Ich bin neu

  • Hallo Orangina,

    Du hast ja schon bei mir gelesen, da muss ich Dich nicht unnötig zutexten.

    Ich glaube, wenn man mal angefangen hat, sich mit dem Thema wirklich zu beschäftigen, das geht ja schon bei den Kontrollversuchen los, dann trinkt man nie wieder unbeschwert. Entweder man gehört zu denjenigen, die das wieder unter Kontrolle kriegen, aber das ist ja auch nicht wirklich locker, oder man hat das dann halt immer irgendwie im Hinterkopf, wie mans machen könnte, und es wird anstrengend.

    Du schreibst ja auch, dass Du Dir ein alkoholfreies Leben bis vor kurzem nicht richtig vorstellen konntest, das war bei mir ganz genau so. Bis es eben geschnackelt hat.

    Ich hab mich in der Anfangszeit einerseits mit dem Psychologen der Suchtberatung drüber auseinandergesetzt, was eigentlich in dem Moment, in dem ich zum ersten Schnaps greife, passiert, und was ich da für Alternativen habe. Dank meiner ganzen Trinkpausen - die fand ich auch wichtig - hatte ich zum Glück schon einige Alternativen, und ich hatte auch die Erfahrung schon, dass Druck vorbei geht, und dass ich auch was aushalten kann. Also ich war mir schon recht bald relativ sicher, dass ich das schaffen kann, wenn ich das tatsächlich will.

    Andererseits reicht das Abschreckende nicht, glaube ich nicht. Zu oft habe ich schon gehört, dass jemand nach ein paar Jahren vergessen hatte, wie schlimm es war, und dann deswegen wieder getrunken hat. Für mich ist das einfragwürdiges Argument, denn eigentlich gibt es auch dann, wenn man es vergessen hat, keinen Grund zu trinken. So wenig wie es für sonstige normale Leute keinen Grund zum Trinken gibt, wenn sie nicht wollen. Da kenne ich inzwischen auch ein paar, die trinken einfach keinen Alkohol aber ohne ein Problem gehabt zu haben.
    Also schon alleine auf die Idee zu kommen, dann zu trinken, zeigt irgendwie, dass man sein Leben nicht so geändert hat, dass man aus positiven Gründen aufgehört hat, weil man von der Trockenheit viel zu sehr profitiert, als dass man das aufgeben würde.

    Ich hab mich von Anfang meiner Trockenheit an damit beschäftigt, was ich von der zweiten Hälfte meines Lebens (ich war da Anfang 40) noch erwarte, wenn ich das jetzt ohne Alkohol, Nikotin etc irgendwie angehe. Mit Irrtümern ud Umwegen, aber mir geht es die ganzen Jahre schon immer drum, was mir eigentlich wirklich wichtig ist. Das muss ich ab und an neu herausfinden, denn auch das ändert sich über die Jahre natürlich immer weiter, auch beim ganz normalen Älterwerden denken Leute darüber nach.

    So ziemlich am Anfang, nach ein paar Wochen, war ich mal mit dem Fahrrad unterwegs und habe mit meinem Sucht-Ich Selbstgespräche geführt.

    So in der Art
    "Wir wollen doch beide, auf unsere Art, dass es uns gut geht. Das funktioniert jetzt aber nur noch ohne dieses ganze selbstschädigende Verhalten. Denn damit geht es uns beiden (Sucht- Ich und Nüchtern-Ich) ja offensichtlich nicht gut, und glücklich werden wir so ganz sicher nicht.
    Also müssen wir uns irgendwie einigen, dass beide Teile was davon haben."

    Na und da dran habe ich auch lange gearbeitet. Und das war immer wieder spannend, manchmal auch nervig, aber es war das pure Leben.
    Und ich glaube das ist mindestens so viel Rückfallversicherung wie die Erinnerungen. Bei den Erinnerungen fällt es den meisten nämlich über kurz oder lang auf, dass ihnen Trinken oder was auch immer an Drogen auch Spaß gemacht hat oder (zumindest Anfangs) eben nicht nur schlecht war. Dann ist es schlecht, wenn man sich danach zurücksehnt, weil es das dann vermeintlich einfacher wäre und man das noch mal erleben möchte. Da bleibt einem nichts anderes übrig als drüber nachzudenken, warum das so ist, und vor allem, was man daran ändern müsste und auch könnte(man kann ja nicht alles, was man gerne möchte, also mit Frust muss man auch umgehen).

    Am Anfang muss man da einiges durchstehen (das war bei mir ohne Saufdruck trotzdem so), aber das ist ja auch ein Lernprozess, den man absolut für sich selbst nutzen kann. Natürlich entdeckt man dabei nicht nur seine schönsten Seiten, aber ab und an die Krallen ausfahren können ist auch trocken ganz nützlich.

    Jedenfalls, da wo man etwas lassen will, braucht man einen sinnvollen Ersatz, damit das nicht nur Verzicht bleibt. Sondern damit man dann, dauerhaft, über die ersten "es ist so schön wenn der Schmerz nachlässt"-Erfahrungen hinaus, auch tatsächlich was von der Änderung hat.
    Dieses ganze System, auf dem die Sucht aufbaut (Motivation, Belohnung usw.) ist ja an sich eine sinnvolle Erfindung der Natur, die uns das Erleben von Lebensfreude und echtem Genuss (ganz wichtiges Thema, dazu braucht man keinen Alkohol)ermöglicht, und die nun umtrainiert werden sollte/kann. Geht langsam, braucht man Geduld, was ich ab und an gerne betone.

