Melde mich mal zurück nach 1,5 Jahren

  • Liebes Forum,

    lange Zeit bin ich nicht hier gewesen, weil es für mich keinen Grund gab. Wer mag, kann meine alten Beiträge lesen und kennt dann auch den Hintergrund.

    Ich melde mich jetzt wieder mal, da ich momentan verunsichert bin. Nachdem mein Partner nach dieser Eskalation kurz vor Weihnachten vor 1,5 Jahren ein dreiviertel Jahr gar nichts getrunken hat, ist der Alkohol nun wieder präsent. Nicht im Übermaß und vielleicht auch von außen betrachtet im grünen Bereich. Ich kann das gar nicht richtig einschätzen, da mich das sehr triggert und in mir einfach eine Panik aufkommt, es könnte wieder so werden wie früher. Sein Bestreben war ja nie, den Alkohol komplett aus seinem Leben zu verbannen, sondern ein "normales" (was auch immer das ist) Trinkverhalten zu haben.

    Meistens ist auch alles ok, er trinkt sein alkoholfreies Bier und ist damit auch zufrieden. Nur habe ich in letzter Zeit das Gefühl, dass es wieder etwas mehr wird und zudem glaube ich, dass er die Gelegenheit auch nutzt, zu Hause zu trinken, wenn ich mal nicht da bin. Ansonsten beschränkte sich das Trinken bisher immer nur darauf, wenn mal unterwegs war. Was mich beunruhigt ist einfach sein Trinkverhalten, wenn er trinkt. Wenn er weiß, er muss nicht fahren, kippt er das Zeug einfach so in sich rein. Abgesehen davon, dass es mich beunruhigt, finde ich es auch abstoßend. Ich ertrage es kaum, wenn er betrunken ist. Das ist im letzten Jahr insgesamt vielleicht 4-5 x vorgekommen. Offenbar braucht er es ab und zu mal, sich volllaufen zu lassen. Er wird dann nicht aggressiv oder so. Ist halt einfach nur betrunken und man kann nicht mehr vernünftig mit ihm sprechen.

    Ich hab einfach nur Angst und merke, dass ich damit einfach nicht gut umgehen kann und vielleicht reagiere ich auch empfindlich, aber ich bin einfach auf der Hut und das ist ein blödes Gefühl. Er merkt es natürlich auch und ich weiß auch, dass für ihn nicht angenehm ist.

    Ich werde nervös, wenn wir Alkohol geschenkt bekommen, bzw. wenn er im Haus ist. Aus unserem Urlaub hat er zwei Flaschen Obstschnaps mitgenommen. Ist ja an sich auch nix Schlimmes dran. Ich war letzte Woche ein paar Tage weg und eines Morgens war er einfach nicht erreichbar. Normalerweise steht er früh auf und der Kleinste sollte auch in die Ferienbetreuung. Es stellte sich dann heraus, dass er erst später losmusste. Trotzdem war mir das klar, dass er sich am Abend vorher abgeschossen hatte, zumal er sich abends auch nicht mehr gemeldet hat. So war das früher öfter, als wir noch nicht zusammen gewohnt haben und ich bei mir geschlafen habe. Gegen Abend wurde der Kontakt immer weniger, bzw. kamen oft keine Antworten mehr. Das war für mich immer ein sicheres Zeichen. Bzw. hat es eine Weile gedauert, bis ich das geschnallt hab. Sonst ist er nämlich sehr beständig im Kontakt. Naja, wie auch immer. Als ich zurückkam von meinem Kurztrip, habe ich dann auch gleich die Flaschen aus dem Urlaub auf dem Schrank gesehen, die angebrochen waren. Dann stand da noch eine Vodkaflasche, die vorher nicht da war, auch angebrochen, fast leer und noch irgendein Kaffeelikör, auch angebrochen. Den Vodka und den Likör hatten wir in meiner Abwesenheit von Bekannten geschenkt bekommen.

