Dann wollen wir mal...

  • Hallo zusammen,

    Danke, dass ich schon so viel über euch erfahren und lesen konnte. Es eröffnen sich minütlich neue Horizonte für mich, je länger ich lese. Ab jetzt ist Schluss. Womit? Mit Selbstaufgabe, Fremdbestimmung, emotionalem Chaos, Unzufriedenheit und negativem Gedankengut. Ich stelle mich vor:

    Ich bin Zoe, 33 Jahre alt und habe ein Suchtproblem. Es ist immer dann besonders ausgeprägt, wenn ich meinem Hirn nicht mehr gestatten möchte, rational zu denken und sich auf die Lösung eines Problems zu konzentrieren. Ich hoffe hier auf Erfahrungsaustausch. Mein Trinkverhalten, kommen wir mal zum Wesentlichen:

    Bis Anfang 20 habe ich nie Alkohol getrunken; da war ich ein braves Mädchen. Angefangen zu rauchen habe ich mit 15 (heimlich auf dem Schulhof, sporadisch) - rauche mittlerweile aber nur, wenn ich Alkohol trinke (seit 1 Woche täglich) ich suche mir ständig Gelegenheiten, um Alkohol trinken zu können. Trinke am Liebsten allein zu Hause- bis zu 2 Flaschen Wein am Abend. Und immer dann, wenn ich ein Problem habe: es ist so eng miteinander verknüpft, dass ich mir manchmal ein Problem einrede (!!) um Alkohol trinken zu können. So provoziere ich gerne mal einen Streit mit meinem Partner, mache die Welt schlecht oder bilde mir ein, allein sein zu wollen. Ich trinke bis zu 5x pro Woche - fühle mich entsprechend ausgelaugt, vor allem aber depressiv verstimmt. Es ist wie ein Teufelskreis...morgens im nüchternen Zustand schon schlecht gelaunt, zieht sich das ganze über den ganzen Tag, bis endlich abends "Erleichterung" im Kopf eintritt, sobald das erste Gläschen getrunken ist. Ich trinke manchmal tagelang nichts, das kommt allerdings immer seltener vor. Ich habe einen großen Freundeskreis, der sehr trinkfreudig ist..es vergeht kaum ein Treffen ohne den "Genuss" von Alkohol. Ich möchte nicht zu einer Beratungsstelle und auch nicht in Therapie gehen.. ich möchte es allein schaffen. Ich hielt mich nicht für alkoholkrank, bis heute. Selbsterklärtes Ziel: Leben ohne Nebel. Schon jetzt vielen Dank für die hilfreichen Beiträge und Links, die ich schon lesen durfte. (Das Buch "nüchtern" hab ich eben bestellt :)) der Anfang ist gemacht..

    Liebe Grüße, Zoe

  • Hallo Zoe

    Gratuliere dir zu deinem Entschluss. Ob das jetzt mit dem Ende der Fremdbestimmung, dem emotionalen Chaos etc. so mir nichts dir nichts vorbei ist bezweifle ich mal aus eigener Erfahrung heraus. Die alten Muster sind hartnäckig. Sie erkennen und ihnen bewusst begegnen steht für mich eher auf einem anderen Papier. Doch der Anfang für ein Leben ohne Nebel ist erstmal schon gut abgesteckt.

    Brant

  • Hallo Zoe

    Herzlich willkommen im Forum.

    Ich wünsche dir viel Glück und Entschlossenheit, in deinem Leben etwas zu ändern. Die Einsicht, dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft, hast du ja; bei vielen kommt die ja erst sehr spät. Auch ich hab das Problem erkannt, trotzdem dauerte es einige Jahre und viele erfolglose Versuche, bis ich aus der Spirale wieder rausgefunden habe. Auch ich hatte einfach genug von diesem Leben. Das ist jetzt fast zwei Jahre her, und ich bin immer von neuem sehr dankbar und glücklich. Der Anfang war auch Beitrag in diesem Forum :) , ich hoffe, dass auch bei dir das der entscheidende letzte Schritt war, endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

    Auch mein Umfeld ist eher trinkfreudig, aber das beisst sich nicht. Ich musste weder meinen Mann verlassen noch mit all meinen Freunden abbrechen. Sie trinken und ich nicht mehr, und das geht ganz gut.

