Spielsucht und Alkohol

  • Hallo branislav,

    ich bin mir nicht sicher, ob deine Frage ernstgemeint war, aber wenn ja... wie soll ich das sagen...?
    Vielleicht wäre es besser, wenn du dir eine andere Aktivität suchst, um etwas gegen die Langeweile zu unternehmen?
    Unter Leute gehen, oder zur Not auch allein raus, einen Spaziergang machen... alles ist besser als DAS, glaub mir.
    Entspannen, Abschalten und 'Runterkommen' zu lernen, ohne wie gewohnt 'künstlich nachhelfen' zu müssen, ist nicht einfach, aber unabdingbar. Denn Trinken oder Spielen... der Effekt ist derselbe. Das Eine mit dem Anderen kompensieren zu wollen schafft nur neue Probleme. Genesung bedeutet, ein Leben ohne 'Ablenkung' zu führen, nicht mehr davonzulaufen vor negativen Empfindungen oder sich selbst, deshalb ist Distanz von schädlichen Dingen sehr wichtig, um wieder eine ruhige Mitte zu finden.
    Tu es also bitte nicht. Auf kurz oder lang hättest du sonst möglicherweise neue (alte) Probleme.
    Same Shit, Different Day.

    Sorry, ich wollte dich nicht belehren oder so. Es kann natürlich jeder immer machen, was er will. Das stach mir nur gerade ins Auge. Habe mich extra registriert, um das zu schreiben.
    Wollte nicht stören, ihr könnt es (und mich) gerne wieder löschen. War mir nur irgendwie ein Anliegen, das nicht so unkommentiert stehenzulassen.

    Gruß
    Paul

  • Das stach mir nur gerade ins Auge. Habe mich extra registriert, um das zu schreiben.
    Wollte nicht stören, ihr könnt es (und mich) gerne wieder löschen. War mir nur irgendwie ein Anliegen, das nicht so unkommentiert stehenzulassen.

    Hallo, Paul!

    Es freut mich, dass ausgerechnet solch ein Troll, der nix Besseres zu tun hat, als Unsinn zu schreiben, Dich dazu gebracht hat, zur "schreibenden Zunft" zu stoßen und Dich zu äußern 44.

    ICH würde mich freuen, mehr von Dir in einem eigenen Thread zu erfahren.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

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    können wir nur selber tun!

  • Guten Abend Greenfox,

    sorry, da hätte ich mich präziser ausdrücken sollen.
    Denn ich bin kein Alkoholiker, und auch kein Angehöriger. Ein eigener Thread wäre daher auch wenig sinnvoll, auch wenn ich durchaus so meine Erfahrungen mit Suchtproblematik habe. Eigentlich hatte ich auch etwas anderes gesucht. Deshalb auch die Anmerkung, daß ihr mich wieder löschen könnt, wenn das für euch so nicht okay ist.

    Aber ja, du hast recht. Ich hätte nicht einfach so reinplatzen sollen. Sorry. Also kurz zu mir, weil es sich so gehört, wenn man irgendwo aufschlägt: Ich bin das, was man im Medizinerdeutsch einen 'pathologischen Spieler' nennt. Oder mit anderen Worten... ich bin seit 20 Jahren spielsüchtig (und hatte auch davor schon eine Neigung zu exzessivem Verhalten). Heute kann ich das so über mich sagen, zumindest anonym. Das war aber beileibe nicht immer so. Sehr lange habe ich mich gegen diesen Stempel gewehrt. Nein, ich bin nicht süchtig, dafür bräuchte es jawohl irgendeine Art von 'Substanz'.
    Stimmt nicht, was ich suchte war der Zustand des 'Abschaltens', des totalen 'Wegseins', bis irgendwann der 'Point of no Return' kam, an dem das zu meiner Normalität wurde, es nicht mehr anders ging. Ein schleichender Prozeß. Aber das ist wahrscheinlich bei allen Suchterkrankungen so.

    Naja... das ist jedenfalls keine harmlose Freizeitbeschäftigung, sondern zielt bewußt auf Leute ab, die etwas 'Spaß und Ablenkung' suchen.
    Wie soll ich das formulieren? Mhh... Ich denke, Bran, sofern er das denn ernstmeinte, sollte genausowenig 'zur Entspannung' mit dem Spielen anfangen, wie ich zu diesem Zweck mit dem Trinken. Das Ende vom Lied wären nur neue Probleme. Und täglich grüßt das Murmeltier...

    Davon abgesehen - die Kombination von Alkohol und Glücksspiel ist für mich besonders toxisch. Das Eine führte bei mir immer zum Anderen (bei zwei Rückfällen hatte ich vorher ebenfalls getrunken) - und manchmal, wenn es extrem ausgeartet war, war es auch umgekehrt. Ganz besonders gefährlich ist es also, wenn man ein Problem mit einem davon (oder beidem) hat. Trinke ich zuviel, senkt das meine Hemmschwelle... Ach komm, ein 20er kann ja nicht schaden, oder?
    Hatte ich dann mal wieder Geld, was mir nichtmal gehört, mein gesamtes Essensbudget für den Monat, und / oder meine zurückgebuchte Miete und Nebenkosten irgendwo versenkt, war es praktisch, wenn ich die Schuldgefühle doch noch irgendwie ertränken konnte, um mich nicht aushalten zu müssen.

    Lange Rede, kurzer Sinn... gehört hier ja auch wie gesagt nicht wirklich her.
    Ich wollte nicht stören, der Beitrag ließ bei mir nur ein paar Alarmglocken schrillen, das ist eigentlich alles.

  • Guten Abend Paul,

    auf die Gefahr hin, Greenfox zu ärgern und den Thread noch weiter entgleisen zu lassen: ich finde Deinen Beitrag sehr interessant.

    Spielsucht ist so etwas, was ich nicht so recht verstehe. Immer wenn ich an einer Spielhalle oder Automaten vorbeikomme, denke ich: holla bin ich froh, immerhin DAVON nicht abhängig zu sein. Es scheint so... sinnlos und langweilig? (OK, man könnte sagen das trifft auf viele Süchte zu. Ich kann das schlecht beschreiben.)
    Beim Alkohol, Kiffen und Rauchen habe ich selber ausprobiert, wie man davon abhängig wird. Eine Essstörung oder Kaufsucht kann ich mir auch vorstellen, also den Impuls, sich damit für einen Moment besser fühlen zu wollen.

