und dann fühle ich nur noch Erleichterung und Freude. Und dann habe ich das Gefühl, dass jede Situation, die ich so meistern kann, mich stärker und widerstandsfähiger macht.

    Vielleicht habe ich noch keinen richtig heftigen Suchtdruck erlebt, so wie ihn andere empfinden. Und natürlich würde ich mir sehr wünschen, dass das so bleibt und mir vielleicht erspart wird.

    Ich bin mir im Klaren darüber, dass dieser Weg ohne professionelle Begleitung Gefahren birgt und ich trage die volle Verantwortung dafür, wenn er mich in eine Sackgasse führt. Und dann muss ich auch die Konsequenzen dafür tragen. Sollte es dazu kommen, was ich nicht hoffe, wende ich mich an meinen damaligen Seminarleiter, der professionelle Entwöhnung von verschiedenen Süchten durchführt. Zur Zeit fühlt es sich gut und richtig an, wie es läuft.

    Ich behalte eure Denkanstöße und Anregungen auf jeden Fall im Hinterkopf! Und ich werde weiter berichten, wie es mir ergeht :)

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***

  • Hallo Nana,
    ich jedenfalls finde unseren Austausch recht interessant. :)

    Danke für deine Beschreibung, wie du das bislang auf der kognitiven Ebene hast lösen können. Wenn das für dich so funktioniert, prima! Ich wünsche dir natürlich, dass du das ggf. weiterhin so lösen kannst und möglichst von Suchtdruck verschont bleibst. Gefühle ins Positive zu drehen und ggf. fürsorglich mit sich zu sprechen ist zweifelsohne höchst wirksam und motivierend.

    Nach meinen eigenen Erfahrungen mit gewissen Gefühlen und Situationen, hätte das so nicht funktioniert, auch wenn ich selbst Vieles in meinem Leben auf der kognitiven Ebene gelöst habe oder zu lösen versucht habe. - Liegt bei mir vielleicht aber auch an meinem EKA-Hintergrund. nixweiss0 -


    Ich behalte eure Denkanstöße und Anregungen auf jeden Fall im Hinterkopf! Und ich werde weiter berichten, wie es mir ergeht :)

    44.

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Zusammen,

    ich möchte mich mal wieder melden und ein kleines Update geben.

    Heute ist Tag 83 meiner Abstinenz und bisher haben die Methoden, die ich für mich gewählt habe, um nüchtern zu bleiben, sehr gut funktioniert. 44.

    Ich hatte einige Herausforderungen. Eine der größten war z.B. ein Campingwochenende in einem Ort, in dem wir seit 9 Jahren regelmäßig Campingwochenenden verbringen. Wir haben dort Lieblings-Lokations, wo wir früher immer etwas alkoholisches getrunken haben. Ich konnte die Orte, die mit Alkohol trinken verknüpft waren, sozusagen erfolgreich entknüpfen, indem ich erlebt habe, dass es mir auch wirklich Spaß macht, dort hin zu gehen, ohne Alkohol zu trinken.
    Die Trigger waren in den meisten Situationen echt gut auszuhalten. Einer Situation war ich dann aber nicht gewachsen, nämlich als jemand in direkter Nähe zu mir mein damaliges Lieblingsgetränk bestellt hat. Da habe ich direkt zu meinem Mann gesagt, dass mir das jetzt zu viel ist und bin den Rückzug angetreten. Das war dann auch okay.

    Auch zuhause hatte ich ab und zu ein Craving. Da bin ich so vorgegangen, dass ich durchgeatmet habe und geschaut habe, was denn jetzt mein eigentliches Bedürfnis ist, das hinter dem Drang zu trinken steht. Und das war ganz oft einfach nur Ruhe. Insgesamt bin ich mitten in der „Aufräumarbeit“, zu der es für mich auch gehört, zu ergründen, für welches eigentliche Bedürfnis ich Alkohol eingesetzt habe. Ich achte mehr auf meine Grenzen und habe das Gefühl, sie auch schon jetzt besser zu spüren. Ich nehme mir ganz bewusst Zeit für mich, die nur dazu da ist, mich mit dem Thema Alkohol zu beschäftigen. Ich starte fast jeden Tag mit 1-2 Podcast-Folgen und habe inzwischen das 4. Buch angefangen.

