heimliche Sucht, das Vertrauen ist weg...

  • Liebes Forum,
    ich habe schon ein paar Mal einen Schreibversuch gestartet, doch das Chaos in meinem Kopf lässt es mich schwer auf den Punkt bringen. Ich versuche es noch einmal...
    Ich bin 43 Jahre alt, Mutter von drei Kindern. Nach einigen schrecklichen Ehejahren erfuhr ich im letzten Sommer von der heimlichen Kokainsucht meines Mannes. Im letzten halben Jahr hatte er einen Rückfall, der ihn zur Therapieeinsicht gebracht hat. Seitdem er seine Therapie begonnen hat, habe ich nun eigentlich alles, was ich mir in den letzten Jahren gewünscht habe: freundlicher, respektvoller Umgang, Engagement für die Kinder, Unterstützung im Haushalt, kein sexueller Druck mehr, keine Aggressionen, keine Vorwürfe.
    Doch es fehlt etwas: Vertrauen und Offenheit.
    Seit dem Studium trinkt er täglich Alkohol und raucht Cannabis. Ich habe ihn so geheiratet und auch gelegentliche Exzesse hingenommen. Er trinkt nun auch nach seinem Kokainausstieg täglich 2-3 Bier und kifft. Sein Konsumverhalten ist mir zuwider geworden. Braucht er das Sich-Benebeln, um mit dem fehlenden Kokainkick zurecht zu kommen? Zudem habe ich das Gefühl, dass er inoffiziell mehr zu sich nimmt als er es 'öffentlich' tut, dass er es beschönigt. Die alkoholfreien Bierflaschen stehen demonstrativ in der Küche, die 'echten' Bierflaschen trinkt er gerne ungesehen. Die Angst vor einem Rückfall bringt mich dazu, seine 'Ecken' im Auge zu behalten. Durch das Lesen über Co-Abhängigkeit weiss ich, dass ich das Kontrollieren sein lassen sollte und meine Energie in meine eigenen Belange investieren sollte. Doch weiss ich eben durch das Kontrollieren, dass er mich auch weiterhin in Kleinigkeiten belügt. Einzelne versteckte (?oder nebenbei mitgenommene) Bierdosen, Lügen über den Vorrat an Gras, eine Flasche weniger zu seltsamer Tageszeit (vormittag), um 16Uhr mit Fahne bei einem Schulfest ('es war nur ein alkoholfreies Bier'), heruntergespielte finanzielle Ausgaben,... Ich bin total verunsichert.
    Ich habe versucht, ihn auf seinen Alkohol- und Cannabiskonsum anzusprechen. Es wurde entweder verharmlost ('du brauchst dir keine Sorgen machen') oder wütend mit überzogenen Gegenforderungen reagiert. Als ich ihn mit einem Alkoholfund konfrontierte reagierte er auf mein Hinterherspionieren so wütend, dass ich das in dieser Form nicht mehr ansprechen werde. Mein heimliches Kontrollieren und seine heimlichen Verstecke sind also als Gesprächsthema tabu, wie absurd.
    Ich leide nicht mehr unter den psychischen Auswirkungen seines Drogenkonsums, doch mit dem Misstrauen und der Tatsache, dass ich es mit einem Suchtkranken und damit perfekten Lügner zu tun habe, dem ich nichts mehr glauben kann, komme ich nicht zurecht. Wie kann ich mich öffnen? Ist mein Kontrollieren als Selbstschutzmaßnahme gerechtfertigt? Einfach um zu wissen woran ich bin? Oder verpestet es unsere Beziehung noch mehr? Wie soll ich mit der Angst umgehen, wieder einer Illusion von 'alles wird gut' hinterherzulaufen um in einem Jahr festzustellen, dass ich ihm wieder auf den Leim gegangen bin? Wie lange soll ich noch auf bessere Zeiten warten? Kann ich nach dem traumatischen Erleben der Kokainsucht weiter an der Seite eines Partners leben, der sich täglich mit bewusstseinsverändernden Substanzen benebelt?
    Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, durch welche Hölle er wohl gegangen sein mag und welche Kraft es ihn kostet, wieder Boden unter den Füssen, in der Familie, bei der Arbeit zu bekommen, komme ich mir fast schäbig vor mit meinem Misstrauen und meinen negativen Unterstellungen.
    Vielleicht gibt es hier jemanden, der Erfahrungen mit Heimlichkeiten des Partners hat? Mit dem Umgang mit offensichtlichen Lügen? Jemand, der eine Suchterkrankung als Paar überstanden hat? Der Möglichkeiten des Vertrauensaufbaus kennt? Ich fühle mich hilflos dem Lauf der Zeit ausgeliefert. Über Erfahrungen, Einschätzungen, Mutmacher, Geraderücker, Geschichten und Gedanken dazu wäre ich Euch sehr dankbar!
    Viele liebe Grüße!
    Verve

  • Hallo Verve,

    herzlich Willkommen und gut das du dich angemeldet hast. Du wirst hier bestimmt noch viele Antworten bekommen. Solange empfiehlt es sich erst mal herumzulesen und von den vorhandenen Threads zu lernen.

    Ich bin kein großer Schreiber, nur soviel schon mal:

    Das Wichtigste ist, dass du dir selbst und deiner Wahrnehmung vertraust. Wo Rauch ist, ist meistens auch Feuer.

    Pass gut auf dich und deine Kinder auf.

    Dein Mann muss sich um sich selbst kümmern - wollen.

    Viele Grüße,
    RiSu

    Viele Grüße, <br />Risu

  • Hallo!

    Dein Mann dürfte Polytoxikomane sein. Das ist schon eine gewaltige Hausnummer, von mehreren Substanzen abhängig zu sein.

    Mein Rat an dich: "Mach dir keine Vorwürfe, Du bist für diese Situation weder verantwortlich, noch trägst Du persönliche Schuld daran." Ein gewisses Misstrauen ist bei der Vorgeschichte nachvollziehbar, da er jede Veranlassung dazu bietet.

