• Hallo zusammen,
    ich bin neu hier und weiß auch gar nicht so richtig, was ich mir von diesem Forum verspreche.
    Nur muss ich es einfach mal erzählen, ich haben ständig das Gefühl auf unverständnis zu treffen.
    Aber nun von vorne.
    Mein Bruder ist 4 Jahre älter ist und wir waren nie das "perfekte" Geschwisterpaar, er hat sich nie wirklich für Familie interessiert, ihm war es immer wichtiger mit seinen Kumpels los zu zeihen, Familie war wenn überhaupt zweitrangig. Das unsere Eltern sich getrennt haben ( Vater alkoholiker) hat uns beide wenig beeindruckt, wenn wir uns heute über ihn unterhalten, fällt uns beiden auch nichts positives über ihn ein, seit 21 Jahren auch keinen Kontakt.
    So viel zu unsere Vorgeschichte. Mittlerweile sind wir 30 und 34 Jahre alt und unser Freundeskreis ist zusammen gewachsen.
    Schon damals habe ich seinen Kumpels gesagt, das es mir bei meinem Bruder zu viel Alkohol sein, doch da wurde ich noch abgewunken, ausgelacht, nicht erhört. Mit Anfang 20 ist das "normal".
    Dann kam der Tag als das Krankenhaus anrief, er ist auf einem Weihnachtsmarkt einfach umgefallen. Der Arzt sprach von 2,8 Promille.
    Da wollte er meiner Mutter und mir noch erzählen, das lag nur daran, das er so viel gearbeitet habe und nichts gegessen.
    Etliche Geschichten später, ist er betrunken vom Dorfsfest nach Hause (Sonntag Nachmittag) 3,2 Promille.
    Der Führerschein ist weg! Ich habe mich gefreut, vielleicht rafft er es jetzt. Doch was soll ich sagen, es gibt ja genug Idioten die ihn durch die gegend fahren.
    Ich habe ihn gesagt, das mir sein Alkoholkonsum nicht gefällt, aber dann bekomme ich nur zu hören, das ich ja kein Plan vom Leben habe und das er gar nicht zu viel trinkt.
    Mit seinen Kumpels habe ich gesprochen, doch auch auf die hört er nicht.
    Der ein oder andere bietet ihm zuhause kein Bier mehr an, dort geht er seit dem nicht mehr hin.
    Er behauptet er trinkt nicht allein, besuchen wir spontan steht immer ein Bier auf dem Tisch.
    Aber ich habe mir von ihm "erklären" lassen, Bier ist kein Alkohol.
    Das Größte problem ist sein Bester Kumpel.
    Die zwei feiern den Alkohol und es ist erst ein guter Abend wenn man nicht mehr stehen kann.
    Allen ist es peinlich und immer mehr ziehen sich die Leute zurück, oder sie sagen mir, hey so ist er eben.
    So auch ich, ich mag nicht mehr mit meinem Bruder freiern gehen, weil es mir peinlich ist und ich möchte ihn nicht in der Ecke liegen sehn.
    Ich könnte noch viel mehr erzählene...

    Aber was soll ich machen?
    Ich bin doch seine Schwester, ich muss doch was tun?
    Ich weiss ich habe einen Alkoholiker als Erzeuger und ich habe mich schon aussreichend mit dem Thema beschätigt.
    Erst wenn er es will, kann man ihm helfen, bal bla bla... so lange sein Kumpel da ist, wird er es eh nicht raffen.
    Aber dieses gefühl das einem die Hände gebunden sind, macht mich wahnsinnig.
    Wie gesagt was ich mir damit verspreche, hier zu schreiben weiss ich auch nicht so genau.
    Aber manchmal reichte es ja schon, alles einmal nieder zu schreiben.
    Vielleicht gibt es ja gleichgesinnte.
    Danke

  • Hallo Gaby,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön das Du zu uns gefunden hast, auch wenn der Anlass naturgemäß alles andere als schön ist.

