• Hallo zusammen,

    ich bin hier, weil mein Partner Alkoholiker ist. Wir sind seit 13 Jahren ein Paar, früher haben wir oft gemeinsam Party gemacht. Für Mitte 20 war das damals für uns "normal". Ca. vor 6 Jahren hat mein Partner dann angefangen, auch zu Hause zu konsumieren und auch alleine. Da habe ich mich abgegrenzt, sonst wären wir jetzt vielleicht beide im gleichen Boot. Auf jeden Fall gab es schon mehrmals Zeiten wo es wieder ein bisschen besser wurde - aber es wurde nie richtig gut und am Ende war jeder Rückfall schlimmer als es davor war. Mein Partner ist sich bewusst, dass er Alkoholiker ist. Er hat sich nun auch Hilfe gesucht, worüber ich sehr froh bin. Die Sucht belastet unsere Beziehung schon länger und er weiss, dass ich mich irgendwann würde entscheiden müssen. Bis jetzt ist der Leidensdruck für mich noch nicht so gross, dass eine Trennung im Raum steht. Ich fühle mich nur oft einsam, denn Unterhaltungen sind an vielen Abenden nicht möglich / sinnvoll. Mein Partner wird nie laut oder aggressiv mir gegenüber. Ich bin daher noch motiviert, ihn in seinen Bestrebungen zu unterstützen. Die Frage ist für mich aber wie. Ich habe schon den Thread dazu gelesen, bin aber dankbar, wenn ihr mir vielleicht noch ein paar Feedbacks zu folgenden Gedanken / Themen geben könnt:

    - In der Beratung, die mein Partner nun angefordert hat, wurde ihm offenbar gesagt, dass er den Alkohol besser nach und nach reduzieren soll. Auch als "Endziel" haben sie keine absolute Abstinenz definiert sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol. Das hat mich sehr enttäuscht, weil ich kann mir ehrlichgesagt nicht vorstellen, dass das funktionieren wird? Vielleicht tue ich ihm unrecht, aber ich vermute einfach, dass er dann immer wieder rückfällig werden wird, wenn er nicht absolute Abstinenz anstrebt. Ist das so üblich, dass erst langsam reduziert wird? Und wie stehen denn die Erfolgschancen für diesen verantwortungsvollen Umgang aus eurer Sicht?

    - Ich habe selbst seit Januar komplett auf Alkohol verzichtet, weil ich dachte, dass ihm das helfen könnte. Ich habe schon seit Jahren nie mehr viel getrunken aber ab und zu ein Feierabendbier mit Kollegen oder ein Glas Wein zum Essen. Es ist mir deshalb nicht schwer gefallen, komplett zu verzichten. Aber ich sehe auch keinen positiven Effekt davon. Deshalb frage ich mich schon, ob es wirklich sinnvoll ist, mich selbst seinetwillen einzuschränken? Wenn er jetzt einen trockenen Abend versucht, trinke ich sicher nicht neben dran mein Bierchen. Aber wenn ich nicht zu Hause bin oder er sowieso auch trinkt - macht es dann einen Unterschied?

    - Aus meiner Sicht müssten wir irgendwann unser Umfeld informieren. Bisher wissen nur wir beide, dass er Alkoholiker ist. Aber wäre es nicht sinnvoll, Freunden und Familie transparent zu sagen, was Sache ist?

    - Im Thread mit den Tipps habe ich gelesen, dass man sexuellen Kontakt von Nüchternheit abhängig machen soll. Das ist tatsächlich ein Problem in unserer Beziehung, weil er gerne mehr möchte, ich aber auch von mir aus selten Lust drauf habe, wenn er betrunken ist. Er fühlt sich nicht begehrt von mir - was in dem Moment ja auch so ist, aber nicht weil ich ihn nicht begehre sondern einfach nicht ihn in betrunkenem Zustand. Ich finde das Thema sehr schwierig, weil wenn ich ihm sage, dass ich nur noch mitmache, wenn er nüchtern ist, fühlt sich das einerseits wie eine Erpressung an, andererseits auch wie eine Verpflichtung. Dass wenn er dann verzichtet, dass ich dann auch wirklich muss um ihn "zu belohnen". ?(

    - Mein Partner sollte irgendwelche "Ersatztätigkeiten" haben, für die Zeit die er normalerweise trinkt. Ich möchte ihn darin gerne unterstützen, aber ich bin unsicher, ob ich dann zu viel Druck mache? Ich habe verschiedene Dinge vorgeschlagen, die er machen könnte. Aber irgendwie hat er immer eine Ausrede. :rolleyes: Laufen oder Radfahren tut er nicht gerne, im Fitnesscenter sind doofe Leute, Reitstunden sind zu teuer, Musikunterricht auch... Ich frage mich halt, ob sein "Suchthirn" überhaupt je eine Tätigkeit attraktiver finden wird als das Trinken? Oder ob er sich da einfach zu was anderem zwingen müsste, was dann vielleicht erst mit der Zeit wirklich Spass macht? Wie sind dazu eure Erfahrungen? Was kann ich tun, um ihn zu motivieren? Würde es helfen, etwas zusammen zu machen oder wäre es besser, wenn er etwas für sich hat?

