• Hallo!

    Glückwunsch zum Einjährigen.

    Man sollte den Jubelstürmen anderer Mitstreiter zu Beginn der Abstinenz nicht zu viel Glauben schenken, sie fallen, so meine Erfahrung, überwiegend in die Kategorie Schwätzer und Selbstdarsteller. ;) Die am lautesten sich selbst gepriesen haben, waren stets die ersten, die rückfällig wurden. Stichwort: "Große Klappe, nichts dahinter."

    Dein geschildereter heftiger Suchtdruck zeigt, dass Du noch lange nicht über den Berg bist, aber durchaus in der Lage, heftigen Druck auszuhalten, auch wenn Du ein wenig Glück hattest, das die angesteuerten Läden geschlossen waren. Nenne es einfach das Glück des Tüchtigen.

    Dein Beispiel zeigt aber auch, wie wichtig es ist, keinen Alk daheim zu haben. Wenn man sich erst mal in Richtung irgendeines Ladens aufmachen muss, hat man noch mal Zeit durchzuschnaufen und es sich kritsich zu hinterfragen. Und sei es, sich nur vor Augen zu halten: "Wenn ich jetzt nachgebe, fängt die ganze Schei... wieder von vorne an."

    Jede Triggerabwehr macht dich für die Zukunft stärker. Da ist was dran. Und nach einem Jahr musst Du immer noch mit gelegentlichen Attacken rechnen, auch wenn die Abstände immer größer werden.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Auch von mir Glückwunsch zum ersten alk-freien Jahr 44.

    Und dass nicht ALLES nur schweinchen-rosa verlaufen ist, liegt daran, dass Du Dir nicht mehr alles schönsäufst. Man nennt es auch "das Leben".

    Auch wenn man nicht trinkt kann man krank werden, gehen Firmen Pleite und entlassen ihre Angestellten, kommt es zu einer Pandemie ...
    Als ich mir bei einem Sturz vor 4 Jahren beide Ellenbogen auf einmal gebrochen habe, war mein erster Gedanke "Zum Glück trinke ich nicht mehr und habe auch jetzt nichts getrunken!"
    Vollkommen bekloppt, aber das war tatsächlich das, was mir da unten auf dem Boden trotz der Schmerzen durch den Kopf ging. Hauptsächlich zunächst, weil mir Keiner vorwerfen konnte, DESWEGEN gestürzt zu sein.

    Und dann, etwas später, als die Schmerzen kamen, weil ich mir keinen Kopf mehr machen muss, wie ich mir den Stoff besorgen soll ...

    Auch andere Krankheiten, Sorgen und Nöte haben mich in den letzten Jahren geplagt. Und immer wieder war ich letztendlich froh, dass ich nicht mehr trinke - eben weil das alles nur verschlimmert hätte.

    Und solche depressive Phasen - passiert eben manchmal. Hauptsache, Du machst Dir bewusst, dass es eine Phase ist, die wieder vorbei geht. Und bist entsprechend gewappnet. Zur Not musst Du Dir professionelle Hilfe suchen (Ich weiss, ist gerade heutzutage leicht gesagt :( ). Zumindest bei mir hat es funktioniert - auch das mit dem Hilfe suchen, als sich eine depressive Phase abzeichnete.

    Also - mit Volldampf erstmal ins kommende Jahr :sun:

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo, Spaziergänger,
    meinen Glückwunsch zum Einjährigen! 44.

    Und was die Stimmung betrifft, wünsche ich dir weiterhin gute Besserung. Du weißt, dass es „nur“ eine Phase war/ist.

    Interessiert es dich, von meinen Erfahrungen zu lesen? Wenn nicht, lies das Folgende nicht und lass es einfach stehen.

    Ich kenne sie auch diese Phasen und während eines Tiefs nur den einen Wunsch zu haben, dass das aufhört....

    Mit der Nichtraucherei kenne ich mich länger aus als mit der Alkohol-Abstinenz, obwohl ich vor vier Jahren schon mal länger als ein Jahr alkoholfrei war. Euphorie, Bäume-Ausreißen, Wie-neu-geboren-sein u.ä. habe ich selbst auch nie so erlebt, wohl aber das Gefühl von Befreiung und das Gefühl, mehr Kontrolle über mein Leben zu haben. Aktuell fühle ich mich geistig klarer, irgendwie wacher. Das hat bei mir gewiss auch mit der Bewältigung meiner Erkrankung zu tun.

