heimliche Sucht, das Vertrauen ist weg...

  • Liebe Verve,

    das liest sich toll!

    Zitat von “Verve“

    Nein, ich bin eine erwachsene Frau! Die keine Rechtfertigungen braucht um ihre Bedürfnisse zu äussern und Grenzen zu setzen


    Das ist, was ich Dir schrieb: Ein gesunder, psychisch in sich stabiler Mensch braucht keine Rechtfertigungen dafür, dass er seine Bedürfnisse nach außen vertritt. Du hast zu jeder Zeit das Recht darauf, zu sagen: Bis hierhin und nicht weiter.
    Das (Angehörigen)Umfeld eines Süchtigen wird von vorneherein auf sehr subtile Manipulation aufgebaut, um der Sucht Raum zu geben.
    Dazu wird die Partnerin einerseits missbraucht, wenn es darum geht, dass sie die Verantwortung übernimmt – und andererseits klein gemacht, damit sie sich überhaupt dermaßen manipulieren lässt.

    In den meisten Fällen, in denen es suchtkranken Betroffenen möglich ist, ihre Sucht zum Stillstand zu bringen, braucht es strikter und deutlich spürbarer Konsequenzen, die, salopp geschrieben, nur noch zulassen: Hopp oder Top!

    Ein überzogenes Harmoniebedürfnis, übermäßige Fürsorge (für Familie und Partner), und „die Sucht gebraucht zu werden“ sind idealer Nährboden für Co-Abhängigkeit.
    Dabei sind diese Auswüchse allesamt unnatürlich und künstlich, wenn sie über das Maß hinausgehen.
    Sie können dann auch jederzeit ins sich zusammenbrechen. Das spüren die Betroffenen, und tun alles, um sie aufrechtzuerhalten. Ein Teufelskreis …

    Ich freue mich sehr, dass Du so einen guten Einstieg in den Ausstieg hattest!!!
    Hab Geduld mit Dir, bleib konsequent, aber überfordere Dich und Deinen Partner nicht! Es braucht alles seine Zeit, bis es wieder auf einem soliden und verlässlichen Grund stehen kann!

  • Du hast Recht Dietmar, genau so hattest du es mir bereits geschrieben! Genau so hatte ich es anderswo oft gelesen. Erstaunlich, wie ich das mit dem Kopf nachvollziehen konnte und wie anders dieser nächste Schritt ins TUN nach der Bewusstwerdung dann tatsächlich ist!
    Das Spüren kommt dazu und die Erfahrung, wie es ist, sich aus alten Verhaltensmustern zu lösen und es einfach mal zu wagen. Die Stärke zu spüren, wenn ich mutig bin und zu mir stehe. Die Freiheit und Erleichterung zu spüren, wenn ich meine Wahrheit sage. Die Möglichkeiten zu fühlen, wie ich Situationen selbst mitgestalten kann. Dass ich nicht einfach ausgeliefert bin.
    Auch das hattest du mir bereits geschrieben, dass die Regeln für einen Ausstieg aus der Coabhängigkeit auch umgesetzt(!) werden müssen!
    Danke für deinen Rat, geduldig zu bleiben. Ich spüre tatsächlich bei mir die kleinen Schritte, ich bin für jeden dankbar. Einer baut auf dem nächsten auf. Und es ist mir tatsächlich auch heute erst bewusst geworden, dass ich auch für sein Arbeitsklima, für seine Angestellten Verantwortung übernehmen wollte bei seinem Rückfall. Ich dachte, ich müsste das alles zu Hause so in den Griff bekommen, dass er sich bei der Arbeit ordentlich benehmen kann... irgendwie überheblich...
    Und ich soll auch geduldig sein mit ihm. Tatsächlich stelle ich mir die Frage, wieso er aus dieser Abwehr nicht herauskommt. Warum liegt er mir nicht zu Füssen und tut ALLES, um mein Vertrauen wieder herzustellen? Wieso fühle ich mich so unverstanden? Ist es wirklich noch das süchtige Denken oder tut er sich einfach schwer damit, sich mit dieser Zeit seines Lebens gnadenlos zu konfrontieren? Sind die Schuldgefühle zu schmerzhaft, dass er sie abblocken muss? Ich will ja auch nicht immer wieder in der Wunde stochern, doch bei den Themen Drogenkonsum, Heimlichkeiten, Vertrauensverlust kommen wir nicht darum herum. Er sagt, er sei kein Lügner, Betrüger und Dieb. Das sei das Koks gewesen.
    Und wieder denke ich an ihn, aus einem Wunsch nach Verständnis für ihn. Ich hoffe das ist jetzt nicht zu sehr co, sondern einfach ein menschlicher Zug.
    Er ist jetzt den vierten Tag abstinent.
    Herzlichen Dank für deine Begleitung, lieber Dietmar!