    Was hälst Du davon, mal zur Suchtberatung zu gehen.

    Meine Familie hat mir damals die Pistole auf die Brust gesetzt, entweder Therapie oder Ende der Beziehung. So wurde es ihr von einem erfahrenen Suchtherapeuten geraten, sie haben ihn ohne meine Kenntnis im Rahmen der offenen Sprechstunde aufgesucht.

    Mir hat es geholfen. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt bereits einsichtig, es nicht mehr alleine zu schaffen, mich aus dem Klammergriff des Alkohols zu befreien. Damit sind wir am entscheidenden Punkt. Wenn er nicht will, dann nützt das beste Zureden nichts.

    Oder wie sagte es schon Galilei: "Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken."

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Guten Morgen,
    vielen Dank für Eure Worte lieber RiSu und Rekonvaleszent!!

    Meiner Wahrnehmung vertrauen, das hat mir gut getan zu lesen. Letztendlich traue ich weder ihm noch mir. Ich habe mich während der heimlichen Kokainsucht ständig selbst in Frage gestellt, mich angepasst und distanziert, dachte ich muss die Realität so annehmen wie sie ist, habe versucht einen vulgären Grosskotz zu lieben. Darüber bin ich sehr erschüttert, was ich mir habe antun lassen. Gleichzeitig hat es mein Selbstbewusstsein gestärkt, da ich die Dinge selbst in die Hand genommen habe und gemerkt habe, dass ich alleine klarkomme, mit Haushalt, Arbeit, Kindern, Organisation. Jetzt habe ich wohl auch Angst vor mir, dass ich mich wieder unbemerkt verstricken lasse, meine Impulse und mein Empfinden versuche umzudeuten und umzulenken, und dass ich so wieder hineinschlittere in ungesunde Muster der Selbstverleugnung.
    Auf der anderen Seite fürchte ich, eine Art Paranoia oder 'Allergie' zu entwickeln. Sein Feierabendbier ist ja nicht gegen mich gerichtet, doch durch mein beobachtendes Verhalten denke ich bei jeder Flasche: 'Schon wieder'. Gestern haben wir in Ruhe kurz gesprochen, er meint der Alkohol und das Cannabis gehören zum Leben dazu, dieser Konsum sei normal.
    Wo ist hier das gesunde Mass? Wenn man mir die 'Genussmittel' Koffein oder Nikotin wegnehmen würde wäre ich auch erst einmal nicht einverstanden...

    Bei der Suchtberatung war ich bereits einige Male. Die Gespräche haben mir sehr geholfen. Hier ging es hauptsächlich um das Koks. Ich habe auch endlich einen Therapeuten gefunden, bei dem ich bleiben kann. Ich werde meinen Teil der Geschichte hier bearbeiten. Durch das Lesen hier im Forum habe ich schon viel gelernt über den Charakter der Sucht und die Verstrickungen von Angehörigen. Ich suche die Parallelen zu meiner Situation, ich suche nach Lösungen. Manchmal beschleicht mich aber auch die Sorge, dass ich eben durch das Lesen der Suchtgeschichten meine 'Paranoia' weiter unterstütze? Oder hilft es dabei, die Realität klarer zu erkennen? Ich bin mir hier unsicher...

    Mein Mann hat vor einigen Wochen eine Therapie begonnen. Das hat sehr viel Spannung und Druck aus unserem Leben genommen. Doch die Sorge vor einer nächsten/schon bestehenden Sucht und die Unsicherheit auf meiner Seite bleiben. Bzw. sie kommen jetzt klarer zum Vorschein in dem Moment, in dem ich nicht mehr 'kämpfen' und 'es recht machen' muss.

    Die Kinder sind sehr glücklich über unser neues Familienleben. Gemeinsames Essen, Gespräche, gemeinsames Lachen, freundlicher offener Umgang, dies alles erleben sie nun endlich! Solange der Alkohol keinen psychopathologischen Einfluss auf das Familienleben hat, muss ich sie da schützen? Nehmen sie daran Schaden wenn der Vater angetrunken und mit guter Laune vom Fussball nach Hause kommt? Nehmen sie daran Schaden wenn der Vater beim Werkeln in der Garage, im Garten, auf dem Familienausflug am Nachmittag zwei Bier trinkt?

    Vielen Dank für Eure orientierenden Gedanken!
    Verve

  • Nochmal kurz zu 'meiner Wahrnehmung' ein kleines, gutes Beispiel:
    Gestern mittag nahm ich den Geruch einer Fahne wahr. Ich fragte, ob er etwas getrunken habe. 'Nein, um Gottes Willen' war die Antwort. Wie kann ich hier reagieren? Mich anhauchen lassen, um die eigene Wahrnehmung zu überprüfen? Ignorieren? Schweigen wie die letzten Jahre? Ich bin im Zwiespalt zwischen Paranoia und dem Vertrauen auf meine Wahrnehmung. Das Ansprechen bringt auch nichts, weil er antwortet was er will und ich nichts darauf geben kann...

  • Hallo Verve,

    Nur weil Du eventuell schon paranoide Wahrnehmungen hast, was das Trinken Deines Partners anbetrifft, heißt das nicht, dass er nicht trinkt.

    Das verdeutlicht Dir vielleicht Dein Dilemma – das Dilemma aller co-abhängigen Angehörigen von Suchtkranken.
    Koks ist zwar für viele, die Koks nicht als Suchtmittel kennengelernt haben, härter und eben auch illegal, aber tatsächlich, wenn man in der Kokssucht steckt, ist sie nicht anders, wie jede andere Sucht. Halt nur sehr viel teurer – und i.d.R. viel weniger auffällig, und viel, viel kostspieliger wie z. B. Alkoholismus.