    Ich weiss, ich kann nur mir selbst helfen. :) Ich möchte halt einfach die besten Bedingungen für ihn schaffen, damit er erfolgreich sein kann. Bitte keine Tipps, wie ich mich schnellstmöglich von ihm trennen kann. Das ist kein Thema für mich aktuell. Und zwar nicht, weil ich nicht allein sein könnte - ich gönne mir halbjährlich 2 Wochen Urlaub allein, gehe meinen Hobbies nach und habe "mein" Umfeld. Ich habe einen Eid abgelegt - in guten wie in schlechten Tagen - und daran will ich mich noch halten. <3

  • Hallo und herzlich Willkommen, Jeanne! 🙋‍♀️

    Kurz zu mir, damit du eine Ahnung bekommst, wer dir hier antwortet:

    Ich, 50, w, hab mir selbst Ende Oktober 2020 eingestanden, ein Problem mit Alkohol entwickelt zu haben (ich hab meinen Konsum nicht mehr wirklich kontrollieren können, hab aber noch gut funktioniert). Als MIR durch die Beschäftigung mit dem Thema klar wurde, wo ich bereits stand und wohin es mit mir kommen würde, wenn ich nicht die Reißleine zog, hab ich die Reißleine gezogen. Und ich lebe seither tatsächlich abstinent und sogar zufrieden abstinent. Aufgewachsen bin ich mit einem alkoholkranken Vater, der regelmäßig rückfällig geworden ist und überhaupt nicht mehr funktioniert hat, sondern dessen Rückfälle für uns tatsächlich existentiell geworden sind.

    Ich fange mit der Beantwortung deiner Fragen mal damit an:

    Ich weiss, ich kann nur mir selbst helfen. :) Ich möchte halt einfach die besten Bedingungen für ihn schaffen, damit er erfolgreich sein kann.

    Wenn dein Partner nicht wirklich und ernsthaft von sich aus aussteigen will, kannst du noch so sehr bemüht sein, die besten Bedingungen für ihn zu schaffen, er wird nicht erfolgreich aussteigen. Entscheidende Voraussetzung ist also, dass der Wunsch und das Wollen Auszusteigen tatsächlich von IHM kommen. Das kann nicht erzwungen werden.

    In der Beratung, die mein Partner nun angefordert hat, wurde ihm offenbar gesagt, dass er den Alkohol besser nach und nach reduzieren soll. Auch als "Endziel" haben sie keine absolute Abstinenz definiert sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol.

    Wenn in der Beratung tatsächlich so ein Ergebnis herausgekommen sein SOLLTE (ich kann das weder gänzlich verneinen, noch bejahen), so könnte dieser Rat davon abhängig sein, was dein Mann dort von sich erzählt hast.

    Hintergrund für den Rat, Alkohol nicht abrupt abzusetzen, sondern schrittweise zu reduzieren, könnte die Berücksichtigung der Gefahren des sogenannten „Kalten Entzuges“ sein. Was ICH mir allerdings schwerlich vorstellen kann, ist, dass in diesem Zusammenhang nicht von ärztlicher Unterstützung die Rede gewesen sein sollte.

    Zum „Verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol“: Im Zusammenhang mit einer Alkoholkrankheit kann ICH mir darunter nur das sogenannte „Kontrollierte Trinken“ vorstellen. Das ist ein Thema, von dem ich immer mal wieder gehört bzw. gelesen habe, mir ist aber hier im Forum nur ein (!) Alkoholiker bekannt, der das laut eigener Aussage tatsächlich erfolgreich praktizieren kann. Und der trinkt laut eigener Aussage ganz selten mal ein Bier.

    Wer tatsächlich einmal vom Alkohol abhängig geworden ist, kann seinen Konsum in der Regel nicht mehr kontrollieren, denn gerade der Kontrollverlust kennzeichnet diese Erkrankung.