  • Liebe Verve,

    so kommt eines zum anderen – es gibt nichts Gutes. Außer man tut es (Erich Kästner).

    Es ist schön, wenn sich Deine Teilnahme hier im Forum und meine Beträge an Dich, und die qualifizierte Therapie ergänzen!

    Aus alten, eingefahrenen (auch an und für sich bewährten, ob positiv oder negativ) Verhaltensmuster herauszukommen ist so ziemlich das schwierigste in unserer Entwicklung, finde ich. Da spielen ja auch Prägung und sehr früh erfolgte Beeinflussung eine große Rolle.
    Also ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste – aber ob das jemals für mich abgeschlossen sein wird?

    Alles dann auch ein „Für“ und ein „Wider“ …
    Du bist hier, weil es vorrangig um Dich gehen soll …
    Trotzdem wirst Du Dich immer wieder auch mit dem Verhalten Deines Partners befassen müssen.
    Das ist dieser sehr schwierige Spagat, den im Übrigen auch die Suchtkranken bei ihren an Co-Abhängigkeit erkrankten Partner*innen sehen sollten, wenn sie sich im Sinne von Verantwortungsübernahme abgrenzen wollen.
    Dabei gilt dann halt immer: Ein Übermaß ist schädlich – partnerschaftliches Verhalten und Verständnis füreinander ist völlig normal und richtig.

    Ich denke, jetzt geht es bei Dir vor allem darum, Dein Vertrauen in Dich wiederherzustellen.
    Das partnerschaftliche Vertrauen – in Bezug auf die Sucht (nicht in jedem Fall auf alle Bereiche zutreffend (?)) – ist schon lange Zeit gestört.
    Als Süchtiger weiß ich, wie lange es dauert, dieses Vertrauen wieder herzustellen – wenn das überhaupt in der ursprünglich vorhandenen Form von „Grundvertrauen“ jemals wieder möglich ist.
    Wenn ich an meine nasse Zeit zurückdenke: Es gibt kein Loch, das tief genug ist, in das ich dann am liebsten versinken wollte. Diese Schuld, wohlwissend, dass ich von meiner Sucht diktiert wurde, ist so überwältigend, dass sie mir den Hals zuschnürt und den Brustkorb eng macht. Da sind dann nur noch „Fluchtgefühle“ elementarster Form vorhanden …

    Anfangs, als ich das erste Mal meine Sucht zum Stillstand bringen konnte, da dachte und wünschte ich es mir, dass jetzt, wo ich doch Tag für Tag meine Trockenheit „bewies“, mein Umfeld, dessen Vertrauen ich so schändlich missbraucht und enttäuscht hatte, mich mit offenen Armen und ohne jede Einschränkung wieder auf- und wahrnahm.
    Aber um da mal eine Verhältnismäßigkeit herzustellen: Wie viel wiegt das Urvertrauen eines Kindes oder einer Partnerin? Und wie wenig war es mir in der aktiven Sucht noch wert?
    Ich denke dann immer: Hätte ich einem Buchhalter und Freund auch nur annähernd einen ähnlich wertvollen Betrag anvertraut, und dieser mich dermaßen enttäuscht und betrogen, wie ich es getan hatte, würde ich ihm jemals wieder in meinem Leben nochmal so viel Vertrauen schenken können?