    Unter Koks hatte ich eine unglaubliche Schaffenskraft, irre Ausdauer und war auf Knopfdruck „da“.
    Das Problem dabei: Koks ist ein „upper“, d.h. es treibt an und pushed.
    Schwer da wieder „runterzukommen“, also greift man zu „downern“: Alkohol und Marihuana etc.
    Und hier kommt dann das nächste „Problem“ auf: Unter Koks wird man fast nicht betrunken. Man meint, furchtbar viel vertragen zu können … der tatsächliche Promillepegel spricht eine andere Sprache, aber die Eigenwahrnehmung ist ja subjektiv.

    Du hast Dich schon gründlich mit der Co-Abhängigkeitsproblematik auseinander gesetzt – das ist gut!
    Beim Verinnerlichen und Umsetzen von Strategien gegen Deine Co-Abhängigkeit ist es nicht anders, wie beim Suchtkranken, der lernen muss, all die empfohlenen Schritte und Strategien gegen seine Sucht auch anzuwenden.

    Nicht kontrollieren – heißt nicht kontrollieren.
    Der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen – heißt …
    usw.
    Da gibt es die Frage nicht „soll ich mich anhauchen lassen“. Du nimmst eine Fahne wahr – hast das Recht sie nicht akzeptieren zu müssen – und fertig.
    Er trinkt und kifft, und Du hast jedes Recht dazu ein Zusammensein mit einem Trinker und Kiffer abzulehnen.

    Die Frage ist also nur: Willst Du aus all den anderen „schönen“ Gründen, wie „weil ich ihn liebe“ – „weil es mit ihm zusammen so schön sein kann“ – „weil sich die Kinder so freuen, wenn …“ …usw. – seine negativen Seiten, eben seine Sucht, heimlich oder offen, mittragen und tolerieren oder nicht.

    Im Fall, dass Du sie mittragen und tolerieren möchtest, wirst Du dabei kaputt gehen, wenn Du gleichzeitig ein selbstverantwortliches Leben ohne Verantwortungsübernahme für den Partner und ohne Exzesse innerhalb der Sucht trotzdem „auch“ anstrebst. Beides schließt sich mal mehr, mal weniger aus.

    Aus der Sicht Deines Mannes, verstehe ich seine Relativierung der diversen Suchtstoffe, als ehemaliger Kokser. Man meint dann, Alkohol und Kiffen wäre viel harmloser.
    Als Alkoholiker verstehe ich auch die Sichtweise von vielen, unwissenden Alkoholikern, die meinen, wenn sie „nur“ sogenannten „weichen“ Alkohol, wie Bier oder div. alkoholische Mixgetränke konsumieren, wäre die Sache ja noch nicht so schlimm.
    Ein höllischer Irrtum: Alkohol, egal in welcher Potenz, ist neben Heroin die so ziemlich tödlichste Droge der Welt.

    Beim Kiffen schwimmt derzeit alles auf der Tolerierungswelle. Die Langzeitfolgen wird man erst in den nächsten Jahrzehnten feststellen können, wenn sich die Hanfindustrie sattfinanziert hat, und die Suchtkliniken überlaufen von Betroffenen, die es halt – genauso wie beim gesellschaftlich legalen Alkohol – nicht geschafft haben, moderat und gesellschaftlich unauffällig zu konsumieren …

    Zusammengefasst: Es wird aller Voraussicht nach noch ein weiter und langer Weg für Deinen Partner werden, bis er realisiert, dass er als suchtkranker Betroffener für jedes Suchtmittel anfällig bleiben wird, und mit hoher Wahrscheinlichkeit (das schreibe ich auch aus langjähriger eigener und Fremdwahrnehmung bei vielen anderen Betroffenen) einen kompletten Absprung vom einen (dem Koks) nur dann schafft, wenn gleichzeitig auch das andere (Alkohol und Marihuana) eingestellt wird. (Beides lässt die Hemmschwelle so extrem sinken, dass der Griff nach dem anderen sehr leicht fällt.)

    Wenige ehemalige Co-Abhängige, die sich aus dieser völlig eigenständigen Krankheit befreien konnten, konnten langfristig mit einem weitertrinkenden und weiterkiffenden (oder auch weiterkoksenden) Partner zusammenbleiben. Die Unberechenbarkeit der Sucht sprach total konträr gegen das eigenständige und eigenverantwortliche Leben, dass sie bei ihrer Befreiung kennengelernt habe.
    Sehr häufig funktionieren auch Partnerschaften zwischen einem trockenen Alkoholiker und einer Co-Abhängigen nicht mehr, wenn der Alkoholiker seine Genesung von der Sucht konsequent durchgezogen hat, während die co-abhängige Partnerin in ihrer Entwicklung stehen geblieben ist.

    Selten Ausnahmen gibt es. Ob Eure Partnerschaft eine davon ist, kann niemand wissen – auch Du nicht …
    Es ist wohl eher die Frage, wie viel Deines eigenen Lebens Du bereit bist unwiederbringbar in eventuell immerwährender Hoffnung herzugeben ...

  • Hallo, Verve, und auch von mir ein verspätetes WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 56, Alkoholiker und nun schon ein paar Jahre trocken und in der Suchtselbsthilfe aktiv.

    Du schreibst, Dein Mann macht derzeit eine Therapie wegen seiner Kokain-Sucht und die Kinder freuen sich über Euer neues Familienleben. Gleichzeitig beschreibst Du das typische Verhalten eines Alkoholiker - heimliches Trinken, verstecken, verharmlosen, abstreiten, Gegenvorwürfe ...

    Ich befürchte, dass mit der Therapie nur EIN Problem angegangen wird. Rekonvaleszent hat recht, wenn er sagt, dass Dein Mann Polytoxomane, d.h. Mehrfachabhängiger, ist. Und er verlagert eben jetzt als Ausgleich auf den Alkohol. Inwieweit auch auf das Cannabis nixweiss0 Das nennt sich Suchtverlagerung.