    Ich stelle mich mal kurz vor damit Du weißt wer Dir hier schreibt:

    Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol. Ich trank weit über 10 Jahre abhängig, die meiste Zeit davon komplett heimlich. Auch dann noch, als meine tägliche Trinkmenge wirklich sehr hoch wurde und ich dann auch schon morgens zum Wachwerden die ersten Biere brauchte. Ich hatte Familie, Frau und zwei Kinder, einen guten Job und war auch sonst gut ins Leben integriert und funktionierte bis zum Schluss. Die letzten beiden Jahre meiner Sucht, welche natürlich auch die schlimmsten waren, ging es aber ziemlich schnell und ziemlich steil bergab und es kostete mich zunehmend größere Mühe meine Fassade aufrecht zu erhalten.

    Soweit erst mal zu meiner Person.

    Zu Deinen Zeilen möchte ich einfach mal ein paar Gedanken äußern:

    Du stellst ja die Frage "was soll ich machen?" und ergänzt noch "ich bin doch seine Schwester, ich muss doch was tun?". Daraus lese ich ganz viel Verzweiflung und auch Hoffnungslosigkeit, die wahrscheinlich auf all den Erfahrungen beruhen, die Du bereits mit Deinem Bruder gemacht hast.

    Auch wenn Du das hier schreibst

    Zitat

    Ich weiss ich habe einen Alkoholiker als Erzeuger und ich habe mich schon aussreichend mit dem Thema beschätigt.
    Erst wenn er es will, kann man ihm helfen, bal bla bla... so lange sein Kumpel da ist, wird er es eh nicht raffen.


    und ich nun Gefahr laufe das Du Dir denkst "der nächste Schwätzer der nur bla bla bla von sich gibt" kann und muss ich dazu folgendes sagen:

    DU kannst ihm nicht helfen! Nur ER allein kann sich helfen. Du kannst ihm einen Anstoss geben, Du kannst seine Sucht thematisieren und ihn ansprechen. Du kannst auch andere "Maßnahmen" ergreifen, z. B. den Kontakt kompeltt abbrechen, und darauf hoffen, dass das irgendwas ihn ihm auslöst. Das alles kannst Du tun. Aber helfen kann er sich nur selbst.

    Ich kann mir vorstellen, dass das nur schwer zu akzeptieren oder auch zu verstehen ist. Er müsste doch NUR mit dem Saufen aufhören. Und es gibt doch so viele Hilfsangebote in diesem unseren Land. Und er wäre ja nicht allein, wenigstens Du aber wahrscheinlich auch noch andere würden ihn unterstützen und helfen wo es nur geht.... Trotzdem tut er es nicht.Trotzdem trinkt er.

    Es ist einfach seinen Kumpel als denjenigen zu identifizieren, der daran einen maßgeblichen Anteil hat. Aber da sein Kumpel ihm sicher nicht fesseln wird und ihm den Alkohol dann mit Gewalt in die Kehle schüttet, ist das zu einfach gedacht. Ich behaupte jetzt einfach mal, ohne ihn zu kennen, dass Dein Bruder auch weiter trinken würde wenn sein Kumpel jetzt plötzlich, aus welchen Gründen auch immer, weg wäre. Er würde nur nicht mehr trinken, wenn er selbst das möchte. Und dann hätte auch sein Kumpel "schlechte Karten" weil dann wäre er nämlich nicht mehr sein Kumpel.

    Wenn Du Dir mal die schnöde Statistik im Bezug auf Alkohol und Alkoholiker ansiehst, dann wirst Du feststellen, dass von den vielen Alkoholikern in unserem Lande nur ein geringer Prozentsatz überhaupt versucht, also ernsthaft versucht, von dem Zeug weg zu kommen. Die überwältigende Mehrheit trinkt und funkioniert so lange es eben geht. Und von denen die es doch gewagt oder versucht haben sind es wiederum nur relativ wenige, die auch nach zwei Jahren noch alkoholfrei leben. Ein paar von diesen Glücklichen sind hier im Forum aktiv.

    Ich finde das zeigt sehr schön, wie verdammt mächtig diese Sucht ist und wie ohnmächtig sowohl Angehörige / Partner / etc. als scheinbar auch der Trinkende selbst ihr gegenüber stehen.

    Deshalb kann ich das hier....

    Zitat

    Aber dieses gefühl das einem die Hände gebunden sind, macht mich wahnsinnig.