    Man könnte jetzt sagen, ist doch alles nicht so schlimm, aber mir zeigt es, dass sobald ich mal durch die Tür bin, wird das Zeug ausgepackt und dann auch gleich richtig. Klar, in meiner Gegenwart fühlt er sich da wahrscheinlich zu unwohl. Ich weiß halt einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. Das ist auch ein schwieriges Thema bei uns. Grundsätzlich sagt er selbst, dass er froh ist, dass er nicht mehr so viel trinkt, wie früher. In mir bleibt aber die Angst, dass es sich wieder einschleicht, die Hemmungen nach und nach fallen. Es ist schwierig für mich, mit ihm über meine Ängste zu sprechen. Er zeigt da wenig Verständnis und fühlt sich total bedrängt, als wollte ich ihm sein Spielzeug wegnehmen. Dabei sag ich nicht mal, er soll nie wieder trinken, sondern versuche nur zu erklären, warum ich da empfindlich drauf reagiere. Und ich weiß einfach nicht, ab wann ist es problematisch, bis wohin ist es noch ok? Gäbe es die Vorgeschichte nicht, fände ich es vielleicht auch in Ordnung, aber die gibt es nun mal und wenn es nach mir ginge, bräuchten wir den Scheißalk zuhause überhaupt nicht. Monatelang war das alles kein Thema, aber es kommt jetzt wieder und das macht mir Angst. Er weiß, dass das einzige ist, weswegen ich ihn auch verlassen würde, wenn es wieder so wird wie vor 1,5 Jahren. Ich weiß aber nicht, wo ich für mich die Grenze ziehen würde. Bis wohin ist es noch ok, ab wann nicht mehr? Gleichzeitig mag ich mich selbst auch nicht in dieser Rolle, dass ich immer mit einem Auge darauf schiele, wie voll sind die Flaschen noch. Und wann ist meine Grenze überschritten?

    Ich weiß auch, dass nur ich diese Fragen beantworten kann, aber vielleicht habt ihr Meinungen und Anregungen? Gibt es eine Antwort auf die Frage, wieviel Alkohol ist noch in Ordnung? Ich weiß, dass es bestimmte Anzeichen von Sucht gibt, wie z.B. den Kontrollverlust. Er passt jetzt nicht unbedingt in dieses klassische Bild, was man so hat, aber ich weiß ja auch, dass Alkoholismus viele Gesichter hat. Was ich aber ziemlich sicher weiß ist, dass er einen Hang dazu hat und ich irgendwie diese Angst vor dem, was sein könnte, in den Griff bekommen muss.

    So, ich schließe jetzt hier mal. Ich freue mich einfach über eure Meinungen. Mir hat das damals hier einfach gut getan, von euch zu lesen und deshalb hab ich mich nochmal gemeldet. :)

  • Liebe Sunny,

    jetzt ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, würde ich mal behaupten, dass deine Schmerzgrenze bereits erreicht ist - zumindest liest sich dein Beitrag so für mich. Du bist sehr aufmerksam dahingehen, was dein Partner in Bezug auf den Alkohol so treibt und wie ich das herauslesen kann, ist sein Trinkverhalten für dich schon nicht mehr ganz ok, sonst würdest du hier nicht nachfragen, oder? 😉

    Und du hast vollkommen Recht: Sucht hat viele Gesichter. Dein Partner scheint sich ja abzuschießen, wenn er denn trinkt. Kontrollverlust. Das ist auf jeden Fall ein Suchtmerkmal und im Bereich des gefährlichen Konsums einzuordnen. Sprecht ihr darüber, dass er trinkt - so wie letzte Woche auch? Könnt ihr offen darüber reden? Oder ist da bei dir das Gefühl von Heimlichkeit und Verstecken des Konsums von seiner Seite aus? Verzeih mir die Nachfragen, aber ich möchte verstehen. 😉

    LG von der Bighara

  • Liebe Bighara,

    vielen Dank für deine Antwort. Ist meine Schmerzgrenze erreicht? Gute Frage. Es kommt drauf an. Wenn es dann mal wieder Thema ist, merke ich halt, dass ich damit nicht gut umgehen kann und ich mir wünsche, Alkohol wäre einfach gar kein Thema. Ich weiß dann halt nicht, ist das jetzt wirklich problematisch und kritisch, oder geht es eher darum, dass ich aufgrund der Erfahrung, die ich schon mit ihm gemacht habe, getriggert werde, sobald Alkohol ins Spiel kommt.

    Dem gegenüber steht aber natürlich auch ein Mann, den ich sehr liebe, der mir seine Liebe auch auf sehr unterschiedliche, schöne Weise zeigt, mit dem ich tolle Reisen mache und der mich in meiner persönlichen Entwicklung auch sehr weiterbringt. Mein Beitrag sollte nicht so rüberkommen, als gäbe es neben dem Alkohol keine weiteren Themen. Es schwankt halt.