    Und aus meiner Sicht funktioniert das (die "Suchtverlagerung der Co-Abhängigkeit) bei Dir auch - denn Du suchst immer noch nach Gründen, warum DU vielleicht unrecht haben könntest, warum er vielleicht nicht anders kann ...

    Das solltest Du unbedingt mit Deinem Therapeuten besprechen und bearbeiten. Und: Ich rate Dir dringend, eine Selbsthilfegruppe für Angehörige zu (be)suchen!! Dort kannst Du Dich direkt mit Menschen, die dasselbe wie Du durchgemacht haben bzw machen, austauschen.

    Ich wünsche Dir jedenfalls ganz viel Kraft und weiterhin einen guten Austausch hier!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Zitat von “Greenfox“

    Und er verlagert eben jetzt als Ausgleich auf den Alkohol. Inwieweit auch auf das Cannabis Das nennt sich Suchtverlagerung.

    Zitat von “Verve“

    Nach einigen schrecklichen Ehejahren erfuhr ich im letzten Sommer von der heimlichen Kokainsucht meines Mannes. Doch es fehlt etwas: Vertrauen und Offenheit.
    Seit dem Studium trinkt er täglich Alkohol und raucht Cannabis. Ich habe ihn so geheiratet und auch gelegentliche Exzesse hingenommen. Er trinkt nun auch nach seinem Kokainausstieg täglich 2-3 Bier und kifft.


    Da von Suchtverlagerung zu reden … nun ja …

  • Lieber Dietmar, lieber Greenfox,
    danke für das Teilen Eurer Erfahrungen und Eure Gedanken! Das hat mir heute Aufwind gegeben und ich spüre die Kraft, wenn ich mich auf mich konzentriere und gleichzeitig die Freiheit in der Tatsache, dass ich über die Gestaltung meines Leben entscheiden darf. Ich muss mich wohl von vielem noch befreien, das mich im Setzen meiner Grenzen blockiert. Ich werde Eure Posts noch ein paar mal lesen und sacken lassen.
    Vielen Dank!
    Verve

  • Lieber Dietmar, vielleicht möchtest du mir von deiner persönlichen Erfahrung berichten: hast du selbst mit dem Koksausstieg gleichzeitig alle anderen Süchte bzw. den Alkohol aus deinem Leben gestrichen? Oder muss dieser Prozess im individuellen Tempo Schritt für Schritt erfolgen?
    Ich weiss ja nicht einmal, ob hier bei meinem Mann eine Sucht vorliegt, obwohl die Zeichen dafür sprechen. Allerdings in kleinen Mengen ohne schlimme Ausfälle. Ich habe keine Lust ein paar Jahre zu warten, bis die Sache schlimmer werden könnte. Oder besteht die Chance, dass ihm seine aktuelle Therapie bei der Bewusstwerdung hilft? Der Alk und das Kiffen gehören schon seit Jahrzehnten zum 'guten Umgangston' bei seinen Freunden, beim Fussball, es wird ja fast verherrlicht, wie schrecklich... Oder ist die Gefahr, dass er die Kontrolle über diesen geregelten, wenn auch missbräuchlichen Konsum, bei ihm grösser ist, da er schon einen üblen Kontrollverlust mit dem Kokain erlebt hat? Ist er jetzt also anfälliger für das Abrutschen in anderen Suchtbereichen? So wie Greenfox von Suchtverlagerung schreibt anscheinend schon...
    Und mein Part an der Geschichte:
    in der Kokszeit habe ich mich ja durch meine Unwissenheit gut abgegrenzt, dachte er wird schon wissen was er tut, er ist für sich selbst verantwortlich. Ich kann mir aber auch vorwerfen dass ich die Augen verschlossen habe, dass ich trotz allem Streit und Reibereien nicht klarer und direkter war, sondern mich gefügt habe, vieles übernommen habe, war ich also unwissend bereits damals Co-Abhängig?
    Nun, da ich weiss um welches Thema es geht, habe ich da nicht die Pflicht die Augen offen zu halten? Wenn ich nun mit einem funktionierenden Kiffer und Trinker (und das Funktionieren ist ja durchaus möglich, wie ich hier gelernt habe) freundlich und offen den Alltag teile und wieder nicht darauf achte, verpasse ich vielleicht den Moment an dem es Zeit ist, einen klaren Strich zu ziehen, für ihn und für mich!? Ich kontrolliere nicht, wie es bei den Merkmalen der Co-Abhängigkeit heisst, um ihn zu schützen, sondern um MICH zu schützen. Meine Naivität, immerwährende Hoffnung (Zitat Dietmar) lässt mich sonst wieder blind sein!? Ist das auch schon wieder ein Symptom meiner Krankheit: alles wird bestimmt gut!?
    Hilfe, beim Schreiben wird einem manches klarer.... :o(


  • Ich weiss ja nicht einmal, ob hier bei meinem Mann eine Sucht vorliegt, obwohl die Zeichen dafür sprechen. Allerdings in kleinen Mengen ohne schlimme Ausfälle. ...
    Hilfe, beim Schreiben wird einem manches klarer.... :o(

    Du versuchst es aber mit aller Gewalt, die Suchtprobleme Deines Mannes klein/schön zu reden ...

    Dietmar hat insofern Recht, dass man hier nicht von einer klassischen Suchtverlagerung sprechen kann. Dein Mann ist Mehrfachabhängiger und konzentriert sich nun eben auf ein/zwei andere seiner Süchte (Alkohol und Cannabis), da er ja gegen eine andere (Kokain) eine Therapie macht.

    Das ist wie bei Jenga: man zieht EIN Klötzchen aus dem Stapel und dann noch einen - bis der Stapel zusammenbricht.
    Sinnvoller wäre es, einen radikalen Schnitt zu machen.