    Liebe Grüsse
    Mira

  • Ich danke euch :)

    Dass etwas gewaltig aus dem Ruder läuft, ist mal Fakt..die Scham ist so groß, dass ich mit niemandem darüber reden mag, obwohl die Selbsterkenntnis da ist. Es fällt mir immer schwerer, mich für meine Arbeit zu motivieren, Termine wahr zu nehmen und ich ertappe mich so oft dabei einfach unglücklich zu sein. Ich frage mich wie es so weit kommen konnte..

    Habe gerade deine Vorstellung gelesen Mira. Du hast es also ohne Hilfe geschafft? Ich finde mich in vielem wieder, was die Situation mit deinem Mann angeht. Mein Lebensgefährte würde den Ernst der Lage nicht erkennen, denn er nimmt mich selten betrunken wahr..er selber trinkt sehr selten. Ich verstecke Flaschen vor ihm, so weit ist das schon! Gruselig :-[

  • Hallo Zoe


    Zitat

    ich ertappe mich so oft dabei einfach unglücklich zu sein

    Was ist verkehrt dran unglücklich zu sein?
    Wer hat es verboten?
    Die Uraltstimme "Mach ein freundliches Gesicht" vielleicht.
    Ein Gefühl das gespürt wird verliert seinen Schrecken.
    Es rumort nicht mehr. Wühlt nicht mehr auf.

    Brant

  • Hallo Zoe -

    typisch für Suchtkranke ist folgender Gedankendank:

    "Ich habe mich selber in diese Situation gebracht, bisher hat es kaum jemand bemerkt, noch sitzt die Maske, ich kann mein Problem immer noch ganz gut verbergen, alle anderen konsumieren ja problemlos - also darf ich mich erstens nicht outen und zweitens werde (muss) ich mich demzufolge auch selber wieder aus der Situation herausbewegen"

    Ich habe das bei mir selber so erlebt und mich damit immer tiefer in den Abwärtsstrudel bewegt. Die Kraft, die ich aufbringen musste, um mein Leben mit aufgesetzter Maske halbwegs aufrecht zu erhalten, hat mich so ausgelaugt, dass ich erstens immer mehr meines "Medikamentes" konsumieren musste -und zum anderen war keine Kraft mehr übrig, um substanziell etwas zu verändern.
    Ohne die Hilfe anderer hätte ich meinen Alkoholausstieg vor nunmehr fast neun Jahren auf keinen Fall bewerkstelligen können.
    Heute weiß ich auch, wie einsam mich mein Versuch gemacht hat, es alleine hinzukriegen - aber wie immer: Hinterher ist mensch ja meist klüger ...

    Beste grüße
    keppler

  • Hallo, Zoe! Auch von mir ein ganz herzliches :welcome: hier im Forum.

    Scheint ja, dass Du Dich schon ein wenig eingelesen hast. Daher weisst Du ja auch, dass es hier Absolventen verschiedener Wege gibt.
    Ich schließe mich Keppler an.

    Nach dem ich nach einer Trockenepisode wieder voll an der Flasche hing, habe ich es auch alleine versucht - und bin immer wieder auf die Schnauze gefallen. Erst als ich mir Hilfe gesucht habe und in Anspruch nahm/nehme, habe ich vor nunmehr 8 Jahren den Absprung geschafft.

    Und Meinungen/Standpunkte können auch bei entsprechenden Erfahrungen/Input geändert werden. Ich habe gemerkt, dass ich es ohne Hilfe nicht schaffe - also habe ich es mit Hilfe probiert. Ich war der Meinung, bei mir reicht eine ambulante Therapie - als ich damit auf die Fresse geflogen bin, habe ich umgeschwenkt zur stationären ... Früher war ich der Meinung, man könne kontrolliert trinken - aus heutiger Sicht ein absoluter Brüller (für mich).

    Ich wünsche Dir viel Erfolg und einen guten Austausch!

    Gruß
    Greenfox

    Ich habe einen großen Freundeskreis, der sehr trinkfreudig ist..es vergeht kaum ein Treffen ohne den "Genuss" von Alkohol.