    Andererseits, und das kann jeden suchtkranken Betroffenen schnell wieder in die Arme der Sucht treiben: Wenn man alles, jede Missstimmung, jeden Fehlgriff, jeden Makel und jede Unzulänglichkeit unter den Vorzeichen und Vorbehalten der Sucht sieht, dann wird ein „Zurückfinden“ sehr, sehr schwer.
    Aber nun wird es noch komplizierter: Viele Suchtkranke haben das in sie gesetzte – und wieder aufgebaute – Vertrauen nicht nur einmal, sondern viele Male zerstört.
    Au weia …

    Da hilft m. E. nur Aushalten. Obwohl ich eher gegen alleiniges Aushalten bin. Deshalb schreibe ich besser: Aushalten und mutig weitermachen, vor allem unbeirrt (von der Sucht).
    Mir wäre es zu einfach für mich heute zu sagen „das war ich nicht, das war der Koks oder der Alkohol etc.“ Ich für mich verstehe unter meiner vollständigen Verantwortungsübernahme für mein Tun und Handeln etwas anderes.
    Folglich bleibt mir heute nur der Weg unbeirrt und immer wieder aufs Neue das mir heute geschenkte Vertrauen zu bestätigten, indem ich all die Dinge , die suchtbedingt nicht „ich selbst“ waren nicht wiederhole.

    Ich kenne aber leider auch Partnerschaften, in denen die Sucht eines Partners erfolgreich zum Stillstand gebracht wurde, bei denen der (trocken oder cleane) Partner nur noch unter den „Vorzeichen“ der Suchtvergangenheit untergebuttert und mit Schuldzuweisungen bombardiert wird. Das sind für mich keine gesunden Partnerschaften. Da haben sich dann die Partnerinnen auch nicht im Sinne einer Loslösung aus der Verstrickung in die Sucht lösen können.

    Wolltest Du denn einen selbstständigen, verantwortungsbewussten und selbstverantwortlichen Partner „der Dir zu Füssen liegt“? Wenn ja, dann stellt sich mir die Frage: Warum? Brauchst Du das als – s.o. – selbstständige, verantwortungsbewusste und selbstverantwortliche Partnerin?

    Nicht umsonst lautet immer wieder die Empfehlung, dass Co-Abhängige etwas für sich, und der Suchtkranke etwas für sich tun müssen.
    Ich selbst bin sehr skeptisch zu der Annahme eingestellt, dass die Co-Abhängigen allzu viel von der Sucht verstehen sollten, um „damit“ klar zu kommen. Weil irgendwie widerspricht das dann für mich der Lösung aus der Verstrickung „in die Sucht“. Und Co-Abhängigkeit ist mindestens ein so großes und weites, völlig eigenständiges Krankheitsbild, wie die Sucht. Da gibt es so reichlich zu beackern und zu bearbeiten, dass man nicht auch noch die Sucht „verstehen muss“.

    Ich freue mich wirklich sehr, wenn es Dir, auch mit Hilfe von außen, gelingt, zu einem gesunden, verantwortungsvollen und vor allem eigenverantwortlichen „Selbst“ zurückzufinden – und Deinem Partner „seins“ lassen kannst.

    Herzlichst
    Dietmar

  • Hallo erstmal,

    nur ein kleiner Tip. Du hast in einem Deiner Beiträge geschrieben, dass Du nicht weißt, wie Du Dich verhalten sollst, wenn Du eine Fahne riechst und Dein Mann es abstreitet. Es gibt ein sehr gutes Buch namens die Suchtfibel. In einem Kapitel dort geht es darum, wie man sich einem "Suchtmenschen" am besten nähert ohne, dass abgestritten, verharmlost wird oder ähnliches. Das Kapitel würde ich Dir ans Herz legen. Du musst ja nicht das ganze Buch lesen. Vielleicht hilft Dir das.