    Und für den schnellen sind diese Pläne, Laufen, Wasser, und einfach entscheiden "Nein" schon sehr brauchbar.

    So meine Sichtweise.

    Gruß Susanne

  • Hallo Susanne
    Danke für deine Anregungen.
    Ich fand das sehr interessant, als du geschrieben hast, wie du dich mit deinem Sucht-Ich unterhalten hast.
    Beim Lesen fand ich das ganz ansprechend und auch einen klugen Ansatz,über den ich nachdenken werde.
    Es klingt auch wie eine vernünftige Verhandlung, die die Abstinenz unterstützt und gleichzeitig wird nach einer sinnvollen Alternative gesucht.
    Danke nochmal für deinen Beitrag.
    Orangina

  • Hallo zusammen
    Heute möchte ich hier in meinem Thread meinen 91. Alkoholfreien Tag dokumentieren.
    Für mich ,für andere...für diejenigen, die am Anfang stehen ,so wie ich, für diejenigen, die erst angefangen haben mit dem Leben ohne Alkohol (Sunny) und sich wünschten,sie wären schon so weit....
    In meiner ersten Woche dachte ich auch ,das dauert ja noch so lange,bis ich auf ein paar Monate zurück blicken kann.
    Ich bin stolz auf mich, aber mittlerweile weiß ich auch ,dass es nicht auf den langen Weg ankommt ,auch nicht auf lange lange Monate,sondern auf jeden Tag.
    Oder besser gesagt : Der Weg ist das Ziel.
    Jeder Tag ohne Wein ist ein guter Tag ...und da fällt mir auch wieder der Satz ein ,den AmSee mal schrieb:"heute nicht".Dieser Satz nimmt den Druck heraus ,das Ziel mehrere Monate,Jahre zu schaffen.
    Ich möchte euch danken ,dass Ihr mir alle hier ,jeder auf seine Art hier Denkanstöße gegeben habt und viele Berichte hier ,viele Antworten ,viele Gedanken sind nach wie vor eine große Unterstützung für mich.
    Ich glaube es war sehr gut dass ich mich vor 3 Monaten hier angemeldet habe.
    Es war die richtige Entscheidung.
    LG Orangina

  • Es war die richtige Entscheidung, weil ich mich das erste mal geoutet habe und Preis gegeben habe ,dass ich ein Sucht Problem habe.
    Das war mir schon lange vorher klar ,aber ich habe das Problem das erste mal benannt und offiziell gemacht...


  • Hallo zusammen
    Heute möchte ich hier in meinem Thread meinen 91. Alkoholfreien Tag dokumentieren.

    Das sind 3 Monate, ist das erste viertel JAHR - von hoffentlich noch sehr vielen 44. :blumen:

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Liebe Orangina,

    Ich gratuliere dir zu 91 Tagen Freiheit und Selbstbestimmtheit! Schön dass du da bist und uns an deinem Weg Teil haben lässt. Auch ich schätze den Austausch hier, kann viel für mich rausziehen aus den verschiedenen Beiträgen.

    Ich bin froh zu lesen dass es dir immer besser geht. Nach 3-4 Monaten wurde es für mich immer schwierig und ich wurde 4x rückfällig. Es ist gut sich immer wieder mit der Krankheit zu beschäftigen, das sehe ich auch so. Greenfox hat es x in einem Beitrag beschrieben was geschah als er das Thema „schleifen“ liess, wie sich unser Gehirn einreden kann dass es sooo abhängig ja gar nicht war...Ich sehe das klar in meinem Umfeld: Langzeit-Abstinente beschäftigen sich mit der Thematik in einem gesunden Mass, um nicht zu vergessen was mal war.

    Wünsche dir einen schönen Tag
    Rina

  • Lieber Greenfox ,liebe Rina.
    Danke für eure Nachricht.
    Rina .
    Du hast geschrieben, dass du nach 3-4 Monaten rückfällig wurdest.
    Magst du erzählen, wie du damals wieder die Kurve kriegtest?
    Ich kann mir durchaus vorstellen dass sich irgendwann eine Fahrlässigkeit einstellt,wenn man am Thema "Sucht" nicht dran bleibt.
    Gedanken wie "jetzt hab ich es schon so lang geschafft ohne Alkohol,dann kann ich ja nicht wirklich süchtig sein"können einem ganz schnell gefährlich werden.
    Das kenne ich von mir selbst...
    Und ich weiß, dass ich da sehr wachsam sein muss..
    LG Orangina


  • jetzt hab ich es schon so lang geschafft ohne Alkohol,dann kann ich ja nicht wirklich süchtig sein

    dieser Gedanke, ich kann ja (zum Glück) weiter trinken, weil ich mir ja bewiesen habe, dass ich nicht süchtig bin, ist einer der größten Hirnficks.
    Mit genau diesem Gedanken habe ich mir jahrelang "bewiesen", dass ich kein Alkoholproblem habe. Konnte ja jederzeit Pausen machen und war von daher - mit meinem damaligen Wissenstand - per Definition keine Alkoholikerin.

    Als ich wirklich aufgehört habe, habe ich verstanden, das man diesen Gedanken NUR dann hat, wenn man durch und durch süchtig ist und eine Möglichkeit braucht, sich das Saufen zu erlauben. Kein normaler Mensch, der schon mal Ärger mit dem Trinken hatte und das nicht braucht, sucht und findet solche Argumente.