    Bei einer Selbsthilfegruppe war ich bisher noch nicht. Für jetzt habe ich das Gefühl, dass es mir im Moment Druck machen würde, mir abzuverlangen, dort hin zu gehen. Ich habe so viele Tools in meinem Werkzeugkoffer für den Notfall, dass ich für jetzt sehr gut damit zurecht komme. Allerdings habe ich es auf dem Schirm, dass ich hingehen könnte, wenn ich wollte. Das reicht mir im Moment. Ähnlich verhält es sich mit professioneller Hilfe durch einen Therapeuten oder ein Mentoring-Programm (davon habe ich auch 2 von sehr sympathischen Mentoren gefunden). Das ist sozusagen mein doppelter Boden, auf den ich zurückgreifen könnte, wenn ich es brauche. Und dieses Wissen hilft mir, es nicht zu brauchen. Klingt verwirrend, aber vielleicht versteht ihr, was ich meine. nixweiss0

    Mein Mann unterstützt mich weiterhin und auch mit meiner Schwester bin ich im Austausch. Einigen anderen habe ich gesagt, dass ich aus gesundheitlichen Gründen nichts mehr trinke, da ich an Psoriasis erkrankt bin. Das wird vollkommen so akzeptiert und scheint auch plausibel. Und es ist nicht gelogen, da es auch ein Grund ist, warum ich aufgehört habe.

    Hier im Forum bin ich eher als stille Leserin unterwegs. Ich habe das Gefühl, dass meine Abstinenzpflanze noch zu klein ist, um mitzureden. ;)

    Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag! :)

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***

  • Hallo!

    Vorweg, ich bin seit mehr als 7 1/2 Jahren unfallfrei unterwegs und habe eine ambulante Therapie durchlaufen, viel im I-Netz sowie Fachbücher gelesen.

    Den Königsweg aus der Sucht gibt es nicht. Dafür sind wir einfach viel zu verschieden. Du scheinst Deinen Weg autodidaktisch zu gehen. Wenn er Dich clean hält, ist alles ok.

    Wichtiger als Fragen nach einer Therapie oder einer analogen SHG sind für mich aufgrund meiner Beobachtungen in den letzten Jahren folgende Aspekte:

    1.) Rückhaltlos zu der eigenen Krankheit zu stehen und sich selbst gegenüber gnadenlos ehrlich zu sein.

    2.) Nicht dem Alkohol und Zechkumpanen hinterher zu laufen und sich den Alkohol auf Distanz zu halten.

    3.) In der Anfangszeit (ca. 1 J.) keine Orte oder Veranstaltungen aufsuchen, bei denen eindeutig der (heftige) Alkoholkonsum im Vordergrund steht und
    letztlich das Bindeglied ist. Später setzt dann meist der Gedanke ein, dass man dort eh nicht mehr hingehört.

    4.) Sich von dem möglichen Gedanken zu befreien, irgendwann gehe doch noch mal was mit dem Alkohol. Viele Rückfälle beruhen letztlich darauf, dass sich der
    Aussteiger nie wirklich vom Alkohol gelöst hat und stets irgendwo im Hirn der Gedanken herumspukte, irgendwann gehe doch noch mal was mit dem Stoff und
    er/sie könne wie ein Normaltrinker gelegentlich mal was Alk konsumieren.

    5.) Sich regelmäßig mit dem Problem auseinandersetzen und es sich dadurch stets vor Augen zu halten. Das immer noch blendend funktionierende
    Suchtgedächtnis hat seine Tücken und kann einen ganz schön einlullen und wieder an die Flasche führen.


    Viel Erfolg auf Deinem Weg

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo, Nana!

    Herzlichen Glückwunsch zu knapp 3 Monaten 44.

    Und für mich liest es sich sehr gut, wie Du Dir Deine Instrumnente zurechtgelegt hast und sie einsetzt.

    Zitat

    Hier im Forum bin ich eher als stille Leserin unterwegs. Ich habe das Gefühl, dass meine Abstinenzpflanze noch zu klein ist, um mitzureden. ;)

    Nun stell mal Dein Licht nicht unter den Scheffel.
    In einer SHG - egal, ob Online oder im realen Leben - profitieren alle Betroffenen von den Erfahrungen der anderen. Und dazu gehören die guten wie auch die schlechten Erfahrungen.

    Und indem Du hier beschreibst, wie sehr es DIR hilft, dass Du mit Deinem Mann und Deiner Schwester gesprochen, Dich ihnen offenbart hast und wie sie darauf reagiert haben (nämlich positiv für Dich), dass es Dir geholfen hat, auszusprechen, dass eine Situation Dir nicht guttut/Dir Unbehagen bereitet und sie daraufhin verlassen hast und es daraufhin besser wurde ... all das sind Erfahrungen, die Anderen helfen können, es ähnlich zu handhaben in ähnlichen Situationen - und diese somit meistern zu können.

