Bleiben oder Gehen?

  • Hallo,

    Ich bin schon länger auf der Suche nach Ratschlägen, leider erscheint meine Gesamtsituation immer verfahrener bzw. bin ich an einem Punkt angekommen, der mir irgendwie endlos oder perspektivlose erscheint.. Zur Situation
    Ich bin Anfang 30 und lebe in einer langjährigen Partnerschaft. In unserer Beziehung läuft so einiges falsch, weshalb ich mich vor kurzem räumlich von ihm getrennt habe um zu schauen, ob es noch eine Perspektive gibt.. Ein Riesen Problem unserer Beziehung ist seine Umgang mit Alkohol, ich bin mir ziemlich sicher dass er abhängig ist, was er mittlerweile auch so bestätigt bzw sich selbst eingesteht. Er war schon immer der Typ der gerne mal ein Bier trinkt und in Stresssituationen dazu neigte mehr zu trinken.. Dies wurde auch in seiner Familie gerne gesehen bzw. auch so praktiziert. Nun wurde sein Trinkverhalten in den letzten Jahren immer seltsamer, ich fand immer mal wieder Wodkaflaschen in Schränken o. Ä. Er trank wohl schnell und heimlich um sich gerne auch mal kurz vorm Schlafen gehen wegzukippen. Man muss dazu sagen, dass mein Vater Alkoholiker ist und ich daher auch ein gebranntes Kind bin und damit nicht gut umgehen kann.. Dieses "heimliche" Trinken schlich sich wohl so ein sodass es mal mehr mal weniger war und ich neben ihm einschlief und mich der Geruch nach Alkohol regelrecht anekelte. Dies führte immer mehr zu Spannungen etc. Ende des Jahres zog ich dann unter anderem deswegen die Reisleine und zog aus. Ich trennte mich räumlich von ihm, er versprach Besserung und wollte sich ändern. Zu diesem Zeitpunkt zeigte er sich auch einsichtig was sein Trinkverhalten angeht. Allerdings sucht er nach Ausreden wieso weshalb er zum Trinker wurde u. A. in mir. Mittlerweile habe ich ihn schon mehrfach erwischt als er nachts nach Alkoholkonsum aufstand und orientierungslos irgendwohin pinkelt im Glauben auf der Toilette zu sein. Am nächsten Tag gab er nachdem ich ihn darauf ansprach an, es noch zu wissen und sich zu schämen... In solchen Momenten widert mich sein Verhalten so an.. Wenn er nüchtern ist oder man das Gespräch sucht tut er mir wieder leid und ich möchte nicht dass er noch mehr abstürzt.. Er nimmt Alkohol als Seelentröster und Verdränger von Problemen (unzufrieden mit sich selbst....). Und als Gründe benennt er immer mal wieder mich, ich würde ihn nicht unterstützen etc.. Ich kann ihm gegenüber nur selten wenn es um dieses Thema geht sachlich gegenüber treten, da mich sein Verhalten so wütend und traurig macht und ich keinen Ausweg sehe. Wenn ich ihn verlassen würde, was ich eigendlich nicht will, habe ich Sorge was aus ihm wird, tut er sich was an, kommt er klar, findet er einen Sinn.. Andererseits mag ich ihn idn möchte dass wir gemeinsam Wege finden. Keine Ahnung, es ist alles kompliziert... Es erscheint perspektivlos..

  • Hallo Laila,
    mein Ex war selber Spiegeltrinker, er hat mir auch immer wieder die Schuld gegeben, dass er zum Trinker wurde. Lass dir das auf gar keinen Fall einreden. Du kannst ihn auch nur so weit unterstützen, ihm Adressen an die Hand zu geben von AA-Treffen oder Psychotherapeuten, hingehen muss er schon selber. Sich räumlich zu trennen, finde ich, war auf jeden Fall eine gute Entscheidung, damit dein Partner sieht, dass du nicht selbstverständlich bist. Mein Ex hat mehrere Entzüge in Eigenregie ohne langanhaltenden Erfolg hinter sich gebracht. Ich muss dazu sagen, wir sind nur wegen Kind und Job zusammen geblieben, als es nicht besser wurde, bin ich ausgezogen. Meinem Ex hat nur eine Entzugsklinik geholfen und die Aussicht sein Kind wiederzusehen. Auch habe ich mit seiner Familie gesprochen, dass die jetzt übernehmen müssen. Wenn er es nicht aus eigener Kraft heraus schafft, was sehr schwierig ist wird ihm wahrscheinlich nur eine Klinik helfen können. Ich wünsche dir viel Kraft und das alles gut wird. Viele Grüße

  • Hallo Laila,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum!

    Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und trinke jetzt schon länger keinen Alkohol mehr. Ich trank vorher über 10 Jahre abhängig und die meiste Zeit davon heimlich. Das "gelang" mir so gut, dass selbst meine Familie erst am Tag meines Outings wirklich verstand, was eigentlich los war.

    Ich will Dir einfach ein paar Gedanken zu Deinem Post da lassen.

    Was Du von Deinem Partner so schreibst oder beschreibst deutet auf ein großes Alkoholproblem hin. Damit meine ich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich süchtig ist und nicht "nur" Missbrauch betreibt, extrem hoch ist. Aufgrund Deiner Beschreibung darf man davon ausgehen, dass er Alkholiker ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Du eventuelle Hoffnung auf eine "Besserung" oder auf ein Zurückfinden zu einem moderaten Trinkverhalten einfach fahren lassen kannst. So wie ich Dich lese ist Dir das aber bereits bewusst.

    Wenn es also einen Weg heraus geben sollte, dann könnte dieser nur so aussehen, dass Dein Partner aktiv gegen seine Sucht vorgeht. Das würde dann also bedeuten, über welche Maßnahmen er das dann auch immer umsetzten würde, keinen Alkohol mehr für ihn, überhaupt keinen Alkohol mehr und das mit allergrößter Wahrscheinlichkeit für den Rest seines Lebens.

    Was Du jetzt vielleicht mit einem Nicken und vielleicht so gar mit Freude gerne so annehmen würdest, das wird bei ihm wahrscheinlich Panik auslösen. Ich hätte mir das jedenfalls lange, tatsächlich sogar bis zum Schluss, nicht vorstellen können. Ich hatte irgendwann eine Schwelle überschritten, wo ich auch keinen Sinn mehr darin sah, Trinkpausen einzulegen oder meinen Konsum bewusst einzuschränken. Ich war tatsächlich bereit es "laufen" zu lassen, quasi lethargisch mit dem Gedanken "es kommt wie es kommt und wenn ich mich tot saufe dann ist das halt so".