    Das, was dein Mann dir von der Beratung erzählt hat, klingt jedenfalls nicht danach, dass er überhaupt Abstinenz anstrebt. Er WILL weiterhin Alkohol konsumieren und er scheint zu hoffen, dass er zu einem kontrollierten Konsum zurückfinden kann.

    Wie schätzt DU denn die Lage ein? Glaubst DU, dass er seinen Konsum unter Kontrolle bekommt?

    Fortsetzung folgt

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Deshalb frage ich mich schon, ob es wirklich sinnvoll ist, mich selbst seinetwillen einzuschränken? Wenn er jetzt einen trockenen Abend versucht, trinke ich sicher nicht neben dran mein Bierchen. Aber wenn ich nicht zu Hause bin oder er sowieso auch trinkt - macht es dann einen Unterschied?

    Da er derzeit trinkt und damit offenbar noch gar nicht gänzlich aufhören möchte, wird es für IHN wenig bringen, wenn du nur seinetwegen abstinent bist.

    Als ICH mich entschlossen habe, gar keinen Alkohol mehr zu konsumieren, ist mein Mann nicht gleichzeitig mit mir abstinent geworden und ich hab das auch gar nicht von ihm erwartet.

    Er hat weiterhin ab und zu in entsprechender Runde außerhalb Alkohol getrunken und ICH fand das auch in Ordnung. Zuhause gab es allerdings keinen Alkohol.

    Wir haben viel über dieses Thema geredet und ich habe ihm viel über meine neuerworbenen Erkenntnisse erzählen dürfen. DAS hat ihn nachdenklich gemacht. Inzwischen lebt er allerdings auch schon über eineinhalb Jahre aus eigener Überzeugung zufrieden abstinent. Er könnte tatsächlich Alkohol trinken, wenn er wollte, aber er will es nicht mehr. Es gibt ihm nichts mehr.

    Warum erzähle ich dir das? - Wenn er aussteigen will, steigt er aus, ob du Alkohol konsumierst oder nicht. Wenn er das nicht will, ist DEIN Verzicht, wenn du’s nur für ihn und nicht für dich tust, eigentlich egal.

    Wenn er aussteigt, dann kann es hilfreich sein, in seiner Gegenwart nicht zu trinken, um ihn nicht zu triggern.

    Fortsetzung folgt

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Aus meiner Sicht müssten wir irgendwann unser Umfeld informieren. Bisher wissen nur wir beide, dass er Alkoholiker ist. Aber wäre es nicht sinnvoll, Freunden und Familie transparent zu sagen, was Sache ist?

    Es gibt kein „MUSS“, das Umfeld zu informieren.

    Das darf jeder für sich selbst entscheiden.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Im Thread mit den Tipps habe ich gelesen, dass man sexuellen Kontakt von Nüchternheit abhängig machen soll. ….

    Das ist tatsächlich ein Problem in unserer Beziehung, weil er gerne mehr möchte, ich aber auch von mir aus selten Lust drauf habe, wenn er betrunken ist. Er fühlt sich nicht begehrt von mir - was in dem Moment ja auch so ist, aber nicht weil ich ihn nicht begehre sondern einfach nicht ihn in betrunkenem Zustand. Ich finde das Thema sehr schwierig, weil wenn ich ihm sage, dass ich nur noch mitmache, wenn er nüchtern ist, fühlt sich das einerseits wie eine Erpressung an, andererseits auch wie eine Verpflichtung. Dass wenn er dann verzichtet, dass ich dann auch wirklich muss um ihn "zu belohnen". ?(

    Entscheidend ist doch, was DU willst bzw. dass ihr in dieser Angelegenheit BEIDE wollt.

    Wenn DU keine Lust hast, wenn er betrunken ist, dann ist das doch Argument genug.

    Mag ja sein, dass er sich dann nicht begehrt fühlt, aber es ist ja, wie du sagst, in dem Moment auch so und Punkt.

    Und das zu formulieren, dass du nicht magst, wenn er betrunken ist, ist doch keine Erpressung!

    Du magst doch einfach nur nicht.

    Und wer sagt denn, dass du wollen musst, wenn er nüchtern ist?

    Wenn ihr BEIDE wollt, dann passt es? Wenn’s nur einseitig ist, was ist das dann?

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich frage mich halt, ob sein "Suchthirn" überhaupt je eine Tätigkeit attraktiver finden wird als das Trinken? Oder ob er sich da einfach zu was anderem zwingen müsste, was dann vielleicht erst mit der Zeit wirklich Spass macht? Wie sind dazu eure Erfahrungen? Was kann ich tun, um ihn zu motivieren? Würde es helfen, etwas zusammen zu machen oder wäre es besser, wenn er etwas für sich hat?