    Verstecken tut er es eigentlich nicht. Die Flaschen stehen ja offen rum und es ist offensichtlich, dass sie angebrochen sind. Er hätte sie auch ohne Weiteres wegstellen können. Ich glaube, er möchte das auch nicht verstecken, was ich an sich gut finde. Aber so direkt darüber reden? Schwierig. Er hat mir halt erzählt, dass wir diese Flaschen geschenkt bekommen haben und dass er mit dem ältesten Sohn was davon getrunken hat. Es ist ein sensibles Thema. Ich glaube, das ist fast das Schlimmste für mich in der Situation, dass wir darüber nicht gut reden können bzw. ich mit ihm nicht gut über meine Ängste diesbezüglich sprechen kann. Für ihn ist das halt, so wie es jetzt ist, auch nicht problematisch. Aus seiner Sicht hat er ja damit kein Problem. Er sieht ein, dass es vor 1,5 Jahren viel zu viel war und ist aber mit der jetzigen Situation zufrieden und wünscht sich von mir, dass ich mich diesbezüglich entspanne.

  • Hallo sunnylady_1970


    Schön das du dich wieder mal gemeldet hast.


    In diesem Spiel des Lebens und das ist es letztlich gibt es doch nur die drei Möglichkeiten: Verlasse die Situation, verändere sie oder akzeptiere sie ganz. Solange es hierüber keine Entscheidung gibt ist ein innerer Konflikt vorprogrammiert.
    Vllt ist es hilfreich erstmal theoretisch in diese drei Möglichkeiten hineinzugehen. Die Ängste, die Sorgen und so weiter ans Licht zu bringen. Oder um es mit Dante zu sagen: "Wer sich der eigenen Hölle stellt, kann zum Himmel aufsteigen". Ich denke dann ist die Frage: Was will ich wirklich?" um einiges klarer auf dem Schirm.


    LG Brant

  • Liebe Sunny,

    Also, aus meiner Sicht ist es doch ganz schön, dass du nicht das Gefühl der Heimlichkeit bei deinem Mann hast. Und nun kommen wir zum Kern des Problems meiner Meinung nach: Kommunikation. Du hast das Gefühl, dass du mit ihm nicht über sein Trinkverhalten reden kannst, weil du sicherlich Angst davor hast, dass er dicht macht oder sowas sagt im Sinne von: Entspann dich mal, ich hab‘s im Griff, vertraue mir. Nun ist es aber doch so, dass dich das Thema belastet und Vertrauen hin oder her…deine Ängste haben ihre Berechtigung. Deswegen bist du auch so aufmerksam wie ein Luchs, weil du mit Sicherheit noch in Erinnerung hast, wie das damals bei deinem Mann auch angefangen hat. Deine Ängste und Sorgen wird nur er dir nehmen können und er ist auch der Adressat für deine Ängste und Sorgen, denn er sollte sie hören. Dein Mann sollte wissen, was in dir vorgeht und er sollte auch wissen, was du siehst und welche Gedanken du dir machst. Ihr seit Partner und auch wenn das unbequem ist, gehören solche Themen auf den Tisch. Weil seine Reaktion darauf, macht dich auch nur wieder schlauer und im Optimalfall kann er dir dein Misstrauen auch nehmen und dich in deinen Ängsten abholen. Bei so einem Gespräch macht natürlich der Ton die Musik. Ich würde in Ich-Botschaften kommunizieren und vor allen Dingen mit ‚Ich mache mir Sorgen, dass..‘, ‚Ich habe das Gefühl, dass..‘, ‚Ich habe Angst, dass…‘ Und dann wirst du sehen, wie er darauf eingeht.
    Ich habe selbst mal einem Partner zu Liebe mit dem Trinken aufgehört und das mehr oder weniger ein Jahr lang durchgezogen. Als für mich das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr stimmte, was ich für mich aus der Beziehung ziehen wollte, hab ich es nicht mehr eingesehen zu verzichten und wieder anfangen mit dem Alkohol. Bei mir ist die Motivation von Außen also nicht zu einer inneren Motivation geworden damals. Das ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden. In der Klinik waren mit mir zusammen auch Leute, die von ihrem Partner die Pistole auf die Brust gesetzt bekommen haben und die haben dann aber in der Therapie begriffen, dass Abstinenz auch in ihrem Interesse ist. Es kann so oder so laufen. Alles ne sehr individuelle Kiste wie die Sucht an sich selbst auch. 🤷‍♀️

    Einmal editiert, zuletzt von Bighara (19. Juli 2024 um 13:05)

  • Das ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden.