    Grüße
    Floh

  • Lieber Dietmar,

    danke, es geht mir gut!
    Der nächtliche Eklat zog zwar trotz anfänglicher Kraft noch eine Erschöpfung und Trauer nach sich, doch es geht mir gut!
    Ich musste mir einige Gedanken über deinen letzten Beitrag machen.
    Du schreibst, das Vertrauen - die Sucht betreffend - sei gestört. Stört die Sucht nicht sämtliche Bereiche einer Beziehung??? Mir fällt keiner ein, der ausgeklammert sein könnte. Die Unwissenheit über das Vergangene und Kommende, das Bewusstsein darüber jederzeit belogen werden zu können, lässt als einzigen Ausweg das Vertrauen in sich und den Moment.
    Du sprichst von dem Nicht-tief-genug-seienden Loch, in das du dich verkriechen möchtest wenn du an deine Suchtzeit denkst. Die nasse Zeit ist vorbei, doch du sprichst hier in der Gegenwart. Nach all dem, was du hinter dir gelassen hast, was du überwunden und dir wieder erarbeitet hast, bleibt dieses Schuldgefühl trotzdem noch so gegenwärtig? Gibt es eine Chance, diesen Teil des Lebens in Frieden anzunehmen und in sein Selbst zu integrieren?
    Ich denke das ist ein wichtiger Knackpunkt in der Kommunikation. Vieles triggert Schuld- und Insuffizienzgefühle, das nicht so gemeint ist. Produziert Abwehr, in Form von Blockaden, Provokationen, Gegenvorwürfen, Trotz, Überheblichkeit... Auf diese kann ich selbst wiederum nur mit Abgrenzung reagieren, bzw werde selbst wieder getriggert durch dieses Verhalten, bin misstrauisch, werde tatsächlich vorwurfsvoll, usw. Ein Teufelskreis.
    Wenn du daran zweifelst ob es gut tut, als Co die Sucht verstehen zu wollen, so finde ich selbst es doch wichtig:
    Das Wissen über mögliche typische Verhaltensweisen lässt mich Situationen besser einschätzen, mir wird drohende Manipulation vielleicht eher bewusst und ich kann sie umgehen, im Keim ersticken. Ich schalte meinen Kopf und mein Empfinden ein, anstatt mich Situationen hinzugeben und naiv mitzumachen.
    Der Wunsch, sein Unverständnis mir gegenüber besser zu verstehen ist ein Wunsch nach gemeinsamer Aufarbeitung, die bisher nicht passiert ist. Ich will wissen wo er war! Ich hatte erwartet dass er mal fragt, wie es für mich war. Letzte Woche haben wir gemeinsam die letzte Stunde der Dokumentation über Whitney Houstons Leben angeschaut, in der es um ihre Kokainsucht ging. Er war sehr bewegt, erkannte das Selbsterlebte darin. Das Gefühl innerlich zu sterben und trotzdem einfach weiterzumachen, weitermachen zu müssen. Wie die Droge half, dieses Gefühl wieder in den Griff zu bekommen, schliesslich schafft man das ja alles mit einer Nase! Dass nichts rauskommen durfte. Überall Lügenlöcher zu stopfen. Es erübrigt sich die Frage, warum er mir von sich aus in dieser Zeit nichts von seiner Not gesagt hat. Ich hatte das Gefühl, dass es ein fürchterlicher Schmerz war dieses eigene Erleben noch einmal nachzuempfinden. Umso unmöglicher ist es wohl, sich das Leid und den Schaden, den man anderen zugefügt hat, vor Augen zu führen. Emotional einfach unmöglich. Vorher greifen knallhart die Schutzreflexe der Abwehr und Verteidigung. Also für mich die Erkenntnis, dass ich nicht versuchen muss, ihm diese Unverhältnismässigkeiten vor Augen zu führen und dabei auf Verständnis zu hoffen. Doch je mehr er es einfordert in seinem Verhalten, umso mehr werde ich trotzdem Kante zeigen und keine Angst vor seinem Schmerz haben.
    So hoffe ich, dass das Verständnis für seine Krankheit und das Auseinandersetzen, Bewusstmachen und Umsetzen meiner Themen den Seiltanz in diesem Dilemma mit mehr Gleichgewicht möglich machen!
    Die Vorstellung einer Partnerschaft unter dem ständig stillen Vorwurf 'Du hast alles kaputt gemacht' ist gruselig!
    Das Aushalten, von dem du schreibst, hört sich auch nicht verführerisch an, doch vielleicht beschreibt es genau das: die Situationen erkennen, bei sich bleiben, für sich das Richtige erspüren und danach handeln, den Rest gehen lassen und weitermachen. Die Beraterin bei der Suchtberatung erklärte mir, es sei durch die Sucht zu einer Persönlichkeitsspaltung gekommen. Das Sucht-Ich werde immer existent bleiben, mal mehr mal weniger, mit der Zeit würde man es aber merken mit wem man es gerade zu tun habe...
    Mein Mann war jetzt eine Woche abstinent und ich wusste gar nicht, wie bereichernd es ist mit einem nüchternen Partner vorbehaltlos Zeit verbringen zu können! Und wie attraktiv ihn das macht!
    Lieber Dietmar, wieder ein grosses Danke von mir für deine Gedanken und deine Begleitung!