    DU kannst herzlich wenig tun, um ihn zu motivieren. Es kann durchaus sogar so sein, dass er deine Versuche, ihn zu irgendeiner „Ersatztätigkeit“ zu motivieren, als übergriffig empfindet.

    Wenn ich dir das mal so sagen darf: Das liest sich, wie wenn eine Mutter ihr desinteressiertes Kind für irgendein Interesse motivieren will.

    Er ist ein erwachsener Mann, der selbst Verantwortung für sein Leben übernehmen muss.

    Die sogenannte Selbstfürsorge muss von IHM ausgehen.

    Und wenn ER wirklich will, dann wird er eine Tätigkeit finden. Möglich ist das durchaus.

    Ich hoffe, meine Antworten konnten dir bezüglich deiner Fragen etwas weiterhelfen.

    Falls du weitere Fragen oder Gedanken hast, die du teilen möchtest, nur heraus damit.

    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Jeanne

    Ich bin 51 und seit fast 3 Jahren abstinent.

    Mein Umgang mit Alkohol war in den Jahren zuvor immer bedenklicher geworden und ich merkte zunehmend, dass er mich mehr und mehr im Griff hatte.

    Für mich steht fest ,dass ich keinen Alkohol mehr trinken werde ,weil ich ihn mittlerweile nicht mehr trinken will und weil ich ihn nicht mehr brauche.

    Ich bin mir sicher ,dass ich sofort wieder in eine Abwärtsspirale rutschen würde,wenn ich wieder mal mit dem Alkohol anfangen würde.

    Ich habe lang genug versucht ,kontrolliert zu trinken: also mit selbst auferlegten Trinktagen oder nur zu bestimmten Anlässen.

    Das war rückblickend betrachtet ein Selbstbetrug,denn ich wollte ja noch Alkohol trinken und hatte schlichtweg Angst ,er könnte mir fehlen.

    Und so war es damals auch,nur hatte ich zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht eindeutig für mich ehrlich sein können und mir eingestehen können, dass ich ein großes Problem mit Alkohol hatte.

    Ich war nie heftig betrunken und hatte nie Kontrollverluste,ich war spätestens nach 1 Flasche Wein "satt" und das war immer mein Limit,wobei ich es kaum schaffte ,länger als drei Tage ohne Alkohol zu sein.

    Ich trank regelmäßig.

    So sehr der persönliche Konsum unterschiedlich sein mag ,und im Vergleich zu anderen harmloser oder heftiger ausfallen mag ,so bin ich doch sicher ,dass jeder seinen eigenen Tiefpunkt erreichen muss und für sich feststellen muss ,ob es so weitergehen soll oder nicht.

    Für mich war klar ,ich will nicht mehr weiter trinken ,weil die negativen Seiten für mich überwogen und ich einen Überdruss hatte ,so weiterzumachen wie bisher.

    Das war dann bei mir der Grund ,weshalb ich beschlossen habe ,die Finger ein für alle mal davon zu lassen.

    Mir ist nicht ganz klar ,ob dein Partner wegen dir /euch in die Beratung gegangen ist oder ob er selbst von sich aus einen Wunsch nach Abstinenz anstrebt.

    Ich kann mir vorstellen, dass das auch nicht immer ganz klar ist ,wenn man zusammen wohnt ,da der Alkohol oft zum Thema wird und ob es aus diesem Grund heraus so entstanden ist ,dass dein Partner nun eine Veränderung anstrebt.

    Wie ist dein Gefühl dazu ? Hast du den Eindruck, dass er nur aufhören will ,um des Friedens Willen oder weil er selbst genug hat ?

    Ich bin der Meinung, dass es unterschiedliche Wege zur Abstinenz geben kann ,aber ich persönlich halte von der Alkohol-Reduziertaktik nichts.

    Bei mir hätte es niemals zum Ausstieg geführt.

    Einerseits will man weg davon ,andererseits trinkt man dosiert weiter.

    Das Gehirn entwöhnt sich auf diese Weise sehr schlecht vom Alkohol,so meine Annahme.

    Im Gegenteil, ich denke ,dass der Alkohol dadurch sogar noch viel mehr ins Zentrum der Wahrnehmung rückt : für mich unvorstellbar.

    Ich halte ehrlich gesagt nicht viel davon.

    Du schreibst dein Partner sollte Ersatztätigkeiten haben ,um die Zeiten anders zu füllen als mit Alkohol.

    Das sind deine Wünsche und Vorstellungen, die du für ihn hast.

    Leider aber wirst du ihn auch dazu nicht bringen.