    Dieser Gedankengang - ich habs einige Zeit geschafft, also darf ich - zeigt eigentlich, wie sehr mans braucht. Wenn mans nicht brauchen würde, wäre das ja logischerweise vollkommen egal, ob man darf.


  • dieser Gedanke, ich kann ja (zum Glück) weiter trinken, weil ich mir ja bewiesen habe, dass ich nicht süchtig bin, ist einer der größten Hirn...
    Mit genau diesem Gedanken habe ich mir jahrelang "bewiesen", dass ich kein Alkoholproblem habe. Konnte ja jederzeit Pausen machen und war von daher - mit meinem damaligen Wissenstand - per Definition keine Alkoholikerin.

    Absolut zutreffend. Diese Technik des Selbstbetrugs habe ich bei mir über viele Jahre angewandt und mir selbst was vorgemacht. Erst als es mir nicht einmal mehr gelang, eine Saufpause einzulegen, wusste ich, wo ich wirklich stand. Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment als ich mir mit einer Pulle Bier in der Hand selbst eingestand, so tief gesunken zu sein, dass ich nicht einmal mehr einen Tag ohne Alkohol aushalten konnte.

    Wie man sieht, funktioniert diese Taktik der Selbsttäuschung eine ganze Weile, bei mir mehr als 15 Jahre.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo Orangina,
    prima, dass es dir nach und nach immer besser geht! Mir geht’s ganz ähnlich und es kommt immer wieder eine neue Erkenntnis hinzu.

    Du hast Rina eine Frage gestellt, aber vielleicht magst du ja auch von mir ein paar Gedanken dazu hören?
    In Bezug auf Alkohol ist mir das zwar zuvor noch nicht so aufgefallen, weil ich mir zuvor niemals eingestanden hätte, meinen Alkoholkonsum nicht mehr wirklich im Griff zu haben und die Finger ganz davon lassen zu müssen, aber beim Zigarettenrauchen hab ich’s bei mir mehrmals genau beobachtet:
    Ich fing mit dem Rauchen jeweils in Krisensituationen wieder an. In diesen Situationen stand ich innerlich so stark unter Druck, dass ich’s kaum aushalten konnte, und da kam jedes Mal der Gedanke an das Mittel auf, das ich als höchst effizient und schnell wirksam kennengelernt hatte: Eine Zigarette. Ich wusste, dass mir eine Zigarette etwas Erleichterung verschaffen würde und saß leider immer wieder dem Irrtum auf, ich könnte und müsste mir eine Ausnahme erlauben, ich könnte ja gleich sofort wieder aufhören. Ich wusste, dass Nikotin abhängig macht und ich schon früher davon abhängig gewesen war und da war gewiss auch eine gewisse Sorglosigkeit oder Fahrlässigkeit bei mir, aber ich empfand es in diesen Situationen als Güterabwägung (mir fällt grad kein besserer Begriff dafür ein). In diesen Momenten wollte ich nur noch, dass der Druck aufhört oder wenigstens geringer und damit erträglicher wird und ich gleichzeitig noch funktioniere. Funktionieren war gleichzeitig auch noch sehr wichtig in diesen Situationen und so unter Druck konnte ich nicht funktionieren. Das Aufhören war jedoch nie einfach, denn die Entzugserscheinungen und die Erfahrung, dass mir die Zigaretten „geholfen“ hatten, drängten mich, mir wieder eine Schachtel zu kaufen. Nach dieser, sagte ich mir dann. Und so weiter. Und dann stellte sich irgendwann diese jetzt- ist’s-auch-egal-Stimmung ein. Die Kurve kriegte ich erst wieder, wenn mir dann die Raucherei endlich wieder zum Hals heraushing und eigentlich nur noch störte und ärgerte.

    Nun ist wahrscheinlich Rauchen nicht ganz mit Alkohol trinken vergleichbar, weil Alkohol nach meinen Informationen noch tiefer im Gehirn wirkt als Nikotin, aber diese Erfahrung, in bzw. aufgrund einer Krisensituation rückfällig zu werden, hilft mir für mich, die Suchtmechanismen zu verstehen und nicht wieder darauf hereinzufallen.

    Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass man in einer angenehmen Situation ein Glas Alkohol trinkt, weil man die Gefahr unterschätzt. Und dann ist’s die Wirkung, die erneut in deinem Gehirn drinhängt und dich weitertrinken lässt. Für mich könnte ich mir das jedenfalls vorstellen. Die Kurve würde ich dann wahrscheinlich erst wieder kriegen, wenn bei mir wieder so richtig angekommen ist, was ich mir und meinem Partner da antue und es wirklich angehen will. Wenn ich die Gedanken, die mir den Konsum schönreden, wieder entlarven kann.

    Was meinst du? Welche Situationen könnten dir gefährlich werden, wieder Alkohol zu trinken? Krisensituationen oder schöne Situationen, wie etwa Sommer am See und eine Bar direkt am Badesteg?
    In der schönen Situation könnte ich mir vorstellen, dass das Gefühl aufkommen könnte, man würde etwas vermissen, etwas entbehren müssen, was den Moment doch soooo viel schön machen würde und vor sich selbst verharmlosen, dass man eigentlich ein Alkoholproblem hat.