    Interessant daher, dass Du schreibst, dass die Motivation beim Spielen tatsächlich auch so wie bei anderen Süchten ist: "davonzulaufen vor negativen Empfindungen oder sich selbst", Abschalten, Runterkommen.

    Nur meine Frage ist: könnte man nicht besser abschalten bei irgendeinem fesselnden Konsolen-Spiel, das man zu Hause spielen kann, quasi kostenlos? Was ist der Reiz daran, (all sein) Geld in einen blinkenden und düdelnden Automaten zu werfen, der dann noch nichtmal etwas interessantes macht? So wie ich das aus Beobachtung kenne, scheinen die "Profis" gerne mehrere dieser Automaten gleichzeitig zu füttern, um dann eher unbeteiligt daneben zu sitzen und zu warten bis das Geld durchgelaufen ist. Oder ab und zu mal etwas ausgespuckt wird. Macht das den Reiz aus, die Hoffnung, dass mehr Geld raus kommt, als man reingeworfen hat? Der Nervenkitzel, dass es um Geld geht? Oder wie hilft es beim Abschalten?

    Es tut mir Leid, wenn meine Frage ingnorant ist. Aber da Du gerade hier bist/warst... mich hat das schon immer mal interessiert.

    Greenfox, sorry für das Off-Topic, lösch meinen Beitrag ruhig.

  • auf die Gefahr hin, Greenfox zu ärgern und den Thread noch weiter entgleisen zu lassen: ich finde Deinen Beitrag sehr interessant.
    ...
    Greenfox, sorry für das Off-Topic, lösch meinen Beitrag ruhig.

    Warum sollte ich "verärgert" sein oder Deinen Beitrag löschen wollen/sollen nixweiss0
    Ich finde das Thema ja ach sehr interessant.

    Und wie man sieht, hat das Eine durchaus mit dem Anderen zu tun!


    Davon abgesehen - die Kombination von Alkohol und Glücksspiel ist für mich besonders toxisch. Das Eine führte bei mir immer zum Anderen (bei zwei Rückfällen hatte ich vorher ebenfalls getrunken) - und manchmal, wenn es extrem ausgeartet war, war es auch umgekehrt. Ganz besonders gefährlich ist es also, wenn man ein Problem mit einem davon (oder beidem) hat. Trinke ich zuviel, senkt das meine Hemmschwelle...

    Ich wollte nicht stören, der Beitrag ließ bei mir nur ein paar Alarmglocken schrillen, das ist eigentlich alles.

    Vielmehr Mache ich mal einen eigenen Thread daraus - denn das hat es mehr verdient als diesen Troll-Beitrag.

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  • Spielsucht ist so etwas, was ich nicht so recht verstehe.
    Interessant daher, dass Du schreibst, dass die Motivation beim Spielen tatsächlich auch so wie bei anderen Süchten ist: "davonzulaufen vor negativen Empfindungen oder sich selbst", Abschalten, Runterkommen.
    Nur meine Frage ist: könnte man nicht besser abschalten bei irgendeinem fesselnden Konsolen-Spiel, das man zu Hause spielen kann, quasi kostenlos?


    Moin,
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese beiden Süchte durchaus Parallelen aufweisen .
    In meiner Therapiegruppe war auch ein Spielsüchtiger. Zwei Süchte erhielten also die gleiche Behandlung. Der Betroffene erzählte, dass er die gleichen Phasen durchlebte wie „wir“: Einstig-Gewöhnung-Verzweiflung und Heimlichkeiten. Die chronische Abhängigkeit verlief allerdings viel schneller.
    Aber es gibt einen großen Unterschied: Man stirbt nicht daran.
    Die meist wirtschaftlichen Folgen liegen im sozialen Bereich.
    Er erzählte, dass er –wenn er nicht spielte- auch Entzugserscheinungen bekam wie Schwitzen, Unruhe, Zittern und massivem Druck. Spielsucht ist auch nicht heilbar, man kann sie nur zum Stillstand bringen.
    „Konsole spielen“ triggert einen Spielsüchtigen und ist vergleichbar mit „kontrolliertem Trinken“ oder „Alkoholfreien Getränken“ bei einem Alkoholiker. Wichtig war für Ihn: Keine Spiele (nicht mal Lotto), weder Konsole noch Handyspiele. Seine Frau verfügte über sämtliche Barmittel und Kreditkarten. Er ging lediglich mit 5€ im Portmonee zur Arbeit, um sich etwas zum Frühstück zu kaufen. Genauso wie ein Alkoholiker war sein Therapieziel: dauerhafte Abstinenz.
    Gruß Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~


  • Was ist der Reiz daran, (all sein) Geld in einen blinkenden und düdelnden Automaten zu werfen, der dann noch nichtmal etwas interessantes macht?

    Tja, und was macht den Reiz aus, sich volllaufen zu lassen und dann besinnungslos und vollgepisst und bekotzt in einer Ecke rumzuliegen und auch nichts Interessantes zu machen nixweiss0
    Oder man macht "was Interessantes" in seinem Suff wie Frauen verprügeln und/oder Sachen zu zerstören - und kann sich dann nicht mal mehr dran erinnern?

    Nobody knows …

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  • Ohje... also gut, ich versuch's.

    Nein, Spaziergänger, es ist nicht ignorant. Diese Fragen habe ich mir oft genug selbst gestellt. Ich habe in meiner Jugend auch exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum hinter mir, dennoch haben mir am Ende (unter anderem) diese dudelnden Kisten das Genick gebrochen. Damit fing es an. Im Nachhinein betrachtet hatte ich nie eine wirkliche 'Spaßphase'. Ich kann nicht sagen, wann und wo genau es 'kippte', aber es lief recht schnell aus dem Ruder, auch wenn ich das nie wahrhaben wollte.
    An dem Tag, an dem ich den Karren dann endgültig gegen die Wand fuhr, saß ich auf der Straße, meine Freunde hatten sich schon lange abgewandt, meine Familie sprach nicht mehr mit mir. Ich stand vor einem Schuldenberg fast dreimal so hoch wie mein Jahreseinkommen - und ich hatte nichtmal das, was man einen soliden Job nennt. Ein Schuldenberg, von dem niemand auch nur die blasseste Ahnung hatte, denn ich war nach Außen der vernünftigste, sparsamste und rationalste Mensch, den man sich vorstellen kann.
    Wie konnte es also soweit kommen? Gute Frage. Ist nicht einfach zu erklären, ich verstehe mich da selbst nicht so ganz. Und die meisten denken da wie du "Warum schmeißt jemand sein Geld zum Fenster raus? Das ist doch eigentlich unglaublich dumm." Du kannst dir also sicher vorstellen, daß das ziemlich beschämend ist, sich (oder Anderen) einzugestehen, danach 'süchtig' zu sein.