    Er muss es selbst wollen und selbst initiieren.

    Ich habe eine Beziehung zu einem Mann ,wir wohnen nicht zusammen.

    Er trinkt im bedenklichen Maße,was für mich zunehmend unerträglich wird ,obwohl wir nicht zusammen wohnen.

    Mittlerweile finde ich es immer schwieriger für mich ,zumal ich selbst nicht mehr trinke.

    Ich komme aus einer Suchtfamilie,ich selbst habe Co Abhängigkeit von klein auf gehabt ,ich selbst habe mal getrunken und es fühlt sich total schrecklich an ,wenn ich mir vorstelle, bei meinem Partner zu bleiben,um dort meine Co Abhängigkeit fortzusetzen?

    Ich habe mich von meinen Süchten (Nikotin und Alkohol) befreit und strebe ein gesundes Leben an.

    Ich habe das offen kommuniziert mit meinem Partner,auch dass ich nicht mehr bereit bin ,da dran zu bleiben.

    Für ihn ist das so ,als würde ich ihm das Messer auf die Brust setzen und er müsse etwas für mich verändern ,was er auch versucht ,aber immer wieder daran scheitert.

    Ich für meinen Teil sehe es aber nicht so : ich setze ihm kein Messer auf die Brust ,aber ich distanziere mich zunehmend von ihm und das wiederum setzt ihn unter Druck ,etwas zu verändern.

    Ich sehe aber ,dass er aus sich heraus noch viel zu sehr Gefallen am Alkohol findet.

    Im Prinzip ist der Weg relativ klar...Es wird mit uns auseinander gehen müssen.

    Für mich ist das deutlich spürbar ,weil mir all die Fragen rund um den Alkoholkonsum und die Auseinandersetzung damit zu sehr an die Substanz gehen.

    In meinem Fall fühlt sich das noch heftiger an ,weil ich mich selbst längst vom Alkohol befreit habe.

    Es wäre für mich schädlich ,am Konsum des Partners dran zu bleiben.

    Deine Fragen ,die du dir zu deinem Partner stellst ,kann ich nachvollziehen und ich stelle immer mehr bei mir fest ,dass ich mich mit den Fragen anderer nicht mehr beschäftigen möchte ,mit denen sich andere beschäftigen sollten.

    Das macht krank.

    Und mit dem Wort "anderer" meine ich nichts abwertend,sondern rein sachlich,auch wenn es um den Partner geht.

    Die Frage ist : willst du die nächsten Jahre so weitermachen?

    Meine Antwort lautet, dass ich das nicht will ,auch aus dem Gefühl heraus, dass ich mich zunehmend mehr mit positivem beschäftigen möchte.Mit mir.

    Das klingt vielleicht abgeklärt,aber so meine ich es gar nicht.

    Ich selbst habe persönlich noch große Baustellen bezüglich meiner Herkunftsfamilie.

    Mein Bruder zum Bsp ist süchtig.

    Ich möchte für mich einen besseren Umgang damit erlernen und daran arbeiten.

    Viele Grüße

    Oran-Gina

  • Ergänzen möchte ich noch meine eigene Erfahrung mit Ansprachen oder Hinweisen meines Mannes, als ICH noch getrunken habe und überzeugt war, ICH hätte meinen Konsum im Griff und könnte das kontrollieren:

    Mein Mann hat mich immer mal wieder besorgt auf meinen Konsum angesprochen. Er selbst hat eher wenig getrunken und eigentlich nur in Gesellschaft.

    Heute kann ich seine Sorge nachvollziehen, damals aber hat mich seine Einmischung nur genervt und ich fühlte mich immer wieder von ihm bevormundet. Ich hab trotzdem gemacht, was ICH wollte und für richtig hielt. Ich war überzeugt davon, dass ER einfach keine Ahnung hat und einfach nur aus einer für mich als spießig empfunden gesellschaftlichen Konvention heraus redet und handelt. Und so habe ich abends alleine zuhause meine Flasche Wein geleert oder meine Flasche Sekt mit Aperol gemischt. Für mich war das Feierabend und Savoir-vivre/ la dolce vita. Allmählich wurden meine Mengen größer, aber da ich ja Pausen einlegen konnte, war ich mir sicher keine Alkoholikerin zu sein. Der Gedanke, auf Alkohol verzichten zu müssen, falls ich Alkoholikerin wie mein Vater werden würde, jagte mir eine Heidenangst ein. Dass mein Konsum riskant war, war mir bewusst, aber das hielt mich nicht vom Trinken ab. Riskant bedeutete für mich ja nur, dass es ein Risiko gibt, aber dieses Risiko glaubte ich, im Griff zu haben. Ich glaubte, ich könnte meinen Konsum kontrollieren.