    Die Situationen, auf die Susanne und Rekonvaleszent sich beziehen, müssten meines Erachtens die sein, wenn man sich noch nicht darüber im Klaren ist, Alkoholiker zu sein und sich folglich noch selbst täuscht. Wenn man es einmal begriffen hat, glaube ich nicht, dass man sich noch derart belügen oder sich etwas vormachen kann. Dann kann es doch eigentlich nur daran liegen, dass man nicht verzichten will.

    Was hat dich diesmal bewogen, die Kurve zu kriegen? Könntest du dir vorstellen, dass dir das nochmals - hoffentlich kommt es nie dazu! - gelingen könnte?

    Ich selbst bin so froh, dass bei mir der Schalter umgelegt zu sein scheint und ich hab so großen Respekt vor meiner Sucht, dass ich keine Risiken mehr eingehen will. Zu meinem Glück habe ich in Krisensituationen eigentlich nie Alkohol getrunken. Mir ist völlig klar, womit sonst jetzt auch noch zu kämpfen hätte.

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.


  • Die Situationen, auf die Susanne und Rekonvaleszent sich beziehen müssten meines Erachtens die sein, wenn man sich noch nicht darüber im Klaren ist, Alkoholiker zu sein und sich folglich noch selbst täuscht. Wenn man es einmal begriffen hat, glaube ich nicht, dass man sich noch derart belügen oder sich etwas vormachen kann. Dann kann es doch eigentlich nur daran liegen, dass man nicht verzichten will.

    da ich selbst noch nie einen Rückfall hatte, hab ich da keine eigenen Erfahrungen. Aber viele Gespräche.

    Ursprünglich bin ich mal davon ausgegangen, wenn jemand 10 Entgiftungen und eine Langzeittherapie hinter sich hat, dann weiss er, was er tut und was ihn erwartet, wenn er wieder anfängt. Demensprechend, wenn das Gejammer kam, dass einer schon wieder drin hängt, was willst Du Vollpfosten, bist doch selbst schuld. Kannst Dich ja mit nichts mehr rausreden. Sehenden Auges in den Untergang.

    Zum Teil ist das wohl auch so. Manche machen ja auch nur Schadensbegrenzung, gehen auch aufs Trockendock, um sich aufpäppeln zu lassen, damit sie das Trinken überhaupt wieder körperlich vertragen. Kannte ich einige.

    Dann habe ich aber irgendwann begriffen, dass es eben Bestandteil dieser geistig-körperlich-seelischen Krankheit ist, dass es Leute gibt, die das auch nach 10 Jahren Nüchternheit noch glauben, dass sie irgendwann wieder trinken können. Und dass man das bei Saufdruck vor sich selbst perfekt verbergen kann, wo das hinführt. Das ist krank im Sinne des Wortes. Mir haben Leute glaubhaft versichert, dass sie das nicht gemerkt haben.

    Ich hatte selbst mal eine Phase, wo ich gemerkt habe, dass ich mich dem Trinken geistig wieder annähere. Und das fing nicht mit "Durst" an, sondern damit, das ich mich aufgeregt habe, dass alle trinken. Da dran merkte ich, dass es etwas mit mir macht. Und da fings auch langsam an..nach einem Drink konnte ich früher ja auch aufhören, also könnte ich das jetzt ja wohl auch. Aber dass es dabei eben nicht bleiben würde, fiel mir dann doch rechtzeitig noch ein. Wenn ich aber mehr Druck, Lust oder Bedürfnis verspürt hätte, hätte ich mir die Argumente zurechtgebogen.

    Gruß Susanne

  • Was du schreibst, Susanne, unterstützt größtenteils meine Vermutungen, die ich vor dem Zitat geschrieben habe. Die, die sich dann doch wieder täuschen, d.h. glauben kontrolliert trinken zu können, hatte ich da gerade nicht so im Blick.
    Soweit ich das bislang beobachten konnte, gibt es so viele Gründe, warum ein Trinker rückfällig werden kann, Krisensituation, Fahrlässigkeit, Nicht-Aufhören-Wollen oder aber, weil er glaubt, er könne kontrolliert trinken, oder, oder oder.
    Gewiss ist es Teil der Alkohol-Krankheit.
    Was mich und wahrscheinlich auch Orangina interessiert, denn so verstehe ich ihre Frage, ist, wie wir uns vor einem Rückfall schützen können bzw. wie jemand, der rückfällig geworden ist, obwohl er/sie wusste, dass er/sie Alkoholiker bzw. Alkoholikerin ist, die Kurve wieder gekriegt hat.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo zusammen.

    Ja, diese Gedanken, die man sich schön zurecht legt, die kennen wir wohl alle.
    Rekonvaleszent, du hast geschrieben, dass du das jahrelang praktiziert hast und dich damit selbst getäuscht hast .
    Susanne, du nennst es Hirnficks.. das hast du gut umschrieben und das ist auch genau das, was es ist, nämlich der Beweis für die Sucht.

    Ich habe mir jahrelang eingeredet, dass ich es im Griff habe.
    Ich kenne diese Gedanken leider zu gut.
    Ich habe mir vieles zurecht gelegt.
    „Nur heute“, „ ich bin doch nicht süchtig, sonst könnte ich nicht so gut funktionieren wie ich es täglich kann!“
    „Heute belohne ich mich“, oder „ich höre nächsten Monat auf“ (aus diesen Vorhaben wurde jahrelang nichts ! Das heißt, meine Vorsätze wurden nie ernsthaft umgesetzt.)Zumindest nicht auf Dauer. Und eine Woche ohne Alkohol schaffte ich über 20 Jahre lang nicht.