    Nur mal ein kleiner Tipp/Denkanstoß: Verifizier mal das Wort "kaum" in Deiner Aussage. Und überleg Dir, wie Deine Freunde reagieren würden, wenn Du sagen würdest (hypothetisch): "Ab heute trinke ich keinen Alkohol mehr!" Wären es noch Deine Freunde - oder nur Trinkkumpane? Würden sie Dich unterstützen - oder Dich als "Weichei" etc runtermachen?

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • ...die Scham ist so groß, dass ich mit niemandem darüber reden mag, obwohl die Selbsterkenntnis da ist.


    Das mit der Scham war bei mir nicht anders. Es war aber in dem Augenblick damit vorbei, nachdem ich mit dem Trinken aufgehört hatte und mir eine Chance ausrechnete, endgültig vom Trinken abzukommen. Ab da wollte ich mich meiner Umwelt mitteilen. Und ich tat das auch, weil ich mich wieder klasse fand.
    Also fang einfach an.
    Es lohnt sich.

    Bassmann

  • Ich habe die Kurve ohne Arzt/Therapie/SHG gekriegt, ja. Allerdings war es der letzte Zwick an der Geisel, das habe ich mit mir so abgemacht. Schlussendlich ist das Aufhören ein aktiver Akt, die Überzeugung muss von einem selbst kommen, ob mit oder ohne Begleitung. Ich möchte das nicht gegeneinander ausspielen, und sicher spielt es eine Rolle, ob man körperlich Abhängig ist oder nicht.

    Einmal habe ich den Hausarzt gewechselt, und bei der Anamnese wollte sie alles über mich wissen, von Erbkrankheiten in der Familie, ob ich Rauche…. ich hab nur darauf gewartet, nach meinem Alkohlkonsum gefragt zu werden. Aber das hat sie gleich vorweggenommen, dass ich da ja kaum ein Problem haben werde. Da hätte ich mich auch sehr geschämt, aber ich bin sicher, wenn es mal raus ist, dann ist es nicht mehr so schlimm. Eigentlich wollte ich da darüber sprechen, hab dann aber den Mut nicht mehr gefunden.

    Gute Freundinnen wussten schon vorher, dass ich das Trinken nicht mehr im Griff habe. Ebenso mein Mann. Aber so wirklich ernst nahm das keiner. Das Ausmass und die grosse Verzweiflung war einfach vielen nicht bewusst.

    Lg Mira

    Einmal editiert, zuletzt von Mira (1. August 2016 um 11:15)

  • Hallo Zoe,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Alles was Du so schreibst kommt mir sehr bekannt vor. Deine aktuelle "Phase", die Du im Rahmen Deiner Alkoholsucht erreicht hast ist mir auch sehr vertraut. Fast täglich trinken, Alkohol verstecken, Lager anlegen, wahrscheinlich auch schon Probleme mit der Entsorgungslogistik bekommen (die leeren Flaschen müssen unbemerkt entsorgt werden), grundsätzlich heimlich trinken um nicht enttarnt zu werden. Trinkpausen werden immer weniger, immer kürzer... Ja daran kann ich mich noch seeeeehr gut erinnern. In diesem Level befand ich mich mehrere Jahre...

    Und so geht' s dann weiter: Steigerung der Menge nach und nach, dadurch gestiegene Entsorgungsproblematik, langsamer Umstieg auf härtere Sachen (weniger Flaschen, gleiche Wirkung bzw. schnellere Wirkung), immer früherer Beginn mit dem Trinken bis hin zum ersten Schluck schon morgens, vor der Arbeit, gar keine Trinkpausen mehr, sogar bei Krankheit wird getrunken...

    Also so war das bei mir. Wobei ich, kurz nachdem ich anfing morgens zu trinken und immer häufiger auch härtere Sachen in Spiel kamen, die Reißleine ziehen konnte.

    Du bist da jetzt noch ein ganzes Stück früher dran. Und das ist sehr gut. Je früher desto besser wobei Sucht natürlich Sucht bleibt. Auch ich habe schon in viel früheren Phasen versucht aufzuhören, kontrolliert zu trinken usw. Ich bin immer gescheitert und es dauerte dann immer wieder mehrere Monate bis ich mal wieder einen (ebenfalls zum Scheitern verurteilten) Versuch startete.