    Erst als mir mein Konsum selbst Sorgen zu bereiten begann, weil ich‘s eben doch nicht so unter Kontrolle hatte. Den Vorsatz, nur ein, maximal zwei Gläser zu trinken, konnte ich so gut wie gar nicht einhalten. Er fiel in der Regel schon beim ersten Glas: „Wieso denn nur ein Glas? Was ist denn das für ein Unsinn.“ ging mir dann durch den Kopf. Und so trank ich, bis ich satt war, und das waren zu dem Zeitpunkt, als ich aufhörte, drei Flaschen Wein (in der Regel trockener Rotwein) und/oder Sekt (pur oder mit Aperol).

    Mein Mann meinte, wenn ich mich richtig erinnere, mal zu mir: „Was wäre, wenn du wählen müsstest zwischen dem Alkohol und mir?“

    Ich fand das eine äußerst fiese Wahl, vor die ich da durch ihn gestellt wurde und ich hatte KEIN Verständnis dafür. Natürlich wollte ich meinen Mann nicht verlieren, aber was sollte denn diese blöde Wahl? Ich lass mir doch nicht das Messer an die Brust setzen, besonders wo ER doch ein Problem draus macht, wo gar keines ist.

    So habe ich damals tatsächlich getickt. Heute kann ich seine Sorge durchaus nachvollziehen.

    Heute ist es für mich unvorstellbar, überhaupt jemals wieder Alkohol trinken zu WOLLEN. ICH habe mich von mir heraus für die Abstinenz entschieden und für MICH war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens.


    Ich erzähle dir das, um zu verdeutlichen, wie ein Mensch mit einem Alkoholproblem ticken kann. Selbst wenn ein Problem eigentlich schon offensichtlich ist, löst man sich nicht unbedingt davon, weil es irgendwie undenkbar ist, ohne Alkohol auskommen zu müssen. Weil es sich fürchterlich anfühlt, das Angenehme, Schöne, was man sich vom Alkoholkonsum verspricht, entbehren zu müssen.

    Das betrifft übrigens Alkoholiker, die noch nicht an dem Punkt angekommen sind, an dem ihnen nichts anderes mehr übrig bleibt, als trinken zu müssen. Die Alkoholiker, die über diesen Punkt hinweg sind, müssen dann trinken, weil die Entzugserscheinungen, wenn der Pegel wieder absinkt, nicht auszuhalten sind. Und die machen dann weiter, obwohl ihnen richtig dreckig geht, weil’s ihnen ohne Alkohol noch dreckiger geht.

    Bei allen ist aber gleich: Von außen kann nicht erzwungen werden, mit dem Alkoholkonsum aufzuhören. Erfolgreich aufhören kann nur jemand, der das selbst als sich heraus aus eigenem Willen will.

    Und weil das leider so ist, ist äußerst fraglich, was DU als Angehörige an Bedingungen schaffen kannst, wenn ER nicht von sich aus für sich selbst die Verantwortung übernimmt.

    Etwas anderes ist das, WENN er die Verantwortung übernimmt, denn dann kannst du ihn dabei begleiten. Die Bedingungen bestimmt ihr dann im Gespräch gleichberechtigt miteinander.

    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier bei uns im Forum!

    Kurze Vorstellung meinerseits: 60, m, Alkoholiker, nach mehreren Rückfällen nun seit 15 Jahren trocken und seit ca. 13 Jahren auch in der Suchtselbsthilfe ein wenig unterwegs.

    In der Beratung, die mein Partner nun angefordert hat, wurde ihm offenbar gesagt, dass er den Alkohol besser nach und nach reduzieren soll. Auch als "Endziel" haben sie keine absolute Abstinenz definiert sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol. Das hat mich sehr enttäuscht, weil ich kann mir ehrlichgesagt nicht vorstellen, dass das funktionieren wird? Vielleicht tue ich ihm unrecht, aber ich vermute einfach, dass er dann immer wieder rückfällig werden wird, wenn er nicht absolute Abstinenz anstrebt. Ist das so üblich, dass erst langsam reduziert wird? Und wie stehen denn die Erfolgschancen für diesen verantwortungsvollen Umgang aus eurer Sicht?