    Mir war schon klar, dass ich ein Problem habe,schließlich war ich ja dauernd im inneren Dialog mit mir… und letzten Endes hat immer die Sucht gewonnen.
    Der Frust darüber war oft auch wieder ein neuer Grund, um am nächsten Tag zu trinken. Ganz egal, es gab IMMER einen Grund zu trinken und wieder anzufangen, auch wenn ich mir vornahm, erst wieder in ein paar Tagen 1 Glas zu trinken.

    Nie hat das funktioniert, so wie ich das wollte, sondern die Sucht hat mein Handeln bestimmt und ich mich ihr untergeordnet und dann drehte es ich mir wieder gedanklich so zurecht, so dass ich konstatierte: So schlimm ist das ja auch wieder nicht… dieses ständige Herunterspielen, gleichzeitig aber auch im Hintergrund das Wissen, dass ich wohl doch ein Problem habe.
    Ein irrsinniger und anstrengender Kampf war das-und JETZT bin ich frei davon (von diesen Dialogen und Kämpfen und das ist wunderbar!)
    Trotzdem weiß ich nun , dass mir genau solche Gedanken auch wieder eine große Gefahr werden könnten…

    Ich versuche nun mal auf deine Fragen einzugehen @AmSee.
    Zuerst aber mal möchte ich dir sagen, dass ich es interessant finde, was du übers Rauchen schreibst.
    Ich war ja auch mal Raucherin und habe seit meinem 13. Lebensjahr geraucht. Aufgehört habe ich vor ca. 15 Jahren. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr, wann das genau war. Es wurde über die Jahre unwichtig für mich.
    Das Aufhören mit dem Rauchen habe ich nur noch so in Erinnerung, dass es damals sehr schwierig war, es zu lassen. Nach mehreren Anläufen konnte ich es dauerhaft lassen.
    Einen Vergleich zu ziehen fällt mir schwer, was das aufhören mit dem Rauchen und mit dem Trinken betrifft.
    Für mich sind das zwei unterschiedliche Bereiche, auch wenn das Thema Sucht der gemeinsame Nenner ist. Vielleicht kann ich dazu mal noch ein anderes mal mehr schreiben.

    Du hast mich gefragt, welche Situationen mir gefährlich werden könnten
    und was mich bewogen hat, die Kurve zu kriegen und ob ich es wieder könnte, wenn es jemals zu einem Rückfall käme. (ich hoffe, dass das nie passiert).
    Ich habe sehr gerne auch zum Alkohol gegriffen, um Ängste klein zu trinken. Krisensituationen gab es immer wieder in meinem Leben, Stress und familiäre Probleme, wie zum Beispiel Krankheit bei meinen Eltern oder in meinem Job, oder schwierige Gespräche mit Freunden, Bekannten...vieles nahm ich mir immer zu Herzen und fand keine innere Lösung für die inneren Konflikte und das hat mich manchmal so zerrissen, so dass ich den Alkohol als sehr hilfreich empfand.

    Das war natürlich ziemlich gefährlich, aber mir ist das erst sehr viel später aufgefallen, dass ich eine Problemtrinkerin war und auch sonst allerlei (auch positive) Möglichkeiten wahrnahm, zu trinken.
    Für mich gehörte das Glas Wein immer dazu.
    Auch bei Diskussionen am Abend… ohne Wein fehlte mir immer etwas.

    Ich glaube , es ist ganz egal , wo ich mich befinde. Ich denke, es gibt keine spezielle Situation, die mir gefährlich werden könnte...ich bin kein Baggersee Sommer Typ...eher ein ich verkriech mich unter einen Baum im Garten-Typ---wie gesagt, es ist wurscht, wo ich mich dann befinde, ich denke eher, dass alleine meine Gedanken das gefährlichste werden könnten.

    Von früher kenne ich den entschlossenen Drang aus dem Nichts („so, jetzt aber knall ich mir nen Wein rein!“)
    Und dann war das egal, ob ich von der Arbeit heimfuhr oder ob ich sonst wo war.
    Das fand ich zuletzt so erschreckend, dass diese Gedanken immer fordernder wurden und ja, ich denke, das war auch wirklich der Moment, in dem ich mich ganz anders mit meinem Konsum auseinandersetzte.
    Das erste mal war das im November 2019.
    Da fing ich an, mir ernsthaftere Gedanken zu machen und habe dann den ganzen November 2019 nichts getrunken, dann aber wieder an Weihnachten, dann wieder nicht, dann wieder doch… und so ging das fast das ganze Jahr 2020-vorwiegend kontrolliert mit sehr vielen abstinenten Momenten und dann belohnte ich mich wieder mit einem Wein , weil ich es ja geschafft habe, nur 8 mal im Monat zu trinken… dann machte ich im Sommer wieder eine Pause von 2 Monaten und dann zog mich das dann wieder derart in ein kontrolliertes Trinken, das aber anders war als zuvor: Noch widerwärtiger für mich als zuvor, ich wollte nicht mehr trinken und tat es doch.
    Und da kippte bei mir der Schalter in eine andere Richtung als zuvor, als ich dann beschloss, dass ich nicht mehr will.

    Seit drei Monaten habe ich wie gesagt keinen einzigen schwierigen Moment gehabt.
    Vielleicht mal kurz ein Gedanke, aber der war nicht gefährlich, weil ich keinen Drang nach Alkohol spürte. Es war nur ein harmloser Gedanke.
    Ich bin momentan gefestigt und ich hoffe, dass es so bleibt.
    Ich hoffe auch , dass ich dann standhaft bleiben kann, sollte so ein Trinkdrang aufkommen.