    ... sehr gut verstehen und auch nachvollziehen. Nur das es eigentlich kein Gefühl ist sondern eine Tatsache die sich sogar, ums mal pragmatisch zu formulieren, statistisch nachweisen lässt. Denn ich denke: Wenn Angehörige einen wie auch immer gearteten Zugriff auf den trinkenden Partner / Burder / etc. hätten, dann gäbe es deutlich weniger davon bzw. würden auch die, die versucht haben von dem Zeug wegzukommen, deutlich erfolgreicher sein. Das einfach nur mal so als Denkanstoss.

    Wahrscheinlich denkst Du Dir: was faselt der hier eigentlich. Ich wollte Dir damit einfach nur meine Sicht der Dinge darlegen, eine Sicht, die ich als Alkoholiker so auch selbst erlebt habe. Mich konnte auch niemand erreichen und noch nicht einmal die tiefe Liebe zu meinen Kindern konnte mich vom Trinken abbringen. Und Du darfst mir glauben, dass ich meine Kinder wirklich aus tiefstem Herzen heraus geliebt habe (und noch liebe) und dass ich ab einem bestimmten Zeitpunkt meiner Sucht genau wusste, dass ich ihnen mit meiner Sauferei tiefsten Schmerz und Schaden zufügen werde. Was ich dann auch getan habe. Dabei hätte ich doch "nur" aufhören müssen.....

    Deshalb kann ich Dir hier nur sagen, auch wenn das höchst unbefriedigend für Dich klingen mag: Kümmere Dich um DEIN Leben. Das ist das, wofür DU verantwortlich bist. Dein Bruder ist für sein Leben verantwortlich. Er kann damit tun was er möchte. Wenn es sein Plan ist sich tot zu saufen, dann kann er das tun, sogar völlig legal. Das ist fürchterlich und traurig, ist aber das was täglich passiert, mehrfach sogar.

    Du hast, genau wie Dein Bruder, auch das Recht auf Dein eigenes Leben. Du bestimmst über Dein Leben, das kannst Du verändern und gestalten. Und zwar so, wie Du es möchtest. Es könnte also darum gehen, Dich von der Sucht Deines Bruders zu lösen, die ja offenbar ein Teil Deines Lebens geworden ist. Ohne das Du das wolltest und ohne das Du hier auch nur ein Wort mitreden könntest. Da wieder heraus zu kommen und wieder zu Deiner Mitte zu finden, das könnte Deine Herausforderung sein. Klar will man seinen Bruder nicht hängen lassen. Ich verstehe das. Es gibt da ja einen Spruch bei uns Alkoholikern, der aber meiner Meinung nach für alle Menschen gut zu gebrauchen ist: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." Wenn Du nicht gläubig bist, dann kannst Du "Gott" auch weglassen, funktioniert trotzdem.

    Wenn man diese Weisheit nicht verinnerlicht hat, dann läuft man Gefahr wieder und immer wieder gegen Windmühlen zu kämpfen. Man läuft Gefahr sich aufzureiben und sich dabei selbst zu verlieren. Diese Gefahr besteht bei Dir auch.

    Vielleicht, mal wieder ganz pragmatisch gedacht, würde Dir auch eine reale Selbsthilfegruppe helfen. Es gibt ja neben den SHG für Alkoholiker auch die für Angehörige. Vielleicht wäre das ein Option für Dich. Aber es geht eben immer nur um eines: Um Dich! Und es geht um eines nicht: wie Du Deinem Bruder helfen kannst. Denn das kann nur er selbst. Aber ich wiederhole mich.

    Auch auf die Gefahr hin, dass mein Text nicht so recht das ist was Du gerne gelesen hättest, ich lass das jetzt mal so stehen.

    Und ich wünsche Dir von Herzen, wirklich von Herzen, dass sich für Dich Türen öffnen werden. Und natürlich wünsche ich Dir auch einen guten und hilfreichen Austausch hier im Forum. Alles Gute für Dich und

    LG
    gerchla

  • Hallo, Gaby!

