Ich habe den ersten Schritt in die Trockenheit gewagt - Und nu? Wie weiter?

  • Wie ist das nun – soll ich mich outen? Einfach so sagen, dass ich Alkoholiker bin, aber eben keinen Alkohol mehr trinke? Und wenn ja – wem sage ich es? Allen? Nur meinen Freunden? Und wie sage ich es?

    Fragen über Fragen, die einen ganzen Rattenschwanz an Fragen nach sich ziehen:
    Kann/darf/soll ich überhaupt zu Hause meinem Besuch noch Alkohol anbieten?
    Was mache/sage ich, wenn man mir Alkohol anbietet, obwohl ich abgelehnt habe?

    Immer wieder kommen diese Fragen auf, sowohl in der Gruppe oder hier von Leuten, die noch ganz am Anfang stehen oder auch bei Krankenhausvorstellungen auf den Entzugsstationen.

    Meines Erachtens gibt es darauf nicht die eine Universal-Antwort.
    Ich habe meinen Weg gefunden und meine Entscheidung getroffen, wie ich in der "Öffentlichkeit" mit meiner Sucht umgehe – nämlich offensiv. Aber das ist nicht jedermanns Sache. Von daher möchte ich hier nur schildern, wie ICH damit umgehe. Und dabei kann man nicht unbedingt alles einzeln sehen, denn alles greift ineinander und bedingt einander (teilweise).

    Als Erstes habe ich beschlossen, aus purem Selbstschutz in die Offensive zu gehen und meiner gesamten Umgebung (Familie, Freunde, Kollegen) „reinen Wein“ einzuschenken – so sie denn nicht schon den Grund meiner Therapie wussten. Ich habe so sinngemäß gesagt „Ich habe leider festgestellt, dass ich Alkoholiker bin. Daher habe ich eine Therapie gemacht. Und damit ich nicht wieder in den Suff rutsche, kann und werde ich in Zukunft keinen Alkohol mehr trinken. Also: Bitte bietet mir keinen an! Und sprecht mich an, wenn Ihr mitbekommen solltet, dass ich welchen trinke!

    Die Reaktionen waren durchweg positiv. Ich war allerdings überrascht, wie wenige überrascht waren von meinem Outing. Oft bekam ich ein positiv gemeintes „Na endlich! Wurde ja auch Zeit!“ zu hören. Aber auch das Gegenteil habe ich gehört. „WAS? DU Alkoholiker? Du hast doch kaum etwas getrunken!“ Das waren die, die mich nur auf irgendwelchen Feiern erlebt haben, wo ich natürlich vorgeglüht und mich dort SEHR zurückgehalten habe, um darauf zu lauern, endlich nach Hause und den Jieper befriedigen zu können.

    Außerdem habe ich allen erklärt, dass ich eben aus diesem Grund entweder überhaupt nicht zu Feiern, Festivitäten o.ä. kommen werde oder aber, wenn ich den komme, durchaus auch sang- und klanglos wieder verschwinden werde, wenn es mir zu viel wird. Vor allem werde ich dies abschiedslos tun, um mich nicht x-fach erklären zu müssen.
    Auch dies wurde erstaunlich gut aufgenommen und akzeptiert

    Dann habe ich auf den Rat von Gruppenfreunden gehört und meine Wohnung zur "alkoholfreien Zone" erklärt.
    Auf diese Weise komme ich gar nicht erst in die Verlegenheit zuzugreifen, sollte mich mal der Jieper ereilen. Ich müsste erst losziehen, um etwas zu holen. Und die Wohnung ist für mich so etwas wie ein sicherer Hafen, ein Rückzugsort.

    Damit sind wir schon beim nächsten Punkt: Wer zu mir zu Besuch kommt, wird keinen Alkohol von mir bekommen. Mittlerweile bin ich schon so weit, dass ich nichts dagegen habe, wenn Besuch eine Flasche Wein/Sekt oder auch ein Bier trinkt, der mitgebracht wurde. Aber ich kaufe keinen Alkohol und ich biete auch keinen an.
    Aber auch das habe ich vorher kommuniziert und es wurde akzeptiert.