    Eine richtige Erklärung, weshalb ich völlig ungeplant von einem auf den anderen Tag aufgehört habe, kann ich Dir nicht geben. Meine Frau hatte abends auf mich gewartet, die Kinder anderweitig untergebracht und mich mit einer von ihr aufgedeckten schlimmen Lüge von mir konfrontiert. Ich wäre jederzeit in der Lage gewesen, wie so oft vorher, mich auch dieser Situation durch noch "geschickteres" Lügen, Versprechen und Ankündigen herauszumanövrieren. Aber wie vom Blitz getroffen wusste ich: Ich will nicht mehr. Ich denke, ich war einfach so müde vom ständigen Lügen und Betrügen, so dass einfach dieser Punkt, dieser persönliche Tiefpunkt für mich erreicht war und ich einfach nicht mehr wollte. Es war wie ein "klick" und dann aber auch sofort der absolute Wille und die absolute Bereitschaft ALLES dafür zu tun nicht wieder trinken zu müssen.

    Ich schreibe Dir das einfach nur deshalb, weil es so war und weil es auch mal so sein kann. Mehrere Alkoholiker die ich kenne, haben mir erzählt, dass sie ganz plötzlich wussten, dass nun der Punkt gekommen war, wo sie ernsthaft aussteigen wollten. Nicht selten gab es davor aber viele gescheiterte Versuche die dann lediglich in Trinkpausen oder in einem Rückfall endeten.

    Zusammengefasst kann man also sagen, "die Hoffnung stirbt zu letzt". Und das schreibe ich jetzt auch ganz bewusst so, dann wenn Du Dir mal die Statistiken ansiehst, dann sind es eben tatsächlich die wenigsten, die überhaupt ernsthaft versuchen etwas gegen ihre Sucht zu unternehmen. Und von jenen, die es ernsthaft versuchen, sind es wiederum nur relativ wenige, die es dann auch dauerhaft schaffen. Und das liegt m. E. sicher nicht daran, dass diese Menschen (also die, die es nicht schaffen) irgendwie "schwach" wären, sondern daran, dass diese Sucht eine verdammt gefährliche und heimtückische Krankheit ist. Ich kann von mir sagen, dass ich einfach auch verdammt viel Glück hatte. Also später dann, als der Entschluss gefasst war und ich fest entschlossen war nie mehr zu trinken. Ich hatte einfach auch ganz viel Glück, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zu treffen und bei den vielen Entscheidungen die anstanden offenbar auch immer die richtigen zu treffen.

    Zurück zu Deinem Partner: Wenn man liest was Du schreibst, ist der erste Impuls zu sagen: Nix wie weg, es scheint nicht nur perspektivlos, es ist perspektivlos.

    Nun wird es aber ja so sein, dass Du Gründe hast, weshalb Du nach wie vor mit ihm zusammen bist. Wenn auch in etwas distanzierterer Form. Und ich will Dir diese Gründe auch nicht absprechen, denn nur Du allein entscheidest, wie Du Dein Leben führen möchtest. Was ich Dir aber sagen möchte, vielleicht im Hinblick auf die Frage "Macht es überhaupt Sinn sich die Mühe zu machen, diese Beziehung vielleicht doch retten zu wollen/zu können", ist, dass bei einem Alkoholiker nur TATEN zählen.

    D. h. es wird und kann sich nur etwas ändern, wenn er aktiv tätig wird. All die Gründe, weshalb er trinken muss, all die Eingeständnisse das er weiß, dass er Alkoholiker ist, all die Versprechen oder Ankündigungen, dass er aufhören wird, all das ist aus dem Munde eines Alkoholikers völlig bedeutunglos. Natürlich auch die Hinweise, dass Du ihn zu wenig unterstützt und wenn Du ihn nur besser unterstützen würdest, dann könnte er es auch schaffen..... auch das, völlig bedeutungslos und darüber hinaus auch noch komplett falsch.

    Ein Alkoholiker, und das sage ich aus meinen Erfahrungen heraus, lebt nicht in der gleichen Welt wie der nichttrinkende Partner. Er nimmt seine Umwelt nicht so wahr, wie ein nichtsüchtiger Mensch. Er hat immer den Filter Alkohol vorgeschalten. Den hat er auch vorgeschalten wenn er nüchtern ist. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass die Sucht über die Jahre einen Menschen verändert, grundsätzlich verändert woraus dann dieses typische Verhalten resultiert. Genau das Verhalten, dass Du von ihm beschreibst.

    Leider ist nur er ALLEIN in der Lage, diese Situation zu verändern. Das muss er aber auch WOLLEN. Niemand von außen kann das tun. Von Außen kann erst unterstützt werden, wenn der Alkoholiker die ersten Schritte selbst getan hat und dann auch weiterhin den allergrößten Teil Arbeit selbst macht. Man kann von Außen nicht einfach trockengelegt werden, um es mal salopp zu formulieren. Das ist ein langer Weg, auch ein schwieriger Weg und als Alkoholiker lernt man sozusagen, sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und es nicht dem Alkohol abzugeben.

    Doch selbst wenn er dazu bereit wäre und das durchziehen würde, musst Du Dir darüber im Klaren sein, dass das auch für Dich enorme Veränderungen mitsich bringen würde. Du würdest aller Voraussicht nach auch nicht mehr den Partner zurück bekommen, den Du kennst oder kanntest (der er vielleicht in lichten, klaren Momenten war), sondern einen anderen Menschen den Du auch erst mal noch kennenlernen musst. Nicht selten zerbrechen langjährigen Beziehungen nachdem der trinkende Partner trocken wurde (so auch bei mir). Aber, ich will nicht zu schwarz malen, ich kenne auch einige Partnerschaften, die durch intensive gemeinsame "Arbeit" zurück zu eine guten und harmonischen Partnerschaft gefunden haben (soweit ich das von Außen beurteilen kann).

    So und nun stehtst Du da und darfst entscheiden, ob Du das alles "ertragen" möchtest oder ob Du nicht doch lieber Dein eigenes Leben leben solltest. Ohne ihn, dafür aber mit der großen Chance wieder frei zu sein und Dich weiter entwickeln zu können. Ohne all die Ängste und all die Unsicherheiten, die eine Beziehung mit einem Alkoholiker, auch mit einem (frisch) trockenen Alkoholiker, so mit sich bringen.

    Ich möchte eines noch schreiben: Mir scheint ja, Du schreibst es, dass Dich aktuell eher die Sorge um ihm, vielleicht eine Art Pflichtbewusstsein Deinerseits, ein "ich kann ich doch nicht einfach fallen lassen", dazu bringt überhaupt über eine Fortführung dieser Beziehung nachzudenken. Nun, spontan muss ich da sagen, dass ich das für keine gute Basis für eine Beziehung auf Augenhöhe halte. Was ist eigentlich mit BEIDERSEITIGER Liebe? Aber, unabhängig davon, solltest Du Dir auf jeden Fall eine Grenze setzen aber der Du dann Konsequenzen ziehst, sonst kann das in einer unendlichen Geschichte enden, in der Du, obwohl Du nicht trinkst, ebenfalls von (s)einer Sucht abhängig bist. Stichwort hier auch: Coabhängigkeit.....