    Im Nachhinein fragte ich mich dann natürlich schon, warum ich immer gescheitert war. Man sagt dann immer so schön: Ich war halt noch nicht soweit (was auch stimmt). Fakt ist aber, dass ich alle meine Ausstiegsversuche komplett alleine versucht habe, heimlich. Das erschien mir logisch und der einzig mögliche Weg, denn ich habe ja auch heimlich getrunken. Da kann ich ja jetzt nicht plötzlich her gehen und sagen: Hallo Welt - Ich bin Alkoholiker und ich will jetzt trocken werden.

    Also, hätte ich das nur mal gemacht. Vielleicht wären mir ein paar Jahre des Trinkens erspart geblieben. Hilfe holen bedeutet übrigens nicht immer automatisch das volle Programm machen "zu müssen". Hilfe kann auch bedeuten bestimmte Dinge zu testen und zu beurteilen was gut für einen ist und was nicht. Ich habe z. B. keine klassische Therapie gemacht, ging aber zum Psychologen, besuchte eine SHG und noch ein paar andere Dinge. Für mich war aber auch entscheidend, dass ich mich den mir wichtigen Menschen geoutet habe. Grundsätzlich war ich aber bereit, alles dafür zu tun nie mehr trinken zu müssen. Alles bedeutet, ich wäre sicher auch in eine Langzeittherapie gegangen. Klar wollte ich das nicht unbedingt aber ich habe es nie ausgeschlossen.

    Aber wie Du hier in den vielen Lebensgeschichten von uns Betroffenen lesen kannst, wurden wir höchst individuell trocken. Mit Therapie und ohne, mit SHG und ohne, einige sogar ohne "alles" - durch die Erkenntnis das sie den Alkohol nicht mehr brauchen... Aber Du wirst auch lesen, dass es i.d.R. einfacher ist diesen Weg mit Hilfe zu gehen.

    Ich wünsche Dir auf jeden Fall einen guten Austausch hier und dass Du Deinen persönlichen Weg raus aus der Sucht findest.

    LG
    gerchla

  • Zitat

    Und so geht' s dann weiter: Steigerung der Menge nach und nach, dadurch gestiegene Entsorgungsproblematik, langsamer Umstieg auf härtere Sachen (weniger Flaschen, gleiche Wirkung bzw. schnellere Wirkung), immer früherer Beginn mit dem Trinken bis hin zum ersten Schluck schon morgens, vor der Arbeit, gar keine Trinkpausen mehr, sogar bei Krankheit wird getrunken...


    So lief es bei mir auch. Wobei manche es auch schaffen, tage- oder wochenlange Trinkpausen einzulegen um sich vorzugaukeln, dass man nicht abhängig ist. Das ist vielleicht noch gefährlicher, denn die Einsicht ist noch geringer.
    LG Gerd

  • Das mit dem Zitat einfügen funktioniert bei mir also nicht - oder ich bin zu dusselig :) Danke für eure Nachrichten, es hilft ungemein, irgendwie doch drüber zu "reden". Apropos reden. Ich habe gestern eine meiner besten Freundinnen eingeweiht, die nicht sehr überrascht war. Ihr sei es schon öfter aufgefallen, dass ich immer dieses eine Glas mehr trinke und die eine Flasche mehr im Haus habe..wieso sprach sie mich nie drauf an ?? Weil es doch nicht gleich ein Problem sei, entgegnete sie mir. Ich outete mich, dass ich allein trinke, wenn ich mich einsam fühle und nichts mit meiner Zeit anzufangen weiß, außer, an nichts denken zu wollen. Und dann wie automatisch zur Flasche greife. Und dann nicht aufhören kann, bis mich mein Körper zwingt, zu schlafen. Ich gebe zu, dass ich es etwas abgeschwächt habe in Wortwahl und Dramatik...sie soll sich doch keine Sorgen machen!

    "Problem mit der Entsorgungslogistik": wie ich das kenne!! Die Flaschen mussten ja irgendwohin..also wurden sie gehortet oder einzeln, zwischendurch mal im Hausmüll entsorgt, so, dass man sie nicht sieht. Und dass sie nicht klappern! Ja, ich war auch Müllsünderin und nicht nur Süchtige. :-[ Ich schreibe bewusst in der Vergangenheitsform..ich möchte nicht nur eine dieser Trinkpausen durchmachen, die ich durchaus kenne..3 tage lang durch die Woche hechten, von der Dienstreise nach Hause kommen und sich dann ein Rezept aussuchen, bei dem man mit Wein kocht...ein Schluck ins Essen, ein Schluck für den Koch - geht ja nicht anders.

