Beiträge von Verve

    Liebe Carla,
    ich bin Angehörige. Nach der Lektüre von 'Die Sucht gebraucht zu werden', in der ich mich so gut wiedererkannt habe, zähle ich mich auch zu den Coabhängigen. Allerdings entspricht meine Geschichte nicht dem klassischen Fall einer Beziehung mit einem Alkoholkranken (ich weiss, es ist alles sehr individuell!). Bei der Sucht meines Mannes handelt es sich um Kokain, das er drei Jahre heimlich ohne mein Wissen konsumiert hat. Alkohol und THC waren nun im letzten Jahr auch Thema bei uns (deshalb bin ich hier gelandet und habe sehr viel Hilfe erfahren!), mittlerweile (nach zwei Rückfällen) ist er abstinent was Kokain und THC angeht und trinkt kontrolliert.
    Soviel zu meiner Situation. Coabhängigkeit hat denke ich viele Ausprägungen. Welche Aspekte auf dich zutreffen und in welchem Bereich du das Bedürfnis hast, dich auszutauschen, weiss ich ja nun nicht.
    Schreibe einfach, wenn du möchtest und was du möchtest!
    Liebe Grüsse auf die Insel!
    Verve

    Liebe Rella,
    dein letzter Beitrag hat mich erschreckt und ich möchte dir sagen, dass hier ganz, ganz grosse Vorsicht geboten ist!
    Ich erkenne meine Situation der letzten Jahre wieder in dem was du schreibst. Du bist müde, doch du „darfst“ nicht ins Bett? Du hast Hunger doch du „darfst“ nicht alleine essen? Hier werden deine GRUNDBeddürfnisse in Frage gestellt, hier musst du die Notbremse ziehen! Ein Mensch, der sich (zwar suchtbedingt oder auch krankheitsbedingt) so vor alles stellt, nie genug Aufmerksamkeit bekommt und dich nonstop verunsichert, wird dich weiter kleinmachen (schon fast unbemerkt im Alltag) und versuchen, dich nach seinen „Bedürfnissen“ zu formen, dass du gut in sein Leben passt. Ich finde, dieses Verhalten ist nur Kindern erlaubt (einen vom Schlafen und Essen abhalten), nicht aber einer erwachsenen Person.
    Es wird dir Schaden zufügen, wenn du in diesem Einfluss lebst.
    So wie Gerchla schrieb: was erwartest DU in einer Partnerschaft? Werden diese Erwartungen erfüllt? Wenn schon die Grundbedürfnisse erschwert zu erfüllen sind, wie steht es dann mit Bedürfnissen in einer Partnerschaft wie zB Vertrauen, Nähe, Verbundenheit, Loyalität...???
    Bedenke das JETZT, nicht irgendwann!
    Ich wünsche dir viel Kraft um zu DIR zu stehen!
    Verve

    ... und noch etwas, so wie Dietmar es auch schon schrieb: Der Süchtige ist sich nicht bewusst, welch psychisches Leid er dir zufügt! Er KANN es nicht erkennen, wie er mit dir umgegangen ist. Auch wenn er es schaffen sollte trocken zu werden wird ihm hierfür zunächst das Bewusstsein fehlen! Erwarte keine Erklärungen oder Begründungen oder gar Entschuldigungen. Er kann es einfach nicht sehen. Und du hattest KEINEN Einfluss auf den Verlauf seiner Sucht.
    Nun hat er ein neues Freiheitsgefühl, kann sich, ungebremst von deinen Erwartungen, seiner Sucht hingeben, sogar mit neuer Frisur, dann lass ihn! Und versuche DEINE Freiheit zu geniessen, zu erkennen wie schön es ist, ohne Anpassung an einen (süchtigen!) Partner DEIN Leben zu gestalten, nach DEINEN Wünschen!

    Ja, das kostet Kraft! Ich hoffe du hast durchs Schreiben etwas loswerden können.
    Von Dietmar habe ich viel gelernt, zwei Sätze von ihm sind Leitsätze für mich geworden:
    - Schrittchen für Schrittchen
    - habe Geduld mit dir
    Mir geht es gut. Trotzdem spüre ich an vielen Tagen die Angst im Rücken, die Traurigkeit im Hals, die Sorgen in der Brust. Das darf sein, sie dürfen sich immer wieder melden. Trotzdem mache ich dann das nächste Schrittchen ; ).
    Einen schönen Nachmittag!
    Verve/Doro

    Liebe Dina,
    ja, sei stolz auf dich!!! Du hast dich um DICH und dein Wohlergehen gekümmert, so wie es sich liest konntest du den Tag geniessen! Das hast du gut gemacht! Oft ist es nur ein kurzer Moment oder ein paar Stunden von denen man danach merkt: „Huch, ich habe ja gelacht, ich habe mich wieder auf andere Menschen, Gespräche, Themen einlassen können!“ Das Gedankenkreisen und die Traurigkeit waren für einen Moment vergessen. Das ist das was zählt! Diese Erfahrung wieder zu haben! Dass du DU bist und ein EIGENES Leben führst, führen kannst!
    Natürlich geht das nicht mit einem Schalter von heute auf morgen und dann ist mit positivem Denken wieder alles gut. Es ist ganz normal bei der Verarbeitung, dass der Schmerz wieder kommt, oder Angst, oder Insuffizienzgefühle. Es ist normal und gehört dazu! Sammle Stunden, in denen es dir gut geht, unABHÄNGIG von ihm! Wenn der Schmerz wieder zuschlägt, vor allem durch so einen Trigger wie Bilder bei FB, versuche Gedanken und Gefühle zu sortieren.
    Schuldgefühle Stop!
    Rechtfertigungen (ich habe nie gelogen, betrogen, mich um die Tochter gekümmert ...) Stop!
    Du bist DU und hast alles für dich gut und richtig gemacht! Alles was passiert ist ist vorbei!
    Wie kannst du den Sonntag schön für DICH verbringen?
    Liebste Grüsse!
    Doro