    Meine Coping-Strategien im Umgang mit meiner Depression funktionieren auch nicht immer, manchmal geht die Spirale einfach immer weiter abwärts. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Vom Prinzip hat es damit zu tun, dass das Gehirn permanent mit etwas beschäftigt ist und die biochemische Zusammensetzung im Gehirn so fürchterlich empfindlich ist. Ich selbst habe das Glück, einen Therapeuten gefunden zu haben, mit dem die Chemie stimmt und der mich gut bei der Bewältigung meiner Depression begleitet.

    Interessant finde ich übrigens die Beschreibung, wie du aus der Entfernung die Taxen beobachtet und damit irgendwie den Druck überwunden hast. So etwas Ähnliches kenne ich auch. Knapp war’s, aber du hast dir damit einen letzten Rest von Kontrolle bewahrt. Mein Therapeut würde das aufmunternd hervorheben.

    Alles Gute weiterhin!
    Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo liebe Leute,

    ich bin auch noch da und weiterhin abstinent unterwegs. Bei meinem letzten Beitrag zum Jahreswechsel - und somit um mein Einjähriges herum - war ich ja in einem ziemlichen Loch. Vielen Dank für Eure Antworten damals Sara, Rina, Reko, Greenfox und AmSee. Ich habe das alles gelesen und danke Euch für die Untertützung. Ich habe mich nur nicht in der Lage gefühlt, irgendwas halbwegs Sinnvolles zu antworten.

    Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll, im letzten halben Jahr ist so viel passiert und irgendwie auch nichts. Jedenfalls habe ich danach beschlossen, dass ich noch mehr ändern muss, als nur nicht zu trinken und brenne seitdem mein aktuelles Leben nieder und mache nochmal etwas ganz Neues. Das ist noch in Arbeit und hält mich beschäftigt.

    Über das Nicht-Trinken muss ich mir die meiste Zeit gar keine wirklilchen Gedanken machen. Also ich beschäftige mich schon weiterhin mit dem Thema durch Bücher, Podcasts und das Forum hier. Aber Suchtdruck habe ich keinen. Eher im Gegenteil, ich finde den Gedanken erschreckend, Alkohol zu trinken. Widerlich. :) Neulich hatte ich mir eine Tüte Weingummis gekauft und festgestellt, dass die giftig schmecken. Ein Blick auf die Zutatenliste: Wein. Klingt naheliegend, aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, dass in Weingummis Wein ist. Schmeckt echt scheiße. Es gibt aber auch welche ohne.

    Jedenfalls... läuft es so weit gut. Manchmal fühlt es sich ganz einfach und selbstverständlich an, aufgehört zu haben. Dann frage ich mich, warum ich das all die Jahrzehnte gemacht habe? Die ganze verlorene Zeit, ruinierte Abende und Tage und Wochen und Jahre. Verrückt, oder?

    Naja, so viel für heute, wollte nur mal wieder ein Lebenszeichen senden.

    PS: Ich glaube seit der nächtlichen Ausgangssperre kenne ich alle hiesigen Kollegen von Greenfox und Britt, die mich teilweise mehrfach beim Spazierengehen aufgegriffen haben, bis sie es dann irgendwann gelassen haben. Die waren allesamt freundlich und verständnisvoll. Ich bin halt der Spaziergänger, kann man nichts machen. Ich hätte denen auch erzählt, dass die Spaziergänge eine Angewohnheit sind, um nicht zu trinken. Aber so genau wollten sie es gar nicht wissen.

  • Mal wieder ein kleines Lebenszeichen von mir. Jetzt bin ich seit 1 3/4 Jahren abstinent unterwegs und es läuft gut, eigentlich ohne besondere Vorkommnisse (also abgesehen davon, dass ich nach einer Krise Ende letzten Jahres dieses Jahr mit einem Flammenwerfer über mein komplettes Leben gehe - aber das ist eine andere Geschichte).