    Lieber Flo,
    danke auch an dich für den Buchtipp! Die Kapitelüberschriften klingen interessant. Vielleicht kann ich mit der Lektüre auch tatsächlich etwas sehr gutes für mich tun und meinen Nikotinausstieg endlich in Angriff nehmen!

    So long, schonmal ein frohes Osterfest an alle!

  • Liebe Verve,

    natürlich hast Du Recht: Es gibt in der aktiven Sucht m. E. keinen einzigen Lebensbereich, der nicht von ihr betroffen ist, und den sie nicht eingreift.
    Dementsprechend sind auch alle Bereiche einer Beziehung betroffen.

    Ich kann hier immer nur von mir schreiben. Bei mir sind die Schuldgefühle, wenn ich darüber nachdenke, auch heute nach langer Zeit der Trockenheit noch vorhanden. Ich finde, das ist völlig normal, weil würde ich mich nicht mehr an diese Situationen erinnern können, dann hätte ich wohl einen Schaden im Gehirn von der Sucht. :o
    Ich denke aber nur noch selten konkret darüber nach, das sind mehr so Erinnerungsfetzen, die dann halt aufkommen.
    Glücklicherweise hat auch mein Gefühl für Recht und Unrecht nicht durch meine Sucht gelitten, und so ist es auch normal, wenn ich mich in Erinnerung an Situationen, in denen ich zugekokst oder alkoholisiert meinen Mitmenschen Schaden zugefügt, oder Unrecht getan habe, dafür schäme und schuldig fühle.
    Aber ich gehe deswegen nicht im Büßerhemd. Weil ich ja heute die Chance habe, das gemachte Unrecht wieder gutzumachen. Ich denke, dass ich da schon viel getan habe. Zumindest wird mir es so von meinem Freundeskreis vermittelt.
    Versöhnt bin ich inzwischen mit mir, und ich kann mich ohne Scheu dazu bekennen, dass diese Zeit ein Teil meines Lebens war. Es ist eine immer wieder gute „Warnung“, nie wieder dahin kommen zu wollen!

