Notfallkoffer :)

  • Brit : Das ist halt das Problem einer rein schriftlichen Diskussion, bei der die soziale Interaktion fehlt, da man sich nicht Aug in Aug gegenüber steht. ;)

    So liest ein jeder das heraus, was ihm (nicht) gefällt.

    Unterschiedliche Ansichten und Auffassungen gehören m.E. dazu, so wie das Salz in der Suppe. Und hier schreibt ein jeder halt so wie es ihm gefällt. Du doch auch, oder? Der eine formuliert todernst, der andere schreibt halt etwas frischer.

    Selbstverständlich darfst Du meine Ausführungen für lächerlich halten. Aber waren sie von mir auch so intendiert?

    Ja, ich finde es auch gut, dass ich schon lange von Suchtdruck verschont geblieben bin. Das darf auch gerne so bleiben, auch wenn ich daran die gleichen leisen Zweifel habe wie an der Ernsthaftigkeit deiner diesbezüglichen Feststellung.

    In diesem Sinne einen schönen Abend


  • Ich hatte jedoch gehofft, du lässt uns am "Den bewältige ich anders" konkreter teilhaben.

    Bei Gelegenheit und an anderer Stelle, sonst werde ich wieder angepfiffen. ;D

    Vielleicht gibt es da ja bereits einen anderen Faden, sonst können wir ja einen eröffnen, weil ich schon mehrfach darüber geschrieben habe.

  • Dann bewerbe ich mich mal um die Klugscheissertasse:

    Alles spekulativ. Britt ist das älteste Kind in der Stammfamilie und somit die Vernünftige, die viel zu früh Verantwortung tragen musste. Daher die Ernsthaftigkeit. Ich bin die Jüngste von drei Mädchen und habe als typischer Clown mit Witzen versucht, die Stammfamilie abzulenken. Bei Reko (?) tippe ich auf Einzelkind, das ist aber noch spekulativer, weil ich noch nicht soviel von ihm las. Was gegen das Einzelkind m.E. spricht, ist, dass er emphatischerweise versuchte, sprachlich auf meine Clownereien hier einzugehen. Ich "sehe" in ihm eher einen nüchternen (haha, Wortspiel, ich kann auch nicht aus meiner Haut) Intellektuellen (ergibt sich für mich schon fast allein aus seinem unbeschreiblichen Nicknamen).

    Plus: Einige sind hier schon so lange miteinander am schreiben, da ist es wie in einer guten, alten Ehe - manchmal ärgerlich, manchmal schön, aber meistens halt auch sehr vorhersehbar ;)

    Ich hoffe, ich bin euch nicht zu nahe getreten. Aber ich schreibe gerne, was ich meine; damit ich weiß, was ich denke ;)

    PS: Im ersten viertel Jahr bei einer ambulanten Therapie dürfte ich keine Witze über garnichts machen. Das war megaschwer.

    PPS: Ich werde mich freuen, wenn Rekonvaleszent (abgeguckt) hier einen Link einstellt, was er statt einem Notfallkoffer als gute Hilfe für sich gegen das Suchtverlangen hat.

  • Ich übersetzte mal für dich:

    Rekonvaleszenz ist ein medizinischer Begriff für Genesung (von einer Krankheit)
    Und der Rekonvaleszent ist somit jemand der sich im Stadium der Genesung befindet.

    Das beschreibt ja auch perfekt die Situation in der wir uns befinden. Wir werden wieder gesund, werden aber nie ganz gesunde Menschen sondern bleiben immer im Stadium der Genesung.

    Ich war ein bißchen neidisch, das Rekonvaleszent diesen tollen und passenden Nick gefunden hat.

    Deine Spekulationen finde ich interessant, insofern als das vermutlich jeder von uns die ein oder andere Spekulation zu jemandem hat und so mit demjenigen redet.

    Man muss aber dabei bedenken, dass das alles aus deinem Erfahrungshintergrund stammt und für dich zutreffend erscheint. Jemand anders interpretiert es vielleicht ganz anders.

    Aber deine Erklärung zu dir als „Clownkind“ wird jetzt hängenbleiben. Ich kann mir vorstellen, dass es hart war mehrere Monate keine Witze zu reißen. Aber bestimmt auch wichtig. Denn oft ist das ja auch eine Flucht.