    Der Wein steht gekühlt bereit, ich werde aber nicht trinken. Heute geht es mir blendend und ich bin motiviert, mich wieder zu finden...ich wünsche euch allen einen schönen Abend.

    Zoe.

  • Hallo Zoe

    Zitat

    Ich hielt mich nicht für alkoholkrank, bis heute.

    Tag drei deines Entschlusses. Prima.

    Zitat

    Ich verstecke Flaschen ... so weit ist das schon! Gruselig

    Diese "Schockstarren" waren immer wieder die grössten Hilfen
    hin zu einem nüchternen und somit lebenswerten Leben.

    Zitat

    Der Wein steht gekühlt bereit...

    Damit konnte ich nichts mehr anfangen. Ich fing an es als
    Eiertanz zu sehen. Sinnlos. Russisch Roulette.
    Erinnert mich an Robert`s Thread hier im Forum.

    https://alkoholforum.de//index.php?topic=9.0

    Robert in Antwort #13

    Zitat

    Einen psychologischen Trick habe ich allerdings!
    (für viele mag das nicht nachvollziehbar und gefährlich sein, aber)
    Ich habe immer noch einen Flachmann Rum gebunkert!

    Brant

    ***

    OT

    Zu zitierenden Text markieren
    (geht natürlich nur im Schreibfenster)
    Zitat einfügen[Blockierte Grafik: http://i64.tinypic.com/sdh08z.png] Button drücken
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    ___

    Einmal editiert, zuletzt von Brant (2. August 2016 um 23:07)

  • Zitat

    Der Wein steht gekühlt bereit, ich werde aber nicht trinken


    Dann gehörst du zu den ganz wenigen, die das schaffen. Ich wünsche es dir.

    LG Gerd

  • Hallo Zoe,

    Zitat

    Der Wein steht gekühlt bereit, ich werde aber nicht trinken

    Warum machst Du das? Ich hätte mich das nicht getraut. Ich habe erst mal alles vernichtet was ich im Haus hatte. Meine sämtlichen Notreserven und Geheimverstecke geplündert und alles weggekippt. Das war für mich auch symbolisch wichtig. Nie mehr Alkohol.

    Mittlerweile kann ich (nach nun fast 3 Jahren ohne Alkohol) durchaus Gästen auch mal Alkohol anbieten. Also auch kaufen und lagern, bei mir zuhause ohne dass ich einen Gedanken daran verschwenden würde ihn trinken zu wollen. Aber ich muss ehrlich sagen, dass passiert fast nicht mehr, denn mittlerweile wissen alle Bescheid und finden es selbstverständich dass es bei mir keinen Alkohol gibt. Das ist ein höchst angenehmes Gefühl für mich. Denn auch wenn ich es kann (konnte) Alkohol anzubieten, es widersprach zunehmend meiner persönlichen Überzeugung.

    Die wandelte sich nämlich langsam von "nur weil ich ein Problem habe müssen andere doch nicht verzichten" in "wenn andere kein Problem haben dann haben sie auch keines bei mir keinen Alkohol zu trinken". Mit zunehmender Dauer meiner Abstinenz regt es mich immer mehr auf welch hohe Bedeutung (inklusive Verharmlosung) der Alkohol in unserer Gesellschaft hat. Ok, das ist jetzt an ganz anderes Thema.

    Zitat

    Ich habe gestern eine meiner besten Freundinnen eingeweiht, die nicht sehr überrascht war.

    Das finde ich sehr gut! Ich habe das damals auch gemacht. Mein bester und ältester Freund hat es (nach meiner Familie) als erstes erfahren. Allerdings ist er im Gegensatz zu Deiner Freundin vom Stuhl gekippt. Im nachhinein kann ich sagen, dass es sehr gut war mich ihm auch so früh anzuvertrauen. Wir hatten sehr viele Gespräche anfangs die nur um meine Sucht gingen und natürlich um alles was sonst noch so damit zusammen hing. Also meine Ehe, Kinder usw. Ich konnte mit ihm ganz anders sprechen als in der SHG oder beim Psychologen. Und er hat mir auch ganz andere Antworten oder Ratschläge gegeben. Keine psychologisch geschulten Antworten sondern einfach frei aus der Hüfte heraus gesagt was er denkt. Das werde ich ihm nie vergessen.