    Jetzt fällt mir noch eine Situation von damals ein: als ich aufhören wollte mit dem Rauchen, war ich auch sehr entschlossen. Ich wollte nicht mehr rauchen, dieser Wille kam von tief heraus… und ich zog seitdem nie wieder an einer Zigarette. Ich weiß, dass das keine Garantie ist , dass das mit dem Nichttrinken ähnlich verläuft.

    Und noch etwas zum Rauchen.. als ich aufhörte, dachte ich immer, dass mir ganz bestimmte Zigaretten fehlen werden, zum Beispiel die Nach- dem -Essen Zigarette Komischerweise war das nie ein Problem. Ich gierte in Momenten nach Zigaretten, in denen ich als Raucherin nie rauchte. Es war also vollkommen anders als zuvor angenommen.

    Einen schönen Abend an alle!

    P.S. Ja, es interessiert mich, was jemand getan hat, die Kurve zu kriegen, der nach ca 4 Monaten oder nach Jahren wieder einen Rückfall hatte. Das stelle ich mir besonders schlimm vor.

  • Susanne
    Von einem Bekannten habe ich ähnliches gehört,der mir von einem Alkoholiker erzählte, der regelmäßig zum Entzug ging,mit der Aussicht, danach wieder trinken zu können.
    Er sagte wohl immer der Entzug sei wie Fasten,danach könne er wieder loslegen...
    Er ist nun im vergangenen August erstorben.
    Er trank jahrelang seit seinem 14. Lebensjahr und sein täglicher Konsum waren 2 Weißweinflaschen,5 Biere.


  • Was mich und wahrscheinlich auch Orangina interessiert, denn so verstehe ich ihre Frage, ist, wie wir uns vor einem Rückfall schützen können bzw. wie jemand, der rückfällig geworden ist, obwohl er/sie wusste, dass er/sie Alkoholiker bzw. Alkoholikerin ist, die Kurve wieder gekriegt hat.

    Ich bin bislang unfallfrei unterwegs, daher kann ich nur zur ersten Frage was ausführen. Diese Aspekte haben mich abstinent gehalten, ob sie bei anderen genau so gut funktionieren, kann ich nicht garantieren.

    Ganz wichtig erachte ich, selbst rückhaltlos zur eigenen Abstinenz zu stehen und sie an oberste Stelle der persönlichen Prioritätenliste zu stellen und ihr alles andere unterzuordnen. Da lasse ich mir nicht von Dritten reinreden.

    So lange oben im Hirnstübchen noch irgendwo versteckt der Gedanke rumspukt, irgendwann gehe doch noch mal was mit dem Alkohol, wird es verdammt schwer. Es war für mich ein mehrmontaiger Entwicklungsprozess, bis ich diesen Gedanken verwerfen konnte. Geholfen haben mir meine ambulante Therapie, Fachliteratur (aus Therapeuten- und Patientensicht), Austausch mit Rückfälligen und Stöbern im Netz.

    In den ersten Monaten dem Allkohol, insbesondere Veranstaltungen, auf denen getrunken wird, so gut es eben geht, aus dem Weg zu gehen. Dem Alkohol nicht noch sehenden Auges entgegentreten und auf diese Weise das Risiko zu minimieren.

    Gute Vorbereitung vor Ereignissen, die für das Suchtgedächtnis mit dem früheren eigenen Konsum von Alk verbunden sind, dass sich das Suchtgedächtnis meldet und ggf. Kapriolen schlägt und Suchtverlangen auslöst. Für diesen Fall habe ich mir schon vorher eine Strategie zurecht gelegt, sozusagen mein kleines
    1 x 1. Mein Therapeut nannte es die Absicherung.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo Orangina,

    das, wovon Rekonvaleszent schreibt

    Zitat

    Ganz wichtig erachte ich, selbst rückhaltlos zur eigenen Abstinenz zu stehen und sie an oberste Stelle der persönlichen Prioritätenliste zu stellen und ihr alles andere unterzuordnen. Da lasse ich mir nicht von Dritten reinreden.

    sehe ich auch für mich als entscheidenden Faktor. Bei meiner aktuellen Nüchternheit gestatte ich mir, diese bei mir an erste Stelle zu setzen. Das ist für mich gar nicht so leicht immer, ich muss mich manchmal daran erinnern, dass mein Kind/mein Job/ meine Freundin o.ä. letztendlich auch nichts davon hätten, wenn ich mich jetzt um ihre Belange kümmere, obwohl ich dabei über meine Grenzen gehe. Und dadurch meine Trockenheit gefährde.

    Ich hab mal das Motto gelesen irgendwo „Nüchternheit ist nicht alles, aber ohne Nüchternheit ist alles nichts.“ Das krame ich mir manchmal innerlich hervor, wenn ich im Zweifel bin, was ich mir zumuten kann.

    Und noch was anderes wollte ich dir schreiben, noch so einen Merksatz, der für mich Sinn macht: „Der Rückfall beginnt im Kopf.“ Das denke ich auch, bei mir war das so und wäre es wieder so, und auch deshalb ist es (für mich) wichtig, hier und/oder anderswo im Kontakt zu meinem inneren Erleben zu bleiben, und mich dazu auch (z.B. mit anderen Alkoholikern) auszutauschen, damit ich nicht unbemerkt in eine Richtung lebe, in der das Trinken wieder eine Option ist.