    Aber das ist eine Kopfsache ... auch für Dich.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (8. April 2019 um 17:09)

  • Liebe Verve,

    ich bin davon überzeugt, dass ein Suchtausstieg immer sehr individuell abläuft. Genauso, wie m. E. jede Suchtgeschichte höchst individuell ist, auch wenn sie sich manchmal, oberflächlich betrachtet, gleichen, wie ein Ei dem anderen. Aber kratzt man dann an der Schale …

    Als ich auf Amphetamin und Koks war, und dann diese Sucht zum Stillstand bringen wollte, war mein Alkoholkonsum für mich ziemlich nebensächlich. Einen Zusammenhang konnte ich damals für mich nicht erkennen. Genauso wenig wie zu meinem Hasch-Konsum. (Damals war Marihuana noch nicht so in, wie heute)
    Und später dann, als ich mit dem Alkohol aufgehört hatte, sah ich keinen Zusammenhang zwischen meinem Alkoholismus und der dann immer stärker werdenden Abhängigkeit von Benzos und Co.

    Alle diese Süchte fingen schleichend an, erfüllten auch eine Funktion bei mir, und logischerweise wusste ich nicht, wo sie endeten …
    (Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, die aus Langeweile süchtig werden. Auch dann, wenn tatsächlich Langeweile (nichts mit sich anfangen zu können), relativ oft der Anlass für das Abgleiten in einen Sucht sein kann. Aber absichtlich oder bewusst wird meines Erachtens niemand süchtig.)

    Ob Dein Mann in Bezug Alkohol und Marihuana die hauchdünne, verschwommene Grenze zwischen Missbrauch und Sucht schon überschritten hat? Das weiß vermutlich nicht einmal er selbst!
    Sicher ist, dass beide Suchtmittel eine sehr starke Abhängigkeit verursachen können. Wobei die von THC einen viel größeren psychischen Anteil hat, wie die von Alkohol. Dementsprechend dauern die Entwöhnungs-Therapien von THC auch sehr viel länger.

    Wie das bei Deinem Mann weitergeht oder endet – wer könnte das schon im Voraus wissen?
    Und natürlich kann es im Verlauf seiner aktuellen Therapie dazu kommen, dass er eine völlig andere Sicht darauf erhält.
    Das ist, wie Greenfox hier manchmal schreibt: Manche Suchtbetroffenen wären vom Anblick der schlimmen Schicksale auf einer Entgiftungsstation so abgeschreckt, dass sie fortan die Finger von ihrem Suchtmittel lassen würden. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Menge Betroffener, die dann noch sagen würden „so wie denen dort, wird es mir niemals ergehen“ …

    Zitat von “Verve“

    Der Alk und das Kiffen gehören schon seit Jahrzehnten zum 'guten Umgangston' bei seinen Freunden, beim Fussball, es wird ja fast verherrlicht, wie schrecklich...


    Bei sehr vielen Suchtkranken hat sich die Sucht über solche gesellschaftlichen Anlässe in ihr Leben geschlichen. Gruppenzwang und eine übermäßige Tolerierung, auch die mangelnde Achtsamkeit tragen dazu bei. Es weiß halt niemand, wen es dann trifft, und wer damit wieder problemlos aufhören kann.
    Man könnte 10 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Berufen an einen Tisch setzen – 3 davon würden irgendwann sitzen bleiben und weiter saufen, weiterkiffen, weiterkoksen – aber wer diese 3 sein werden, weiß niemand im Voraus.

    Sicher ist, auch aus wissenschaftlicher Sicht, dass es so etwas wie eine „Suchtveranlagung“ gibt. Und wenn sich diese Suchtveranlagung schon einmal, wie bei Deinem Mann, mit einer Sucht eskalierend gezeigt hat, dann ist die Gefahr, auch an anderen Suchtmitteln hängen zu bleiben, sehr groß.

    Deine Frage nach Deiner eventuellen Co-Abhängigkeit ist sicher berechtigt.
    Schon aus Deiner Anwesenheit hier im Forum geht ja hervor, dass Du viel mehr über die Sucht Deines Partners wissen möchtest, als über Deine Verstrickung in sie, und deren Auswirkungen auf Dich und Dein Leben.
    Die Augen offen halten sollte eigentlich jeder Mensch, eben Achtsamkeit üben. Besonders zu sich selbst.

    Zitat von “Verve“

    Wenn ich nun mit einem funktionierenden Kiffer und Trinker (und das Funktionieren ist ja durchaus möglich, wie ich hier gelernt habe) freundlich und offen den Alltag teile und wieder nicht darauf achte, verpasse ich vielleicht den Moment an dem es Zeit ist, einen klaren Strich zu ziehen, für ihn und für mich!?


    Ich war auch ein "funktionierender Süchtiger". Bis zuletzt. Noch heute können sich viele, die mich kennen, überhaupt nicht vorstellen, dass ich tatsächlich furchtbar tief in der Sucht steckte.
    Co-Abhängigkeit entsteht genauso wenig wie die Sucht von heute auf morgen! Sie entsteht genauso schleichend, wie die Sucht. Erst dulden Angehörige gutmeinend gelegentliche „Ausrutscher“, dann wird das täglich Bier (o.a.) toleriert und „als normal“ gesehen. Es ist völlig normal in einer Partnerschaft, dass man sich gegenseitig hilft und Aufgaben übernimmt, wenn der Partner sie nicht erledigen kann.
    Bei der Co-Abhängigkeit gleitet dieses völlig normale, partnerschaftliche Verhalten immer mehr über in die Verantwortungsübernahme für den süchtigen Partner. Die Angehörigen fangen dann an, den süchtigen Partner zu decken, die Sucht nach außen zu verheimlichen, seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu übernehmen, weil er sie aufgrund seines Rauschzustandes und seiner Trinkerei nicht mehr selbst erledigen kann … Angehörigen stecken dann immer mehr ihre eigenen Bedürfnisse (einen verläßlichen Partner an der Seite zu haben) zurück, man will ja nicht egoistisch sein, und dem Partner seine Freiheit und seinen Genuss gönnen ...
    Und ja klar: Hätten diese Angehörigen im Voraus gewusst, wo alles schließlich endet, sie hätten meist viel, viel früher eine Grenze gesetzt.