    Das war teilweise sehr kontrovers. Hat mir aber enorm geholfen zu mir zu finden. In ihm hätte ich jemanden gehabt, den ich nachts um 3 Uhr anrufen hätte können wenn ich z. B. kurz vorm Rückfall gestanden wäre. Dann wäre er ins Auto gesprungen und da gewesen. Dazu kam es glücklicherweise nie aber ich wusste das er da ist.

    Bleib auf Deinem Weg. Alles Gute weiterhin.

    LG
    gerchla

  • Mittlerweile kann ich (nach nun fast 3 Jahren ohne Alkohol) durchaus Gästen auch mal Alkohol anbieten. Also auch kaufen und lagern, bei mir zuhause ...

    Das mache ich auch nach nunmehr 8 Jahren ohne Alkohol immer noch nicht! Als ich noch mit meiner Frau zusammenwohnte (also bis vor 1,5 Jahren) hatte ich auch kein Problem damit, wenn sich Besuch ankündigte und SIE eine Flasche Wein für sich und den Besuch (insgesamt eine Flasche ;) ) kaufte und sie den dann im Laufe des Abends tranken.
    Aber ich kaufe keinen Alkohol. Das ist mein Prinzip.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo liebe Zoe.

    ich möcht nun auch noch ein freundliches Willkommen hier an Dich senden...

    ..mich wieder zu finden...

    ..das finde ich sehr sehr schön geschrieben und es gefällt mir. Für mich war es unter anderem auch äußerst wichtig, mir solche positiven Ziele zu formulieren. So ging es mir persönlich in meinem Ausstieg gar nicht so sehr darum etwas Altes zu besiegen, sondern viel mehr darum Neues und Gutes für mich zu gewinnen.

    Das Leben hat so viel mehr zu bieten. Ja – es lohnt sich wirklich :D

    Klasse dass Du dich nun auf machst!
    Ich wünsche dir jetzt schon alles Gute immer und die beste Energie weiter auf deinen Weg 44.

    Mach's gut und bis bald wieder,

    LiS

  • Hallo Zoe,

    da hab ich ja endlich eine gefunden, die sich in einer ähnlichen Lebensphase wie ich und in einem ähnlichen "Trinkstadium" zu befinden scheint. Wobei ich vielleicht auch einen Schritt weiter bin, weil ich schon lange nicht mehr länger als zwei Tage ausgehalten habe :( Ich hab schon öfter mal in solche Foren reingeschnuppert, hab mich aber nie zurechtgefunden, weil es meistens nur die (bitte entschuldigt vielmals!) "ganz schlimmen Fälle" gab, die gleichzeitig schon seit Jahren trocken waren, und ich mir im Vergleich zu ihnen ja immer einreden konnte, "so schlimm ist es ja noch nicht mit dir, hast ja noch genug Luft nach oben, schadet nicht, noch was zu trinken... Gleichzeitig hab ich mich auch oft geschämt, denn ich war eben nicht schon seit Jahren trocken sondern stand eben erst am Anfang meines Kampfes... ich hoffe von Herzen, dass ich gerade niemandem auf die Füße trete. Ich freue mich sehr, dass in solchen Foren immer öfter auch "jüngere" Leute anzutreffen sind (natürlich nicht, weil sie trinken, sondern weil sie übers Trinken schreiben!). Vor zehn Jahren war das noch nicht so. Oh je. Ist es wirklich schon so lange her?