    Wenn Du es nicht schon 100x mal getan hast, dann sprich mit ihm und lege ihm ultimativ Deinen Standpunkt dar (idealerweise führst Du dieses Gespräch wenn er nüchtern ist). Sage ihm wie Du das alles erlebst und wie es Dir damit geht, versuche in Ich-Botschaften zu kommunizieren. Und erkläre ihm was Du tun wirst, wenn die Sitaution so bleibt wie sie ist. Da kannst Du durchaus auch mal ein Ultimatium setzten. Es könnte also so lauten, dass Du nur bereit bist dieser Beziehung eine Chance zu geben, wenn er eine Therapie antritt. Vorher braucht er nicht auf Dich zu zählen und wenn er die Therapie auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebt bist Du ebenfalls weg. Ich schrieb es schon: Nur TATEN zählen.

    Wenn Du dann wirklich konsequent handelst, sieht er, dass Du es ernst meinst. Manchmal, aber nur manchmal, kann konsequentes Handeln etwas beim Betroffenen auslösen. Es kann wach rütteln. Muss aber nicht. Jedoch ist es für Dich so oder so erst mal positiv. Entweder er kommt in die Spur und Du entscheidest dann, in wieweit Du ihn begleiten und eine Chance geben möchtest oder aber Du beginnst ein neues Leben. Ich denke, alles ist besser als ein Verharren in Deiner aktuellen Situation. Aber das ist nur meine Meinung, denn Du alleine entscheidest über Dein Leben. Und ich weiß, dass ich mich leicht rede, weil ich nicht in Deinen Emotionen gefangen bin. Ich habe das alles (von der anderen Seite) selbst schon durch. Die Trennung von meiner Frau und meinen Kindern (diese ging von mir aus), all die schrecklichen Gefühle, ich weiß was das bedeutet. Aber, ein Neuanfang funktioniert nur, wenn man klar ist und weiß was man will.

    Das waren meine Gedanken. Alles Gute für Dich und ich wünsche Dir, dass Du schnell die Klarheit bekommst um die richtigen Entscheidungen für Dich treffen zu können.

    LG
    gerchla

  • Vielen Dank für eure Tipps. Es tut einfach gut sich auch mal austauschen zu können. Ich habe zwar eine Freundin der ich mich in dieser Sache anvertrauen kann, jedoch sonst niemanden und das ist so anstrengend, all die Ängste, Sorgen und vor allem auch die Enttäuschung und Wut, die brodelt in einem.
    Das Problem ist immer dieses emotionale, man ist irgendwie gefangen in einer solchen Beziehung in den eigenen Gedanken und auch in der Gewohnheit der Beziehung. Ich weiß objektiv dass er wahrscheinlich noch nicht an dem Punkt angekommen ist, wo er sich für sich selbst ändern will und sich Hilfe sucht bzw lernt mit Frust anderweitig umzugehen...


    Leider ist aber auch der gegenseitige Respekt und das Vertrauen durch all das Geschehene deutlich in den Hintergrund gerückt...was ich ebenfalls als deutliches Problem seinerseits empfinde, dass er keinerlei tiefgehende Freundschaften hat bzw. sich absolut niemandem anvertrauen würde..
    Thema abgrenzen, dass muss ich wohl noch lernen. Es ist ein dauerndes Hin und Her der Gefühle mal ist es Liebe, mal Hass, mal Wut und dies kann sehr schnell switchen je nach Situation.. In meinem Kopf herrscht ein ständiges Chaos, sodass es mir auch hier schwer fällt zu filtern und zu ordnen bzw. nicht zu lange Texte zu verfassen.

  • Guten Morgen,

    ich bin trockene Alkoholikerin.

    Also ich kann Dir nur sagen, mein Partner hat lange darauf gewartet, dass ich es endlich kapiere.
    Ich habe in dieser Zeit drauf gehofft, dass er endlich meine Sauferei akzeptiert.

    Ich habe mich genau so im Recht gesehen, zu saufen, wie er sich im Recht gesehen hat, etwas dagegen zu haben.
    Ich habe ihm immer gesagt, wenn er eine Partnerin will, die nicht trinkt, dann soll er sich halt eine suchen, es gibt doch genügend. Warum soll ich deswegen denn aufhören, ich will trinken. Das war mir in letzter Konsequenz wichtiger als die Beziehung. Ich hätte ihn gehen lassen. Und ich konnte mich wenigstens besaufen, wenns mir mal wieder gereicht hat. So gesehen hatte ich es vermutlich einfacher als er.

    Die ganz schlimmen Momente hab ich dank Filmriss oft einfach vergessen, aber er wusste es natürlich noch und hat drunter mehr gelitten als ich. Insofern hatte er eigentlich auch mehr Grund, was - an seiner Situation - zu ändern, als ich das hatte. Nur konnte er das eben genau so wenig wie ich. Aufgehört habe ich erst dann, als es mir selbst wirklich gereicht hat, und das dauerte sehr lange. 13 Jahre lang hat er das mitgemacht, konnte sich aber auch nicht trennen. Ich schwankte auch schon manchmal zwischen Mitleid mit ihm und Verachtung dafür, dass er sich das antat.
    Erst als er sich dann tarsächlich sichtbar auf den Weg machte, mich zu verlassen, habe ich ihn das erste mal seit langem überhaupt wieder als Mensch ernst genommen. Vorher waren die ganzen Drohungen von ihm für mich auch nur noch leeres Geschwätz, er liess ja auch keine Taten folgen.
    Und ich konnte endlich ungestört saufen, sonst wäre ich vermutlich nie an meinen Tiefpunkt gekommen. Es war wichtig, für beide Seiten, dass er mich endlich losgelassen hat, auch, damit ich endlich wirklich auf die Schnauze fliegen konnte. Mir musste es auch weh tun, und so lange er mich davor zu bewahren versuchte, wurde das halt nix.

    Er wollte mich auch retten, ich wollte aber gar nicht gerettet werden. Und ich war auch schon die zweite, meine Vorgängerin hatte ihn fast umgebracht, und da hatte er sich von den Therapeuten auch schon mal was über sein Helfersyndrom angehört. Damals war er absolut empört, Majestätsbeleidigung.
    Aber das Gegenteil von "gut" ist eben nicht "schlecht", sondern "gut gemeint". Als wir dann endlich mal zur Sache kamen und das aufgearbeitet haben, war das ein zentrales Thema.

    Und wenn halt jeder immer nur drauf wartet, dass sich der andere endlich ändert, passiert wenig.

    Für ihn wäre es vermutlich auch schwer, aufzuhören, eigentlich ziemlich egal, wen von Euch beiden die Veränderung nun trifft. Einer muss halt, er tuts nicht. Du leidest wahrscheinlich mehr als er und Du machst trotzdem auch keine Nägel mit Köpfen. Wahrscheinlich leidest Du eben auch noch nicht genug, um Dich zu entscheiden.