    Du siehst: Die Sucht, und auch die Co-Abhängigkeit, sind ziemlich fies und schleichen durch die Hintertür heimlich und getarnt in Beziehungen und das Leben.

    Zitat von “Verve“

    Ich kontrolliere nicht, wie es bei den Merkmalen der Co-Abhängigkeit heisst, um ihn zu schützen, sondern um MICH zu schützen.


    Die Parallelen zwischen Sucht und Co-Abhängigkeit sind schon immer wieder frappierend!
    Alkoholiker, die „eigentlich“ schon wissen, dass sie ein Alkoholproblem haben, hört man sehr häufig auf die Frage antworten, was sie getrunken hätten: „Heute nur 1 – 2 Bier …“
    Wie würde jemand diese Frage auffassen und darauf antworten, der überhaupt nicht an Alkohol denkt? Würde sich so jemand dafür rechtfertigen, was und wie viel er getrunken hat?

    Wenn Dein Mann, so wie Du schreibst, täglich trinkt und kifft, dann stellt sich mir die Frage, mit welchem hohen Risiko er tagtäglich unterwegs ist, zum Beispiel mit dem Auto …?

  • Eure Worte bringen einiges bei mir ins Rollen...
    Greenfox, danke für deine direkte Art. Du hast recht, ich rede schön und laufe einer Illusion hinterher, wie schön es doch sein könnte, wie schön es doch war, bestimmt wird es morgen oder nächste Woche so schön, ich muss nur lange genug durchhalten und aushalten und zurücktreten und abwarten...
    Dietmar, danke für deine eindrückliche Beschreibung deiner Suchtverlagerungen. Worin liegt der 'psychische Anteil' einer THC-Sucht? Was meinst du damit? Ich kenne jemanden aus dem Freundeskreis, der durch das Kiffen seine Aggressionen im Griff hat und behauptet, er könne unter THC-Einfluss sogar konzentrierter Autofahren.
    Stimmt, niemand kann wissen wo der Hase hinläuft. Umso wichtiger, meine Rolle im Geschehen zu beleuchten und meine Rolle selbst zu spielen als sie spielen zu lassen. Stellung beziehen, die klare Grenze setzen, dass ich nicht bereit bin diese gefährliche Achterbahn im Umgang mit anderen Drogen mitzufahren. In welcher Weise ich das ausdrücken soll weiss ich noch nicht...
    Und Aufhören, Verantwortung für seine Belange zu übernehmen. Ich dachte das tue ich, indem ich mich aus Geschäftlichem, Postkram etc zurückziehe, ihm Aufgaben im Alltag überlasse die ich vorher selbst gestemmt habe. Doch es geht auch um die Verantwortung für die Familie. Ich kann es nicht alleine auf meine Schultern nehmen, den Schmerz von den Kindern fernzuhalten. Dies ist mein grösstes (bewusstes) Hemmnis. Er trägt genauso Verantwortung für die seelische Gesundheit unserer Kinder wie ich. Ich kann sie vielleicht besser für ihre eigene Zukunft 'schützen', indem ich zeige, dass ich Stellung beziehe, dass ich bereit bin Konsequenzen wie Trennung oder Streit in Kauf zu nehmen, dass ich zu mir stehe und zu meinem Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Vertrauen. Vielleicht haben sie von diesem Vorbild mehr als von einer Mutter, die sich fügt, deren Leben anstrengend ist damit andere glücklich sind!? Vielen Dank für diesen Impuls! Auch das Dulden, das Schweigen ist bereits ungesund, das ist mir jetzt klargeworden. So wie es in der Kokainzeit schon schief lief, dieses Mal möchte ich deutlicher sein im Ansprechen! Nicht wieder erst im Nachhinein zu der Erkenntnis kommen, dass ich etwas mitgespielt habe das für mich absolut nicht in Ordnung war.
    Und auch hinsichtlich des Kontrollierens ist mir klar geworden: meine Wahrnehmung reicht vollkommen aus, um zu spüren dass es so nicht in Ordnung ist. Eigentlich muss ich dafür keine Beweise sammeln, es zeigt sich auch so, ohne Flaschenzählen.
    Und ich höre auf mich zu rechtfertigen für ein Verhalten, das mir nicht gut tut...
    Puh, ich hoffe ich kann das so verinnerlichen dass ich es morgen wieder abrufen kann...

  • Aber ich habe Angst, Angst vor Spannung, Aggression, Vorwürfen, Manipulation, Schmerz, dem Leid der Kinder...
    Ich habe es eben kurz angesprochen und mein Herz klopft.

  • Liebe Verve,

    Zitat von “Verve“

    Aber ich habe Angst, Angst vor Spannung, Aggression, Vorwürfen, Manipulation, Schmerz, dem Leid der Kinder...
    Ich habe es eben kurz angesprochen und mein Herz klopft.


    Es macht mich immer wieder sehr traurig, wenn ich lese oder höre (oder miterlebe), wie Suchtkranke es fertigbringe, das Leid, das durch ihr süchtiges Verhalten bei den Angehörigen entsteht, durch o.g. Reaktionen (Aggression, Vorwürfe, Manipulation usw.) noch zusätzlich zu vergrößern.
    Nicht wenige Angehörige bekommen dann deswegen sogar psychosomatische Krankheitsbilder, die oft nur schwer zu behandeln sind.

    Zitat von “Verve“

    Dietmar, danke für deine eindrückliche Beschreibung deiner Suchtverlagerungen. Worin liegt der 'psychische Anteil' einer THC-Sucht? Was meinst du damit?