    Zitat

    ...holla bin ich froh, immerhin DAVON nicht abhängig zu sein...

    Ich mußte da grad kurz schmunzeln, denn ich habe auch selber schon häufig gedacht "Ich bin froh, kein Alkoholproblem zu haben. Wenigstens hab ich nie einen Filmriß, keinen Kater am nächsten Tag, richte mich nicht gesundheitlich zugrunde, und werde im Alltag nicht ständig überall damit konfrontiert, wenn ich aufhören will."
    Ich kann mir alles schönreden. Heute mit etwas Abstand betrachtet stimmt das aber nur bedingt.
    Am nächsten Tag aufzuwachen war grauenvoll. Das furchtbare Gefühl im Magen, wenn es dämmert... das war kein Traum... was hab ich nur getan? Mal wieder. Bitte, mach, daß das nicht wahr ist!
    Nach außen funktioniert habe ich bis zum Schluß, trotzdem war ich ein fremdgesteuerter Zombie, ich wog noch knapp unter 50kg bei einer Körpergröße von 1,80m.
    Und was den Alltag angeht... ganz ohne Geld zu leben geht schlecht. Was also tun, um es nicht gleich wieder in den nächsten Automaten zu stecken, oder sich damit am Roulettetisch wiederzufinden?
    Es ist schwer, sich nicht selbst immer wieder auszutricksen. Wenn Betroffene wie weiter oben beschrieben Rechenschaft über ihre Ausgaben ablegen (und dies auch so wollen - was dabei entscheidend ist, sonst ist es eher eine Belastung für den Angehörigen), Karten und Kontozugänge abgeben, und sogar Kassenbons für jeden Kaffee etc. zu Hause abliefern, haben sie zumindest den Kopf frei von dem, was am meisten triggert - Geld. Narrensicher ist das jedoch nicht. Wenn ich spielen will, finde ich einen Weg, das habe ich ja jahrelang getan, genug 'Übung' habe ich also. Aber es würde mir zumindest kostbare Zeit verschaffen, zur Vernunft zu kommen, und gegenzusteuern.

    Den Umgang mit Geld mußte ich mühsam lernen. Zuwenig zu haben triggert dabei genauso wie 'Überschuß'. Bis zum heutigen Tag habe ich nie Bargeld dabei, mein Konto hat ein tägliches Abhebelimit, und ich schaffe am Zahltag alles, was zuviel ist, auf ein separates Sparkonto ohne direkte Abhebemöglichkeit. Aus den Augen, aus dem Sinn. Nach außen hin erscheint das oft merkwürdig oder gar 'bescheuert', aber wirklich wundern tut es keinen mehr.
    Ich nahm Geld immer mit der festen Absicht an mich, es später zurückzugeben. Als Startkapital, um ein bißchen was dazuzugewinnen, damit ich etwas Luft bekomme.
    Keine finanziellen Sorgen mehr zu haben, beruhigt, nicht spontan heranzukommen ebenfalls. Zum Status Quo war es allerdings kein einfacher Weg.

    Auch bei 'uns' ist die Quote derer, die es 'packen' leider sehr gering, und oft mit vielen Rückschlägen verbunden, und das, obwohl ich körperlichen Entzug in dem Sinne glücklicherweise nie erfahren habe. Aufhören war für mich trotzdem unsagbar schwer. Niedergeschlagenheit, Rastlosigkeit, zitternde Hände, gekoppelt mit einer Monsterportion Selbstmitleid. Irgendwas ganz hinten in meinem Kopf war damit offensichtlich nicht so ganz einverstanden. Es lief daher immer darauf hinaus, daß ich eine Weile die Zähne zusammenbiß, und Spielpausen einlegte, bis sich meine Finanzen etwas erholt hatten, oder etwas Gras über die Sache gewachsen war.

    Scham, Schuld, und Versagensgefühle gehörten genauso dazu, wie eine generelle Abwehrhaltung gegen einschneidende Veränderungen. Ich bin ein Gewohnheitsmensch. Es ist eh schon hoffnungslos. Ich bin hoffnungslos. Ich habe doch keine Wahl mehr. Was würde das überhaupt noch bringen?
    So mit das Schwierigste daran war aber, daß der Gedanke an ein Leben komplett 'ohne' irgendwie nicht sonderlich spannend war. Es erschien mir... perspektivlos. Ändern... okay... aber wofür überhaupt? Um anschließend Briefmarken zu sammeln? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Eine zeitlang ja, wenn es denn sein mußte (meist, wenn ich eh pleite war, oder jemand sauer auf mich - oder Beides), aber irgendwann sollte das doch wieder 'drin' sein. Nur ein bißchen...
    In Wirklichkeit wollte ich nicht ohne Rückzugsmöglichkeit leben. Mich nicht all dem stellen müssen, wovor ich immer davongelaufen bin. Da hatte ich eine Heidenangst vor.

    Auch wenn ich es zum ersten Mal tatsächlich wirklich für mich selber wollte, und bereit war, dafür ohne Wenn und Aber bei Null anzufangen, war auch dieser (hoffentlich letzte) 'Anlauf' ehrlicherweise anfangs alles andere als ein Selbstgänger. Ich stand auch schon mehr als einmal vor Kälte zitternd im Winter auf dem Balkon, nachdem ich mich unter die kalte Dusche gestellt hatte, weil der Druck soweit stieg, daß ich wußte, bald würde der Automatikmodus einsetzen, und ich mir einfach nicht mehr anders zu helfen wußte. Das war erniedrigend und niederschmetternd. Hörte das denn niemals auf?

    Also... was macht den Reiz aus? Warum kann ich nicht mehr aufhören, wenn ich erst einmal angefangen habe? Warum kann ich nicht kontrolliert spielen, wie Andere auch?

    Britt hat es schon gut beschrieben... die Art des Spiels ist nicht entscheidend (auch wenn da natürlich jeder seine Präferenzen hat, und sich absolut sicher ist, dabei den 'Dreh rauszuhaben'), und es geht auch nicht ums Geld, bzw. nicht darum, es tatsächlich 'mitzunehmen'. Tief in mir drin wußte ich, daß ich das nicht tun würde, auch wenn ich es mir immer fest vorgenommen habe.
    Das war immer nur eine Ausrede, das Spielen vor mir selbst zu rechtfertigen.