    Liebe Dina,
    ein Gedanke von mir, der mir spontan beim Lesen kommt:
    bitte verbiete dir nicht, traurig zu sein! Du darfst aus tiefstem Herzen traurig sein, über die geplatzten Träume, über den üblen Umgang mit dir, über die Verletzungen. Das darf weh tun, du darfst es zulassen. Distanziere dich von vermeintlichen Erwartungen anderer, du müsstest doch jetzt glücklich sein und eine fröhliche Mutter. Fühle hinein in deine Traurigkeit, was will sie dir sagen? Welche Bedürfnisse wurden in dieser Beziehung nicht erfüllt? Stabilität, Respekt, Wertschätzung, Sicherheit, Zuneigung, Vertrauen, Nähe, ... Du hast das Recht auf ein Leben, in dem deine Bedürfnisse erfüllt werden! Versuche anzunehmen, dass diese Beziehung nicht dazu beigetragen hat, im Gegenteil! Darüber darfst du traurig sein.
    Überlege und fühle, was dir gut tut! Tut es dir gut, dich schuldig zu fühlen? Es ändert nichts, verbraucht nur Aufmerksamkeit und Energie beim Blick nach vorne. Tut es dir gut, dich zu fragen warum alles so kam oder „hätte“, „wäre“, „wenn - dann“ zu denken? Nein, es ist immer der Blick zurück.
    Achte darauf, was DIR gut tut. Auch auf Gedanken, ob sie dir gut tun. In meiner „schlimmsten“ Zeit als Angehörige habe ich gepuzzelt. Das war mein Gedankenstopp, ein Mich-Rausnehmen aus der emotionalen Belastung, eine Pause für Kopf und Herz.
    In kleinen Schritten (ich bin nicht beim Puzzeln geblieben ; ) - Dietmars bewährte Methode - rauskommen aus dem Thema auf dem Weg zurück zu dir.
    Ich wünsche dir Trost bei dir!
    Liebste Grüsse!
    Verve

    Liebe Ebabsi,

    gut, dass du schreibst, wie du selbst spürst hilft das Schreiben beim Sortieren!!
    Ich selbst habe das hier erfahren, ich habe viel durch das Schreiben und den Austausch hier gelernt!
    Mein Partner ist kokainsüchtig, Alkohol und Cannabis spielen auch eine Rolle. Im Moment lebt er abstinent, doch ich spüre dass ich immer noch in meinem coabhängigen Verhalten und Empfinden stecke. Trotzdem möchte dir ein paar Gedanken schreiben, von aussen betrachtet lässt sich manches einfacher benennen.
    Du hast das Sucht-/Coabhängigkeitsystem schon einmal erlebt. Hut ab, dass du es geschafft hast auszusteigen und das sogar mit einem Gewinn an Selbstbewusstsein! Bravo!
    Du fühltest dich gefestigt für eine neue Beziehung, warst bereit für klare und offene Kommunikation, doch jetzt merkst du dass es nicht möglich ist mit einem berauschten Menschen klar und offen zu kommunizieren...

    Vieles erkenne ich wieder:
    "im Prinzip ein rundum tolles Leben/wie im Märchen/Harmonie auf allen Ebenen"... streiche die Wörter 'im Prinzip' und 'eigentlich' aus deinem Vokabular, es vernebelt deine eigene Klarheit. Etwas stimmt nicht, das muss benannt werden! Was sind deine Bedürfnisse in dieser Beziehung!?
    "ihm schmeckt das Bier", heisst, das sollst du ihm nicht versagen. Er gibt dir hier unbewusst die Schuld, dass du ihm den Genuss nicht gönnst. Natürlich trinkt er das Bier nicht wegen seiner Wirkung sondern wegen dem Geschmack... Dabei geht es dir um das Bedürfnis nach klarer, offener Kommunikation. Diese ist nach einigen Bier nicht mehr möglich: "man (ich!) muss aufpassen was man (ich!) sagt", sonst wird er streitsüchtig und arrogant. Diskutiere nicht mit ihm, wenn er konsumiert hat. Entscheide selbst, mit welchem Menschen du in welchem Zustand sprechen möchtest. Sage ihm: du bist angetrunken, ich fühle mich nicht wohl bei dir, ich verbringe den Rest des Tages ohne dich. Ein klärendes Gespräch ist dann vielleicht am nächsten Morgen nüchtern ja wieder möglich? Eine meiner Leitfragen ist geworden: was kann ich mir jetzt im Moment Gutes tun? Dazu gehört sicher nicht, sich in unsinnigen Diskussionen zu verausgaben oder sich mit arroganten Menschen zu beschäftigen!
    "1-2 Bier am Abend fand ich unbedenklich", "Ich kann nicht sagen wann es mehr wurde". Es geht schleichend, du passt dich an, du passt dich seinem Konsum und seinem Verhalten an, freust dich schon oder bist erleichtert wenn es nur zwei Bier sind, schraubst deine Wünsche langsam aber stetig zurück. Vorsicht! Du verlierst die Verhältnismässigkeit dafür was es bedeutet, unbefangen und entspannt eine Partnerschaft zu leben in der man sagen kann was man will, in der man sich um sich kümmern kann und sich nicht vom Konsumverhalten des Partners abhängig macht! Du willst nicht meckernd und mit erhobenem Zeigefinger zu Hause unterwegs sein, genau das wollte ich auch nicht. Also lass ihm seinen Konsum, er soll trinken soviel er will, doch zeige deutlich ab wann das Zusammensein DIR nicht mehr gefällt und tue dann etwas, das DIR gut tut!
    Heimliches Trinken, Lügen über den Konsum verunsichern dich noch mehr, entziehen der Partnerschaft meines Erachtens jegliche Basis. Auch das habe ich erlebt und ich kenne es, wenn man nach Hause kommt und erstmal 'als Aufgabe' hat, die Lage zu checken, zu beobachten, vielleicht Flaschen zu zählen. Nein! Er trinkt so und so, offiziell oder heimlich, hier bist du machtlos. Gut, dass du erkannt hast dass du ihm nicht mehr glauben kannst, das ist wichtig. Doch es ist egal ob es nur zwei oder sogar sechs Bier waren. Sein Zustand gefällt dir nicht, das sagst du ihm und nimmst Abstand!