    ... Alles ne sehr individuelle Kiste wie die Sucht an sich selbst auch.

    Ich habe alles im Griff, alles unter Kontrolle, so schlimm ist es ja auch wieder nicht ... das eine Mal - wie oft hörte ich mich diese Sätze sagen, zu mir und zu anderen.

    Hallo Sunnylady_1970,

    ich war Rechtfertigungsweltmeister, die Anderen/mein Gegen0ber diskutierte ich schnell zu Boden oder einfach nur sprachlos, dass bestärkte mich noch mehr, schließlich hatte ich schon zwei Mal den Führerschein (immer über 1,6 Promille) zurückbekommen, ein "freiwilliges" alkoholfreies Jahr absolviert, trank tagsüber nie, auch auf Party's konnte ich alkoholfrei bleiben, wenn alle sich die Kante gaben, egal ob ich mit dem Auto da war oder nicht.

    Tortzdem stieg mein Alkoholkonsum stetig, wenn ich allein war, unbeobachtet/zu Haus ... ein Kasten Bier/Woche reichte schon lange nicht mehr, das ignorierte ich vortrefflich: erstens war's ja nur Bier und zweitens war ich am nächsten Tag wieder fit ... na ja, fast immer ...

    Ich konnte und wollte nie (!) zugeben ... ich und Alkoholiker - niemals! Wenn alles funktioniert, ich funktionierte, kann's ja nicht so schlimm sein -> Andere saufen ja viel mehr oder funktionieren nüchtern viel schlechter = die typischen, verharmlosenden Ausreden - ich belog mich selbst und Kritik konnte ich schon gar nicht ertragen (s.o. Rechtfertigungen).

    Ist das nun Sucht oder nur der normale Wahnsinn (keine Schwäche zugeben zu können)? ... alles sehr individuell:rolleyes:.(rethorische Frage)

    Je mehr mich mein Partner/ein Partner nervte, hinterfragte, mich überzeugen wollte, desto vehementer hielt ich dagegen - weniger trank ich deswegen nicht, eher im Gegenteil.

    Niemand versuchte mich mit "Aha-Effekten" zu locken, zu übertölpern, versuchte, dass ich von selbst darauf kam, immer war ein unterschwelliger Vorwurf dabei, den galt es zu widerlegen - ich konnte doch keine Schwäche zugeben!!! Ähnlich einem trotzigen Kind - genau das war ich.

    Sucht, schliesst Vernunft aus, weicht Bewusstsein auf, verklärt die Realität.

    Warum verfiel ich dem immer wieder? War ich zu einsam, selbst unter Menschen, zu unsicher, vielleicht auch traurig oder gar unzufrieden? Ein Tagträumer?

    Von jedem ein bisschen, dass weiß ich heute - Alkohol half mir immer, mich aus dieser schnöden Welt herauszukatapultieren, sie erträglicher zu machen = je mehr/öfter ich trank, desto gruseliger wurde es = ich trank immer mehr und öfter und blendete somit die Realität aus.

    sunnylady_1970 , so direkt darüber reden konnte ich sehr selten, immer bzw. oft vermutete ich einen Vorwurf und wurde dann zum "trotzigen Kind".

    ...

  • Ich danke euch für eure Antworten! Es tut, wie immer gut, diese zu lesen und einfach zu merken, dass mich andere verstehen und meine Wahrnehmen total ok ist.

    Paul was du schreibst, kommt mir auch bekannt vor. Seine Rede war/ist auch immer: Wieso, ich werde doch nicht blöd, wenn ich besoffen bin, meinen Alltag bekomme ich doch immer hin....