    Viele Grüße, <br />Risu

  • Guten Morgen Risu,

    danke für deine Übersetzung. Ich war ein bisschen zu faul, das selbst zu machen. Denn ich bin aufgrund meines Hauptschulabschlusses auch oft neidisch auf Menschen, die Worte benutzen, die ich nicht kenne.

    Und ganz sicher ist meine Einschätzung aufgrund meiner Historie geschehen. Hatte auch ein bisschen ein schlechtes Gewissen im Nachgang, denn werten und fremde Menschen ein- und abzuschätzen ist in meinem Kopf grenzwertig, bzw. schon eher übergriffig.

    Und das mit dem Witze machen: Das ist eine Krux. Allein in diesen paar Sätzen hatte mein "altes ich" mehrere Möglichkeiten zu scherzen. Und im Reallife stoße ich Menschen damit auch manchmal ungewollt! vor den Kopf. Denn dieser Schutzmechanismus (Clownkinder versuchen, die kritischen bis gewalttätigen Situationen in der Familie ja mit "lustigen Sachen" zu entschärfen) ist so tief verankert, dass das meist "automatisch" passiert. Weil ich damit auch ganz oft in der Jetztzeit Erfolg habe. So drückt der Pawlovsche Hund in mir ständig auf die Witzetaste :(

    Ein Beispiel: Merke gerade beim Schreiben, ich kann auch schlaue Sachen schreiben. Soll ich ma? "Schlaue Sachen" ;)

    Netten Gruß,

    ichso - die sich freut, dass sie sich getraut hat wieder hier zu schreiben. Gute soziale Übung für mich. Ohne Witz.

  • Servus IchSo (müsstest aus meiner Sicht dann wohl DuDa heissen)

    Ich erleb Dich als schrullig, aber liebenswert und wenns drum geht kannst Du ja auch ernsthaft sein. Passt schon.

    Ich neige auch zu Wortspielchen. Wobei es oft schon reicht, wenn ich etwas wortwörtlich nehme, um Leute in schallendes Gelächter ausbrechen zu lassen.

    Ich bin ein Einzelkind, an sich ziemlich dressiert. Mir mir hatte man was vor. War schon früh als ziemliche Intelligenzbestie angesehen und verschrien, wofür ich z.B. von meiner Mutter bewundert und von meinem Vater verachtet wurde. Mein Vater mochte keine Intellektuellen, das war für den ein rotes Tuch, aber meiner Mutter schwebte eine Uni-Laufbahn für mich vor. Meine Eltern waren extrem verschieden und hatten jeweils ihre Ziele mit mir, die in sich aber so widersprüchlich waren, dass ich es eigentlich keinem recht machen konnte.
    Und gesoffen und Möbel gerückt wurde auch, und ich musste öfter mal als Blitzableiter oder Seelenmülleimer herhalten. Ich hab mir oft Geschwister gewünscht, damit sich das besser verteilen würde.

    Andere Kinder wollten erst nicht mit mir spielen, weil ich ja immer so verdammt intelligent und altklug war, ausserdem natürlich auch ein bisschen schräg, und ich konnte schon als Kind mit anderen Kindern eigentlich wenig anfangen. Ich war schon damals ein Bücherwurm, und naturwissenschaftlich schon sehr früh interessiert.
    Das änderte sich, als ich entdeckte, dass ich mich auch sehr gut prügeln konnte. Prügeln können und schlau, das war dann schon was. Und dann gings halt, "spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder."...war mal so ein 'Song.

    Ich war als Kind viel allein zu Haus, beide berufstätig und mit Hausbau beschäftigt bis überlastet, und musste nur immer irgendwie durchkommen. Ne Menge angestellt, wofür es natürlich auch ordentlich setzte. Das war ja noch vor der Zeit der antiautoritäten Erziehung, da gabs keine Widerrede. Sonst "Batsch". Schon da das "man darf sich nicht erwischen lassen " entwickelt. Und den Schlendrian, immer erst alles auf den letzten Drücker irgendwie erledigt, bevor die Eltern heim kamen. Schulschwänzen usw, aber da sich meine Eltern auch auf den Standpunkt stellten, dass sie mir nicht helfen können und wollen, natürlich auch schon früh gelernt, zu argumentieren und mich damit irgendwie gegen Lehrer durchzusetzen. Irgendwie war das auch ziemlich einsam. Aber weil ich mir selbst helfen musste, hab ich das auch schon relativ früh ziemlich gut gelernt. Gleichzeitig war ich aber auch in meiner Extremität jemand, der dann einige nacheifern wollten, ich hatte fast immer auf irgendeine Weise eine Art Fanclub. Und bin in mehreren anderen Familien aus und ein gegangen und kannte von daher dann auch was Anderes als mein eigenes Elternhaus.