    Soviel vorerst von mir.
    Bleib bei dir! Überprüfe deine Bedürfnisse! Lasse nicht zu dass dieses Thema dich vereinnahmt! Lebe dein Leben, suche deine Freude, nimm Abstand von Situationen die dir nicht gut tun und zu nichts führen.
    Du musst dich nicht sofort trennen. Wenn du in deinem Verhalten etwas änderst, indem sein Fehlverhalten weniger Aufmerksamkeit bekommt, zeigen sich vielleicht andere Wege? Egal welche?

    Viel Kraft und Mut!
    Liebe Grüße,
    Verve

    Guten Abend,
    ich sehe, dass mein Thread immer noch gelesen wird, deshalb möchte ich ein kurzes Update geben. Auch zum eigenen Reflektieren.
    Was weiter geschah: wir hatten keine klare Abmachung, wie der Konsum meines Mannes weiter aussehen sollte, von mir war nur die Ansage "nicht täglich" gekommen. So gab es ab und zu wieder Bier, ich spürte seine Unsicherheit, ich spürte meine Nervosität wenn auch nur ein Sixpack im Haus war. Am ersten Mai, der eigentlich als Familienausflug angedacht war, war er bereits zur Mittagszeit angetrunken und schlief um 18:00 auf dem Sofa ein. Ich versorgte Kinder, Hund und räumte auf, seltsamerweise empfand ich sein Nicht-da-sein, d.h. sein Schlafen, als Erleichterung. Lieber in Ruhe alleine als zusammen unter Spannung, so wie die Jahre zuvor in seiner heimlichen Kokainsucht.
    Es folgte eine Phase, in der es klemmte. Meine Knie- und Gliederschmerzen meldeten sich wieder. Ich wusste nicht warum, dachte, dass ich mich vielleicht zu tief mit eigenen problematischen Themen durch die Lektüre über Co-Abhängigkeit beschäftigte. Hatte den Anspruch, doch wieder vertrauen zu müssen, doch wieder entspannt sein zu müssen, doch wieder liebevoll und leidenschaftlich sein zu müssen, doch ich konnte es nicht erfüllen. Kleinigkeiten in der Verhaltensweise (Geschäftigkeit, übertriebene Hilfsbereitschaft und Fleissigkeit, 'scherzhafte' Sticheleien und Kritik, Schleichen durch's Haus nachdem ich schlafen gegangen war,..) liessen mich misstrauisch werden, dabei hatte ich mir doch verboten misstrauisch zu sein. Ich kontrollierte wieder etwas, eine Dose Bier, eine halbe Whiskeyflasche, ein Tablettenfund, naja...
    Er fragte, ob er sich Sorgen machen müsse, da er meine Anspannung bemerkte. Dabei hätte ich die Frage umdrehen sollen und zurückfragen, ob ICH mir Sorgen machen müsse! Letzten Freitag war es offensichtlich: ein Kokainrückfall.
    Nun kann ich mein bisher Gelerntes anwenden: zu meiner Wahrnehmung stehen, ich habe ihn (mit externer Rückenstärkung,die ich doch noch brauchte) direkt darauf angesprochen. Und er zeigte typische Reaktionen: zunächst Verleugnung, dann Geständnis mit Verharmlosung, Entschuldigungen, Reue, indirekte Schuldzuweisungen und den Appell an mich, jetzt doch nicht alles in Frage zu stellen was wir uns wieder aufgebaut hätten.
    Ich denke, dies ist eine grosse Lerneinheit für uns beide. Das Akzeptieren der Machtlosigkeit (es ist völlig! egal ob ich die leidenschaftliche Ehefrau oder hysterische Furie bin, es liegt nur in SEINER Verantwortung, ich habe keinerlei Einfluss). Daraus folgt ganz klar der Schluss, dass ich das Glück und die Freiheit habe, mich um mich, meine Stabilität und mein Leben zu kümmern, ausschliesslich! Ich bin zwei Tage später erstmal tanzen gegangen, wie erholsam, doch auch verrückt, den kranken Partner in der Extremsituation 'alleine' zu lassen. Doch dieses Alleinsein wird ihm gut tun, um zu seiner Selbstverantwortung zu finden, es geht nicht anders.
    Momentan haben wir getrennte Schlafzimmer, sind kooperativ im Alltag mit den Kindern. Er zieht die Konsequenz, seine Therapie zu intensivieren bzw. auszubauen und hat schon eine Selbsthilfegruppe besucht, was ihm sehr gut getan hat! Ich habe mich auch dazu entschlossen, hatte einen sehr erfahrungsreichen Abend bei einer SHG, ich werde wieder dort hingehen!
    Gestern hatten wir ein sehr gutes Gespräch. Es war offen, aufmerksam, nicht kritisierend, wertschätzend. Ich denke wir beide lernen gerade tatsächlich, die Dimension der Problematik zu akzeptieren, um daraus das beste zu machen, jeder für SICH, auf der Suche nach der eigenen Wahrheit.
    Ich brauche gerade Ruhe und Zeit für mich, die freien Abende sind mir eine Wohltat, ich muss mich nicht mehr verpflichtet fühlen mich mit ihm und uns auseinanderzusetzen.
    Ob seine Vorhaben Bestand haben? Ob seine Darlegungen ehrlich waren und er sich heute noch daran erinnert? Vielleicht war es nur schlaues Gerede und die Sucht trickst ihm durch's Hirn und morgen ist wieder alles anders? Ich versuche mich von dieser Sorge zu befreien und alles mit gesundem, dennoch teilnehmendem Abstand zu beobachten und mich immer wieder zu fragen, was ICH MIR Gutes tun kann.
    Einen sonnigen Abend!
    Verve