    Auch von mir erstmal ein ganz herzliches WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Auch ich bin Alkoholiker und nun schon einige Jahre weg von dem Zeug bowdown

    Gerchlas Ausführungen kann ich eigentlich kaum etwas hinzufügen. Nur Eines ist mir beim Lesen Deiner verzweifelten Worte sofort ins Auge gesprungen:

    Zitat

    Aber was soll ich machen?
    Ich bin doch seine Schwester, ich muss doch was tun?
    Ich weiss ich habe einen Alkoholiker als Erzeuger und ich habe mich schon aussreichend mit dem Thema beschätigt.
    Erst wenn er es will, kann man ihm helfen, bal bla bla... so lange sein Kumpel da ist, wird er es eh nicht raffen.
    Aber dieses gefühl das einem die Hände gebunden sind, macht mich wahnsinnig.

    Du schreibst, Du habest Dich ausreichend mit dem Thema beschäftigt - bla, bla, bla.

    Hmm. Also auf Grund meiner eigenen Erfahrungen sowohl mit dieser Scheiß-Sucht als auch dem ganzen harten Weg da raus und meiner Arbeit in der Suchtselbsthilfe, meinen vielen, vielen Gesprächen mit anderen Betroffenen und Angehörigen kann ich Dir sagen: Es ist kein BlaBlaBla, was Dir da erzählt wurde - es ist die bittere Wahrheit! Und die will nun mal selten jemand hören!

    Das soll kein Vorwurf sein - es soll einfach nur das unterstreichen, was Gerchla schrieb und was andere Dir schon vorher gesagt haben: Du hilfst Deinem Bruder am Besten, indem Du ihm NICHT hilfst - und Dich um DICH kund DEIN Wohl kümmerst.
    Mehr kannst Du leider nicht tun.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hi, vielen Dank für eure Erfahrungen.
    Grundsätzlich weiß ich all das was ihr schreibt!
    Mein Verstand hat das schon registriert, aber ich kann es so schlecht umsetzen.
    Und es tut einfach so unfassbar weh, zu hören, wie er voll stramm feiern war.
    Sich von den anderen raustragen lassen muss, weil er nicht mehr laufen kann.
    Oder wenn unsere Wege sich kreuzen, mich von ihm im besoffenen Kopf mal wieder beleidigen zu lassen.
    Und mit bla bla bla wollte ich es keines Wegs als falsch darstellen, es ist nur das es mir jeder sagt und ich es auch versuche, das Problem ist, das ich mich damit mehr kaputt mache.
    Deswegen war ich grundsätzlich eher darauf aus, mich mit jemanden auszutauschen er auch in meiner Situation ist. Versteht mich nicht falsch, ich freue mich auch eure Sicht zu lesen.
    Vielen Dank

  • Alles gut!

    Und hier sind auch "genug" Angehörige unterwegs, die Dir auch ihre Sicht schildern können. Aber in so einem Forum kann es u.U. leider manchmal etwas dauern, bis die entsprechenden Leute online sind ...

    Hast Du schon mal bei Dir geschaut, ob es da eine Angehörigen-SHG gibt - wo Du Dich mit "realen" Menschen austauschen könntest (Sorry, mir fällt gerade keine andere Formulierung ein)?

    Guck doch auch mal in unsere Linksammlung - vielleicht wirst DU ja da fündig.

    Gruß
    Greenfox

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    können wir nur selber tun!

  • Hallo Gaby!

    Als ich deine erste Antwort gelesen habe, konnte ich mich darin gut wiederfinden! Ich empfinde es für die permanente Übung der Abgrenzung ebenfalls als hilfreich, die Beiträge der Betroffenen zu lesen. Die Einsicht, dass man dem betroffenen Angehörigen nicht weiterhelfen kann ist sicherlich auch ein wichtiger Schritt.
    Aber der Schmerz und die Hilflosigkeit, bzw. Ohnmachtsgefühle sind damit ja nicht einfach weggezaubert, sondern offenbaren sich erst dann komplett, wenn man weiß, ich kann nichts tun. Und das auszuhalten, bzw. zu verarbeiten ist zumindest für mich echt ein Problem. Bei der Selbstzerstörung einer geliebten Person zusehen zu müssen ohne etwas tun zu können.