    Ansonsten auch von mir Glückwunsch zum trockenen Vierteljahr!

    Viele Grüße
    Camina

  • Hallo,

    Ich beantworte gerne deine Frage. Im Sommer 2018 habe ich endgültig den Entschluss gefasst, mir ein neues Leben einzurichten, vor allem mich von der Sucht zu befreien. In diesem Jahr 18/19 wurde ich immer nach 3-4 Monaten für wenige Tage rückfällig, die Tage waren aber ganz heftig und hochdosiert...als müsste ich alles nachholen, also ich trank mehr denn je in kürzester Zeit. Es war brutal zu erleben und mitanzusehen bestimmt auch.

    Ich habe aber längst nicht mehr der Illusion erlegen "normal" trinken zu können...das wollte ich ja auch gar nicht, Ziel war ganz klar mich wegzubeamen. Ich führte da immer einen unglaublichen emotionalen Kampf, hatte mit Situationen zu tun, die mir unüberwindbar erschienen ohne Alkohol. Ein ganz konkretes (und in den Augen vieler sicher ein lächerliches) Beispiel war Weihnachten mit meiner Schwiegermutter. Ich dachte das schaffe ich nicht und ich zerbrach beinahe an dem Gefühlschaos und dem Stress. Der Alkohol erlöste mich...Ich konnte mich nach 4-7 Tagen aufraffen und mich wieder in die Spur bringen. Unter extremen Kraftaufwand, denn der Selbsthass wuchs mit jedem Rückfall. Jedes mal war es schlimmer, jedes mal hatte ich mehr Mühe, jedes mal kamen Selbstmordgedanken auf. Es war wirklich kein Spass weshalb ich heute oft noch schreibe, dass ich eben nie sicher sei es "geschafft" zu haben. Wann weiss man das schon? Und ein weiterer Rückfall könnte tatsächlich der letzt sein, ich übertreibe nicht, ich bin mir wirklich nicht sicher nochmals die Kurve zu kriegen.

    Im Nachhinein weiss ich, dass ich besser auf mich acht geben muss, Risiko- Situationen vermeiden. Absagen, verschieben, "vergessen", Ausreden finden wieso es nicht geht, "krank" sein oder einfach sagen ich mag jetzt nicht mit trinkenden, mühsamen Leuten zusammen sein auch wenn das so geplant war...etc... Heute kann ich das viel besser weil ich es gelernt habe, auch dank den vielen hilfreichen Antworten hier,die ich zu dem Thema erhalten habe. Ich dachte lange ich übertreibe, ich müsse mich halt zusammen reissen, es wäre ja nicht so ein Ding etc. Das ist es aber, es ist ein riesen Ding wenn es meine Abstinenz in Gefahr bringt. Nichts ist es Wert diese eine Priorität in Frage zu stellen, ich habe verstanden, dass ich alles dafür stehen und liegen lassen darf. Weil mit meiner Abstinenz eben alles steht oder fällt, meine Zukunft und die meiner Familie hängt von dieser einen Sache ab, was könnte da wichtiger sein?

    Ich arbeite auch meine Vergangenheit auf um besser mit Emotionen umzugehen, ich habe enorm viel über die menschliche Psyche gelernt im vergangen Jahr, ich verstehe mich besser. Das ist zumindest für mich wichtig. Wir sind nicht nur Produkt unserer Umwelt oder unserer Erfahrungen, aber sie prägen uns vor allem im Unterbewusstsein.
    In einer SHG war mal ein älterer Mann, langjährig abstinent der während des 2.WK zur Welt kam, er lebte in einer Region die stark unter Beschuss war.Er war ein Kleinkind und hat keinerlei Erinnerungen an diese Zeit des Krieges. Aber er sagte immer, dass er lieber an einem kalten Entzug gestorben wäre als Rotwein zu trinken. Diese rote Flüssigkeit löste bei ihm enorm starke Gefühle aus, er ekelte sich regelrecht davor. Irgendwas war da in seiner tiefen frühsten Erinnerung verborgen, bewusst abrufen konnte er das aber nicht.

    Rückfallprävention für mich heute : Aufpassen und achtsam sein, mich nicht in risikoreiche Situationen bringen, meine Gefühle respektieren und die Erkenntnis: Ich bin wichtig und ich bin es wert dass ich Sorge zu mir trage.

    Es geht immer besser, es brauchte aber vielleicht gerade diese Rückfälle bis ich das verstehen konnte. Ich musste da wohl durch um es zu begreifen...
    Learn it the hard way.

    Lg
    Rina

  • Hallo Camina, genau, das denke ich auch , der Rückfall beginnt im Kopf. Als ich nach meiner zweimonatigen Abstinenz wieder anfing, beschäftigte ich mich Tage davor schon mit dem Weinkonsum und drehte meine Gedanken um dieses Thema. Ich begann wieder mit meinen Verhandlungen im Kopf. Trotzdem war es auch so, dass ich mir bis dahin , trotz Abstinenz tatsächlich immer ein Hintertürchen offen hielt und mir offen ließ, ja doch eines Tages wieder mal etwas trinken zu können.