    Es ging mir ausschließlich darum, was dabei im Kopf passiert. Nervenkitzel, Adrenalin... um überhaupt irgendetwas zu spüren. Je länger das andauerte, desto besser. Zu Gewinnen bedeutete im Endeffekt aber nur, daß ich länger in meiner Scheinwelt bleiben konnte. So konnte ich das unweigerliche Ende hinauszögern, das ich gleichzeitig herbeisehnte, weil ich dann nicht mehr weitermachen 'mußte', und vor dem ich mich gleichermaßen fürchtete, weil mich die Realität dann wie ein Frontalcrash einholen würde.
    Ich habe schon Leute Rotz und Wasser heulen sehen, während sie wie in Trance immer wieder nachgelegt haben.
    Hinterher, wenn nichts mehr ging, verspürte ich dann manchmal sogar ein Gefühl der inneren Ruhe. Wie ein Sturm, der endlich vorübergezogen ist. Es ist aus.

    Ja, ohne Geld funktioniert es nicht. Man kann zum Beispiel online auch um Spielgeld spielen, 'just for fun'. Das einzige, was ich damit erreichen würde, wäre, daß es mich triggert, welches zu setzen, damit es auch 'was bringt'. Besonders, wenn ich mich ärgere, weil ich gewonnen hätte, aber nichts gesetzt habe. Dann geht die Träumerei los, die Nostalgie "Was wäre, wenn... "
    Dasselbe würde passieren, wenn ich zum Beispiel auf YouTube (oder eben auch live) jemandem dabei zusehen würde.
    Wie schon gesagt wurde, das gilt auch für Lotto, WM-Tipps auf der Arbeit oder im Freundeskreis, Rubbellose, Losbuden, Tombolas, Punktesammelaktionen im Supermarkt, und auch bestimmte Computer- und sogar Gesellschaftsspiele.
    Zwei Dinge sind entscheidend.
    Ich spiele nie um irgendeine Art von Einsatz, sei er auch noch so gering.
    Bin ich mir nicht sicher, lasse ich es ganz, und sobald ich merke, daß es etwas doch nicht geht, bin ich weg. Keine Versuche, keine Experimente, keine falsche Zurückhaltung.
    Das hat schon zu kuriosen Situationen geführt, aber ich erkläre mich da nicht. Es ist so. Fertig.

    Wenn ich spiele, bin ich in meiner eigenen Welt, meine kleine Blase, in der mich niemand stört. Keiner redet mir rein, alles ist meilenweit weg. Der totale Shutdown zur Außenwelt. Doch Innen ist es eine Achterbahn, ein ständiges Auf und Ab. Ich bin süchtig nach den intensiven Gefühlen, die das in mir auslöst. Freude... puuh... nochmal gutgegangen... und scheiße... ich bin am Ar***. Sie lassen mich alles Andere vergessen. Das 'funkt' im Hirn, und zwar gewaltig. Da ist kein Platz mehr für andere Dinge. Kosmisches Rauschen, das totale Vergessen. Natürlich muß ich auch da eventuell mal die 'Dosis' erhöhen, um den gewünschten Effekt zu bekommen. Dann muß ich, je nach 'Spielform' die Einsätze erhöhen, oder spiele eben alternativ gleichzeitig an mehreren Automaten (weil die in den Hallen und Gaststätten einen gesetzlich vorgeschriebenen Höchsteinsatz haben).

    Ich spielte, wenn ich traurig war, um mich zu belohnen, um abzuschalten, um runterzukommen, wenn's mir gutging, wenn's mir schlechtging, wenn ich glaubte, es sowieso nicht besser verdient zu haben... oder einfach nur, weil heute gerade Dienstag war.
    Konnte ich das länger nicht bekommen, wurde ich unruhig und rastlos. Jeder Cent wurde dafür 'gespart', ich dachte den ganzen Tag daran, wie ich an Geld komme, was ich zahlen muß - und was oder wer sich noch vertrösten läßt, wem ich welche Geschichte erzählt habe, oder noch erzählen kann, und wie ich die Zeit freischaufel, um ungestört zu sein.

    Der Anfang ging immer recht einfach... wenn ich mal wieder die Nase vollhatte. Verdammt nochmal, ich mach's nie wieder! Doch einfach nur 'Aufzuhören' bedeutete jeden Tag ein 24-stündiges Nichts... plus meine eigene unerträgliche Wenigkeit.
    Leider funktionieren halbe Sachen bei mir nicht, und für ganze Sachen brauchte es mehr als "Ich habe grad keinen Bock mehr darauf."

    Rein chemisch betrachtet ist mein Gehirn auf diese 'Belohnung' trainiert, das Suchtgedächtnis bringt Spielen (und das, was mich daran erinnert) mit der Ausschüttung von Glückshormonen in Verbindung. Dieses jahrelange künstliche Herbeiführen von Gefühlen, die normal nur Ausnahmesituationen vorbehalten sind, sorgt dann dafür, daß ich 'Normalität' erstmal als unsagbar langweilig empfinde. Auch fällt es mir manchmal heute noch schwer, Emotionen auszuhalten, zu deuten und einzuordnen (sowohl eigene, als auch fremde). Gleichzeitig hatte ich plötzlich kein Ventil mehr, die Probleme waren aber immernoch da.
    Gewisse Geräusche, Orte, Bilder, Situationen erinnern mich dann an früher... warme, nostalgische Gefühle, das Elend ist ausgeblendet. Das Verlangen danach ist dann wieder da - ob ich will oder nicht.
    Es hat sehr lange gedauert, bis ich damit umgehen konnte. Trotzdem vermeide ich immernoch Situationen, in denen das passieren kann, sofern das vorher absehbar ist.

    Um da rauszukommen, mußte ich komplett von vorne anfangen. Ein drastischer Schnitt von heute auf morgen. Gewohnheiten ändern, die Umgebung ändern, und Abstand von Leuten nehmen, die diese Entscheidung nicht respektieren konnten - und das waren so gut wie alle meiner damaligen 'Bekannten'.
    Wenn ich trinke, weil mir langweilig ist, oder es mir schlecht geht, mache ich damit letztlich aber nichts anderes, als früher auch - und dann wird auch das irgendwann zum Problem.