    Aus meiner Sicht als Aussenstehende würden sich für Dich genügend Möglichkeiten bieten, Dein Leben selbst in die Land zu nehmen. Schwierigkeiten gibt es immer, da muss man durch, alles andere sind auch bei Dir nur Ausreden, um noch ein bisschen im Elend sitzen bleiben zu dürfen.
    Du bist aus meiner Sicht möglicherweise genau so wenig so weit wie er, Konsequenzen zu ziehen und die Verantwortung für Dein Leben selbst zu übernehmen.

    Gruß Susanne

  • Hallo Laila,

    Willkommen! Ich bin Alkoholikerin, mittlerweile lebe ich abstinent.

    Du hast das Wesentliche bereits geschrieben bekommen...Leider kannst Du deinen Freund nicht zum Aufhören bringen, zum weniger trinken auch nicht. Wenn jemand an einer Suchterkrankung leidet, dann ist das Suchtmittel die höchste Priorität in allen Lebenslagen. Die Sucht ist stärker als die Liebe zum Partner und sogar zu den eigenen Kindern. Und einem Süchtigen ist auch jedes Mittel recht seine Sucht zu rechtfertigen...wie oft hatte damals mein Mann für mein Trinken hinhalten müssen...oder meine Vergangenheit...oder die schwierige Gesellschaft...oder der Stress bei der Arbeit etc etc, Gründe für s Trinken fand ich zu tausenden! Aber die meisten Menschen haben Probleme, Traumas, schwierige Kindheit etc und trinken aber nicht. Solange dein Freund nach Ausreden sucht ist er leider noch weit davon entfernt nach Lösungen zu suchen.

    Es war bei mir nicht anders als bei meinen Vorschreibern: Erst als ich entschlossen war für MICH abstinent zu werden konnte ich meine Krankheit ernsthaft in Angriff nehmen und Hilfe aufsuchen. Alles was ich vorher unternahm waren halbherzige Aktionen um meinen Mann „ruhig“ zu stellen, Schein-Verbesserungen etc, was alles tu noch mehr Verheimlichen und Lügen führte.

    Ich bin kein manipulativer Mensch oder egoistisch bis zum Punkt dass ich andere für mein Verhalten verantwortlich mache. Aber genauso habe ich gehandelt als ich im Suff festhing. Der Alkohol hat aus mir jemanden gemacht den ich mit der Zeit selbst nicht mehr aushielt, ich konnte mich nicht mehr im Spiegel ansehen.

    Alles Gerede und Helfenwollen von meinem Mann hatte eigentlich nur als Konsequenz,dass sich unser Leidensweg verlängerte. Ich sah keinen Grund was zu ändern, er war ja da. Er hielt sogar als Saufgrund hin wenn sonst nichts greifbares da war. Wir sind übrigens noch zusammen, sehr glücklich sogar. Aber es war und ist ein ganz langer Weg, wir sind noch immer unterwegs und lernen unser Leben neu zu gestalten.

    Überleg dir einfach wie lange du bereit bist so zu leben wie es im Moment ist. Was bist Du bereit auszuhalten? Wie in einer anderen Beziehung wo zum Beispiel nicht Alkohol das Problem wäre sondern Machismus, Kontrollzwang, Eifersucht etc...da würdest du dir ja auch Grenzen setzen und nicht einfach alles aushalten, oder? Wenn er nicht aufhören will dann ist das so, es wird mit der Zeit sogar immer mehr und immer schlimmer werden. Sorge für dich, Triff Entscheidungen die dein Leben betreffen, er ist für seines verantwortlich.

    Lg
    Rina

  • Und selbst, wenn er irgendwann mal so weit wäre, dass er selbst aufhören will....wenn man da was von aussen machen könnte und es dafür Patentrezepte gäbe, dann würden wir hier, oder jede Selbsthilfegruppe, und erst recht jede Therapie, mühelos jeden trockenlegen, der irgendwo wegen seinem Alkoholproblem aufschlägt und gerne aufhören möchte. Wir kennen uns schliesslich aus. Trotzdem wissen wir auch nur, dass wir nichts machen können, wenn das einer nicht schafft. Und Rückschläge sind viel eher die Regel, als einfache Lösungen.

    Darüber haben sich schon sehr viele Leute den Kopf zerbrochen.
    Dafür würde es den Medizin-Nobelpreis geben, da hättest Du sicher schon davon gehört.

    Ich habe mit meinem Partner von Anfang an ausgemacht, dass wir uns trennen, wenn ich jemals wieder anfangen würde. Und zwar ziemlich sofort. Reicht, wenn einer untergeht. Bringt gar nichts, zu zweit in die Hölle zu fahren. So weit die Theorie. Ich bin zwanzig Jahre trocken, ich denke, wir werden es nicht ausprobieren müssen.

  • Guten Morgen noch mal, Laila,

    ich hab keinerlei Ahnung, ob Dir das hilft, was geschrieben wurde, oder ob Du das überhaupt so genau wissen wolltest.

    Mir ist noch folgendes eingefallen:

    So lange Du noch mitten in der Beziehung bist, dann bist Du natürlich von dem, was Dein Partner macht, auch direkt (mit-) betroffen. Bei den Gesprächen gibt ein Wort das Andere und wenn einer betrunken ist, dann redet er natürlich auch gerne mal Blödsinn. Oder er macht ins Eck, da gibts noch mehr lustige Sachen. Und der Alkoholiker braucht oft den Alkohol, um sich abzugrenzen, der ist nämlich genau so unsortiert.
    Du fragst Dich, warum ist der so, was hab ich ihm getan, und warum kriegt der sein Leben nicht auf die Reihe, liegt es womöglich sogar an mir?

    Und wenn Du ihn verlässt, dann geht ja vielleicht nicht nur er unter, sondern dann bist Du ja auch allein. Das willst Du ja möglicherweise auch vermeiden. Dieses starke Kümmerm wird auch mit Ablenkung von eigenen Problemen in Verbindung gebracht. Ich müsste z.B. grade einen Brief ans Finanzamt schreiben, habe dazu aber keine Lust, da kommst Du mir als Ablenkung gerade recht.

    Relativ oft, auch in "normalen" Beziehungen, kommt es ja vor, dass man nach dem Honeymoon manche Eigenschaften des Partners nicht mehr ganz so prickelnd findet und ihn, weil man ja schon was in die Beziehung investiert hat und das nicht so einfach aufgeben will, versucht, sich den Partner passend zu machen. Auch das oft unter dem Deckmantel der Hilfe oder der Moral. Es gibt ja auch Meinungen, dass sich bei Liebe die passenden Neurosen verbandeln. Und es ist oft ein Kampf zwischen Autonomie und Nähe, selbst-können-wollen und Hilfseinforderung.