    Und irgendwann hab ich mir halt eingebildet, dass Regeln für mich nicht gelten, weil ich immer irgendwie durchkomme. Und ich hatte absolut keinen Respekt vor Autoritäten...musste selbst an meine eigenen Grenzen stossen und im Berufsleben gabs dann auch öfter mal Konflikte, denn ich hab keinen Chef so wirklich ernst genommen oder akzeptiert. Ich bin relativ verwildert oder auch wohlstandsverwahrlost..kommt auf den Standpunkt an.

    Mir fällt eigentlich immer wieder was Neues auf, wenn ich drüber nachdenke. An sich ein ziemlich (erlebnis-)reiches Leben, wenn ich das manchmal betrachte. Bei allen Katastrophen, ich habs auch genossen und tue mir nur relativ selten selbst leid.

    Gruß Susanne


  • Ich bin die Jüngste von drei Mädchen und habe als typischer Clown mit Witzen versucht, die Stammfamilie abzulenken.


    Liebe ichso,
    Clowns sind oft lebensnotwendig! Danke lieber Clown für manches Lachen :)

    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Susanne : Da konnte ich jetzt manches nachfühlen... Der Ausgangspunkt war zwar bei mir ein anderer: Arbeiterkind. Beide Elternteile schwer beschädigt aus eigener Vergangenheit und so gefangen in sich, dass die Kinder ein völlig überflüssiges Übel waren (die Pille gab es erst, als ich geboren war, für Kondome war mein Vater sehr wahrscheinlich zu besoffen).

    Aber ich tue mir auch seltenst leid. Gehöre eher zu der Fraktion: Isso. Bücher waren mein Leben lang meine Freu(n)de und Liebe. Gewalt war auch für mich als Jugendliche eine Lösung. Autoritäten anerkennen? Never ever! So hatte ich in 17 Berufsjahren 14 Arbeitsstellen. Immer wenn ich's begriffen hatte, war mir langweilig und ich zog weiter. Evtl. ist das pathologisch ;)

    Brit : dankeschön :) Bin froh, dass du nicht sauer bist.

  • @ichso,

    meine Großväter habe ich in Folge des Krieges beide nicht kenngelernt.
    Aber einer war Mauermeister und der andere Banker und der reichste Mann seiner Heimatstadt, und nach dem Krieg hatten alles die Russen.

    Meine Mutter, vertrieben, absolut mittellos, Notschulabschluss, denn sie war erst 8 bei Kriegsende, heiratete dann den Handwerker, der in der Wirtschaftwunderzeit immer Geld hatte.

    Ich hatte immer das Gefühl, dass ich irgendwie die Lebensträume meiner Mutter erfüllen sollte, und gleichzeitig hätte ich in die Fusstapfen des Vaters treten sollen.

    Beim Arbeiten gings mir eigentlich genau so wie Dir. Sobald etwas Routine wurde, wurde es mir langweilig und es zog mich weg. Aber ich hatte von meiner Sturm- und Drang-Zeit auch einen großen Berg Schulden, und den musste ich irgendwann auch mal abtragen. Deswegen hab ich den Ehrgeiz zu diesen gutbezahlten Hightech-Jobs dann überhaupt erst entwickelt, sonst wäre ich da nie rausgekommen. Diese Privatinsolvenz (7 Jahre zahlen, dann frei) gabs damals noch nicht, das sah halt ansonsten nach langem Elend aus. Da hab ich mich drauf besonnen, dass da ja mal was war und ich eigentlich was können könnte. Und dann hab ich auch durchgehalten, bis ichs mir wieder leisten konnte, meine eigenen Wege zu gehen.

    Gruß Susanne


  • PPS: Ich werde mich freuen, wenn Rekonvaleszent (abgeguckt) hier einen Link einstellt, was er statt einem Notfallkoffer als gute Hilfe für sich gegen das Suchtverlangen hat.

    @ichso: Umgang mit Suchtdruck

    Das habe ich vor einem Jahr geschrieben, scheinbar hat es aber keinen interessiert ;) Es gab halt keinerlei Reaktion oder Verbesserungsvorschlag. Es handelt sich um sehr konkrete Maßnahmen, die aktiv umgesetzt werden müssen und dazu muss sich der Betreffende erst mal selbst aufraffen.