    Es stimmt, das begleitet mich ein Leben lang, damit muß ich mich abfinden. Ich kann nicht gegen etwas kämpfen, was ein Teil von mir ist, und mich besser kennt als ich selbst. Also mußte ich mich damit arrangieren lernen. Der größte Fehler, den ich machen kann, ist, eines Tages mal zu glauben, es sei vorbei.

    Oh. Das war jetzt irgendwie etwas lang und chaotisch. Versteht das einer? Wahrscheinlich nicht.

    Wünsche trotzdem einen angenehmen Abend.

  • Oh. Das war jetzt irgendwie etwas lang und chaotisch. Versteht das einer? Wahrscheinlich nicht.

    Oh, ich glaube, da unterschätzt Du uns Süchtlinge aber doch ein wenig. MIR kam es jedenfalls ziemlich bekannt vor.

    Natürlich kann ich nicht jede Sucht nachvollziehen - aber ich denke doch, dass ich es verstehe. Denn ich bin selber süchtig. Bei mir ist es der Alkohol. Bei Dir das Spielen. Bei anderen eine chemische Droge. Bei wieder Anderen ist es ...
    Der Mechanismus ist an sich doch immer ÄHNLICH. Okay, die Auslöser sind unterschiedlich - chemisch, psychisch oder im Wechselspiel ...

    Ich glaube, jetzt bin ICH es, der etwas chaotisch schreibt. Ich hoffe, Ihr versteht trotzdem, was ich sagen will.

    Schön, dass Du da bist und auch schreibst, Paul 44.

    Gruß
    Greenfox

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    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Britt,

    vielen Dank für den Einblick!

    Hallo Greenfox,

    Also "besinnungslos und vollgepisst und bekotzt in einer Ecke rumzuliegen" hat zumindest für mich nicht primär den Reiz ausgemacht, Alkohol zu trinken. Das kann natürlich bei jedem anders sein ;)

    Ich vermute, dass auch Spielsucht nicht unbedingt von der Motivation angetrieben wird, drei Jahresgehälter an Schulden anzuhäufen. Von daher die Frage, was den Reiz ausmacht. Denn bei Alkohol weiß ich, dass er mich schnell und zuverlässig "anders" macht und gedanklich von da wegbeamt, wo ich nicht sein möchte.

    Beim Spielen könnte ich mir für mich nicht vorstellen, dass ich einen ähnlichen Effekt erziele, wenn ich mich in den Imbiss 2000 setze, ein paar Rollen 5-Mark-Stücke (oder was man da heutzutage nimmt) in die Automaten schmeiße und mich daneben setzte, ohne selbst zu spielen und wenigstens zu versuchen, 3 Zitronen in einer Reihe zu bekommen oder was auch immer.

    Aber Paul hat das ja jetzt schön erklärt, dass er da voll eintauchen und abschalten kann.

  • Hallo Paul,

    herzlichen Dank für Deine ausführliche Erläuterung. Heftige Geschichte. Ich kann sie aber viel besser nachvollziehen, als ich gedacht hätte, da es tatsächliche viele Ähnlichkeiten in der Sucht gibt.

    Schön, dass Du anscheinend auf einem guten Weg bist jetzt. Ich bin selber erst seit Anfang des Jahres abstinent (Alkohol und Kippen), also erst recht frisch dabei.

    Einen schönen Abend,

    Martin der Spaziergänger


  • So mit das Schwierigste daran war aber, daß der Gedanke an ein Leben komplett 'ohne' irgendwie nicht sonderlich spannend war. Es erschien mir... perspektivlos. Ändern... okay... aber wofür überhaupt?

    genau das war bei mir auch ziemlich ausgeprägt. Erst in Bezug auf Drogen, dann beim Alkohol.
    "Damals" hatte ich noch nicht begriffen, dass es sich dabei (zumindest bei mir) um psychische Entzugserscheinungen handelte, die nach einer gewissen Zeit vorbei gingen.

    Ich hab ein gutes Jahr, nachdem ich mt dem Alkohol aufgehört habe, das Rauchen (ebenfalls extrem, 50 Zigaretten täglich mindestens) aufgehört, und da hab ich mehrere Tage am Rad gedreht, hatte Impulse, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, um das auszuhalten.
    Da wusste ich allerdings schon, dass es reiner Entzug ist und vorbeigehen wird. Im Währenden, also wenn ich diese Anfälle gerade hatte, war das aber auch die reine Verzweiflung.

    Und den "Sinn des Lebens" musste ich mir tatsächlich auch erst irgendwie schaffen. Ich habe sehr früh (Elternhaus) mit dem Drogen-und Alkoholkonsum begonnen, einen sonstigen Sinn im Leben nie gesehen (Zeitvertreib bis zum Sterben, alles Andere was man so macht tritt sich irgendwann fest, also wozu eigentlich die ganze Plagerei mit Job etc., mitnehmen kannst Du am Schluss ja eh nichts?) und dann letztlich wegen dem Leidensdruck aufgehört. Erst mal Euphorie, ist ja so schön wenn der Schmerz endlich nachlässt und man auch merkt das es klappt, aber dann doch wieder große Leere. Stand dann auch irgendwann vor der Frage "solls das jetzt gewesen sein, den ganzen Schrott jetzt zwar nüchtern, aber wozu?

    Ich habe dann angefangen, mein ganzes Leben etwas spielerischer zu betrachten, bin beruflich Risiken eingegangen, die ich mich eigentlich nie getraut hätte, und habe versucht aus meinen Hobbies einen Beruf zu machen, habe dafür Sicherheiten aufgegeben. Ich habe ein paar (für mich) spannende Sachen gemacht, bei denen ich zwar nicht reich geworden bin, aber tatsächlich noch mal so was wie Spannung in meinem Gesamtleben hatte, und nochmal eine Menge dazu gelernt, Lehrgeld gezahlt, aber auch was erlebt. Und darüber hat sich das dann auch geregelt, das ich mit meinem Leben insgesamt ganz zufrieden bin, und damit wurde das mit dem Sinn immer unwichtiger für mich. Und die Leere kultiviere ich meditierend manchmal geradezu.

    Gruß Susanne

  • Hallo ihr,

    manchmal überschlagen sich meine Gedanken leider ein wenig. Ich danke euch für die Antworten, und die Zeit, die ihr euch zum Lesen genommen habt. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.