    Dass wir nicht darüber sprechen stimmt so auch nicht. Vielleicht habe ich mich da auch falsch ausgedrückt. All das, was du Bighara schreibst, habe ich ihm auch schon gesagt, nur fühle ich mich nicht wirklich verstanden. Ich glaube, er kann das nicht gut hören. Er merkt ja auch, dass ich dann komisch werde, wenn er mal wieder was trinkt und wünscht sich dann von mir, dass ich ihm das ab und zu einfach mal gönne. Ich sag ja dann auch nichts, nur kann ich meine Angespanntheit dann einfach nicht verbergen. Ich habe ihm schon oft gesagt, dass ich mir über sowas früher nie Gedanken gemacht hab, wenn mein Partner mal was getrunken hat (und ab und zu tu ich das ja auch, wenn auch sehr selten), aber dass ich durch die Erlebnisse mit ihm total überempfindlich diesbezüglich geworden bin und dass es für mich so ein großes Thema ist, weil es im Moment das einzige ist, was mich dazu bewegen könnte, ihn zu verlassen, wenn es wieder solche Formen annimmt, wie vor 1,5 Jahren. Wäre er nach diesem einen Abend nicht einsichtig gewesen und hätte nicht gleich einen Termin bei einer Therapeutin gemacht, hätte ich meine Sachen gepackt. Das weiß er.

    Übrigens finde ich es ganz großartig, wie ihr damit umgeht und jetzt andere unterstützt, egal ob Betroffene oder Angehörige. Das hilft wirklich sehr!

  • Hallo Sunny,

    Verleugnung und fehlende Einsicht gehen in der Sucht oder im Alkoholmissbrauch leider Hand in Hand. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dein Mann deine Worte nicht gerne anhört, weil du ihm den Spiegel vorhältst. Das ist wahnsinnig unangenehm und bestimmt fühlt er sich von dir ertappt, weil er in die Abwehr geht. Vermeidung und sich selbst belügen und Dinge schön reden, funktioniert einfach wunderbar, weil man sich dann nicht mit dem Thema und sich selbst auseinandersetzen muss. Ich befürchte, dass du den Dingen seinen Lauf lassen musst und dabei versuchst, so gut es geht bei dir zu bleiben. Du kannst deinen Mann nicht gegen seinen Willen zur Einsicht zwingen. Sonst habt ihr wirklich nur Ärger in der Bude. Die Einsicht, dass er ein Problem hat, muss aus ihm heraus von ihm alleine kommen, damit er bereitwillig Veränderungen in seinem Verhalten vornimmt. Ich weiß, dass das schwer ist und dir als Partnerin viel abverlangt. Ich würd dir auch gern was Anderes schreiben, aber leider fällt mir nichts ein.

  • Wieso, ich werde doch nicht blöd, wenn ich besoffen bin, meinen Alltag bekomme ich doch immer hin....

    Das behauptete ich auch oft, Handyvideos oder heimlich mitgeschnittene Tonaufnahmen (wenn ich angetrunken oder gar besoffen war) zeugten vom Gegenteil - alles verharmloste ich oder zog es ins Lächerliche = typisch (angehender) Alkoholiker!

    Wenn du deinen Mann nicht von seiner Verteidigungs-/Rechtfertigungshaltung wegbekommst bzw. er sich, wird das bestimmt noch ewig so weitergehen. Kluge Sprüche oder Vorhaltungen sind da eher kontraproduktiv.

  • Niemand versuchte mich mit "Aha-Effekten" zu locken, zu übertölpern, versuchte, dass ich von selbst darauf kam, immer war ein unterschwelliger Vorwurf dabei, den galt es zu widerlegen - ich konnte doch keine Schwäche zugeben!!! Ähnlich einem trotzigen Kind - genau das war ich.

    Das (s.o.) war der Hauptgrund warum so viele Versuche mich vom Trinken abhalten wollen, immer scheiterten!

    Vorwürfe ... die wurden mir als Kind immer schon gemacht - ich war regelrecht allergisch.

  • Paul was meinst du mit "mit Aha-Effekten" locken? Wie hätte das gehen können, also was wäre etwas gewesen, was bei dir ein Aha Effekt hätte auslösen können? Und darf ich fragen, was letztlich den Aha-Effekt bei dir ausgelöst hat?

    Ich weiß natürlich, dass es ohne intrinsische Motivation nicht dauerhaft gut geht und das ist auch mein Wunsch. Die Vorstellung, er hält sich nur wegen mir zurück (und die habe ich leider), fühlt sich auch nicht gut an, weil ich eben weiß, dass das nicht nachhaltig ist. Er sagt zwar selbst auch, dass er froh ist, nicht mehr so viel zu trinken wie früher, dass er endlich wieder Bücher liest, was eine zeitlang nicht mehr möglich war, aber ich bekomme ja auch mit, wie es läuft, wenn ich dann mal weg bin. Und der Gedanke, was wäre wohl, wenn es mich nicht gäbe, lässt mich nicht los.