    Ich hake derzeit immernoch an dem Punkt, dass ich immer wieder aufkeimende Hoffnung habe, dass mein Angehöriger doch noch den Dreh kriegt und Hilfe für sich selber annimmt. Er hat es ganz gut raus, sich mit guten Plänen nach einiger Zeit der Kontaktlosigkeit zu melden und dann doch nicht in die Klinik zu gehen. Er hat immerhin eigentlich die Krankheitseinsicht, aber die Sucht hat ihn nach einem Rückfall wieder komplett in der Hand mit allen Vermeidungstricks, Lügen, Manipulationen, usw.
    Derzeit habe ich den Kontakt abgebrochen und ihm verboten, sich bei mir zu melden, wenn er getrunken hat, da ich das (entschuldigt das Wort) Suffgelaber einfach nicht mehr ertragen kann. Er darf mich aus der Klinik anrufen, sonst nicht mehr.

    Andererseits gibt es ja auch sehr wohl Erfolgsgeschichten von Leuten, die es geschafft haben und die berichten, dass Angehörige eine wichtige Stütze waren. Das triggert das helfen wollen oder zumindest den Gedanken daran dann doch wieder an.

    Für dich in der Situation mit deinem Bruder ist es wahrscheinlich nicht so, dass du tagtäglich mit den Suchtauswüchsen konfrontiert bist, aber ich kann mir vorstellen, dass die Verbindung komplett zu kappen bei einem Geschwisterverhältnis noch einmal schwieriger ist als in einer (ehemaligen) Partnerschaft, wie bei mir.

    Womit ich mir momentan zu helfen versuche, ist, die Trauer zu akzeptieren und um ihn und eine verlorengegangene Zukunft weinen zu dürfen. Auch wenn ich dabei das Gefühl habe, so zu tun, als sei er schon tot. Ablenken und Leute treffen, die mal was anderes erzählen hilft auch ganz gut, wenn die Kraft, Verabredungen zu treffen reicht.

    Ein weiterer Gedanke, der mir beim Relativieren der Problematik hilft, ist, dass viele andere Menschen tagtäglich um ihr Leben kämpfen (Krankheiten, Krieg, usw.) und diesen Kampf nicht immer gewinnen. Abschied nehmen und Akzeptieren gehört zum Leben dazu, auch wenn es sich im Moment furchtbar anfühlt. Viele andere Leute sind in derselben Situation oder haben solche Situationen durchgestanden. Die Frage warum es jetzt Diesen oder Jenen, und in unseren Fällen nun unsere Angehörigen trifft, hilft nicht wirklich weiter. Ich arbeite gerade mit Zettel und Stift daran, stattdessen aufzuschreiben, was ich persönlich für mich aus der Situation mitnehmen kann, das in irgendeiner Art und Weise positiv ist. Lerneffekte, Erfahrungen, Erkenntnisse.

    Viele Grüße, Billy

  • @ Billy
    Danke für diesen Beitrag. Er hilft mir sehr, die Gefühle und die Herausforderungen der Angehörigen besser zu verstehen. Als Alkoholiker denke ich manchmal, ich habe ja die Sucht erlebt und dadurch müsste ich ja doch irgendwie die Seite der Anghörigen verstehen können. Aber ich glaube, jetzt auch nochmal nach Deinem Beitrag, dass das nur bedingt richtig ist. Die Gefühle eines Anghörigen kennt nur jemand, der selbst Angehöriger ist und das alles mitmachen musste.

    Alles Gute für Dich und natürlich auch für Gaby.

    LG
    Gerchla

  • Ich denke, in dieser Konstellation hat halt eine(r) immer die Arschkarte. Da gibt es keine schöne und einfache Lösung, mit der alle rundum glücklich sind.

    Für den Süchtigen ist es auch ein extremer Verlust, wegen Angehörigen auf seine Droge zu verzichten.
    Sehr oft liest man ja, dass Trinker mit der Flasche verheiratet sind. Und so fühlt sich das ja auch an. Wie wenn man die/den Geliebte(n) verlassen müsste, weil die Angehörigen nicht damit klar kommen. Und so wie der Süchtige auf sein Suchtmittel fixiert ist, ist der Angehörige auf den Süchtigen fixiert. Zumindest sehr oft, ich kenne das aus eigener Erfahrung.