    Ist schon okay. Ich weiß selbst, daß das irrsinnig klingt. Natürlich war es nicht das Ziel, den Rest des Monats heimlich die abgeschriebenen Lebensmittel aus dem Supermarkt zu essen, wenn ich nicht die 'Geistesgegenwart' gehabt hatte, vorher noch Nudeln oder Reis zu kaufen, die dann zumindest bis knapp zur Monatsmitte hielten.
    Denn ich war nicht zufrieden mit dem, was ich hatte, wollte leben wie ein König, und endete wie ein Bettler, weil es für mich kein 'Genug' gibt. Jedes Mal aufs Neue. In meinem Luftschloß war ich aber immer nur einen Millimeter davon entfernt, daß endlich alles 'gut' wäre.

    Es machte mich 'anders'. Ich kann mich gehenlassen, 'sein' wie ich bin, alles wird vermeintlich erträglicher und... weniger kompliziert. Und es ist ein zuverlässiger Aus-Knopf für all das, was ich nicht wahrhaben möchte. Das trifft es sehr gut.
    Es war natürlich schon lange kein 'Spaß' in dem Sinne mehr dabei. Mein Verständnis davon war etwas sonderbar, das hatte irgendwie etwas Selbtszerstörerisches. Hatte ich Geld, brannte es in der Tasche, mußte es weg. Schwer zu beschreiben... sowas wie ein innerer Zwang. Die kribbelnde Vorfreude war immer da, der Anfang warm, beruhigend, vertraut - aber zu sagen, ich hätte das dann jedes Mal bis zum Ende 'genossen', wäre da stark übertrieben. Oft war es sogar das Gegenteil. Abstoßend und widerlich. Es paßte also zu mir. Etwas anderes, 'normales', war für jemanden wie mich nicht vorgesehen.

    Danke für die netten Wünsche.
    Ich bin zwar schon etwas länger spielfrei, das mit dem Rauchen habe ich aber bisher nicht geschafft, zumindest nie dauerhaft. Ehrlich gesagt bin ich auch nicht sicher, ob ich das wirklich will. So ganz ohne 'Laster' zu leben scheint also doch nicht zu gehen, diesen letzten Schritt schiebe ich schon lange vor mir her. Hut ab, daß du da einen kompletten Schlußstrich ziehen konntest.

    Ja, die große Leere. Ein Karton mit Fotos, ein paar Klamotten, eine Matratze auf dem Boden, ein karges WG-Zimmer im Plattenbau. Die letzte Chance. Vermassle ich sie wieder, war's das, das war mir durchaus klar. Alles wäre besser als das, was als nächstes käme. Ein paar Tage 'Kostprobe' waren durchaus förderlich, um zu diese Überzeugung nochmal zu festigen. Das wollte ich nicht, das würde ich nicht lange überstehen... und ganz sicher nicht 'ohne'.

    Anfangs war ich also Feuer und Flamme dafür, von nun an alles besser zu machen. Hey, ich kann das tatsächlich! Das Problem war dann nur... es wurde gefühlt irgendwie nicht besser... und ich hatte noch viele Jahre vor mir, in denen das so bleiben würde. Aufstehen, arbeiten, umziehen, woanders weiterarbeiten, grübeln, schlafen...
    Das frustrierte mich.
    Und dabei wäre es doch so einfach... nur einmal, nur ein bißchen... und dann könnte ich mir auch mal leisten, irgendwohin zu fahren oder so.
    "Haha... Wo willst du denn hin? Nach Timbuktu? Du traust dich doch nichtmal, in einen vollen Zug zu steigen...! Und mit wem? Nachbar's Hamster? Der kann wenigstens nicht weglaufen. Du bist mir ein Scherzkeks. Wem willst du hier was vormachen? Laß es doch einfach, das ist nichts für dich."
    Es wurde mit der Zeit leichter, aber solche Phasen, in denen plötzlich nichts mehr weiter als die fest zugedrückte Faust in der Tasche zwischen mir und einer Dummheit stand, kamen immer mal wieder.
    Ich durfte nicht mehr, nein, auf keinen Fall. Aber warum wollte ich manchmal trotzdem?

    Es läßt sich aber nunmal nichts über's Knie brechen, das sollte ich doch nun langsam mal wissen. Natürlich sollen alle ihr Geld wiederbekommen, aber auf ein Jahr mehr oder weniger kommt es nicht an. Was auch immer ich getan habe, ich mache das nicht mehr, und ich muß es mir nicht 'verdienen', daß es mir gutgehen darf.
    Man sollte nicht so streng zu sich selbst sein, mhh...? Ja, klingt alles ganz logisch... zumindest wenn man es zu Anderen sagt.
    Die eigenen Schuldgefühle begleiteten mich aber schon noch sehr lange, manchmal tun sie es immernoch.
    Ich hatte mir soviel auf einmal vorgenommen, und nun ging es mir nicht schnell genug, natürlich nicht. Das tat es ja noch nie. Klar, was erwartete ich auch nach all dem, was ich getan hatte? Absolution? Eine gute Fee? Trotzdem... was hatte ich nun davon? DAS? Das kann doch nicht alles sein! Ich mußte doch irgendwas bekommen für all die Mühe, für all den Verzicht.
    Aber wer sollte mir das geben? Und was überhaupt? Was erwarte ich von einem zufriedenen Leben?

    Jemand erklärte mir dann später, das nennt sich 'psychische Abhängigkeit', und käme nicht von ungefähr, vielen ginge es so, weit mehr, als man denkt und sieht. Erinnerte mich an früher in der Schule, wenn der Drogenbeauftragte ewige Monologe hielt. Hatte mich damals schon gefragt, was das bitte sein soll. Körperlich? Klar, macht Sinn. Aber psychisch? So'n Quatsch. Da bin ich doch lieber nicht ganz frisch im Kopf. Damit kann ich wenigsten was anfangen.
    Es dauerte noch eine Weile, bis ich mir eingestehen konnte, daß da vielleicht doch was dran ist.

    Dabei bin ich eigentlich ein sehr ausgeglichener Mensch, vielleicht sogar ein bißchen zu sehr... so sagt man zumindest. Ich bin mir aber gar nicht so sicher, ob das auch so stimmt.
    Aber ja, inzwischen kann ich ganz gut damit umgehen. Ich verbringe nach wie vor viel Zeit mit mir selbst, aber es ist heutzutage okay für mich, dabei auch voll anwesend zu sein. Jeder hat mal einen schlechten Tag, und Entschleunigung ist nicht dasselbe wie Langeweile.