    Wohlgemerkt, das nützt mir halt im Notfall. Ich habe es mir erarbeitet und auch von anderen abgeguckt sowie z.T. auch erfolgreich ausprobiert.

    Risu : Danke für die Blumen. Genau so habe ich seinerzeit gedacht. So richtig genesen werde ich wohl nie. Es darf aber mir gerne Stück für Stück besser ergehen.

    Und so schließe ich mit dem besten Ratschlag, den ich je erhielt: "Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen gut geht." Da steckt alles, aber wirklich alles Wichtige drin.

    Gruß
    Rekonvaleszent

    Einmal editiert, zuletzt von AmSee13 (5. April 2024 um 14:56) aus folgendem Grund: Aktualisierung der Verlinkung

  • @Reko

    Ich habs mal verlinkt. Und tatsächlich steht das ganz ähnlich in der Suchtfibel. Im Übrigen hatte ich meine eigenen Saufdruckanfälle, waren ja nur zwei wesentliche, genau so behandelt. Einmal viel trinken, einmal aus der Situation raus.

    Also ich hab das schon wahrgenommen, aber da gabs tatsächlich nix zu meckern.

    Gruß Susanne

  • @Reko: Ich habe dir in deinem Blog geantwortet :)

    Susanne : Da warst du im wahrsten Sinne des Wortes "hin- und hergerissen" :(

    Meine Tochter, die ähnlich aufwuchs (ich ein Straßenkind, ihr Vater ein saufender Amtsrat, Scheidung als meine Tochter 1 Jahr alt war) hatte eine heftige Borderlinestörung entwickelt, deren Ursache ich auch in ihrer Stammfamilie verortete. Alles leider erst nach vielen Jahren Therapie.

  • Borderline wurde bei mir nachträglich vermutet, als ich schon längst trocken war, aber dann wegen verschiedenen Schwierigkeiten doch noch eine Therapie gemacht habe. Als ich da meine Lebensgeschichte skizziert habe, wurde das vermutet. Das wächst sich unbehandelt wohl irgendwie aus und wird dann anderweitig komisch. Jedenfalls hätte es gepasst.

  • ...ich hasse den Notarzt und jede Klinik.... (obwohl mich noch nie jemand im Stich gelassen hat)

    nach meinem letzten „Besuch“ habe ich mir eine kleine Tasche mit Wäsche, Kosmetik = Zahnbürste,
    Zahnpasta, Duschbad usw. gepackt in der Hoffnung sie nie zu brauchen.

    Grüße
    Rainbow

  • ...ich hasse den Notarzt und jede Klinik.... (obwohl mich noch nie jemand im Stich gelassen hat)

    nach meinem letzten „Besuch“ habe ich mir eine kleine Tasche mit Wäsche, Kosmetik = Zahnbürste,
    Zahnpasta, Duschbad usw. gepackt in der Hoffnung sie nie zu brauchen.

    Hallo Rainbow,
    unter „Notfall-Koffer“ versteht man hier etwas anderes als einen Koffer, den man für Fall, in die Klinik zu müssen, bereitstellen kann.

    Hier ist darunter etwas gemeint, auf das man zurückgreifen kann, wenn man unter Suchtdruck gerät, d.h. den Entzug bereits hinter sich hat, abstinent lebt und mehr oder minder aus heiterem Himmel das unbändige Verlangen nach Alkohol verspürt.

    „Notfall-Koffer“ ist z.B. etwas, was man nach dem Entzug in einer Suchttherapie als hilfreiches „Werkzeug“ kennenlernen kann.

    Ich selbst hab dieses „Werkzeug“ in einem anderen Zusammenhang kennengelernt und zwar im Zusammenhang mit der Bewältigung posttraumatischer Belastungsstörungen. Mit einem sogenannten „Notfall-Koffer“, das kann ein Behälter mit bestimmten Gegenständen sein oder eine Liste, den bzw. die man zusammengestellt hat, ist man u.U. in der Lage, eigenständig bestimmte, meist bereits bekannte Belastungssituationen bewältigen zu können.

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Guten Abend AmSee,

    Ich habe das schon auch so verstanden, wobei mir Deine Antwort jetzt sehr schlüssig ist.

    Ich meine auch einen NOTFALLKOFFER...nämlich nie mehr wegen Alkohol in so eine Situation zu kommen.

    Liebe Grüße

    Rainbow

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