    Ein Marihuana-Rausch spielt sich vor allem im Kopf ab, und hat wenig beeinflussende Faktoren auf den Körper.
    Die Wahrnehmung wird sehr stark verändert, und man erlebt die Umwelt anders, intensiver, je nach Grundstimmung auch farbiger. Rationales und objektives Denken und Handeln wird erschwert, und Zusammenhänge und Vorgänge in der Außenwelt verschwimmen und verzerren sich. Die Prioritäten bei der Wahrnehmung und Verantwortlichkeit verschieben sich total: Völlig Unwichtiges tritt in den Vordergrund, und (über)lebenswichtiges nimmt man auf die leichte Schulter.
    Das Alles ist natürlich auch wieder höchst individuell, und hängt sehr stark von der Qualität und auch der Menge des Marihuanas ab, das man raucht.
    Relativ häufig ist eine Abgehobenheit und völlig Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen zu beobachten.

    Zitat von “Verve“

    Ich kenne jemanden aus dem Freundeskreis, der durch das Kiffen seine Aggressionen im Griff hat und behauptet, er könne unter THC-Einfluss sogar konzentrierter Autofahren.


    Es gab Zeiten, in denen ich geschworen hätte, erst unter Alkohol könnte ich „richtig“ Autofahren.
    Dass man Aggressionen mittels Marihuana abfedern kann, ist tatsächlich bekannt. Wobei, weil ein Marihuana-Rausch von der Grundstimmung des Kiffers abhängig ist, und diese verstärkt oder abfedert, auch das völlige Gegenteil der Fall sein kann.
    Da Marihuana definitiv eine Bewusstseinsverändernde, halluzinogene Droge ist, ist sinnigerweise die Teilnahme am Straßenverkehr unter Strafe gestellt: Wer will schon von einem Kiffer umgemäht werden, weil der glaubt, er könne fliegen?
    Ein überzeugter Kiffer wird genauso wenig die negativen Seiten der Sucht erkennen wollen, wie ein überzeugter Alkoholtrinker.

    Zitat von “Verve“

    Umso wichtiger, meine Rolle im Geschehen zu beleuchten und meine Rolle selbst zu spielen als sie spielen zu lassen. Stellung beziehen, die klare Grenze setzen, dass ich nicht bereit bin diese gefährliche Achterbahn im Umgang mit anderen Drogen mitzufahren. In welcher Weise ich das ausdrücken soll weiss ich noch nicht...


    Ich weiß, wie Du das meinst, aber „spielen“ solltest Du Deine Rolle nicht. Du hast Deine Überzeugung, willst nüchtern, bewusst und ohne Drogen beeinflusst Dein Leben und Zusammensein mit anderen Menschen wahrnehmen und leben. Und diese Überzeugung zu leben, hast Du alles Recht der Welt.

    Es war schon mal ein guter, richtiger Schritt, für seine Belange (Geschäftlichem, Bürokratie, Aufgaben im Alltag, usw.) keine Verantwortung zu übernehmen, oder sie auszuführen, wenn er aufgrund seiner Rauschzustände dazu nicht in der Lage ist.
    Und Du hast es als Ehefrau und Mutter Eurer Kinder richtig für Dich erkannt: Es geht auch darum, verantwortungsbewusst und abrufbereit für die Kinder da zu sein.
    Verlässlichkeit und Vertrauen sind elementare Bestandteile in der Elternrolle. Aber natürlich auch in der Rolle als liebende Partner!

    Ich kann Dir nur empfehlen, Dir bei all diesen Problemen Hilfe zu holen, indem Du zum Beispiel in eine Suchtberatung für Angehörige von Suchtkranken gehst, und dort ganz real mit den Fachleuten über Deine Probleme redest.
    Leider tun Angehörige von Suchtkranken diesen Schritt viel zu selten, obwohl diese Hilfe jederzeit zur Verfügung steht.

    Es liest sich gut, was Du schreibst! Hol Dir nach Möglichkeit noch qualifizierte Hilfe (s.o.), scheue Dich nicht eine ambulante Gesprächstherapie für Angehörige in Anspruch zu nehmen, und sorge für Dich und Deine Kinder.
    Dein Partner muss für sich schauen, wie er mit den Konsequenzen aus seinem Tun und Handeln zurechtkommt.

  • Die psychosomatischen Auswirkungen habe ich auch zu spüren bekommen. Heftige Knieschmerzen, sie waren zwei Tage nach dem Auffliegen der Kokainsucht WEG. Heute phasenweise morgendliche Gliederschmerzen, Nackenverspannungen, der Körper signalisiert ganz gut und verlässlich, was Sache ist...

    Die Gedanken daran lassen heute wieder die Wut und die Erinnerungen in mir hochkommen. Was alles passiert ist, wie verzweifelt ich war in meiner Unwissenheit. Und wie sich das letzte halbe Jahr der Kokainabstinenz abgespielt hat, weitere Lügen, weitere Vorwürfe, Manipulationen, Aggressionen. Es wird einem erst danach bewusst, in der Erschöpfung, welche Grenzen hier überschritten wurden und dass man es wieder nicht geschafft hat STOP zu sagen, dass es zu viel war. Ich hatte wechselnd das Gefühl gleich verrückt zu werden oder zusammenzubrechen. Dann wieder die Hoffnung und das Durchhalten des Entzugs. Das Nicht-Reden-Können über die Verletzungen, es darf ja niemand wissen und der Partner (eigentlich wäre er für eine solche persönliche Krise ja da in einer wirklichen Partnerschaft) darf nicht mit Vorwürfen belastet werden, da er sich ja selbst schon so viele macht... Die Angst, bei der letzten Aggression, die allerdings schon zwei Monate her ist: damals hatte ich nachts mit Herzklopfen im Bett den Gedanken, dass ich alles (Sex, sogar Schläge die es aber nie gab!) dafür tun würde, dass die Kinder am Folgetag einen harmonischen Familientag erleben dürfen. Entsetzlich, schockierend, wohin die Angst einen treibt, wie klein sie macht, wie gefügig.