    Was mich hellhörig macht, dass sind deine "Beweggründe", warum du immer wieder zum Alkohol greifst. Ich kenne mich nicht aus, was die Sucht angeht, aber manchmal ist Sucht ja mit anderen "Erkrankungen" verflochten. Nehmen wir doch beispielsweise Depressionen oder Angsstörungen. Ich hab mal ein ganzes Buch zu der Frage gelesen, was denn vorher da war, quasi die Henne oder das Ei? Denn Alkohol macht ja am Ende unter Umständen auch wieder depressiv. Das Fazit war dann, das auf jeden Fall beides gleichzeitig behandelt werden muss, sonst kriegt man das Eine nicht in den Griff. Ich will ja gar nicht sagen, dass du depressiv bist, aber Trinken aus Traurigkeit und dann noch in deinem Alter und als Frau... mich würde mal interessieren wie häufig es das gibt, wahrscheinlich häufiger als man denkt. Ich bin jedenfalls von Ärzten und Co immer angeguckt worden wie ein Auto, wenn ich von dieser Problematik erzählt habe, zumal ich jetzt auch nicht wie ein Partygänger aussehe, sondern brav, ordentlich, adrett... ::) Ich hoffe, ich habe es nicht überlesen, aber hattest du denn schon einmal Kontakt mit einer Beratungsstelle oder ähnlichem? Hast du schon Ideen wie du mit dem Einsamsein in Zukunft zurechtkommen kannst?

    LG Cocoon


  • Nehmen wir doch beispielsweise Depressionen oder Angsstörungen. Ich hab mal ein ganzes Buch zu der Frage gelesen, was denn vorher da war, quasi die Henne oder das Ei? Denn Alkohol macht ja am Ende unter Umständen auch wieder depressiv. Das Fazit war dann, das auf jeden Fall beides gleichzeitig behandelt werden muss, sonst kriegt man das Eine nicht in den Griff.

    Das entspricht nicht meinen Erfahrungen. Bei den Meisten, mit denen ich gesprochen habe, sind die Depressionen mit dem Ausstieg aus dem Suff, immer weniger geworden und schließlich ganz verschwunden. Auch bei mir war es so. Bei mir kamen die Depressionen, weil ich es mal wieder nicht geschafft hatte, NICHT zu saufen. Also musste ich etwas trinken, um die Depris wegzuspülen ... So oder ähnlich erging es sehr vielen.
    Natürlich gibt es auch Ausnahmen. In meiner SHG gibt es auch jemanden, bei dem der Alkohol eher eine Folge seiner Depression ist. Auch ihm fällt es ein wenig leichter, den Depressionen mit klarem Kopf zu begegnen.
    Aber er ist (meiner Erfahrung nach) eher die Ausnahme.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,

    Zitat


    Das entspricht nicht meinen Erfahrungen. Bei den Meisten, mit denen ich gesprochen habe, sind die Depressionen mit dem Ausstieg aus dem Suff, immer weniger geworden und schließlich ganz verschwunden.

    Das stimmt mich gerade sehr nachdenklich. Ich habe eine andere Therapieecke erfahren, die nicht primär auf Sucht ausgerichtet war. In meinen therapeutischen Gruppen waren lauter Leute, die quasi Schwierigkeiten mit ihren Emotionen hatten und diese dann versucht haben, auf ungesunde Weise irgendwie zu kontrollieren. Da waren dann auch zwei oder drei dabei, die Suchtmittel missbrauchten, da wurde der Konsum aber immer nur als Symptom angesehen und selten in den Vordergrund gestellt. Vielleicht ist das ja mit ein Grund, warum sich das bei mir so verselbstständigt hat. Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, man würde Alkohol bei mir nicht so richtig ernst nehmen. Aber Alkoholsucht ist eben auch ein ganz eigenes, ernstzunehmendes Problem. Ich glaube schon, dass dieses "Symptom" schwerlich behandelbar ist, wenn eine zu Grunde liegende Ursache nicht mitbehandelt wird! Aber der Gedanke, die Sucht wird dann schon von allein verschwinden ist - mit mir als Negativbeispiel - nicht zwingend richtig. Mein Grundproblem ist behandelt, aber die Sucht ist noch da...

    Wenn tatsächlich die Mehrheit primär dem Alkohol verfällt und Alkohol nicht für "als Medizin" oder ähnliches nutzt, dann finde ich das auch aus gesellschaftskritischer Sicht schlimm. Dann frage ich mich wie es sein kann, dass Alkohol dermaßen glorifiziert werden darf (Beispiel immer wieder die trinkende Penny aus der Big Bang Theory). Aber das ist sicher ein ganz eigenes Problem...

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