    Einfach nur, weil sie sich daran erinnern, diesen Lösungsansatz schon einmal gehört/gelesen zu haben.

    Zitat

    Da bin ich so vorgegangen, dass ich durchgeatmet habe und geschaut habe, was denn jetzt mein eigentliches Bedürfnis ist, das hinter dem Drang zu trinken steht.

    Dafür gibt es einen Begriff: Selbstachtung. Auf sich selbst achten. Auf seine eigene Befindlichkeit achten.

    Und DAS ist das A und O.

    Hätte ich das vor Jahren gemacht, wäre es nicht bei mir zu einem Rückfall gekommen, der dann 4 Jahre andauerte.
    Und seit meiner letzten "Trockenlegung" achte ich auf mich - und so ist mir vor ca. 4 Jahren aufgefallen, dass die Flasche für mich wieder "am Horizont" erschienen ist und habe mich entsprechend um einen Therapeuten gekümmert. Jetzt geht es mir wieder gut (alkoholtechnisch).
    Weil ich auf mich achte.

    Also rede Dich nicht klein - Du machst das schon ganz gut 44.
    Weiter so!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Nana,
    auch von mir herzliche Glückwünsche zu deinen knapp drei Monaten! 44.

    Ich kann mich den Worten von Greenfox nur anschließen.

    Es liest sich gut, wie du deinen Weg gehst und deine Werkzeuge nach Bedarf einsetzt.

    Und von der Schilderung deiner Erfahrungen können wiederum andere profitieren.

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.


  • 5.) Sich regelmäßig mit dem Problem auseinandersetzen und es sich dadurch stets vor Augen zu halten. Das immer noch blendend funktionierende
    Suchtgedächtnis hat seine Tücken und kann einen ganz schön einlullen und wieder an die Flasche führen.


    ..auch für mich ein ganz wichtiger Aspekt. Gerade, weil ich (noch) keine - bzw. keine starke - körperliche Abhängigkeit entwickelt habe und sozusagen mittendrin ausgestiegen bin. Sonst könnte ich mir leicht einreden, dass das alles gar nicht so schlimm war....

    Für mich funktioniert das Ganze gut, weil ich eine SHG gefunden habe, in der ich mich wohl fühle und wo ich gerne hingehe, einfach wegen der Menschen, die ich ins Herz geschlossen habe.
    Die Auseinandersetzung mit dem Thema Alkohol fällt dabei sozusagen nebenbei ab. Wenn das Thema Alkohol der einzige Grund wäre um zur Gruppe zu gehen wäre das wahrscheinlich längst eingeschlafen.

  • Hallo Zusammen, vielen Dank für eure Antworten, die guten Wünsche und die Motivation! :)


    4.) Sich von dem möglichen Gedanken zu befreien, irgendwann gehe doch noch mal was mit dem Alkohol. Viele Rückfälle beruhen letztlich darauf, dass sich der
    Aussteiger nie wirklich vom Alkohol gelöst hat und stets irgendwo im Hirn der Gedanken herumspukte, irgendwann gehe doch noch mal was mit dem Stoff und
    er/sie könne wie ein Normaltrinker gelegentlich mal was Alk konsumieren.

    5.) Sich regelmäßig mit dem Problem auseinandersetzen und es sich dadurch stets vor Augen zu halten. Das immer noch blendend funktionierende
    Suchtgedächtnis hat seine Tücken und kann einen ganz schön einlullen und wieder an die Flasche führen.

    Von dem Gedanken habe ich mich befreit, als ich den Entschluss gefasst habe, keinen Alkohol mehr zu trinken. Das funktioniert nicht, das ist mir völlig klar. Und obwohl ich ja nicht körperlich abhängig gewesen bin, ist mein Suchtgedächtnis groß und mächtig. Deshalb habe ich auch für Weihnachten mit der Familie schon mal klargestellt, dass auch ich keine Speisen essen werde, die Alkohol enthalten. Zur Sicherheit.

    Was mich da auch total motiviert, das weiter durchzuziehen, ist das Positive daran. Der ganze so wahnsinnig anstrengende Kontrollquatsch, der doch eh nicht funktioniert, fällt weg. Ich freue mich echt oft darüber, dass die wahnsinnig anstrengenden Bemühungen, es zu kontrollieren zu wollen und ins Leben zu integrieren, wegfallen. Dass ich diese Kraft und Energie, die ich da verschwendet habe, nun für gute Dinge nutzen kann. Dass ich die Gelegenheit hatte, aus dem Gedankenkarussel auszusteigen. Dieses ganze "Trinke ich heute was? Wenn ja, wie viel und wie schaffe ich das, normal zu trinken? Warum können andere das und ich nicht, was stimmt denn bitte mit mir nicht?" Da ist eine große Last abgefallen mit dem Wissen, dass ich einfach damit aufhören darf. Und diese Entscheidung nur einmal treffen muss. Nicht mehr ständig entscheiden zu müssen ist ein MegaMotivator für mich 44.