    Lieber Dietmar,

    danke, es geht mir gut!
    Der nächtliche Eklat zog zwar trotz anfänglicher Kraft noch eine Erschöpfung und Trauer nach sich, doch es geht mir gut!
    Ich musste mir einige Gedanken über deinen letzten Beitrag machen.
    Du schreibst, das Vertrauen - die Sucht betreffend - sei gestört. Stört die Sucht nicht sämtliche Bereiche einer Beziehung??? Mir fällt keiner ein, der ausgeklammert sein könnte. Die Unwissenheit über das Vergangene und Kommende, das Bewusstsein darüber jederzeit belogen werden zu können, lässt als einzigen Ausweg das Vertrauen in sich und den Moment.
    Du sprichst von dem Nicht-tief-genug-seienden Loch, in das du dich verkriechen möchtest wenn du an deine Suchtzeit denkst. Die nasse Zeit ist vorbei, doch du sprichst hier in der Gegenwart. Nach all dem, was du hinter dir gelassen hast, was du überwunden und dir wieder erarbeitet hast, bleibt dieses Schuldgefühl trotzdem noch so gegenwärtig? Gibt es eine Chance, diesen Teil des Lebens in Frieden anzunehmen und in sein Selbst zu integrieren?
    Ich denke das ist ein wichtiger Knackpunkt in der Kommunikation. Vieles triggert Schuld- und Insuffizienzgefühle, das nicht so gemeint ist. Produziert Abwehr, in Form von Blockaden, Provokationen, Gegenvorwürfen, Trotz, Überheblichkeit... Auf diese kann ich selbst wiederum nur mit Abgrenzung reagieren, bzw werde selbst wieder getriggert durch dieses Verhalten, bin misstrauisch, werde tatsächlich vorwurfsvoll, usw. Ein Teufelskreis.
    Wenn du daran zweifelst ob es gut tut, als Co die Sucht verstehen zu wollen, so finde ich selbst es doch wichtig:
    Das Wissen über mögliche typische Verhaltensweisen lässt mich Situationen besser einschätzen, mir wird drohende Manipulation vielleicht eher bewusst und ich kann sie umgehen, im Keim ersticken. Ich schalte meinen Kopf und mein Empfinden ein, anstatt mich Situationen hinzugeben und naiv mitzumachen.
    Der Wunsch, sein Unverständnis mir gegenüber besser zu verstehen ist ein Wunsch nach gemeinsamer Aufarbeitung, die bisher nicht passiert ist. Ich will wissen wo er war! Ich hatte erwartet dass er mal fragt, wie es für mich war. Letzte Woche haben wir gemeinsam die letzte Stunde der Dokumentation über Whitney Houstons Leben angeschaut, in der es um ihre Kokainsucht ging. Er war sehr bewegt, erkannte das Selbsterlebte darin. Das Gefühl innerlich zu sterben und trotzdem einfach weiterzumachen, weitermachen zu müssen. Wie die Droge half, dieses Gefühl wieder in den Griff zu bekommen, schliesslich schafft man das ja alles mit einer Nase! Dass nichts rauskommen durfte. Überall Lügenlöcher zu stopfen. Es erübrigt sich die Frage, warum er mir von sich aus in dieser Zeit nichts von seiner Not gesagt hat. Ich hatte das Gefühl, dass es ein fürchterlicher Schmerz war dieses eigene Erleben noch einmal nachzuempfinden. Umso unmöglicher ist es wohl, sich das Leid und den Schaden, den man anderen zugefügt hat, vor Augen zu führen. Emotional einfach unmöglich. Vorher greifen knallhart die Schutzreflexe der Abwehr und Verteidigung. Also für mich die Erkenntnis, dass ich nicht versuchen muss, ihm diese Unverhältnismässigkeiten vor Augen zu führen und dabei auf Verständnis zu hoffen. Doch je mehr er es einfordert in seinem Verhalten, umso mehr werde ich trotzdem Kante zeigen und keine Angst vor seinem Schmerz haben.
    So hoffe ich, dass das Verständnis für seine Krankheit und das Auseinandersetzen, Bewusstmachen und Umsetzen meiner Themen den Seiltanz in diesem Dilemma mit mehr Gleichgewicht möglich machen!
    Die Vorstellung einer Partnerschaft unter dem ständig stillen Vorwurf 'Du hast alles kaputt gemacht' ist gruselig!
    Das Aushalten, von dem du schreibst, hört sich auch nicht verführerisch an, doch vielleicht beschreibt es genau das: die Situationen erkennen, bei sich bleiben, für sich das Richtige erspüren und danach handeln, den Rest gehen lassen und weitermachen. Die Beraterin bei der Suchtberatung erklärte mir, es sei durch die Sucht zu einer Persönlichkeitsspaltung gekommen. Das Sucht-Ich werde immer existent bleiben, mal mehr mal weniger, mit der Zeit würde man es aber merken mit wem man es gerade zu tun habe...
    Mein Mann war jetzt eine Woche abstinent und ich wusste gar nicht, wie bereichernd es ist mit einem nüchternen Partner vorbehaltlos Zeit verbringen zu können! Und wie attraktiv ihn das macht!
    Lieber Dietmar, wieder ein grosses Danke von mir für deine Gedanken und deine Begleitung!