    Ich bewundere Menschen, die sich trauen, Sachen einfach auszuprobieren. Sicher, ich mußte so einige Schritte aus meiner flauschigen Komfortzone machen, um die (hausgemachten) Probleme ernsthaft angehen zu können. Was muß, das muß. Aber Experimente? Lieber nicht. Ich bin ein Feigling, da habe ich nicht den Mut für. Ich bin froh, wenn alles läuft, und versuche, meine persönlichen Grenzen zu akzeptieren und zu respektieren.
    Schön überschaubar, damit bin ich zufrieden.

  • Hallo Paul,

    ich habe Deinen Beitrag mit Interesse gelesen. Wie lange bist Du jetzt schon spielfrei?


    Ich bin zwar schon etwas länger spielfrei, das mit dem Rauchen habe ich aber bisher nicht geschafft, zumindest nie dauerhaft. Ehrlich gesagt bin ich auch nicht sicher, ob ich das wirklich will. So ganz ohne 'Laster' zu leben scheint also doch nicht zu gehen, diesen letzten Schritt schiebe ich schon lange vor mir her. Hut ab, daß du da einen kompletten Schlußstrich ziehen konntest.

    Ich? Och, danke für die Blumen. Das hat sich aber eher zufällig so ergeben. Ich hatte aufgehört zu trinken und war beim Arzt. Der hat mir dann dringend empfohlen, das Rauchen aufzugeben. Und da ich insgeheim auf so einen Anstoß gewartet hatte, hab ich das dann gleichzeitig gemacht. Es war für mich nicht schlecht so, denn der Zigaretten-Entzug war so knüppelhart, dass die Alkohol-Abstinenz eher in den Hintergrund getreten ist in der Anfangszeit. Bei anderen Leuten ist das wohl andersrum, da gab es hier mal eine Diskussion.

    Ja, vermutlich braucht man irgendein Laster, geht mir auch so. Ich verputze zur Zeit Unmengen von Süßigkeiten, obwohl ich mir früher nichts aus dem Zeug gemacht habe. Aber da kann ich gut mit leben. Sport-Sucht als Kompensation wär vielleicht förderlicher insgesamt, aber egal. :D

    Vielleicht klappt es ja irgendwann auch noch mit der inneren Ruhe und Zufriedenheit, die einige der alten Hasen hier erreicht haben.

  • Hallo Paul,

    Vielen Dank für deinen so ehrlichen Beitrag! Ich denke so einige finden sich in deinen Beschreibungen wieder...ich kann deine Spielsucht sehr gut nachempfinden, ähnelt sie doch stark der Alkoholsucht. Vor Emotionen und Gefühlen fliehen, die Suche nach einer schöneren Parallelwelt, Selbstmitleid, der immer wieder kehrende Teufelskreis zwischen Druck- Reue - Pause - Rückfall...

    Mein Addiktologe hat mir kürzlich sehr einleuchtend erklärt wieso Süchte austauschbar sind, man also ziemlich schnell vom Alkohol auf Medikamente, Spielsucht oder eine Essstörung rüber switchen kann. Dein Beitrag unterstreicht das, es geht um den Kick, um Euphorie, Druck diesen im übermässigem Mass zu beschaffen.

    Schön dass du hier bist, ich finde du passt sehr gut in dieses Forum. Ich bin Alkoholikerin, mittlerweilen abstinent aber manchmal kommt der Druck halt doch zum Vorschein, wenn auch immer seltener. Ich liebe mein neues Leben, es lohnt sich so sehr diesen Weg aus der Sucht zu gehen. Im Alkohol habe ich mein wirkliches Ich verloren, in der Abstinenz habe ich es wieder gefunden.

    Lg
    Rina

  • PS: ich war mal starke Raucherin...natürlich exzessiv, wie könnte es anders sein. Heute kann ich kaum mehr nachvollziehen wie ich mir täglich 25 Zigaretten grillen konnte...neutral betrachten ein Irrsinn. Nikotinsucht ist unglaublich stark, aber nur psychisch, es passiert rein gar nichts wenn man auf einen Schlag aufhört Gift zu inhalieren. Vielleicht wird man körperlich etwas nervös, ist gereizt, worst case. Ich habe mir dann immer gesagt, dass wenn ich jetzt den Himalaya hoch klettern müsste wäre das ein wirklicher Kraftakt, ein unglaublicher Aufwand der monatelanges Training erfordern würde. Beim Rauchstop ist das einzige was ich tun musste einfach nicht zu rauchen, nichts weiter. Beim Alkohol hat dieser Gedankengang natürlich nicht funktioniert da ja durchs trinken eine psychische Veränderung beigeführt wurde, ich wollte mich ja abschiessen mit meinem Konsum.

    Mir fehlt das Rauchen kein bisschen mehr nach all den Jahren, im Gegenteil, es ekelt mich vor dem Gestank. Aber ich gebe zu ich musste mich anfangs sehr durchkämpfen...

    Vielleicht kommt ja mal der Tag wo du es in Angriff nehmen willst

  • Hallo ihr beiden,

    ja, die Diskussion gab es auch schon: Was war schwerer aufzugeben, Rauchen oder Spielen?Gefühlt war das Spielen deutlich schwerer... andererseits rauche ich aber nach wie vor (oder schon wieder, nach zwei Jahren Pause). Fakt ist jedenfalls, beides auf einmal hätte ich sicher nicht hinbekommen. Auf keinen Fall.
    Rauchen ist für mich ja eigentlich nur eine Gewohnheit, ohne jegliche spürbare Auswirkung, das stimmt. Es hat sicher sowas wie eine beruhigende Wirkung, ist aber weit entfernt von jeglichem Betäubungseffekt. Ich warte auf den Bus... oder mache Mittagspause... was mache ich nun? Meist ist es sowas wie ein Zeitfüller. Klar hatte ich, als ich nicht geraucht habe, zwischendurch auch immer mal einen 'Jieper' darauf, es war aber deutlich weniger intensiv - und vor allem kürzer.
    Wer weiß, vielleicht macht es auch bei mir ja mal 'Klick'. Den gesundheitlichen Vorteil habe ich jedenfalls schnell bemerkt. Also wäre das schön. :)