    Es ist gehupft wie gesprungen, wers zuerst nicht mehr aushält, muss was ändern. Und wenns dem Trinker noch nicht reicht, aber dem Angehörigen schon, dann muss halt der Angehörige von seinem Suchtmittel lassen. Und der Bruder/Mann etc. ist ja dann das Suchtmittel, wenn das Verhältnis so zwanghaft ist.
    Der Angehörige hat dann auch das größere Problem, wenn der Trinker offensichtlich noch ganz gut mit der Situation leben kann (und das zeigt er, indem er weitermacht), aber der Angehörige eben nicht. Und über die Situation zu jammern, hat mit "tun'" nichts gemeinsam. Jammern kann man lange, und trotzdem nichts ändern. Und das betrifft Angehörige wie direkt Betroffene.

    Wahrscheinlich kriege ich jetzt Haue, aber Angehörige begreifen ja auch nicht, was sie vom Süchtigen verlangen, wenn sie denken, wegen ihnen könnte der so einfach aufhören. Abgesehen davon, das man ihn ja sowieso nicht dazu zwingen kann.

    Ich meine, man könnte ja auch den Wohnort wechseln, wenn man dem Säufer nicht mehr begegnen und sich nicht blöd anmachen lassen will. Der Klügere gibt nach. Dann hat der Andere zwar (scheinbar) gewonnen, aber man kann wenigstens neu anfangen, leben und frei atmen. Vom Süchtigen erwartet man ja auch, dass er sein Leben komplett ändert, also warum nicht auch von sich selbst?

  • Hallo Gaby,
    ich weiß nicht, ob du noch aktiv im Forum bist, aber ich habe gerade deinen Beitrag gefunden und möchte noch darauf reagieren.
    Auch ich habe einen älteren Bruder, der seit Jahren trinkt. Viele Höhen und Tiefen haben wir als Familie (also meine Eltern und ich und natürlich auch andere) schon miterlebt und mich treiben die gleichen Gedanken, wie du sie hast. Aus meiner Sicht ist es eine immerwährende Reise mit vielen Gedankenkreisen, Hilfeversuchen usw. Vielleicht tröstet dich, dass es eine ständige Auseinandersetzung ist. Anfangs dachte ich: was kann ich machen, wie kann ich unterstützen usw. Irgendwann kamen bei mir Einsichten und auch meine Erfahrungen wurden mehr. Und ich habe angefangen mich und mein Verhalten und die sich ständig wechselnden Situationen und Gefühlszustände zu reflektieren. Und ich finde, das nimmt etwas von diesem Ohnmachtsgefühl. Ohnmacht in Bezug darauf, dass jemand einfach weiter trinkt, die bleibt. Aber wie du mit den damit einhergehenden Gefühlen, Gedanken und Handlungen umgehst, das kannst du beeinflussen. Das ist deine Aktivität und dann auch keine Ohnmacht. Auch manche Sachen zu durchschauen, objektiv zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen, kann manchmal gut sein. Alkoholiker sind (bewusst und unbewusst) sehr pfiffig darin, Menschen um sich zu sammeln und in Aufruhr zu halten. Das gehört zur Problematik einfach dazu. Es ist und bleibt eine Reise. Versuche, DICH in den Mittelpunkt der ganzen Auseinandersetzung zu stellen. Wie kannst du deine Reaktionsmöglichkeiten erhöhen, wie kannst du Kommunikation gut gestalten, wie kannst du gut Grenzen ziehen, wie kannst du gut trauern UND Spaß am Leben behalten, wie positionierst du dich gegenüber anderen Familienmitgliedern, Freunden usw. Ich glaube es ist nicht gut, wenn die Gedanken nur oder überwiegend um den Süchtigen kreisen. Das tun doch eh schon so viele (Angehörige, Ärzte, Kliniken, Krankenkassen, Freunde usw.). Vielleicht könnten wir uns als betroffene Geschwister fragen: Angenommen, wir wären die Hilfebedürftigen: Was könnte für uns eine gute Hilfe sein? Es gibt viel zu wenige Angebote, speziell für Geschwister. Da wir immer in zweiter Reihe stehen. Lebenspartner oder Eltern stehen viel mehr im Fokus.
    Wenn du Lust auf weiteren Austausch hast, schreibe gerne weiter und was so in der Zwischenzeit passiert ist.
    Liebe Grüße, Katharina

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