    Lieber Flo,
    danke auch an dich für den Buchtipp! Die Kapitelüberschriften klingen interessant. Vielleicht kann ich mit der Lektüre auch tatsächlich etwas sehr gutes für mich tun und meinen Nikotinausstieg endlich in Angriff nehmen!

    So long, schonmal ein frohes Osterfest an alle!

    Du hast Recht Dietmar, genau so hattest du es mir bereits geschrieben! Genau so hatte ich es anderswo oft gelesen. Erstaunlich, wie ich das mit dem Kopf nachvollziehen konnte und wie anders dieser nächste Schritt ins TUN nach der Bewusstwerdung dann tatsächlich ist!
    Das Spüren kommt dazu und die Erfahrung, wie es ist, sich aus alten Verhaltensmustern zu lösen und es einfach mal zu wagen. Die Stärke zu spüren, wenn ich mutig bin und zu mir stehe. Die Freiheit und Erleichterung zu spüren, wenn ich meine Wahrheit sage. Die Möglichkeiten zu fühlen, wie ich Situationen selbst mitgestalten kann. Dass ich nicht einfach ausgeliefert bin.
    Auch das hattest du mir bereits geschrieben, dass die Regeln für einen Ausstieg aus der Coabhängigkeit auch umgesetzt(!) werden müssen!
    Danke für deinen Rat, geduldig zu bleiben. Ich spüre tatsächlich bei mir die kleinen Schritte, ich bin für jeden dankbar. Einer baut auf dem nächsten auf. Und es ist mir tatsächlich auch heute erst bewusst geworden, dass ich auch für sein Arbeitsklima, für seine Angestellten Verantwortung übernehmen wollte bei seinem Rückfall. Ich dachte, ich müsste das alles zu Hause so in den Griff bekommen, dass er sich bei der Arbeit ordentlich benehmen kann... irgendwie überheblich...
    Und ich soll auch geduldig sein mit ihm. Tatsächlich stelle ich mir die Frage, wieso er aus dieser Abwehr nicht herauskommt. Warum liegt er mir nicht zu Füssen und tut ALLES, um mein Vertrauen wieder herzustellen? Wieso fühle ich mich so unverstanden? Ist es wirklich noch das süchtige Denken oder tut er sich einfach schwer damit, sich mit dieser Zeit seines Lebens gnadenlos zu konfrontieren? Sind die Schuldgefühle zu schmerzhaft, dass er sie abblocken muss? Ich will ja auch nicht immer wieder in der Wunde stochern, doch bei den Themen Drogenkonsum, Heimlichkeiten, Vertrauensverlust kommen wir nicht darum herum. Er sagt, er sei kein Lügner, Betrüger und Dieb. Das sei das Koks gewesen.
    Und wieder denke ich an ihn, aus einem Wunsch nach Verständnis für ihn. Ich hoffe das ist jetzt nicht zu sehr co, sondern einfach ein menschlicher Zug.
    Er ist jetzt den vierten Tag abstinent.
    Herzlichen Dank für deine Begleitung, lieber Dietmar!