    Du bringst das auf den Punkt: Wenn es in einer Beziehung nicht gelingt, die „Altlasten“ der Sucht gemeinsam auf- und abzuarbeiten, dann wird es ein Teufelskreis.
    Das ist anfangs nicht einfach, und ich empfehle da wirklich professionelle Hilfe für beide Partner.
    Zu meinen Bedenken, warum ich daran zweifele, ob es richtig ist, dass Co-Abhängige die Sucht ihrer Partner zu vertieft verstehen lernen wollen: Im Kontext dazu, dass Du, wenn Du Wissen über die Sucht hast, die Auswirkungen der suchtspezifischen Wesensveränderungen auf Deine Partnerschaft besser verstehst und zu deuten weißt, bin ich ganz Deiner Meinung.

    Aber in Bezug darauf, dass das Verhalten und die entsprechenden Wesenszüge des süchtigen Partners dann oft so gesehen werden „der arme Kerl kann ja nichts dafür, das ist die Sucht, die das mit ihm macht“, bin ich halt sehr skeptisch.

    Zitat von “Verve“

    Der Wunsch, sein Unverständnis mir gegenüber besser zu verstehen ist ein Wunsch nach gemeinsamer Aufarbeitung, die bisher nicht passiert ist.


    Ich schrieb ja auch, dass leider vieles bei der Bewältigung der Sucht und Co-Abhängigkeit auch ein „Für und Wider“ hat. Ganz individuell. Manche Paare können damit gut umgehen, bei anderen …
    Die große Gefahr sehe ich immer wieder darin, dass Paare dann anfangen „sich gegenseitig therapieren zu wollen“. Au weia … wenn der Blinde den Lahmen führt …

    Zitat von “Verve“

    Umso unmöglicher ist es wohl, sich das Leid und den Schaden, den man anderen zugefügt hat, vor Augen zu führen. Emotional einfach unmöglich. Vorher greifen knallhart die Schutzreflexe der Abwehr und Verteidigung.


    Ja klar! Das sind die Mauslöcher, in die ich dann versinken wollte …Und weil das halt nicht geht, kommen die Abwehrreflexe, und sei’s nur „ach, so schlimm war das doch gar nicht …“
    (Damit überfahre ich die Partnerin dann gleich nochmal …)

    Zitat von “Verve“

    Also für mich die Erkenntnis, dass ich nicht versuchen muss, ihm diese Unverhältnismässigkeiten vor Augen zu führen und dabei auf Verständnis zu hoffen. Doch je mehr er es einfordert in seinem Verhalten, umso mehr werde ich trotzdem Kante zeigen und keine Angst vor seinem Schmerz haben.


    In der Therapie lernt man u.a., dass man manchmal „etwas einfach mal stehen lassen muss“. Also weder versucht es zu erklären, zu relativieren, zu beschönigen oder zu verteidigen. Sondern so annimmt, wie es – (hier bei Euch also) – die Partnerin gesagt und erlebt hat. Und Punkt.
    Da gibt es für mich nichts „einzufordern“, schon gar kein Verständnis.
    Ich denke, es gehört auch für mich als Suchtkranker dazu, dass ich den Schmerz (der Erinnerung) auch mal aushalten muss.

    Zitat von “Verve“

    So hoffe ich, dass das Verständnis für seine Krankheit und das Auseinandersetzen, Bewusstmachen und Umsetzen meiner Themen den Seiltanz in diesem Dilemma mit mehr Gleichgewicht möglich machen!


    Bei diesem Seiltanz wirst Du ja jetzt von Deinem Therapeuten begleitet!

    Zitat von “Verve“

    Die Beraterin bei der Suchtberatung erklärte mir, es sei durch die Sucht zu einer Persönlichkeitsspaltung gekommen. Das Sucht-Ich werde immer existent bleiben, mal mehr mal weniger, mit der Zeit würde man es aber merken mit wem man es gerade zu tun habe...