    Natürlich hat sich die Zahl der Besuche – und „Freunde“ – zunächst reduziert. Es hat sich schnell herauskristallisiert, wer mein Freund war, weil man mit mir gut einen trinken konnte und wer wirklich mein Freund war.
    Ich habe mich SEHR gefreut, dass die Zahl der wirklichen Freunde überwog.

    Ja, und dann sind da natürlich noch die Situationen, wo einem Fremde Alkohol anbieten bzw. auch aufdrängen wollen.
    Da lehne ich einfach nur dankend ab. Eventuell noch mit dem Hinweis „Danke, ich trinke keinen Alkohol.“
    Wenn mir aber jemand – was leider auch immer wieder vorkommt – trotzdem UNBEDINGT und „nur EIN Gläschen“ aufdrängen will, DANN sage ich „Nein, danke, ich bin TROCKENER Alkoholiker – und das will ich auch bleiben!“
    Meist klappt dann die Kinnlade herunter und das Thema hat sich erledigt.
    Manchmal kommt es dann aber auch zu einem Gespräch über eben dieses Thema.

    Dies ist MEIN Weg. Für mich war er gut. Vielleicht ist er es für den Einen oder die Andere auch.
    Vor allem konnte ich ihn gehen, weil ich vorher mit meiner damaligen Frau über mein Problem gesprochen habe und ihr versucht habe, ES zu erklären.
    Natürlich kann man keinem Blinden die Farben erklären und einem Nicht-Süchtigen die Probleme eines Süchtigen - aber sie wusste ja, was mit mir los war und dass ich das ändern wollte. Also hat sie hinter mir gestanden und alles mitgetragen. Selbst die "alkoholfreie Zone" - die 4-5 Gläser Wein, die sie im Jahr trank, hat sie dann eben bei ihren Freundinnen getrunken und nicht mit ihnen bei uns zu Hause.
    Die Trennung war jedenfalls nicht wegen alkoholischen Gründen 8)

    Aber jeder muss seinen eigenen Weg finden. Vielleicht einen Mittelweg …
    Dies soll nur eine Gedankenanregung sein.

    Was meint Ihr?

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Die ersten Schritte ,die ersten Tage ,die ersten Wochen waren von Unsicherheit geprägt.
    Es war ein Weg in unbekanntes Terrain,das ich nicht kannte: wie wird mein Leben ohne Alkohol?
    Wird mir etwas fehlen ?
    Werde ich es schaffen ,abstinent zu bleiben?
    Ich hatte große Schwierigkeiten, mich zu outen.
    Es sollte meine persönliche Entscheidung sein mein persönlicher Weg ,der nur mich etwas angeht.
    Aber es war auch Scham dabei ,mich zu outen, als jemand,die ein Problem mit Alkohol hat.

    Ich gehe selten aus.
    Demnach war es gar nicht so nötig,mich zu outen.
    Erst einige Zeit später hab ich meinen engsten Freunden gesagt ,dass ich nicht mehr trinke ,weil ich mich nicht im Griff habe und eindeutig zu viel trinke und das über die Jahre hinweg.
    Ich sagte ihnen, dass ich keinen Alkohol mehr trinken werde.
    Bei Bekannten blieb ich bedeckt und bin es auch heute noch.
    Es gab ab und zu Situationen, in denen andere getrunken haben und ich aber den Alkohol ablehnte und sagte ,dass ich keinen Alkohol trinke.

    Diese Anlässe gab es sehr wenige.
    Mittlerweile bin ich so gefestigt nach fast 17 Monaten ,dass ich bei zukünftigen Anlässen genau diese Antwort sage :"Ich trinke keinen Alkohol ". Oder um mich vor weiteren Fragen zu schützen : ich mag keinen Alkohol.
    Das müsste als Erklärung genügen.

    Im Haus habe ich auch keinen Alkohol.
    Meine Besucher trinken in meiner Anwesenheit keinen Alkohol.
    Bei "ab und zu "Gästen habe ich
    aber angekündigt, dass ich keinen Alkohol zuhause habe und wer etwas trinken will ,soll sich seinen Alkohol mitbringen.
    Aber dazu kam es noch nie.
    Daher habe ich momentan das Gefühl, dass mein Weg so richtig ist.