    Bei mir ist das Glas grundsätzlich halb leer. Aber selbst ich muss zugeben, dass das Leben ohne Alkohol insgesamt sensationell viel besser ist als mit. Der Tag hat wieder 24 Stunden und ich bin an einem Großteil davon zurechnungsfähig (im Rahmen meiner Möglichkeiten ;) ). Ich kann abends noch etwas Produktives machen, wenn ich darauf Lust habe, oder ein Buch lesen und am nächsten Tag noch wissen, worum es ging. Wenn ich nicht schlafen kann, mache ich vielleicht Nachts um 3 eine Yoga-Stunde bei Youtube mit und kann, wenn mich dann um 8 das Telefon aus dem Schlaf schreckt und es wichtig ist, drangehen und in zusammenhängenden Sätzen sprechen. Und (ich glaube, das Beispiel hat auch Catherine Gray auf einer ihrer vielen Listen) ich komme im Urlaub auf die verrückte Idee, vorzeitig aus dem Hotel auszuchecken, statt den Wecker immer weiter bis 11:30 vorzustellen, dann meine Sachen notdürftig in den Koffer zu schaufeln, worauf ich am Vorabend natürlich keine Lust mehr hatte, und um 12:10 völlig zerstört an der Rezeption aufzuschlagen.

    Das ist schon ziemlich gut, wenn ich so drüber nachdenke.

    Kein Bisschen vermisse ich auch meine chronischen Angstzustände während des Ausnüchterungsprozesses ("Hangxiety") am Tag "danach" (also jeden Tag). So dass ich am Ende des (Arbeits-)Tages davon so erschöpft war, dass ich dachte: "Boah, jetzt brauche ich aber ein paar hundert Bier". Das ist so viel besser jetzt.


    Die ersten 1 1/2 Jahre kam ich wegen Corona und Home-Office auch überhaupt nicht in die Situation, dass mir etwas alkoholisches zu trinken angeboten wurde. In den letzten Wochen und Monaten - da sich das Leben etwas normalisiert - kam das ein paar Mal vor (jeweils mit Leuten, die ich erst kenne, seit ich nicht mehr trinke). Es wurde aber anstandslos akzeptiert, dass ich keinen Alkohol trinke und es wurde auch nicht nachgebohrt. "Ach das ist gut, da bleibt mehr für mich" sagte mal jemand.

    Neulich war ich das erste Mal nüchtern im Urlaub, das war ungewohnt. Schön am Meer in südlichen Gefilden. Da es sehr heiß war, musste ich mehrmals am Tag Wasser nachkaufen und mich dafür erst durch die zahlreichen Kühlschränke voller eiskaltem Bier suchen. Schön anzuschauende ausländische Sorten, die ich früher unbedingt probiert hätte. Das hat anfangs schon etwas gepiekst. Aber nachdem ich mir vorgestellt habe wie ich mich tatsächlich fühlen würde, nachdem ich mir bei 40 Grad und praller Sonne ein paar Bier in den Schädel geschüttet habe, und wie im Eimer der Tag wäre und der nächste gleich mit... ging das eigentlich schnell vorbei.

    Ob Urlaub oder nicht: über Jahrzehnte war "dasitzen, rauchen und Bier trinken" eine vollwertige Freizeitbeschäftigung für mich, mit der ich die Abende verbracht habe. Ziemlich traurig, wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Da muss ich jetzt teilweise tatsächlich erst lernen, was ich denn überhaupt gerne mache mit meiner Freizeit. Nächtliche Spaziergänge gehören natürlich dazu. Nomen est omen.

    So, das wollte ich alles gar nicht schreiben. Eigentlich wollte ich nur von einer kleinen Begebenheit beim Zahnarzt heute berichten, die mich überhaupt erst wieder auf das Thema Alkohol aufmerksam gemacht hat. Ich hatte ein Vorgespräch zu einer Parodonthose-Behandlung (nicht beim Zahnarzt selbst, sondern bei einer Angestellten). Es ging u.a. um die lokale Betäubung, die in dem Fall mit Adrenalin gemacht wird und im Gegensatz zu einer "normalen" lokalen Betäubung 5-8 Stunden anhält. "Es sei denn man ist Alkoholilker. Also nicht Sie und nicht ich." sagte die Dame forsch. Sie erklärte das so, dass bei einem Alkoholiker die Leber praktisch immer auf Hochtouren läuft und auch das Betäubungsmittel schneller abbaut.