    Aus eigener Erfahrung mit den diversen Suchtmitteln weiß ich bei mir, dass gerade bei der Kokain-Sucht, aber auch bei anderen psychogenen Drogen (Cannabis!) die Persönlichkeitsstörung nochmal eine ganz andere Qualität hat, wie bei der Alkoholsucht.
    (Natürlich gibt es deutliche Unterschiede zu einer pathologischen Persönlichkeitsspaltung. Ist ein anderes Thema).
    Was Deine Suchtberaterin ansprach, dass ist die oftmals völlig unterschätzte Wesensveränderung, die suchtbedingt ist. Sie spricht damit auch an, dass die Sucht (das Sucht-Ich) zumindest nach klassischer Definition lebenslang im Betroffenen „schlummert“.
    In der aktiven Sucht hat dieses „Sucht-Ich“ die dominante Rolle in der Persönlichkeit übernommen. Manchmal will dann sogar das „Ursprungs-Ich“ gar nichts mehr konsumieren – aber es wird aufgrund der Dominanz vom „Sucht-Ich“ überstimmt und unterdrückt.

    Sehr häufig berichten Partner*innen über ihre suchtkranken Partner*innen, dass sie sofort eine Veränderung in der Persönlichkeit bemerken, wenn „da wieder etwas ist“. Also sogar dann, wenn noch gar nicht (rückfällig)konsumiert wird, sondern einfach nur Craving (Suchtdruck) vorhanden ist.
    Oftmals schon sehr lange, bevor die Betroffenen selbst merken, dass (wieder) etwas aus dem Ruder läuft, sprich, sich ein Rückfall aufbaut.
    Das ist für erfahrene Selbsthilfegruppenteilnehmer u.a. mit ein Grund, warum sie SHGs sehr förderlich finden: Die anderen, sich in der Sucht und Trockenheit/im clean-Sein sich auskennenden Teilnehmer sind dann aufgrund ihrer Reflektion das Warnsignal für die Betroffenen.

    Zitat von “Verve“

    Mein Mann war jetzt eine Woche abstinent und ich wusste gar nicht, wie bereichernd es ist mit einem nüchternen Partner vorbehaltlos Zeit verbringen zu können! Und wie attraktiv ihn das macht!


    Toll! Es zeigt auch mal wieder, dass man nicht immer gleich „hinschmeißen“ soll/muss!

    Ich weiß jetzt nicht, ob Du schon für Private Nachrichten hier freigeschaltet bist. Wenn ja, würde ich Dir in Bezug auf „Buchtipp“ etwas zukommen lassen!

  • Lieber Dietmar,
    sehr gerne natürlich über PN, doch ich weiss nicht wie das geht. Ist das etwas für dauerhaft aktive Mitglieder? Meine Email-Adresse ist ja auf jeden Fall im Profil einsehbar.
    Liebe Grüsse!
    Verve