    Sich regelmäßig mit dem Problem auseinander setzen ist absolut der Plan. Ich habe mir schon so viele Podcasts, Bücher YouTube Kanäle und Blogs herausgesucht, dass ich die kleinen Zettel, auf denen ich alles aufschreibe, nun mal zu einer Liste zusammenfassen sollte ;)

    Dafür gibt es einen Begriff: Selbstachtung. Auf sich selbst achten. Auf seine eigene Befindlichkeit achten.

    Und DAS ist das A und O.

    Hätte ich das vor Jahren gemacht, wäre es nicht bei mir zu einem Rückfall gekommen, der dann 4 Jahre andauerte.
    Und seit meiner letzten "Trockenlegung" achte ich auf mich - und so ist mir vor ca. 4 Jahren aufgefallen, dass die Flasche für mich wieder "am Horizont" erschienen ist und habe mich entsprechend um einen Therapeuten gekümmert. Jetzt geht es mir wieder gut (alkoholtechnisch).
    Weil ich auf mich achte.

    Da hast du völlig recht, Greenfox, Achtsamkeit ist das A und O. Das Thema ist auch ständig präsent in meinem Leben. Ich habe nur, als ich noch getrunken habe, versucht den Gaul von hinten aufzuzäumen.
    Ich habe das falsch herum gedacht, denn ich dachte: Ich muss nur noch mehr, fester, intensiver und besser Selbstachtsamkeit und Selbstfürsorge machen, dann klappt das auch mit dem kontrollierten trinken. Jetzt ist mir klar, dass es genau anders herum ist. Ich musste erst aufhören zu trinken, damit die Selbstfürsorge richtig funktionieren kann.
    Allerdings ist auch das Arbeit, für die man sich Zeit nehmen muss. Dafür muss man sich wichtig sein. :)


    Für mich funktioniert das Ganze gut, weil ich eine SHG gefunden habe, in der ich mich wohl fühle und wo ich gerne hingehe, einfach wegen der Menschen, die ich ins Herz geschlossen habe.
    Die Auseinandersetzung mit dem Thema Alkohol fällt dabei sozusagen nebenbei ab. Wenn das Thema Alkohol der einzige Grund wäre um zur Gruppe zu gehen wäre das wahrscheinlich längst eingeschlafen.

    Das ist sehr schön und ich finde auch, dass Selbsthilfegruppen ein wirklich sehr wichtiger Grundpfeiler in der Suchthilfe sind. Dass ich die Möglichkeit bisher noch nicht genutzt habe, hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich zu den hochsensiblen Menschen gehöre. Heißt grob beschrieben, dass ich unheimlich viele Reize aufnehme – besonders ausgeprägt ist bei mir die Empathie, also das Mitfühlen mit andren Menschen. Und da bin ich mir nicht sicher, ob mich das vielleicht emotional überfordern würde.

    Die Hochsensibilität hatte ich immer schon, aber dass es einen Begriff dafür gibt, was ständig in meinem Kopf los ist, habe ich auch erst entdeckt, seit dem ich nüchtern bin. So fügt sich ein Puzzleteil zum nächsten und mir wird alles immer klarer.

    Und Wunder oh Wunder habe ich den Alkohol unter Anderem eingesetzt, um einen Schleier über diese ganzen ungefilterten Reize zu legen. Das war eine von mehreren Funktionen, die der Alkohol bei mir hatte. Nun lerne ich gerade, andere Dinge anzuwenden, um mich vor Reizüberflutung zu schützen und das funktioniert tatsächlich schon ganz gut :)

    Um hier zu stöbern und zu schreiben, nutze ich z.B. auch oft sehr gerne die frühen Morgenstunden, da ist noch alles schön ruhig, wenn der größte Teil der Welt noch schläft ;)

    Euch allen einen schönen Tag!

    Viele Grüße
    Nana

    *** Das Leben ist zu kurz für irgendwann ***

  • Hallo Nana,
    da ist es natürlich verständlich, dass du mit Selbsthilfegruppen vorsichtig bist. Aber du wirst sicherlich auch so deinen Weg finden, dauerhaft und zufrieden abstinent zu bleiben.
    Dir noch einen schönen restlichen Adventsabend.
    Liebe Grüße
    Frank

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