    In dieser Phase war die Suche nach einem Psychotherapeut schwierig, doch ich habe es geschafft und werde morgen nach erfolgreichem Erstgespräch meinen ersten richtigen Termin haben. Das Sortieren meiner Gedanken hier in den letzten Tagen hat mir vorbereitend sehr geholfen, ich danke allen dafür, die auf mein Posting reagiert haben!


    Meine Angst gestern war unbegründet. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mit mit dieser Vorgeschichte nicht vorstellen kann, mit einem Partner mein Leben zu verbringen der täglich trinkt und kifft. Dass ich es schön fände wenn er sich darüber Gedanken machen würde. Seine Reaktion: Ich solle mir selbst Gedanken machen. Also glaube ich 'es' doch (was wollte er nicht sagen, wahrscheinlich dass ich ihn für einen Alkoholiker halte). Dann hat er das Gespräch abgebrochen und heute ganz normale Alltagskonversation geführt. Nach zwei Stunden Arbeit (mehr hatte er nicht zu tun) ist er mit heftigen Kopfschmerzen nach Hause gekommen und direkt aufs Sofa. (Meine Paranoia flüstert, vielleicht hat er doch wieder eine kleine Nase Koks geschnuppert?...)

    Danke für die Ausführungen zu THC, Dietmar. Es ist mir sehr suspekt, da ich den Rausch überhaupt nicht nachvollziehen kann. Im Zweifelsfall hätte ich dann lieber einen bekifften Caochpotatoe als einen aggressiven Alkoholiker zu Hause. Am Besten keins von beidem!!
    Danke auch für dein Lob, dass mein Schreiben sich gut liest, das tut mir gut. Ich bin erstaunt, wie hilfreich das Schreiben ist.

    Und nun soll das Karussell wieder neu beginnen mit Hoffnung. Er macht eine Therapie, ich mache eine Therapie, ich hoffe es ergibt sich daraus eine friedliche Lösung, in welcher Form auch immer!

  • Liebe Verve,

    ich wünsche Dir für heute ein tolles, weiterführendes und aufbauendes Gespräch in der Therapiestunde!
    Toll, dass Du es mit qualifizierter Hilfe von außen angehst!

    Zitat von Verve“

    Und nun soll das Karussell wieder neu beginnen mit Hoffnung. Er macht eine Therapie, ich mache eine Therapie, ich hoffe es ergibt sich daraus eine friedliche Lösung, in welcher Form auch immer!


    Mein Motto in belastenden Situationen, in denen keine Lösung in Sicht ist: Tu was, unternimm was, egal was, Hauptsache du bekommst eine andere, neue Perspektive und Sicht auf die Dinge, die es dir ermöglicht, Dinge zu tun, zu denen du zuvor niemals in der Lage gewesen wärst.

    Nimm Dir in dieser Therapie viel Zeit und Geduld, um Dich vorrangig mit Dir auseinanderzusetzen. Lege dort die ganze Last, die Dir die Knie und Glieder schmerzen lässt, auf den Tisch, ohne Scheu. Vor allem ohne zu denken, Du müsstest all das erlittene Leid zum Schutz des süchtigen Partners verniedlichen oder verharmlosen!

    Also – Kopf hoch Verve! Du hast die Kerze jetzt angezündet, bald wirst Du auch das Licht am Ende des Tunnels sehen können!

  • Lieber Dietmar,
    ich habe mich sehr, sehr über deine Nachfrage gefreut!
    Das gedankliche und emotionale Vorsortieren hier war eine perfekte Grundlage für meine Therapiestunde. Ich bin insgesamt gestärkt und mit einem Gefühl von Sicherheit, Kraft und Freiheit wieder nach Hause gefahren.
    Der Therapeut hat das Thema Angst aufgegriffen. Wovor habe ich Angst, wenn ich in der Auseinandersetzung immer kleiner werde (Herzklopfen, Zittern, Gesprächsabbruch mit Tränen und Sich-im-Bett-verkriechen-wollen). Nein, ich bin eine erwachsene Frau! Die keine Rechtfertigungen braucht um ihre Bedürfnisse zu äussern und Grenzen zu setzen. Ich habe das an diesem Abend gleich umgesetzt. Habe die Sticheleien und Provokationen nicht geduldet, habe Stop gesagt. Im weiteren Verlauf deutlich Kante gezeigt, ein Plädoyer für mich gehalten, ohne Weichspülfilter, ich war bereit die Konsequenzen dafür zu tragen. Sein Rucksack war gepackt zum Auszug (ich habe mir schon überlegt, wann ich dann aufstehen muss wenn ich morgens noch mit dem Hund rausmuss...) doch er ist geblieben und hat sich nicht umgebracht. Ich habe die Verantwortung für unsere Beziehung und unsere Kinder an ihn zurückgegeben, indem ich nicht klein beigegeben habe. Und er hat sie angenommen! Das tut gut! Das schafft Vertrauen. Vertrauen in mich, Vertrauen in ihn. Ich ziehe mich zurück aus meinem Übernahmeverschulden, sowohl aus der Verantwortung im Alltag als auch aus der Verantwortung für Parnterschaft und Familie. Ich kann das alles durch meine Harmoniesucht und das Am-Funktionieren-Halten-Wollen nicht retten. Ich höre auf ihn zu entmündigen und gebe ihm seinen Teil zurück.
    Auch wenn diese Nacht anstrengend war, kurz vor der Eskalation, mit starken Emotionen und wenig Schlaf, fühlte ich mich am Folgetag sehr gut, bei mir.

    Herzliche, dankbare Grüße!
    Verve

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