  • Guten Abend,
    ich sehe, dass mein Thread immer noch gelesen wird, deshalb möchte ich ein kurzes Update geben. Auch zum eigenen Reflektieren.
    Was weiter geschah: wir hatten keine klare Abmachung, wie der Konsum meines Mannes weiter aussehen sollte, von mir war nur die Ansage "nicht täglich" gekommen. So gab es ab und zu wieder Bier, ich spürte seine Unsicherheit, ich spürte meine Nervosität wenn auch nur ein Sixpack im Haus war. Am ersten Mai, der eigentlich als Familienausflug angedacht war, war er bereits zur Mittagszeit angetrunken und schlief um 18:00 auf dem Sofa ein. Ich versorgte Kinder, Hund und räumte auf, seltsamerweise empfand ich sein Nicht-da-sein, d.h. sein Schlafen, als Erleichterung. Lieber in Ruhe alleine als zusammen unter Spannung, so wie die Jahre zuvor in seiner heimlichen Kokainsucht.
    Es folgte eine Phase, in der es klemmte. Meine Knie- und Gliederschmerzen meldeten sich wieder. Ich wusste nicht warum, dachte, dass ich mich vielleicht zu tief mit eigenen problematischen Themen durch die Lektüre über Co-Abhängigkeit beschäftigte. Hatte den Anspruch, doch wieder vertrauen zu müssen, doch wieder entspannt sein zu müssen, doch wieder liebevoll und leidenschaftlich sein zu müssen, doch ich konnte es nicht erfüllen. Kleinigkeiten in der Verhaltensweise (Geschäftigkeit, übertriebene Hilfsbereitschaft und Fleissigkeit, 'scherzhafte' Sticheleien und Kritik, Schleichen durch's Haus nachdem ich schlafen gegangen war,..) liessen mich misstrauisch werden, dabei hatte ich mir doch verboten misstrauisch zu sein. Ich kontrollierte wieder etwas, eine Dose Bier, eine halbe Whiskeyflasche, ein Tablettenfund, naja...
    Er fragte, ob er sich Sorgen machen müsse, da er meine Anspannung bemerkte. Dabei hätte ich die Frage umdrehen sollen und zurückfragen, ob ICH mir Sorgen machen müsse! Letzten Freitag war es offensichtlich: ein Kokainrückfall.
    Nun kann ich mein bisher Gelerntes anwenden: zu meiner Wahrnehmung stehen, ich habe ihn (mit externer Rückenstärkung,die ich doch noch brauchte) direkt darauf angesprochen. Und er zeigte typische Reaktionen: zunächst Verleugnung, dann Geständnis mit Verharmlosung, Entschuldigungen, Reue, indirekte Schuldzuweisungen und den Appell an mich, jetzt doch nicht alles in Frage zu stellen was wir uns wieder aufgebaut hätten.
    Ich denke, dies ist eine grosse Lerneinheit für uns beide. Das Akzeptieren der Machtlosigkeit (es ist völlig! egal ob ich die leidenschaftliche Ehefrau oder hysterische Furie bin, es liegt nur in SEINER Verantwortung, ich habe keinerlei Einfluss). Daraus folgt ganz klar der Schluss, dass ich das Glück und die Freiheit habe, mich um mich, meine Stabilität und mein Leben zu kümmern, ausschliesslich! Ich bin zwei Tage später erstmal tanzen gegangen, wie erholsam, doch auch verrückt, den kranken Partner in der Extremsituation 'alleine' zu lassen. Doch dieses Alleinsein wird ihm gut tun, um zu seiner Selbstverantwortung zu finden, es geht nicht anders.
    Momentan haben wir getrennte Schlafzimmer, sind kooperativ im Alltag mit den Kindern. Er zieht die Konsequenz, seine Therapie zu intensivieren bzw. auszubauen und hat schon eine Selbsthilfegruppe besucht, was ihm sehr gut getan hat! Ich habe mich auch dazu entschlossen, hatte einen sehr erfahrungsreichen Abend bei einer SHG, ich werde wieder dort hingehen!
    Gestern hatten wir ein sehr gutes Gespräch. Es war offen, aufmerksam, nicht kritisierend, wertschätzend. Ich denke wir beide lernen gerade tatsächlich, die Dimension der Problematik zu akzeptieren, um daraus das beste zu machen, jeder für SICH, auf der Suche nach der eigenen Wahrheit.
    Ich brauche gerade Ruhe und Zeit für mich, die freien Abende sind mir eine Wohltat, ich muss mich nicht mehr verpflichtet fühlen mich mit ihm und uns auseinanderzusetzen.
    Ob seine Vorhaben Bestand haben? Ob seine Darlegungen ehrlich waren und er sich heute noch daran erinnert? Vielleicht war es nur schlaues Gerede und die Sucht trickst ihm durch's Hirn und morgen ist wieder alles anders? Ich versuche mich von dieser Sorge zu befreien und alles mit gesundem, dennoch teilnehmendem Abstand zu beobachten und mich immer wieder zu fragen, was ICH MIR Gutes tun kann.
    Einen sonnigen Abend!
    Verve

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