    Lieber Dietmar,
    ich habe mich sehr, sehr über deine Nachfrage gefreut!
    Das gedankliche und emotionale Vorsortieren hier war eine perfekte Grundlage für meine Therapiestunde. Ich bin insgesamt gestärkt und mit einem Gefühl von Sicherheit, Kraft und Freiheit wieder nach Hause gefahren.
    Der Therapeut hat das Thema Angst aufgegriffen. Wovor habe ich Angst, wenn ich in der Auseinandersetzung immer kleiner werde (Herzklopfen, Zittern, Gesprächsabbruch mit Tränen und Sich-im-Bett-verkriechen-wollen). Nein, ich bin eine erwachsene Frau! Die keine Rechtfertigungen braucht um ihre Bedürfnisse zu äussern und Grenzen zu setzen. Ich habe das an diesem Abend gleich umgesetzt. Habe die Sticheleien und Provokationen nicht geduldet, habe Stop gesagt. Im weiteren Verlauf deutlich Kante gezeigt, ein Plädoyer für mich gehalten, ohne Weichspülfilter, ich war bereit die Konsequenzen dafür zu tragen. Sein Rucksack war gepackt zum Auszug (ich habe mir schon überlegt, wann ich dann aufstehen muss wenn ich morgens noch mit dem Hund rausmuss...) doch er ist geblieben und hat sich nicht umgebracht. Ich habe die Verantwortung für unsere Beziehung und unsere Kinder an ihn zurückgegeben, indem ich nicht klein beigegeben habe. Und er hat sie angenommen! Das tut gut! Das schafft Vertrauen. Vertrauen in mich, Vertrauen in ihn. Ich ziehe mich zurück aus meinem Übernahmeverschulden, sowohl aus der Verantwortung im Alltag als auch aus der Verantwortung für Parnterschaft und Familie. Ich kann das alles durch meine Harmoniesucht und das Am-Funktionieren-Halten-Wollen nicht retten. Ich höre auf ihn zu entmündigen und gebe ihm seinen Teil zurück.
    Auch wenn diese Nacht anstrengend war, kurz vor der Eskalation, mit starken Emotionen und wenig Schlaf, fühlte ich mich am Folgetag sehr gut, bei mir.

    Herzliche, dankbare Grüße!
    Verve

    Die psychosomatischen Auswirkungen habe ich auch zu spüren bekommen. Heftige Knieschmerzen, sie waren zwei Tage nach dem Auffliegen der Kokainsucht WEG. Heute phasenweise morgendliche Gliederschmerzen, Nackenverspannungen, der Körper signalisiert ganz gut und verlässlich, was Sache ist...

    Die Gedanken daran lassen heute wieder die Wut und die Erinnerungen in mir hochkommen. Was alles passiert ist, wie verzweifelt ich war in meiner Unwissenheit. Und wie sich das letzte halbe Jahr der Kokainabstinenz abgespielt hat, weitere Lügen, weitere Vorwürfe, Manipulationen, Aggressionen. Es wird einem erst danach bewusst, in der Erschöpfung, welche Grenzen hier überschritten wurden und dass man es wieder nicht geschafft hat STOP zu sagen, dass es zu viel war. Ich hatte wechselnd das Gefühl gleich verrückt zu werden oder zusammenzubrechen. Dann wieder die Hoffnung und das Durchhalten des Entzugs. Das Nicht-Reden-Können über die Verletzungen, es darf ja niemand wissen und der Partner (eigentlich wäre er für eine solche persönliche Krise ja da in einer wirklichen Partnerschaft) darf nicht mit Vorwürfen belastet werden, da er sich ja selbst schon so viele macht... Die Angst, bei der letzten Aggression, die allerdings schon zwei Monate her ist: damals hatte ich nachts mit Herzklopfen im Bett den Gedanken, dass ich alles (Sex, sogar Schläge die es aber nie gab!) dafür tun würde, dass die Kinder am Folgetag einen harmonischen Familientag erleben dürfen. Entsetzlich, schockierend, wohin die Angst einen treibt, wie klein sie macht, wie gefügig.

    In dieser Phase war die Suche nach einem Psychotherapeut schwierig, doch ich habe es geschafft und werde morgen nach erfolgreichem Erstgespräch meinen ersten richtigen Termin haben. Das Sortieren meiner Gedanken hier in den letzten Tagen hat mir vorbereitend sehr geholfen, ich danke allen dafür, die auf mein Posting reagiert haben!


    Meine Angst gestern war unbegründet. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mit mit dieser Vorgeschichte nicht vorstellen kann, mit einem Partner mein Leben zu verbringen der täglich trinkt und kifft. Dass ich es schön fände wenn er sich darüber Gedanken machen würde. Seine Reaktion: Ich solle mir selbst Gedanken machen. Also glaube ich 'es' doch (was wollte er nicht sagen, wahrscheinlich dass ich ihn für einen Alkoholiker halte). Dann hat er das Gespräch abgebrochen und heute ganz normale Alltagskonversation geführt. Nach zwei Stunden Arbeit (mehr hatte er nicht zu tun) ist er mit heftigen Kopfschmerzen nach Hause gekommen und direkt aufs Sofa. (Meine Paranoia flüstert, vielleicht hat er doch wieder eine kleine Nase Koks geschnuppert?...)

    Danke für die Ausführungen zu THC, Dietmar. Es ist mir sehr suspekt, da ich den Rausch überhaupt nicht nachvollziehen kann. Im Zweifelsfall hätte ich dann lieber einen bekifften Caochpotatoe als einen aggressiven Alkoholiker zu Hause. Am Besten keins von beidem!!
    Danke auch für dein Lob, dass mein Schreiben sich gut liest, das tut mir gut. Ich bin erstaunt, wie hilfreich das Schreiben ist.

    Und nun soll das Karussell wieder neu beginnen mit Hoffnung. Er macht eine Therapie, ich mache eine Therapie, ich hoffe es ergibt sich daraus eine friedliche Lösung, in welcher Form auch immer!