    Das sind so Gedankengänge, wie ich sie kenne. Ich weiss nicht genau, wie das bei Dir ist.

    Mein Partner wusste, dass ich trinke und ziemlich eigen bin, schon bevor wir zusammengegangen sind. Mein "Anders-sein" war sogar ein Grund, warum er das spannend fand. Und wir waren schon vorher befreundet, ich dachte auch, da ist mal jemand, der das abkann. Also ich passte wie meine Vorgängerin in sein Beuteschema, um das mal so zu sagen. Und er erlag auch der Illusion, dass das nicht so schlimm ist und er mich im Zweifelsfall auch in die Spur bringen könnte bzw. dass er damit fertig wird.

    Wie gesagt, ich hatte schon lange vor ihm gesoffen, das hatte mit ihm gar nichts zu tun. Aber ich habe den Druck, den er dann auf mich ausgeübt hat, natürlich auch dankbar als Trinkgrund genommen, denn ich brauchte den Alkohol und mir war jeder Trinkgrund recht.
    Ich sah aber auch keinen Sinn darin, aufzuhören, denn meine Lebenseinstellung war die, dass das Leben sowieso bescheiden und sinnlos, ein Zufall der Evolution in einem gleichgültigen Universum, ist, und nur durch Alkohol oder andere Drogen überhaupt erträglich wird.

    Meine Denke war die, wenn ich das nicht mehr habe, dann habe ich gar nichts mehr und kann mir gleich die Kugel geben. Ich hatte schon ein paar Hobbies, aber mir kam das alles nur wie Zeitvertreib auf dem Weg zum Sterben vor, es dauerte sehr lange, bis ich ich in meinem eigenen Leben überhaupt angekommen war und mal das Gefühl hatte, dass ich gerne lebe.
    Schon deswegen konnte ich wegen meinem Partner nicht aufhören, abgesehen davon hatte ich so nicht gewettet, denn ich meiner Vorstellung wäre ich dann zwar vielleicht nüchtern, aber erst recht todunglücklich gewesen. Von daher war es mir auch relativ egal, ob mich die Sauferei umgebracht hätte. Und das ist ein Loch, das von aussen niemand füllen kann. Damit hatte ich selbst lange zu kämpfen, aber das musste ich selbst erledigen. Dazu brauchte ich aber erst mal eine Perspektive, dass sich das überhaupt irgendwann lohnt. Und an diesem Glauben fehlte es mir.

    Ich sage mal relativ salopp, wenn Du es schaffst, da auf genügend Abstand zu gehen, dann wirst Du sehen, dass seine Sauferei nicht in Deine Verantwortung fällt und seine Baustelle ist. Und selbst, wenn er sich umbringt, ist es immer noch sein Leben, für oder gegen das er die Entscheidung fällt.
    Aber dass Dich das so mitnimmt und Du Dich davon nicht lösen kannst, das ist Deine Baustelle.

    Meine Vorgängerin war Ingenieurin, endete nach mehreren Psychiatrieaufenthalten auf der Strasse und ist sehr wahrscheinlich inzwischen tot. Ich kannte sie. Mein Partner hat schon lange begriffen, dass das nichts mit ihm zu tun hat, und er absolut machtlos gewesen wäre. Alles was er da noch reingebuttert hätte, wären nur seine eigenen Verluste gewesen. Er hätte nichts verhindern können.
    Und mit mir hätte es ähnlich enden können, wenn ich nicht die Kurve gekriegt hätte. Aber darauf hatte er auch keinen Einflluss. Der entscheidende Moment bei mir war ziemlich einsam. Wenn man "in sich " gehen muss, dann ist das wohl so.

    Wie gesagt, keine Ahnung, ob Dir das was bringt, oder ob Du das überhaupt noch liest. Ich hab mich zumindest erfolgreich abgelenkt. Und jetzt muss ich.

    Gruß Susanne

  • Hallo,

    Mir fällt da auch noch was ein, für Laila oder andere Mitleser in dieser Situation...

    Mein Mann hat bei mir damals ganz lange die Hoffnung gehabt, dass wir gemeinsam genauso weiter leben könnten einfach ohne Alkohol. Also Alkohol für mich. Für ihn schon und am Wochenende für die Gäste auch...dass wir weiterhin auf Cocktails tanzen und zu endlosen Aperitif Nachmittagen gehen. Und natürlich bin auch ich ganz lange dieser Illusion unterlegen, ich dachte wenn ich mich nur genug anstrenge geht das.

    Vielleicht mag das bei einigen wenigen auch möglich sein, bei der allermeisten Suchtkranken erfolgt aber ein ziemlich grosser Lebenswandel wenn es mit der Abstinenz klappen soll und man da wirklich raus aus alten Mustern will.
    Mein Mann trinkt heute sehr selten, unser neuer Freundeskreis auch. Ich gehe auf keine Saufveranstaltungen mehr und habe neue Hobbys.

    Und ich bin heute weder der Mensch vor dem Alkohol noch der Mensch während dem Alkohol, ich habe mich entwickelt. Langjähriger Alkmissbrauch hinterlässt Spuren, schlimme Erinnerungen, ein arg abgemagertes Selbstwertgefühl etc, das muss ich erst noch neu aufbauen. Plötzlich sieht man den ja den ganzen Mist den man angestellt hat, mir kam es vor wie ein boomerang aus der Vergangenheit. Aufarbeitung war lange ein Thema. Immer noch da meine Selbstachtung massiven Schaden genommen hat.

    Es wird nicht einfach plötzlich alles gut nur weil der Partner aufhört zu trinken. Vielleicht liegen auch tiefe Verletzungen begraben, die dann ohne Alkohol an die Oberfläche kommen. Und Alkoholismus lässt sich nicht in ein paar Wochen „heilen“ es dauert bei den meisten Menschen Jahre (mit oder ohne Therapie) bis sie zufrieden ein neues Leben führen können. Nicht bei allen, manchen fällt es einfacher als anderen, je nach Vorgeschichte und Suchtverlauf. Aber die traurige Wahrheit ist, dass es die allermeisten gar nie aus der Suchtspirale schaffen.

    Alles Liebe dir
    Rina

  • Guten Morgen,

    Rina

    Ich möchte mich Deinen Worten anschließen und kann sie aus meiner eigenen Erfahrung heraus nur bestätigen. Ich war zwar nicht in der Situation, dass meine Ex-Frau oder jetzige Frau weiterhin Alkohol trinken wollten, beide tranken und trinken kaum, jedoch habe ich alles andere was Du schreibst genauso erfahren.

    Und auch ich bin nicht mehr derjenige "geworden", der ich vor der Sucht war. Das was während so einer Sucht mit einem passiert ist derart einschneidend, dass man, wenn man das Glück hat sie überwinden zu dürfen, als veränderter Mensch daraus hervor geht. Vielleicht gibt es Ausnahmen, die Menschen mit denen ich bisher sprach, sagten mir alle das sie einen grundsätzlichen Veränderungsprozess durchgemacht haben.