    Mittlerweile scheint es in vielen Suchtberatungen nicht mehr das Endziel "Abstinenz" zu geben, anscheinend um die Leute nicht "abzuschrecken". Ich persönlich halte das auf Grund MEINER persönlichen Erfahrungen (sowohl als Alkoholiker als auch als Leiter einer Selbsthilfegruppe [SHG] als auch aus vielen Gesprächen im Rahmen meiner Arbeit in Krankenhäusern) für falsch, um nicht zu sagen: für völlig falsch. Aber eine Einzelmeinung wie meine ... Ich persönlich bin der Meinung, dass ich es ohne den Willen und das Ziel, abstinent zu werden, NICHT geschafft hätte. Denn am Kontrollierten Trinken (von mir aus auch am Verantwortungsbewussten Trinken) bin ich kläglichst gescheitert. Mehrfach!

    Auf jeden Fall gebe ich AmSee recht, dass er sich auch ärztlich durchchecken und beraten lassen sollte. Und den Kampf (es wird ein Kampf für ihn werden - versprochen!) alleine aufzunehmen, ist auch keine so prickelnde Idee. Mein RAT wäre, sich eine SHG zu suchen, in der er sich halbwegs wohl fühlt.

    Ein paar Gründe dafür findest Du (er natürlich auch ;) ) in diesem Artikel hier. Dort sind auch einige weiterführende Links enthalten, z.Bsp. zu den Themen, welche Therapieformen es gibt, welchen Sinn SHG haben und warum man sie besuchen sollte und ähnliches.

    MIR hat es wahnsinnig viel gegeben und geholfen - und ich bin der festen Überzeugung, dass ich ohne SHG heute noch versuchen würde, vom Alkohol wegzukommen. Oder aufgegeben hätte.

    Okay, das soll erstmal reichen.

    Wenn Fragen sind - immer raus damit!

    Gruß

    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Was glaubst Du , was Dein Partner tun würde, wenn Du ihn nicht drängen würdest?
    Würde er von sich aus aufhören?

    Oder würde er das Trinken noch 10 Jahre lang aushalten?

    Für mich wäre Sucht kein Grund zum Aufhören gewesen, so lange ich das Gefühl hatte, wenn ich mit dem Trinken aufhöre, ist mein Leben sinnlos.

    Ich hab auch so mit Pausen und Abstürzen getrunken. Mein Partner hat es auch 13 Jahre lang mitgemacht. Wir waren früher auch feiern.

    Und dann wars eben so, ich musste zugeben, ein Leben ohne meinen Partner kann ich mir vorstellen. Ein Leben ohne Alkohol nicht.

    Dann hat mich mein Partner verlassen. Positiv dabei war, dass ich dann ungehindert so viel saufen konnte, bis es tatsächlich mir gereicht hat. Bis ich um mich selbst Angat hatte, vor den Folgen der Sauferei. So lange mein Partner da war, hatte ich das nicht, da war ich damit beschäftigt, ihn auf Abstand zu halten.
    Und nachdem es mir gereicht hat, war alles weitere verhältnismäßig easy. Dann bin nämlich ich selbst schon mit der Massgabe zur Beratung, dass ICH aufhören will. Was mein Partner dazu meinte...der musste sich vor allem seiner Coabhängigkeit wegen behandeln lassen, damit er von meiner Problematik mehr Abstand gewinnt. Für mich war es dann zwar mal gut, darüber zureden, aber gegen "Reinreden" war ich absolut allergisch.

  • Liebe AmSee, Oran-Gina und lieber Greenfox,

    viiiiiielen Dank für eure ausführlichen und detaillierten Antworten! <3 Ich denke eure Vermutung ist richtig, dass er selbst sich wohl noch nicht dazu durchringen kann, dem Alkohol ganz den Rücken zu kehren. :( Ich kann mir nicht vorstellen, ihn zu verlassen "nur" um ihm zu verdeutlichen, wie prekär seine Situation ist. Ich weiss genau, dass ich an diesem Punkt noch nicht bin und habe bisher zum Glück auch in hitzigeren Diskussionen noch nie damit gedroht - weil ich weiss, dass ich es nicht durchziehen würde. Wir führen jetzt erstmal beide eine "Trackingliste", wo wir auch notieren wie er stimmungsmässig drauf ist, wann er konsumiert und wie viel etc. Ende Monat soll die dann in einer gemeinsamen Therapiesitzung ausgewertet werden... Vielleicht wird ihm dann auch erstmal bewusst, wie ich ihn erlebe. Ich nehme nämlich an, dass er sich z.B. heute (letzter Konsum am Montag) nicht als gereizt empfindet, während ich das ganz deutlich wahrnehme. :/ Weiter denke ich auch, dass er ärztliche Hilfe brauchen wird. Z.B. behauptet er, dass ein Grund für seinen Konsum ist, dass er ohne nicht schlafen kann. Das ist für mich schon ein Anzeichen dafür, dass eine ärztliche und medikamentöse Begleitung halt schon sinnvoll wäre bzw. ihn unterstützen könnte. Genau wie ich auch eine SHG toll fände. Aber mir ist schon klar, dass er das alles selbst bestimmen und initiieren muss. Ich werde mich aber mal für eine Gruppe vor Ort für mich umschauen...