    Eure Worte bringen einiges bei mir ins Rollen...
    Greenfox, danke für deine direkte Art. Du hast recht, ich rede schön und laufe einer Illusion hinterher, wie schön es doch sein könnte, wie schön es doch war, bestimmt wird es morgen oder nächste Woche so schön, ich muss nur lange genug durchhalten und aushalten und zurücktreten und abwarten...
    Dietmar, danke für deine eindrückliche Beschreibung deiner Suchtverlagerungen. Worin liegt der 'psychische Anteil' einer THC-Sucht? Was meinst du damit? Ich kenne jemanden aus dem Freundeskreis, der durch das Kiffen seine Aggressionen im Griff hat und behauptet, er könne unter THC-Einfluss sogar konzentrierter Autofahren.
    Stimmt, niemand kann wissen wo der Hase hinläuft. Umso wichtiger, meine Rolle im Geschehen zu beleuchten und meine Rolle selbst zu spielen als sie spielen zu lassen. Stellung beziehen, die klare Grenze setzen, dass ich nicht bereit bin diese gefährliche Achterbahn im Umgang mit anderen Drogen mitzufahren. In welcher Weise ich das ausdrücken soll weiss ich noch nicht...
    Und Aufhören, Verantwortung für seine Belange zu übernehmen. Ich dachte das tue ich, indem ich mich aus Geschäftlichem, Postkram etc zurückziehe, ihm Aufgaben im Alltag überlasse die ich vorher selbst gestemmt habe. Doch es geht auch um die Verantwortung für die Familie. Ich kann es nicht alleine auf meine Schultern nehmen, den Schmerz von den Kindern fernzuhalten. Dies ist mein grösstes (bewusstes) Hemmnis. Er trägt genauso Verantwortung für die seelische Gesundheit unserer Kinder wie ich. Ich kann sie vielleicht besser für ihre eigene Zukunft 'schützen', indem ich zeige, dass ich Stellung beziehe, dass ich bereit bin Konsequenzen wie Trennung oder Streit in Kauf zu nehmen, dass ich zu mir stehe und zu meinem Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Vertrauen. Vielleicht haben sie von diesem Vorbild mehr als von einer Mutter, die sich fügt, deren Leben anstrengend ist damit andere glücklich sind!? Vielen Dank für diesen Impuls! Auch das Dulden, das Schweigen ist bereits ungesund, das ist mir jetzt klargeworden. So wie es in der Kokainzeit schon schief lief, dieses Mal möchte ich deutlicher sein im Ansprechen! Nicht wieder erst im Nachhinein zu der Erkenntnis kommen, dass ich etwas mitgespielt habe das für mich absolut nicht in Ordnung war.
    Und auch hinsichtlich des Kontrollierens ist mir klar geworden: meine Wahrnehmung reicht vollkommen aus, um zu spüren dass es so nicht in Ordnung ist. Eigentlich muss ich dafür keine Beweise sammeln, es zeigt sich auch so, ohne Flaschenzählen.
    Und ich höre auf mich zu rechtfertigen für ein Verhalten, das mir nicht gut tut...
    Puh, ich hoffe ich kann das so verinnerlichen dass ich es morgen wieder abrufen kann...

    Lieber Dietmar, vielleicht möchtest du mir von deiner persönlichen Erfahrung berichten: hast du selbst mit dem Koksausstieg gleichzeitig alle anderen Süchte bzw. den Alkohol aus deinem Leben gestrichen? Oder muss dieser Prozess im individuellen Tempo Schritt für Schritt erfolgen?
    Ich weiss ja nicht einmal, ob hier bei meinem Mann eine Sucht vorliegt, obwohl die Zeichen dafür sprechen. Allerdings in kleinen Mengen ohne schlimme Ausfälle. Ich habe keine Lust ein paar Jahre zu warten, bis die Sache schlimmer werden könnte. Oder besteht die Chance, dass ihm seine aktuelle Therapie bei der Bewusstwerdung hilft? Der Alk und das Kiffen gehören schon seit Jahrzehnten zum 'guten Umgangston' bei seinen Freunden, beim Fussball, es wird ja fast verherrlicht, wie schrecklich... Oder ist die Gefahr, dass er die Kontrolle über diesen geregelten, wenn auch missbräuchlichen Konsum, bei ihm grösser ist, da er schon einen üblen Kontrollverlust mit dem Kokain erlebt hat? Ist er jetzt also anfälliger für das Abrutschen in anderen Suchtbereichen? So wie Greenfox von Suchtverlagerung schreibt anscheinend schon...
    Und mein Part an der Geschichte:
    in der Kokszeit habe ich mich ja durch meine Unwissenheit gut abgegrenzt, dachte er wird schon wissen was er tut, er ist für sich selbst verantwortlich. Ich kann mir aber auch vorwerfen dass ich die Augen verschlossen habe, dass ich trotz allem Streit und Reibereien nicht klarer und direkter war, sondern mich gefügt habe, vieles übernommen habe, war ich also unwissend bereits damals Co-Abhängig?
    Nun, da ich weiss um welches Thema es geht, habe ich da nicht die Pflicht die Augen offen zu halten? Wenn ich nun mit einem funktionierenden Kiffer und Trinker (und das Funktionieren ist ja durchaus möglich, wie ich hier gelernt habe) freundlich und offen den Alltag teile und wieder nicht darauf achte, verpasse ich vielleicht den Moment an dem es Zeit ist, einen klaren Strich zu ziehen, für ihn und für mich!? Ich kontrolliere nicht, wie es bei den Merkmalen der Co-Abhängigkeit heisst, um ihn zu schützen, sondern um MICH zu schützen. Meine Naivität, immerwährende Hoffnung (Zitat Dietmar) lässt mich sonst wieder blind sein!? Ist das auch schon wieder ein Symptom meiner Krankheit: alles wird bestimmt gut!?
    Hilfe, beim Schreiben wird einem manches klarer.... :o(