    Das ist auch der Grund dafür, warum ich Betroffenen immer wieder schreibe, dass es nicht damit getan ist, wenn der trinkende Partner mit dem Trinken aufhört. Die Hoffung dann denjenigen zurück zu bekommen, den man vorher kannte und geliebt hat (diese Hoffnung scheint verständlicherweise weit verbreitet), erfüllt sich in der Regel nicht. Und man "bekommt" auch nicht unbedingt den Menschen, welchen man beim trinkenden Partner in "guten Phasen" erkannt hat. Eine Abkehr von der Sucht bedeutet meist eine komplette Neuorientierung und Neuausrichtung des Lebens und auch der eigenen Persönlichkeit. Das bringt diese gewaltige Veränderung mit sich und ich denke, dass muss auch so sein. Wie gesagt, Ausnahmen mag es geben.

    Es ist also ein langer Prozess für BEIDE, für den Trinker und den/der Angehörigen. Und ich kann aus heutiger Sicht nachvollziehen, wenn Angehörige diesen Weg nicht mit gehen möchten und sich für eine Trennung entscheiden. Zumal oft ja auch Verletzungen entstanden sind und vor allem auch Vertrauen gebrochen wurde. Verletzungen zu heilen und Vertrauen wieder herzustellen halte ich für die größte Aufgabe und Herausforderung in solch einer Beziehung. Jedes Paar das diesen Weg gemeinsam geht und wieder zusammen findet hat meinen allergrößten Respekt, sie haben beide wirklich Großes vollbracht.

    LG
    gerchla

  • Laila

    ich bin auch bei meinen Vorschreibern. Leuten, die kein Alkoholproblem haben, ist der Alkohol unter Umständen auch so wichtig, dass sie sich ihr Bier oder ihren Wein unter keinen Umständen wegnehmen lassen würden. Also, dass Trinken für sehr viele Leute Lebensqualität bedeutet und auch jedem sonstigen Hobby erst den Pfiff gibt, das ist so offensichtlich wie nur irgendwas. Jede Radtour, jede Bergtour, jeder Strandurlaub wird erst durch den Abschlussdrink so richtig schön. Für X Leute, die nicht verstehen, warum jemand trinkt.

    Bei einigen kommt halt dann die Abhängigkeit. Alkohol ist eine Droge mit Suchtpotential, das vergessen ganz viele. Und jeder glaubt erst mal, dass es ihn nicht erwischen wird. Und es kann jeden erwischen, das hängt nicht von irgendwelchen Persönlichkeitseigenschaften ab. Wenn man dann nicht mehr so einfach rauskommt, beginnt die Suche nach den Gründen, erst mal zur eigenen Rechtfertigung vor sich selbst oder wegen den bohrenden Fragen des Partners etc, später dann in der Hoffnung, da die Lösung zu finden. Und durch die Sauferei selbst wird das Leben, die Erlebnisfähigkeit, die Belastbarkeit immer schlechter und damit die Saufgründe immer mehr, nur sieht man das nicht, wenn man mitten drin steckt. Manche Leute haben auch insgesamt weniger Glück gehabt, das kommt dazu. Und Alkohol ist ein Nervengift, das einen schleichend verändert, jeder einzelne Suff (und auch jeder Rückfall) schlägt in die gleiche Kerbe. Lange hat man noch Reserven, um das auszugleichen, aber irgendwann ist halt Schluss damit.

    Wenn jemand, so wie Dein Partner, und ich auch, aus einem Elternhaus kommt, wo der Alkohol schon da zu jeder Gelegenheit dazu gehörte, und der selbst schon von Kindesbeinen an "probieren" durfte (ich war schon als Kleinkind das erste Mal betrunken, das fanden alle lustig), dann gibt es für den sowieso keine Zeit "vor" dem Alkohol, sondern der muss, wenn er aufhört, etwas entwickeln, was er vorher noch nie hatte.

    Diese Spaltung zwischen "Nüchtern ist er der beste Mensch, den ich kenne, und besoffen das größte Ar...loch", was mindestens jeder zweite Angehörige so oder ähnlich schreibt, die hört natürlich auch auf, dann ist man nüchtern der Mensch, der diese verschiedenen Seiten alle auf sich vereinigt.
    Ich habs tatsächlich auch erlebt, dass es eine Demütigung war, dass so ein Stoff solche Macht hat. Noch deutlicher war es bei diesen 10-Zentimeter-Qualmstängelchen, die lange stärker waren als ich.

    Und ein trockener Alkoholiker muss dann eben nicht aus lauter Schuldbewusstsein in Zukunft den Anderen alles recht machen, weil die ja so unter ihm gelitten haben und er sich blamiert hat.
    Sondern der kann auch sagen, ich hab trotz allem ein Anrecht, ich selbst sein zu dürfen.

    Nichts bleibt, wie es war. Leben ist Bewegung.

  • Laila ,

    Jetzt sind wir hier bei "unserer" Seite, der des Trinkers angelangt. Beim Trinker sieht man normalerweise ja auch das Problem, da gibts es auch genügend Hilfsangebote, wenn es jemand ernst meint. Angehörige, habe ich den Eindruck, wollen meistens nur wissen, wie sie ihren Trinker zum Aufhören bewegen können, und wenn es da keine sicheren Lösungen gibt, dann gehen sie wieder. So erlebe ich das auf jeden Fall. Wurschteln dann alleine vor sich hin oder reiben sich weiter auf in dem Versuch, es doch irgendwie gebacken zu kriegen. So denke ich mir das jedenfalls.

    Das kann schon wichtig sein, das zu verstehen, wie "die andere Seite" aussieht, damit Du da nicht ewig
    Energie und Lebenszeit in was steckst, wo Du nicht weiterkommst. So wie der Alki halt auch kapieren muss, dass es mit kontrolliertem Trinken und Trinkplänen, Trinkpausen bei den meisten einfach nicht funktioniert. Aber der Trinker kann das ja auch nicht nur mit dem Verstand lösen.

    Um nach vorne zu gucken, brauchst Du vielleicht auch eine Angehörigengruppe oder eine Therapie oder so was ähnliches, was Dich stärkt. Und wo du auch wirklich siehst, dass andere ihren Angehörigen auch nicht trocken legen können, was sie schon alles versucht haben, dass sie genau so verzweifelt sind oder waren, dass Schuldgefühle normal sind, aber ein riesiges Hindernis darstellen, dass sie aber Wege finden, ihr eigenes Leben zu leben. Dauert halt, wie "bei uns" auch. Das gibts momentan glaube ich, per Video, bis man sich wieder treffen kann, hast Du Dich da schon mal umgeguckt?