    Denn eure Gedanken und persönlichen Geschichten haben mir sehr geholfen die Situation einzuordnen. Auch schon nur die Beiträge von anderen hier zu lesen hat mir sehr geholfen. Einige Dinge kann ich jetzt viel besser auch als typisches "Muster" einer abhängigen Person einordnen bzw. bei mir typische Muster einer Angehörigen, die ich vorher eher als individuelle Macke abgetan habe... z.B. dass schon oft die Schuld bei mir liegt (weil ich so spät von der Arbeit komme, sowieso zu viel weg bin, zu wenig oft mit ihm Sex habe etc.) Wahrscheinlich habe ich mich viel zu sehr in die Rolle des Kindermädchens drücken lassen. Das werde ich versuchen abzulegen...

    Mein Vater ist auch funktionaler Alkoholiker und ich werde mich vielleicht schon irgendwann entscheiden müssen, welches Versprechen ich brechen will: das Ehegelübde meinem Mann gegenüber oder das Versprechen mir selbst gegenüber, dass ich nie so werden will wie meine Mom, die die Eskapaden meines Vaters seit Jahr und Tag einfach erträgt und diese "Scheinehe" führt. :| Mal sehen, gerade will ich die Hoffnung nicht aufgeben.

  • Danke Susanne auch für deine Antwort... ich glaube, die Frage werde ich ihm mal stellen. Ob er das ganze nur meinetwegen macht. ?( Weil ja, dann wird es eh nix bringen. Das sehe ich auch ein...

  • Mir fällt noch was dazu ein.

    Wir hatten damals oft Diskussionen. Unterm Strich ging es ganz simpel oft darum, wer von uns beiden recht hat. Ob er recht hat, dass ich ein Alkoholproblem habe, oder ob ich recht habe, dass ich es kontrollieren kann. So in etwa.
    Und ich hätte ja meinem Partner recht geben müssen, wenn ich aufgehört hätte. Das ging damals nicht, wir waren zu sehr in unseren Machtkämpfen verstrickt, als dass ich meine Position hätte ohne Gesichtsvertlust räumen können.

    Kurz gesagt, ich hätte erst vor meinem Partner kapitulieren müssen, bevor ich vor dem Alkohol kapitulieren konnte.
    Als er (nachträglich betrachtet temporär) weg war, konnte ich den Blick auf mich selbst richten.
    Das fing schon damit an, dass ich mir nachts, wenn ich langsam aus dem Koma erwacht bin, nicht mehr überlegen musste, wie ich das nach aussen wieder gerade biege, sondern wirklich meinen eigenen Zustand gespürt habe.

    Und nachdem ich aufgehört hatte, war keineswegs alles gut. Erstens hatte er das Gefühl, dass es nun lange genug um mich gegangen war, er hatte also Forderungen und ich dünne Nerven (meiner Ansicht nach in der Anfangsphase gar nicht zu vermeiden, weil Aufhören trotzdem eine Umstellung und ich verunsichert war) und zweitens hatten wir dann durchaus Kämpfe, weil ich die Verantwortung für meine Trockenheit unbedingt selbst wahrnehmen wollte, und es für mich klar war: seine Sorgen und Ängste sind sein Problem, damit muss er selbst fertig werden. Ich konnte seine Sorgen nicht auch noch lösen, ich war absolut ausreichend damit beschäftigt, mein eigenes Leben umzustellen.

    Also, es war Arbeit. Aber wir sind noch zusammen.

  • Genau wie ich auch eine SHG toll fände. Aber mir ist schon klar, dass er das alles selbst bestimmen und initiieren muss. Ich werde mich aber mal für eine Gruppe vor Ort für mich umschauen...

    Liebe Jeanne, DAS halte ich für eine SEHR gute Idee, dass Du Dir SELBST auch Hilfe suchst.

    Ja, so eine Online-SHG wie unsere hier kann schon sehr hilfreich sein, aber direkte Ansprechpartner, die Einen auch mal in den Arm nehmen und trösten können, sind doch ein anderes Kaliber :thumbup:

    Ich persönlich fand es damals schon ganz hilfreich.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!