    Es gibt verschiedene Wege und ich persönlich bin der Meinung, dass es nicht den EINEN Weg gibt ,sondern unterschiedliche, genauso wie die Menschen unterschiedlich sind.
    Jeder braucht etwas anderes.

    Tipps und Ratschläge von langjährig abstinenten lese ich gerne ,dabei ist mir ein Austausch wichtig, aber keine Ratschläge, wie "man" es machen sollte.

    Hier zeigen sich auch so viele Wege auf...mit oder ohne Therapie...mehrere Therapien, mehrere Entzüge in Kliniken oder aber "aufhören " ohne Klinik.
    Ich habe keine Klinik besucht, ich war in keiner Selbsthilfegruppe.
    Ich hab über Literatur und über das Forum hier meine Begleitung gehabt und meinen Ausstieg.

    Weiterhin bleibe ich lesend "dran" ...und sorge gut für mich.
    Oberste Maxime lautet:
    Nie wieder zurück zur Flasche !!!!!

    Orangina

  • Es gibt keine für jedermann geeignete Maßnahmen. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, der zu ihm passt. Jedoch sind die Wege derjenigen, die seit Jahren clean sind, gar nicht so verschieden, sondern teilweise identisch.

    Wichtig ist, sich von dem Gedanken zu verabschieden, irgendwann gehe doch noch mal was mit dem Alkohol. So lange der Gedanke im Oberstübchen kreist, wird das nichts mit der Abstinenz. Es hat bei mir ein Weilchen gedauert, bis ich mich von diesem Gedanken verabschieden konnte. Hilfreich waren mir dabei u.a. meine Therapie und der Kontakt mit Rückfälligen, die mir plausibel darlegen konnten, wie schnell sie wieder bei alten Schlagzahlen und noch darüber angelangt waren.

    Stichwort "Offener Umgang" mit der Krankheit. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sie Hinz und Kunz auf die Nase binden. Ich habe genau den Kreis in Kenntnis gesetzt, den ich auch von anderen schlimmen Krankheiten erzählen würde und der ist bewusst sehr eng gezogen.

    Ich werde nur noch ganz selten mal gefragt, ob und warum ich keinen Alkohol trinke. Darauf gibt's die Standartantwort: "Nein, Alkohol bekommt mir nicht, ich vertrage ihn einfach nicht (mehr)."

    Eine weitere hervorragende Antwort hat mit Ferdinand von Schirach geschildert: "Ich halte es nicht für ein erstrebenswertes Ziel, die Kontrolle über meinen Verstand zu verlieren." ich habe sie bislang noch nicht in die Praxis umgesetzt, jedoch abgespeichert.

    Stichwort "Alkoholfreier Haushalt": Ich habe alle alkoholischen Getränke nebst zugehöriger Gläser entsorgt, die ich früher getrunken und benötigt habe.

    Auch die Biergläser können ein Risiko beinhalten. Ich habe mal aus einem zunächst verwahrten Weißbierglas einer Sonderedition, eine Saftschorle getrunken. Kurz darauf wurde ich von Suchtdruck gepeinigt.

    Meine Frau trinkt ab- und an mal ein Glas Wein oder einen Piccolo Sekt und zwar in unserer Wohnung. Etwas Sekt und Wein haben wir daheim im Keller. Da ich das Zeug meiner Frau nie gemocht habe, stufe ich ihren kleinen Vorrat als ungefährlich für mich ein. Wenn ich wirklich was trinken wollte, ginge ich um die Straßenecke zu einer 24/365 Tanke, die all das gekühl vorrätig hat, was ich missbräuchlich gesoffen habe.

    Falls mich ein Neuanfänger um Rat bäte, würde ich ihm sofort den alkoholfreien Haushalt ans Herz legen.

    Alternative Getränke: Alkoholfreie Varianten von Bier, Wein oder Sekt: Finger weg. Alles was aussieht wie Alkohol, riecht wie Alkohol oder schmeckt wie Alkohol ist tabu.

    Das ist mein Weg, auf dem ich seit Jahren zufrieden und unfallfrei unterwegs bin. Einen vernünftigen Grund für einen Kurswechsel vermag ich nicht zu erkennen.