    Gruß Susanne

  • Danke ihr habt mir insbesondere seine Seite näher gebracht, wobei ich mich schon viel mit dem Thema befasst habe.. Eigendlich weiß ich das meiste schon, trotzdem kann ich es irgendwie nicht glaube. Die Tatsache dass es so ist wie es ist, raubt mir echt den Nerv. Ich weiß dass ich ihm nicht helfen kann, ich kann ihm lediglich Hilfsangebote extern nahe legen ob er sie wahrnimmt ist aber fraglich.
    Er hat sich über die Jahre sehr verändert, sein Selbstwert ist gleich Null, sein Antrieb eben so.. Allerdings macht er vieles an äußeren Faktoren fest und sieht sich in der Opferrolle...
    Ich habe jetzt schon mehrere Tage kaum/kein Kontakt zu ihm, Aussprache gab es jetzt seit der letzten Aktion face to face nicht, wollte ich machen, er hat dazu aber keine Muse gehabt und war wieder in seinem Selbstmitleid versunken.. Ich warte bis er bereit ist und dann werde ich ihm Möglichkeiten aufzeigen die er hat und ihn begleiten falls er sich Hilfe holen will. Mehr kann ich nicht machen.. Den Rest muss er machen. Und dennoch bin ich innerlich so wütend und enttäuscht.
    Aber ich merke auch, dass anscheinend in mir Anteile sind, die nicht gesund sind, objektiv betrachtet haben wir schon Jahre eine ich würde sagen toxische Beziehung. Wir haben durch verschiedene Vorkommnisse das Vertrauen und die Wertschätzung verloren. Insbesondere seine Streitkultur und sein geringes Selbstwert führten oft zu endlosen Diskussionen in welchen er mich verbal regelrecht attackierte und doch hat er auch seine guten Seiten. Jedoch habe ich kein Vertrauen in ihn, er nutzte oftmals Dinge die ich ihm anvertraut hatte um sie dann in einem Streit zu nutzen..
    Ich könnte hier endlos Texte schreiben...
    Aber ich denke ich für meinen Teil muss auch an mir arbeiten, warum sonst steckt man in einer Beziehung die einem eher Energie nimmt als sie zu geben.. Warum steckt man so in einer Gewohnheit drin bzw hält an alten Zeiten fest, sodass man die Realität ausblenden bzw nicht wahrhaben will.
    Habt ihr Erfahrungen mit Selbsthilfe Gruppen oder ähnliches? Ich denke vermute bei mir liegt auch viel in meiner Kindheit verborgen, mein Vater Alkoholiker noch heute. Alkohol hat mitunter in meinem Leben immer eine zentrale negativ behaftete Rolle gespielt.. Ebenso dass ich schon immer auch meinem Vater gegenüber ein ausgeprägtes Schuldig fühlen, das Gefühl jmd alleine zu lassen, ihm helfen zu müssen entwickelte und hier schon immer mehr an andere zu denken versuchte und eine zu empathische Persönlichkeit bin.. Früher würde ich mich definitiv als Co abhängig bezeichnen.. Seitdem habe ich eine regelrechte Abneigung gegen das Besoffen sein entwickelt, ich selbst würde mich nie betrinken bis ich einen Kontrollverlust erleide oder so (der totale Vernunftmensch was das angeht).

  • Guten morgen Laila,

    Kinder von Trinkern haben relativ oft spezielle Probleme.
    Schade dass es hier grade ziemlich ruhig ist, es waren schon mehrere da.
    Es gibt Gruppen für Angehörige z. B. bei Al-Anon https://al-anon.de/ und auch bei anderen Selbsthilfeorganisationen.

    Kinder von Alkoholikern werden zu einem erheblichen Teil selbst süchtig, dass ist zum Teil Vererbung, andererseits erlerntes und abgegucktes Verhalten, andere haben andere Probleme und sind oft sehr lange in Therapie. Und das Beziehungsmuster, was man zu Hause erlernt hat, kann man in sein eigenes Leben mitnehmen, das kann einen lange belasten. Relativ oft gibt es in einer Familie mehrere Alkoholiker, bei mir in der Familie ist das auch so.

    Ich bin ja auch eins, mein Vater ist an den Folgen des Alkohols gestorben und ich bin hier aufgeschlagen, nachdem ich in bis zu seinem Tod betreut hatte. Meine Mutter hat auch gerne gesüffelt, aber nicht so extrem, die hat sich auch eher als Opfer gesehen. Meine Vater konnte beängstigend aggro sein.

    War sehr lange auch ein schwieriges Verhältnis, früher haben er und meine Mutter mich oft ziemlich niedergemacht, auch üble Schläge, Fußtritte, Beleidigungen vom Feinsten. Ich war der klassische Blitzableiter, nebenbei sollte ich natürlich trotzdem Glanzleistungen in der Schule bringen.
    Bei uns war halt gemeinsam Trinken eines der wenigen Dinge, wo wir uns verstanden haben, wo es eine Gemeinsamkeit gab. Bei mir hatte das sicher auch mit dem Suchen nach Liebe und Anerkennung zu tun, dass ich mit solcher Begeisterung mitgetrunken habe. Denn mein Vater war stolz auf mich, als ich meinen Onkel (der selbst Alkoholiker war) unter den Tisch trinken konnte, nur mal eins von vielen Beispielen, die ich nennen könnte. Beim gemeinsamen Saufen war halt endlich mal Harmonie und die Ängste, die ich vor ihm hatte, durften pausieren. Und ich der Clique konnte man ja auch beeindrucken, wenn man was vertragen hat, ein positiver Verstärker folgt auf den nächsten. Erst wenn man völlig austickt, mögen sie einen ja nicht mehr.

    Bei anderen, so wie bei Dir, die mehr nur Zuschauer und Leidtragende bei der Sauferei waren, geht das vielleicht in eine andere Richtung, das habe ich auch schon öfter gehört, dass dann jemand rigoros dagegen ist. Und dass die Beziehungen da auch oft schwierig sind.
    Wir hier sind ja auch damit aufs Maul gefallen und nun leben wir ohne Alkohol.

    Lange habe ich mich nur mit meinem Alkoholproblem beschäftigt, hatte sowieso wenig Kontakt zu meinen Eltern und da hatte ich das lange gar nicht mehr auf dem Schirm. Erst als ich dann wegen der Plflege meinem Vater näher kam, kamen wir dann zu dem Thema, dass er ja auch der volle Alki ist, sein ganzes Leben lang getrunken hat. Anders als ich, aber nie ganz nüchtern.

    Mit Angehörigengruppen kenne ich mich nicht so sehr aus. Mein Partner war in einer moderierten Angehörigengruppe bei der Suchtberatung, während ich da in einer ebenfalls betreuten Motivationsgruppe war, das war wohl schon gut. Ich habe aber auch schon öfter gehört, dass manche Leute da sogar das Leben erst wieder gelernt haben, wenns gut läuft, kann das schon sein. So Gruppen sind unterschiedlich, das muss man ein bisschen probieren. Da müssen auch die Leute passen und die Chemie stimmen.