    Lieber Dietmar, lieber Greenfox,
    danke für das Teilen Eurer Erfahrungen und Eure Gedanken! Das hat mir heute Aufwind gegeben und ich spüre die Kraft, wenn ich mich auf mich konzentriere und gleichzeitig die Freiheit in der Tatsache, dass ich über die Gestaltung meines Leben entscheiden darf. Ich muss mich wohl von vielem noch befreien, das mich im Setzen meiner Grenzen blockiert. Ich werde Eure Posts noch ein paar mal lesen und sacken lassen.
    Vielen Dank!
    Verve

    Nochmal kurz zu 'meiner Wahrnehmung' ein kleines, gutes Beispiel:
    Gestern mittag nahm ich den Geruch einer Fahne wahr. Ich fragte, ob er etwas getrunken habe. 'Nein, um Gottes Willen' war die Antwort. Wie kann ich hier reagieren? Mich anhauchen lassen, um die eigene Wahrnehmung zu überprüfen? Ignorieren? Schweigen wie die letzten Jahre? Ich bin im Zwiespalt zwischen Paranoia und dem Vertrauen auf meine Wahrnehmung. Das Ansprechen bringt auch nichts, weil er antwortet was er will und ich nichts darauf geben kann...

    Guten Morgen,
    vielen Dank für Eure Worte lieber RiSu und Rekonvaleszent!!

    Meiner Wahrnehmung vertrauen, das hat mir gut getan zu lesen. Letztendlich traue ich weder ihm noch mir. Ich habe mich während der heimlichen Kokainsucht ständig selbst in Frage gestellt, mich angepasst und distanziert, dachte ich muss die Realität so annehmen wie sie ist, habe versucht einen vulgären Grosskotz zu lieben. Darüber bin ich sehr erschüttert, was ich mir habe antun lassen. Gleichzeitig hat es mein Selbstbewusstsein gestärkt, da ich die Dinge selbst in die Hand genommen habe und gemerkt habe, dass ich alleine klarkomme, mit Haushalt, Arbeit, Kindern, Organisation. Jetzt habe ich wohl auch Angst vor mir, dass ich mich wieder unbemerkt verstricken lasse, meine Impulse und mein Empfinden versuche umzudeuten und umzulenken, und dass ich so wieder hineinschlittere in ungesunde Muster der Selbstverleugnung.
    Auf der anderen Seite fürchte ich, eine Art Paranoia oder 'Allergie' zu entwickeln. Sein Feierabendbier ist ja nicht gegen mich gerichtet, doch durch mein beobachtendes Verhalten denke ich bei jeder Flasche: 'Schon wieder'. Gestern haben wir in Ruhe kurz gesprochen, er meint der Alkohol und das Cannabis gehören zum Leben dazu, dieser Konsum sei normal.
    Wo ist hier das gesunde Mass? Wenn man mir die 'Genussmittel' Koffein oder Nikotin wegnehmen würde wäre ich auch erst einmal nicht einverstanden...

    Bei der Suchtberatung war ich bereits einige Male. Die Gespräche haben mir sehr geholfen. Hier ging es hauptsächlich um das Koks. Ich habe auch endlich einen Therapeuten gefunden, bei dem ich bleiben kann. Ich werde meinen Teil der Geschichte hier bearbeiten. Durch das Lesen hier im Forum habe ich schon viel gelernt über den Charakter der Sucht und die Verstrickungen von Angehörigen. Ich suche die Parallelen zu meiner Situation, ich suche nach Lösungen. Manchmal beschleicht mich aber auch die Sorge, dass ich eben durch das Lesen der Suchtgeschichten meine 'Paranoia' weiter unterstütze? Oder hilft es dabei, die Realität klarer zu erkennen? Ich bin mir hier unsicher...

    Mein Mann hat vor einigen Wochen eine Therapie begonnen. Das hat sehr viel Spannung und Druck aus unserem Leben genommen. Doch die Sorge vor einer nächsten/schon bestehenden Sucht und die Unsicherheit auf meiner Seite bleiben. Bzw. sie kommen jetzt klarer zum Vorschein in dem Moment, in dem ich nicht mehr 'kämpfen' und 'es recht machen' muss.

    Die Kinder sind sehr glücklich über unser neues Familienleben. Gemeinsames Essen, Gespräche, gemeinsames Lachen, freundlicher offener Umgang, dies alles erleben sie nun endlich! Solange der Alkohol keinen psychopathologischen Einfluss auf das Familienleben hat, muss ich sie da schützen? Nehmen sie daran Schaden wenn der Vater angetrunken und mit guter Laune vom Fussball nach Hause kommt? Nehmen sie daran Schaden wenn der Vater beim Werkeln in der Garage, im Garten, auf dem Familienausflug am Nachmittag zwei Bier trinkt?

    Vielen Dank für Eure orientierenden Gedanken!
    Verve