    Hallo Rina
    danke für deine ausführliche Beschreibung, die sehr plastisch auf mich wirkt. Das war schon auch sehr eindringlich für mich zu lesen und hat mir auch aufgezeigt, wie heftig Rückfälle sein können. Das kann auch ich bestätigen, dass ich nach den zwei Monaten im Sommer viel heftiger trank und noch einen stärkeren Drang hatte, so dass ich meinte, miit noch mehr kontrollierten Trinken kann ich dagegen halten. … Ich wusste dann nach dieser Zeit, (dieser Gedanke kam mir ganz oft), dass wenn ich weitermache mit dem Trinken, dass das mein Ende sein wird. Das war schon heftig, dieser Gedanke, der aber immer wieder kam. Ich werde mich zu Tode trinken und komplett die Kontrolle verlieren. Das war wohl auch einer der Gründe, weshalb ich nun eine andere Haltung habe als vorher.
    Mir tut das sehr gut mich mit euch darüber zu unterhalten und auch meine Erfahrungen hier niederzuschreiben. Das führt mir noch mal mehr vor Augen, wie es um mich stand und steht.

    LG Orangina

  • Hallo Orangina,

    Ich hab das bei mir ja mal mit dem bedingungslosen Aufhören geschrieben, wo Du mir dann auch geantwortet hattest, also ich sehe das ganz genau so wie Reko oder Camina, das muss dann Priorität haben. Ich hätte und habe für die Abstinenz auf Verschiedenes verzichtet, unter Anderem auf einen Karriereschritt, verschiedene Freundschaften habe ich dafür auch aufgegeben, aber man gewinnt ja auch was dafür, u.A. Selbstachtung und Wohlbefinden, wenns gut geht. Und ich hätte mich wohl auch von meinem Partner getrennt, wenn das nicht anders gegangen wäre. Co-Abhängigkeit heisst in der Grundbedeutung, ein Verhalten, dass die Sucht des Gegenübers im systemischen Rahmen unterstützt und dazu beiträgt, sie am Laufen zu halten, und wenn mein Partner das beibehalten hätte, hatte ich da auch klare Prioritäten. Das hat so wenig wie Sucht mit Schuld zu tun, aber wie eine Beziehung läuft, ist schon ein ziemlich großer Faktor. Familien können die Hölle auf Erden sein, ich habe gute Gründe, warum ich nie eine wollte.

    Also ich habe das in der Dringlichkeitsliste auch an die oberste Stelle gesetzt.

    Dann gibts da noch so Dinge, die nennen sich Selbstwirksamkeitserwartung und selbsterfüllende Prophezeiungen. Wenn ich glaube, dass ich etwas nicht schaffe, dann erhöht das die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auch wirklich so kommt, und ich eben z.B rückfällig werde. Dagegen, wenn ich überzeugt davon bin, dass es für mich unter gar keinen Umständen einen Grund geben wird, zu trinken, dann schaffe ich das leichter.

    Zwischen Vorsicht und Angst ist ein Unterschied. Angst als Warnsignal ist in Ordnung. Aber Ängste, Lebensängste, Versagensängste, usw., sind oft auch Gründe, wieder mit dem Trinken anzufangen. Die Angst vor Rückfällen kann der zufriedenen Trockenheit im Wege stehen, man kann sich evtl. nicht richtig entspannen, weil man immer auf der Hut ist. Entspannung und - nüchtern - geniessen können sind aber wichtig. Ansonsten schafft man sich wieder die Gründe, wegen denen ein Drink dann eben doch attraktiv wäre.

    Dann noch ein letztes Wort zu dem, wie man nach einem Rückfall wieder die Kurve kriegt. Ich war bei einigen Diskussionen dabei, wo Leute das akribisch durchdacht haben, was sie im Fall eines Rückfalls machen. Da hiess es dann immer, sofort wieder in die Gruppe oder in die Entgiftung. Aber erstens hat das kaum einer gemacht, wenn es so weit war, denn da hat fast jeder erst mal den Durst gestillt, wenn er mal angefangen hatte, und zweitens konnte man richtiggehned beobachten, was Rina schreibt, das jeder Rückfall das Selbstbewusstsein noch weiter in den Keller drückt.
    Und Rina ist da richtig gut, die fragt nämlich vorher, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, und wo man wirklich noch was machen kann. Hinterher kannst Du nur Scherben aufräumen. Trotzdem ist es klar, dass manche das brauchen, weil sie einfach noch nicht so weit sind. Aber nach meiner Beobachtung ist das immer sehr schwierig.

    Und selbst wenn so ein Plan dann funktioniert, ist das für mich im Grunde nicht viel Anderes, als kontrolliertes Trinken auf neue Art zu versuchen, ein Plan, wie man das nächste Mal mit seiner Sauferei umgeht. Und wenn dieser Plan zu schön ist - manche fühlen sich in der Entgiftung ziemlich wohl, das ist kein Witz - , dann ist das auch eine Hintertür. Jedenfalls hab ich dann ja was, wo ichs mir erlauben könnte, denn ich bilde mir dann ja ein, dass ich auch weiss, wie ich dann damit umgehen werde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dann gleich aufhören würde, da sprechen meine eigenen Erfahrungen mit den Kontrollversuchen einfach dagegen.
    Das kam für mich nie in Frage. Ganz oder gar nicht. Wenn ich wirklich nicht mehr trinken will, brauche ich keine Absicherung für Rückfälle. Da hab ich mich lieber davon abschrecken lassen, wie scheixxe das wäre.
    Und da ich ja rückfalllfrei bin, werde ich da auch nichts dran ändern. Mein Weg funktioniert für mich.

    Gruß Susanne

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