    Gruß
    Rekonvaleszent


  • Wie ist das nun – soll ich mich outen? Einfach so sagen, dass ich Alkoholiker bin, aber eben keinen Alkohol mehr trinke? Und wenn ja – wem sage ich es? Allen? Nur meinen Freunden? Und wie sage ich es?

    Fragen über Fragen, die einen ganzen Rattenschwanz an Fragen nach sich ziehen:
    Kann/darf/soll ich überhaupt zu Hause meinem Besuch noch Alkohol anbieten?
    Was mache/sage ich, wenn man mir Alkohol anbietet, obwohl ich abgelehnt habe?

    Als ich mir selbst eingestehen musste, Alkoholikerin zu sein, verlor der Begriff für mich selbst merkwürdigerweise seinen Schrecken. Vorher hatte ich oft Angst, es zu werden.

    Ich habe diesen Begriff jedoch anderen gegenüber bislang nur selten verwendet und tue es immer noch selten. Ich sehe den Schutz, den das bieten kann, sehe aber auch die Nachteile, die ein gewisses Schubladen-Denken, das ich bislang so beobachten durfte, mit sich bringt. Ich mag Schubladen-Denken nicht.

    Mein Mann und ein paar wenige gute Freunde wissen genau Bescheid.

    Ansonsten sage ich, dass ich keinen Alkohol trinke und lehne Alkohol, sofern er mir angeboten wird, einfach ab. Ein paar Menschen, mit denen ich näher bekannt bin, habe ich auf deren Nachfrage erklärt, dass ich nicht mehr trinke, weil ich feststellen musste, dass ich mit Alkohol nicht umgehen kann und die Kontrolle über meinen Konsum verloren hatte.
    Das hat bislang genügt.

    Mein Haushalt ist alkoholfrei, ich habe alle zugehörigen Gläser entsorgt und ich kaufe auch keinen Alkohol für meinen Besuch. Wer mich besucht, weiß darüber Bescheid oder wird ggf. darüber informiert. Mittlerweile darf mein Besuch, wenn er Alkohol konsumieren will, sich welchen mitbringen, das kommt aber nur äußerst selten vor.

    Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Gibt es eigentlich auch nur einen einzigen Alkoholiker, den das, so lange er getrunken hat, interessiert hat, was Andere dazu sagen?
    Hat sich da je jemand dran gehalten, dass irgendwer wollte, dass man weniger trinkt?
    Waren wir da nicht schon mal alle sehr gut darin, dafür zu sorgen, dass wir bekommen haben, was wir damals wollten?

    Warum wird die Frage, was andere über einen denken, wichtig, wenn man aufhört?


  • Warum wird die Frage, was andere über einen denken, wichtig, wenn man aufhört?

    Ich denke, es hat mich vorher auch schon interessiert.
    Ich weiß nur, dass ich vor anderen mit meinem Konsum auch nicht auffallen wollte und ich bin vermutlich auch nicht aufgefallen, da ich entweder in der entsprechenden angeheiterten Runde war oder unauffällig zuhause für den Pegel gesorgt habe, den ich brauchte/ wollte.
    Der einzige, der es wirklich mitgekriegt hat, war mein Mann. Dessen Sorge nervte mich und ich glaubte, er sprach mich nur deshalb drauf an, weil er wusste, dass mein Vater Alkoholiker war.

    Und bei vielen Geschichten von Alkoholikern, die ich so gelesen habe, glaubten diese, dass ihr Konsum nicht auffällt. Nicht wenige haben heimlich getrunken, damit es eben nicht auffällt.
    Daraus könnte man schließen, dass die Frage, was andere über einen denken, schon vor dem Aufhören, eine Rolle gespielt hat.

    Und wenn ich noch im Beruf wäre, hätte ich nicht über diesen Fehler, den ich begangen und aus eigener Kraft überwunden habe, stolpern und mir mit diesem Bekenntnis und der entsprechenden Schublade, in die man mich gesteckt hätte, Steine in den Weg legen wollen.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Tja.

    Viele absoluten Vollalkoholiker, die ich kannte, hatten das Bedürfnis, im Suff der sogenannten "Besseren Gesellschaft", aus der nicht wenige von ihnen stammten, die absolute Verachtung ihres Lebensstils nahe zu bringen. Sie führten sich als auf wie die Wildschweine.