    Ich selbst war mit längeren Unterbrechungen vielleicht 14 Jahre in Foren, und auch in realen Selbsthilfevereinen, in der Suchthilfe tätig (sagt sich so schön, ich habe auch nicht viel mehr gemacht, als zu erzählen und auszudiskutieren und auch oft mal zu streiten, aber genau das brauchen wohl viele Leute, und ansonsten ein bisschen Administrations- bzw. Vereinsarbeit). Jedenfalls habe ich schon eine Menge positives Feedback bekommen und das hat mein angeschlagenes Selbstbewusstsein mit Sicherheit auch aufpoliert, ausserdem habe ich dabei ein gutes Stück weit gelernt, mich selbst zu mögen und zu lieben, früher habe ich mich nämlich auch sehr oft selbst gehasst.
    Und so hab ich aus dem ganzen Mist halt wenigstens noch was Brauchbares gemacht. Ich bin heute meistens ziemlich glücklich mit meinem Leben, natürlich gibt es trotzdem Schwierigkeiten, die das Leben eben so mit sich bringt. Und wenn, dann ist es meistens nicht mehr so gestört, wie es lange war, "es" hat nicht mehr so viel Macht über mich. Ich rege mich auch viel schneller wieder ab als früher.

    Vielleicht schreibt Dir ja doch noch jemand, der in vergleichbarer Situation wie Du ist. Ansonsten einfach weiter gucken, es gibt sie.

    Gruß Susanne

  • Hallo liebe Laila,

    ich bin hier eher stille Mitleserin. Habe vor einiger Zeit auch einmal einen Beitrag verfasst, den kannst du ja mal nachlesen, wenn du möchtest. Vor ganz langer Zeit gab es noch einen Beitrag von mir unter dem Namen "engel". Hatte dann aber meine E-Mailadresse gewechselt und konnte mich leider nicht mehr einloggen hier.

    Ansonsten kurz zu mir: ich war ebenfalls in einer Beziehung mit einem Mann, der ein Alkoholproblem hat. Bin ebenfalls Anfang 30 und ich kann dich so gut verstehen! Bei ganzen vielen Sätzen dachte ich mir "ja, kenne ich". Fühle dich erstmal gedrückt.

    Ich war mit meinem Partner knapp 2,5 Jahre in einer Beziehung. Relativ schnell hab ich gemerkt, dass er zu viel trinkt mit Kontrollverlust und das ganze Programm. Er hatte relativ schnell zugegeben, dass er ein Problem hat und hat Besserung versprochen. Das hat nur leider nie funktioniert, weil er nicht wirklich was ändern wollte. Er kann sich einfach schlecht abgrenzen, alle seine "Freunde" und auch die Familie trinken viel. Es geht immer nur ums trinken, bei so gut wie jeder Gelegenheit bzw. jedes Wochenende, in jedem Urlaub, bei jedem Fussballspiel, etc.

    Ich bin dann irgendwie hängen geblieben in der Beziehung und habe nach ca. einem Jahr eine Therapie begonnen weil es mir richtig schlecht ging. Warum bin ich eigentlich bei ihm geblieben? Ich denke das ist eine Mischung aus vielem: Mitleid, Liebe, helfen wollen, der Wunsch nach einer Beziehung, etc. Aufgrund der vielen Vertrauensbrüche, Beleidigungen im Suff, etc. ist bei mir auch viel kaputt gegangen. Ich hatte irgendwann ein falsches Bild von mir und dachte, ich bin es wohl einfach nicht wert, dass man mich gut behandelt (kommt bei mir aber aus der Kindheit und kam dann jetzt wieder hoch).

    Letztes Jahr im Herbst hat es mir dann gereicht, ich konnte nicht mehr und aus früheren Beziehungen wusste ich ja auch, dass ich was anderes will. Also hab ich meine Sachen gepackt und bin gegangen. Danach ging es mir wieder richtig gut! Klar, es gab auch Rückschläge. Er hat sich immer mal gemeldet um mir zu beweisen wie sehr er sich geändert hat (war aber nicht der Fall). Um nicht selbst schwach zu werden, habe ich mir eine Anti-Rückfall-Liste geschrieben mit all den Dingen, die schief gelaufen sind im betrunkenen Zustand. Das hat echt gut geholfen, um nicht nachzugeben. Und irgendwie hat es bei mir erst dann so richtig "Klick" gemacht und ich konnte den Kontakt komplett abbrechen. Das ging aber auch erst, als ich mit Abstand die ganze Situation betrachten konnte.

    Ich hatte dann im Anschluss an meine Therapie noch einen Kurs gemacht zum Thema Selbstmitgefühl, das wurde mir von meiner Therapeutin empfohlen (die Kurse nennen sich MSC = mindful-self-compassion). Ich kannte das zuvor nicht. Das ging alles online und dazu gibt es auch ein Buch von der Psychologin Kristin Neff. Vielleicht bringt dir das ja was, also im Bezug zu dem was da in deiner Kindheit war. Mir hat das sehr gut geholfen und ich arbeite jetzt auch nochmal das Übungsbuch durch.

    Meine Therapeutin (hat vorher in einer Suchtklinik gearbeitet) hat mir wirklich immer wieder klar gemacht, dass die abhängige Person selbst etwas ändern muss und auch die Gefahr bzgl. Rückfällen besteht und das sollte man sich eben auch bewusst machen als Partner. Die Therapie war auf jeden Fall eine gute Unterstützung für mich, auch wenn es oft eine totale Ernüchterung war. Aber genau das habe ich gebraucht.

    Mein Ex-Partner hat es dann versucht mit kontrolliertem Trinken. Manchmal hat es geklappt, manchmal nicht. Nur das Problem war, dass er das schon als Erfolg gesehen hat, wenn er von 4 von 5x kontrolliert getrunken hat und dann nur noch einmal "zu viel". Und genau das hab ich nicht mehr ertragen. Ständig diese Ausreden, warum es geklappt hat oder nicht geklappt hat. Immer diese leeren Versprechen oder alleine schon der Geruch von Alkohol. Ich wusste dann für mich irgendwann, dass ich mich trennen muss und dass es keinen anderen Weg gibt, weil er es ja nicht wirklich ernsthaft ändern wollte, er hat immer noch zu sehr am Alkohol festgehalten. Ich hab mir oft die Frage stellt: "Wenn ich nur noch 2 Jahre zu leben hätte, will ich dann jetzt wirklich so leben?". Natürlich nicht. Aber es war bei mir auch ein längerer Prozess, bis ich mich lösen konnte.

    Mach dir auf jeden Fall selbst nicht allzu viel Druck, jeder braucht da seine Zeit, um sich für oder gegen eine Beziehung zu entscheiden. Wenn du mal ein offenes Ohr brauchst, dann melde dich gerne.

    Dir alles Gute!

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