    Wenn es jetzt um eine Vollnarkose bei einer Operation gegangen wäre, wäre ich darauf vorbereitet gewesen. Der liebe Greenfox weist ja regelmäßig auf die Thematik hin. Beim Zahnarzt hat mich das jetzt unerwartet getroffen. Ich habe sie dann erstmal weiter reden lassen und überlegt, was ich jetzt mache. Das war das erste Mal für mich in der Situation zu sein. Und da das jetzt auch nicht der Arzt war, habe ich mich auch gefragt: wer ist die eigentlich? Gilt hier Schweigepflicht? Ich denke schon, aber wer weiß...

    Langer Rede kurzer Sinn: ich hatte dann den Greenfox im Ohr, der mir gesagt hat, hier reinen Tisch zu machen. Und so habe ich es dann auch gemacht. Sie meinte dann, ich soll mir mal keine Sorgen machen. Fast zwei Jahre trocken sei ja schon eine Zeit. Und wenn die Betäubung früher aufhört zu wirken, würde ich das ja merken und ich kann Bescheid sagen. Ist ja keine Vollnarkose.

    So, das war's schon mit meiner Geschichte von heute. Ich bleibe gespannt, wie es dann tatsächlich verläuft.

    Macht's gut,
    Spaziergänger

  • Moinsen Spaziergänger,

    manchmal lese ich so was Berührendes wie deinen Bericht eben. Und dann freue ich mich. Super! Hat mich an meine Anfänge erinnert und vieles in deinem Bericht ist mir sehr vertraut...

    "In echt" bin ich eine kleine ältere Frau und bekomme oft ungläubigen Respekt, wenn ich (schon lange) meine drei Suchtdiagnosen beim Ausfüllen angebe ;)

    Alles Gute weiterhin für dich! :)

    ichso

  • Wenn es jetzt um eine Vollnarkose bei einer Operation gegangen wäre, wäre ich darauf vorbereitet gewesen. Der liebe Greenfox weist ja regelmäßig auf die Thematik hin. Beim Zahnarzt hat mich das jetzt unerwartet getroffen. Ich habe sie dann erstmal weiter reden lassen und überlegt, was ich jetzt mache. Das war das erste Mal für mich in der Situation zu sein. Und da das jetzt auch nicht der Arzt war, habe ich mich auch gefragt: wer ist die eigentlich? Gilt hier Schweigepflicht? Ich denke schon, aber wer weiß...

    Langer Rede kurzer Sinn: ich hatte dann den Greenfox im Ohr, der mir gesagt hat, hier reinen Tisch zu machen. Und so habe ich es dann auch gemacht.

    Wow - da hat jemand mal auf mich gehört bowdown

    ;D Aber mal im Ernst: Das ist gut, dass Du das angesagt hast!
    Zum Einen: Ja, es gilt die Schweigepflicht! (Wobei ich mich frage, wie das in einigen Arzt-Vorzimmern gehandhabt wird, wenn da in voller Lautstärke über Dieses oder Jenes geredet wird >:( )
    Und zum Anderen liegt somit die Verantwortung beim Arzt bzw. der Praxis, das Betäubungsmittel richtig zu dosieren oder ggf. ein anderes zu nehmen.

    Es stimmt nämlich, dass der Körper von Alkoholikern - auch wenn sie schon sehr lange abstinent sind! - solche Stoffe schneller abbauen. Und es wäre wirklich unangenehm, mitten in einer Narkose aufzuwachen ...
    Ich habe mal einen Chirurgen erschreckt, der dachte, dass ich schon "weg" bin und ich dann meinte "Nö, ich bin noch da!" ;D Unmittelbar danach ging bei mir aber wirklich das Licht aus. Aber das sind auch Folgen von unserem Alkoholkonsum.

    1 3/4 Jahre - ich freu mich für Dich :heartBalloon:

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

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