    Vorgestern sah ich an einer Bushaltestelle einen, voll versifft, Flaschenbatterie um sich herum, und ein Ghettoblaster voll aufgedreht, damit auch alls Passanten wirklich gucken. Er hat sich auch umgeschaut, guckt Ihr?

    Die "Verdrucksten" hab ich erst kennengelernt, als ich schon lange nüchtern war, ist mir bis heute bisschen fremd. Mein Alkoholikerbild, das ich auch selbst gegeben hatte, war das des darauf stolzen Hartsäufers. Auch wenn ich bei vielen Angehörigen lese, dann habe ich oft den Eindruck, dass sich viele Trinker absolut im Recht sehen, das zu tun (und was sie auch haben), und sich damit keinesfalls verstecken. Im Büro wird am Montag stolz erzählt, was man am Wochenede alles versoffen hat, oft genug gesehen als ich schon aufgehört hatte.

    Und als ich das beim Arbeiten aber kontrolliert habe und nicht aufgefallen bin, hab ich doch schon damals völlig selbstverständlich Saftschorle getrunken, wenn es um was ging. Da änderte sich im Prinzip doch gar nichts bei mir. "Bierchen zusammen trinken" geht halt nicht, aber das kriege ich dann auch noch hin.


  • Gibt es eigentlich auch nur einen einzigen Alkoholiker, den das, so lange er getrunken hat, interessiert hat, was Andere dazu sagen?

    Was meinst Du, woher meine Suizidgedanken kamen? Weil ich es immer wieder nicht geschafft habe, endlich aufzuhören und somit die anderen immer wieder nur enttäuscht habe. Und mich selbst.

    Und um diese beschissenen Gedanken zu vertreiben, habe ich wieder getrunken. Nur damit ich mich wieder beschissen fühle, weil ich es wieder nicht ... aus dem Kreislauf geschafft habe.

    Wie beim "Kleinen Prinzen":

    Der nächste Planet wurde von einem Säufer bewohnt. Sein Besuch war nur sehr kurz, doch versenkte er den kleinen Prinzen in eine tiefe Traurigkeit:
    »Was machst du hier?«, sprach er zu dem Säufer, den er stumm sitzend vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen vorfand.
    »Ich trinke«, antwortete der Säufer mit düsterer Miene.
    »Und warum trinkst du?«, fragte der kleine Prinz.
    »Um zu vergessen«, antwortete der Säufer.
    »Was willst du vergessen?«, fragte der kleine Prinz, der ihm schon leid tat.
    »Ich will vergessen, dass ich mich schäme«, gestand der Säufer und ließ den Kopf hängen.
    »Über was schämst du dich?«, fragte der kleine Prinz beharrlich weiter, denn er wollte ihm helfen.
    »Ich schäme mich, weil ich saufe!«, sagte der Säufer abschließend und hüllte sich in tiefes Schweigen.

    Diese Geschichte beschreibt meine damalige Situation sehr gut. Und ich habe in meiner Gruppe und auch in den Entgiftungsstationen einige Menschen kennengelernt, denen es ähnlich erging.

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    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ich glaube Dir das, bei mir war es trotzdem anders und ich komme eben aus einer andere Ecke. Und hab vermutlich auch eine andere Sozialisation erlebt. Fängt schon damit an, dass ich Wessi bin, aber uns erzählte die katholische Kirche, dass das irdische Leben sowieso ein Jammertal ist, wir sowieso als Verbrecher auf die Welt gekommen sind (die gute alte Erbsünde), und wenn Du in die Gesichter geguckt hast, hast Du das auch geglaubt. Ausserdem, Schwaben, schaffa schaffa, Häusle baua, Vergnügen ist auch ein Verbrechen. Alle nur aufs Paradies, ein Leben vor dem Tod gibts gar nicht. Ich hatte, äh, Anpassungsschwierigkeiten. Mir wars mehr nach "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit"..aber dem standen massenweise Hindernisse im Weg.