    Hehe... das mit der Sportsucht wird schwierig, auch wenn es ebenfalls gut helfen kann, den Kopf freizubekommen. Ich bin nur leider ein echter Sportmuffel.
    Aber ja, Süchte sind austauschbar. In meiner Jugend habe ich auch exzessiv getrunken und Drogen genommen. Ich flog dann bei meinen Eltern zu Hause raus, wechselte den Stadtteil, das Umfeld, und damit auch die Freunde. Es war von einen auf den anderen Tag vorbei, und ich habe es nichtmal vermißt. So dachte ich zumindest. Kurze Zeit später fing ich dann mit dem Spielen an, obwohl es mir jetzt eigentlich besser ging als jemals zuvor.
    Kein Wunder also, daß mir nichts 'fehlte'... ich war ja einfach nur 'umgestiegen'. Und ich brauche auch keinen 'Grund' dafür - ich bin eben einfach so.
    Glücklicherweise dauerte meine Drogen- und Alkoholzeit nicht lange genug an, um ein dauerhaftes Problem für mich zu werden. Fakt ist aber, daß ich zu derartigem Verhalten neige, wenn ich nicht aufpasse. Egal, womit auch immer... und egal, 'warum'. Wie sagten sie so kurz und treffend in der Radiowerbung? - "Spielbank Hamburg. Es gibt immer einen Grund."
    Da mußte ich lachen. Gutes Marketing. Ja, zur Not suche ich mir eben einen.

    Ich habe mich natürlich trotzdem schon oft gefragt, warum ich so geworden bin, irgendwie brauchte ich immer schon ein Ventil, um mit mir selbst klarzukommen. Ich denke, es lag auch daran, daß Spielen weniger 'auffiel' als andere Sachen. Das kam mir doch sehr gelegen.
    Als ich aufhörte, war tatsächlich erstmal allem gegenüber Null Toleranz angesagt. Drogen sind seitdem kein Thema mehr. Was Alkohol angeht, so habe ich zumindest etwa die ersten zwei Jahre komplett darauf verzichtet, nicht zuletzt auch wegen der damit verbundenen Gefahr, so wieder rückfällig zu werden.
    Heute trinke ich immernoch extrem selten. Denn wenn ich ehrlich zu mir bin - ich mag das Zeug einfach nicht. Wenn ich es tue, dann also nur der Wirkung wegen... etwas, was ich tunlichst vermeiden sollte.

    Zitat

    Wie lange bist Du jetzt schon spielfrei?

    Mhhh... einem Spieler gegenüber (und auch bei Angehörigen) hätte ich auf diese Frage einfach nur geantwortet "Nicht lange genug.", denn ich habe ganz sicher nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen, und Zeit ist nicht entscheidend.
    Es wäre heute noch genauso wie 'damals', und das wird sich auch nie mehr ändern. Insofern macht es keinen Unterschied, und sich darauf auszuruhen wäre ein fataler Fehler. Stolz darauf sein kann ich irgendwie nicht, denn es sollte ja eigentlich normal sein, das nicht zu tun. Ich bin einfach nur unglaublich froh und dankbar, daß ich nicht mehr glaube, es zu 'brauchen'.
    Meine aktive 'Spielerkarriere' war mit etwa sieben Jahren vergleichsweise kurz. An dem Tag, an dem ich zum letzten Mal gespielt habe, war ich 25 Jahre alt - und überzeugt, mein Leben wäre zu Ende. So war es nicht, natürlich nicht, aber das war ein harter Weg, den ich das erste Mal wirklich ernsthaft in Erwägung zog. Alles war besser als das.
    Normal, wenn ich online mal darüber schreibe, halten mich die Leute für jünger, als ich tatsächlich bin, denn ich sage ganz bewußt nie, wie lange das eigentlich genau her ist. Es wäre mir unangenehm, denn ich bin alles, nur kein 'Vorbild'. Oh nein, weiß Gott nicht.

    Ich hätte das auch lange Zeit nichtmal genau sagen können, aber da zu der Zeit viel passiert war, ließ es sich recht einfach nachschauen. Komischerweise wußte ich noch, daß es ein Freitag war, am Monatsanfang, und (glücklicherweise) im Sommer. Also guckte ich irgendwann nur für mich mal in alten Unterlagen nach, weil anscheindend irgendwie so gut jeder weiß, wann er aufgehört hat.
    Es sind also inzwischen etwas über dreizehn Jahre.
    Komplett schuldenfrei bin ich seit Ende 2014. Das ging letztlich dann doch etwas schneller, als ich anfangs dachte, und es war komisch, diese ständige Mahnung plötzlich nicht mehr vor Augen zu haben. So wirklich wohl war mir dabei nicht.

    Alles Sachen, die ich normal nicht erwähne, weil, wie gesagt... ich weit davon entfernt bin, daß alles 'gut' wäre... aber das ist eine andere Geschichte.

    Ich bewundere auch oft die Geduld und Gelassenheit der 'alten Hasen', andererseits schockiert mich manchmal auch ihre Direktheit. "Hör auf zu Jammern, und überlege dir, was du eigentlich willst, was du erwartest - und von wem. Willst du aufhören, zu spielen - oder nur aufhören, zu verlieren?"
    Stimmt, es gibt keinen Aus-Knopf, keine Gebrauchsanweisung, keinen Zaubertrank, keine Universallösung, keinen 'einfachen Weg'... und erst recht keinen Kompromiß.
    Das ist absolut richtig, nur würde ich das niemals mit so direkten Worten sagen. Vorher sollte ich mir erstmal an die eigene Nase fassen.

    Ja, mein wirkliches Ich war lange verschüttet. Irgendwie war ich immer rastlos, auf der Suche, ohne überhaupt zu wissen, wonach. Dabei trat ich auf der Stelle. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich es je finden werde, aber ich bin definitiv näher dran, als ich es je war. Ich denke auch, daß bei mir ein "Ich will, daß es so wird wie früher" Quatsch wäre, denn ich war mein ganzes Leben lang schon so, was also sollte ich mir zurückwünschen? Da hätte kein Zurückspulen geholfen, sondern nur ein kompletter Neuanfang. Das ist aber gar nicht schlimm, denn das Leben ist soviel einfacher und unkomplizierter geworden.
    Manchmal vermisse ich das schon, ja, warum auch immer. Eigentlich macht das keinen Sinn. Aber wie du schon sagtest, es ist einfacher geworden, damit umzugehen. Es geht mir gut, und ich will dorthin nicht zurück - nie wieder!
    Die Suche nach mir selbst ist sehr unangenehm. Zu erkennen, was ich will - und was nicht - und dafür auch einzustehen. Das kriege ich ehrlich gesagt nicht immer hin. Fest steht aber... ich mag mich inzwischen deutlich lieber - und andere sehen das wahrscheinlich ähnlich.

    Ich wünsche jedenfalls allen einen schönen Feierabend.

    Paul

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