  • Hey Sunny,

    was wohl wäre, wenn du nicht wärst, ist wie Kaffeesatzlesen. Man weiß es nicht, denn du bist ja nunmal da. Aber sicherlich bist du mit der ausschlaggebende Grund dafür, der die ‚Sucht‘ so gesehen bei deinem Mann in Schach hält. Deswegen tanzt er wie die Mäuse auch auf den Tischen, wenn du nicht da bist. 😂😅 Die Sucht- und Alkoholspirale dreht sich immer nur bergab, was der Tiefpunkt bei deinem Mann vor 1 1/2 Jahren gewesen wäre, wenn du nicht eingeschritten wärst…keine Ahnung. Jeder hat da eine ganz eigene und individuelle Fallhöhe bis genug Leidensdruck entsteht, um die Motivation zur Veränderung aufzubringen und die Veränderung dann auch langfristig aufrechterhalten zu wollen. Mal wieder, wie so oft: Eine sehr individuelle Sache. 🤷‍♀️ Ich würd sagen, die Situation ist derzeit wie sie ist und auch, wenn es dir vielleicht nicht völlig behagt, dass dein Mann sich wegen dir zurückhält, so tut er es doch. Was die Wichtigkeit der Beziehung unterstreicht und auch meines Erachtens Wertschätzung ausdrückt. Oder?! Wir belügen uns gern selbst und versuchen ein Bild von uns aufrecht zu erhalten, was ein wenig besser ist als die Realität. Und sich einzugestehen, dass man süchtig nach Alkohol ist und dem Suchtmittel machtlos gegenübersteht…dieses Eingeständnis fällt nicht vom Himmel, sondern ist mit einer (mehr oder weniger langen) Leidensgeschichte verbunden. Bei mir hat‘s knapp 20 Jahre gedauert bis ich mir eingestehen musste: Ich bin machtlos und ich stehe dem Alkohol hilflos gegenüber. Ich packe das nicht mehr allein, ich hab kein Alkoholproblem, sondern ich bin hardcore abhängig von dem Zeugs. 😄 An dem Punkt ging es mir jedoch sehr sehr schlecht. Von da an ging‘s es seitdem aber nur noch für mich bergauf. 😊 Willste auf den Berg, musste leider durchs Tal. 😅

  • Niemand versuchte mich mit "Aha-Effekten" zu locken, zu übertölpern, versuchte, dass ich von selbst darauf kam, immer war ein unterschwelliger Vorwurf dabei,

    Hallo sunnylady_1970 ,

    der unterschwellige Vorwurf, wenn auch nur ein vermuteter, erzeugte in mir immer diese Trotzreaktion - gerade beim Lebensabschnittsbegleiter, der eben nicht oder nicht mehr, der Freund war, dem man alles anvertraute. Einerseits war die Scham eine riesengroße, andererseits hätte ich gestehen müssen, entweder gelogen zu haben oder mich geirrt zu haben, das konnte ich nicht.

    Heute, nun abstinent, kann ich locker darüber reden, auch was ich für eine dumme Nuss war und was ich alles falsch machte, aber als ich noch trank - ging das nicht, vielleicht war es falscher Stolz, Schwäche, mangelndes Selbstbewusstsein? Ich wollte mein Gesicht nicht verlieren! Bei vielen Trinkern, auch bei mir, bemerkte ich eine Unsicherheit, die man um alles in der Welt verbergen will.

    Die Angst verurteilt zu werden ... mangeldes Vertrauen, Angst als Schwächling dazustehen ...

    Ich musste erst mir eingestehen, dass ich etwas grundlegend ändern muss und ich wollte mal wieder (!) meine Fahrerlaubnis zurück, da war ein einjähriger Abstinenznachweis zwingend nötig = also hatte ich gar keine Möglichkeit ... ich musste!

    Diese ganzen was-wäre-wenn-Überlegungen bringen einen nicht wirklich weiter - vielleicht sprichst du deinen Liebsten ein Mal offen an und fragst, wie du/ihr beide, damit umgehen sollst, denn auf Dauer wird die Situation nicht besser.

    Ihr müsst miteinander sprechen, euch einigen oder es so lassen, wie es ist.

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