    Ich fand das Leben zumindest teilweise sowieso grundsätzlich scheisse, gab allen möglichen Leuten im einzelnen und der ganzen Menschheit im Besonderen die Schuld dafür und ging lange grundsätzlich davon aus, dass man das sowieso nur besoffen oder zugedröhnt aushalten kann.
    Mein Wille, nüchtern zu leben, war einfach nicht vorhanden. Nix, null. Bisschen Kontrolle, dass es nicht zu schlimm wird, aber dann Ende der Fahnenstange. Mein Leben war mir wenig wert, ich habs gehasst.

    Ich hatte mich von anderen sowieso schon so weit entfernt, war ja auch nur projektweise irgendwo, kaum soziale Bindungen ausser meinem Partner, der aber auch schon die Schnauze von mir voll hatte, dass bei mir vermutlich sowieso kein Hahn danach gekräht hätte, dass das in meinem Denken überhaupt keine Rolle spielte, was andere für Erwartungen an mich hatten. Ich war ein Solitär, innerlich einsam, aber auch irgendwie frei. Freedom's just another word for "Nothing have to loose - Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, das man nichts zu velieren hat, Leb schnell, liebe hart, sterbe jung. Klar, aus heutiger Sicht Alkiweltschmerz, aber damals war das eben so bei mir.

    Mir war aber auch irgendwie klar, wenn ich rückfällig werde, dann hab ich aber ein ganz gewaltiges Problem, vielleicht wärs ja auch so geworden, dass ich mich hätte umbringen wollen. Da ich selbst mein härtester Kritiker sein kann, keineswegs ausgeschlossen. Da fing dann halt irgendwie der gesunde Egoismus bei mir an, indem ich mich lange und intensiv damit auseinandergesetzt habe, wie man Rückfälle vermeiden kann...im eigenen Interesse.

    Und damit sind wir wieder beim Thema...jetzt hab ich aufgehört, wie mache ich es, dass ich nicht wieder anfange.
    Das beantworte ich nicht für die Allgemeinheit, da jeder andere Vorstellungen hat, was er gerne hätte. Das materielle, was Reko angeführt hatte, ist für mich dabei aber nur ein Nebenbereich. Es gibt ja auch Leute, die ohne Kohle glücklich sind, ganz so bin ich nicht, aber jeder ist eben anders.

  • »Ich schäme mich, weil ich saufe!«, sagte der Säufer abschließend und hüllte sich in tiefes Schweigen.[/i]

    Diese Geschichte beschreibt meine damalige Situation sehr gut. Und ich habe in meiner Gruppe und auch in den Entgiftungsstationen einige Menschen kennengelernt, denen es ähnlich erging.

    Das mit der Scham kenne ich aus der Endphase meiner aktiven Zeit, als ich nicht mehr in der Lage war, wenigstens mal für ein paar Tage eine Saufpause einzulegen, was mir früher noch gelungen war und womit ich mir selbst einen vorgemacht hatte. Da war mir klar, jetzt muss sich was ändern, so kann es mit mir einfach nicht weiter gehen.

    An die Passage des Kleinen Prinzen, den ich mal zu Schulzeiten im französischen Original, deutsche Übersetzung lag natürlich "unauffälig" zwischen den Beinen, lesen musste, kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Ist ja auch ca. 40 Jahre her.

    Ich sollte ihn einfach mal wieder lesen.

  • Für mich war es früher so,dass ich versuchte zu verheimlichen,dass ich zu oft und zu viel getrunken habe.
    .
    Oft genug hatte ich Sorge,dass man es mir ansieht,dass ich getrunken habe.
    Andere Male verharmloste ich meinen Konsum und stempelte dies als "normal " ab.(je nach Gefühlslage,je nach Einsicht)
    Genau dazwischen bewegte ich mich :
    Es war die reinste Selbstlüge und oft genug die Scham.
    Ich denke ,das Pendeln zwischen diesen beiden Polen kennt jeder/jede mit einem Alkoholproblem.
    Als noch Trinkender ist die eigene Wahrnehmung verzerrt zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
    (Hoffentlich ist s mit mir noch nicht so schlimm und ich kann jederzeit aufhören oder aber die Verzweiflung ist deutlich spürbar:wahrscheinlich bin ich noch tiefer gesunken wie ich befürchte).

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