Flashback und andere Erinnerungen

  • Hallo Forum!

    Ich wollte mal fragen wie es euch mit Flashbacks,unangenehmen oder peinlichen Erinnerungen geht.
    Es kommt bei mir ziemlich oft vor, dass mir plötzlich diese Erinnerungen an Situationen kommen,wo ich mich im betrunkenen Zustand unmöglich benahm. Meistens sind es die selben, ganz üblen Szenen, die im Kopf auftauchen, ich frage mich, ob das in der Anfangsphase einfach dazugehört? Nimmt das mit der Zeit ab? Ich möchte mich nicht mein ganzes Leben für vergangene Aktionen schämen müssen,manchmal empfinde ich dieses Gefühl als extrem unangenehmen,kann es nicht gut „verarbeiten „. Ich bin eh nicht gut darin Emotionen zuzulassen und das ist für mich eines der schwierigsten Dinge in der Nüchternheit.

    Wem geht/ ging es auch so? Wie geht ihr damit um? Einfach aushalten?Niederschreiben? In der SHG besprechen? Ich möchte diesen Balast einfach mal ablegen und mir selber auch vergeben können, im Moment gelingt mir das grad gar nicht...

    Lg
    Rina

  • Hallo Rina,

    ich habe bei mir festgestellt, wenn Erinnerungen immer wieder auftauchen, dann lassen sie sich eben nicht wegschieben, sondern wollen gesehen werden.

    Also wäre es richtig, nicht dem ersten Impuls folgend, schnell weg damit, sondern sich die Situation vor dem inneren Auge anzusehen, auch wenn es unangenehm ist und die Gefühle, die das erzeugt zuzulassen und sich selbst wahrnehmen.

    Nicht nur wahrnehmen, wie peinlich man war, sondern auch wahrnehmen, wie schlecht es einem ging, wie gefangen und verblendet man war, mit wieviel Schmerz das alles verbunden war.

    Und sich selbst das alles zugestehen: Mir ging es so schlecht, ich wusste keinen anderen Weg, deshalb habe ich diesen Weg gewählt.

    Sich selbst verzeihen, sich in den Arm nehmen und trösten.

    Und sich beglückwünschen, dazu, dass man den Absprung geschafft hat.

    Klingt logisch und einfach, ist es aber nicht. Und man hat auch nicht immer die Kraft dazu.

    Aber ab und an, wenn du die Kraft hast, fang einfach mal an, dir eine Situation anzugucken, die dich belastet und verzeihe dir, Schritt für Schritt, immer ein kleines bißchen mehr.

    Viele Grüße, <br />Risu

  • Auch ich erinnere mich jetzt noch, nach fast 12 Jahren Abstinenz, ab und an an meine schlimm(st)en Zeiten und Erlebnisse. Und ja - es tut weh. Aber es erinnert mich, warum ich alles tun möchte, dass es mir weiterhin so gut geht wie jetzt.

    Aber es geisselt mich nicht. Es ist vergangen, vorbei. Vergessen sollte man soetwas aber nicht - denn dann sieht man nur noch den eitlen Sonnenschein und wird vielleicht leichtsinnig ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo,
    Flashbacks hat ja jeder, der in irgendeiner Form traumatische Erlebnisse erfahren musste (zB. Kriegsveteranen, körperliche, emotionale oder sexuelle Gewalt)
    Diese Flashbacks, also das plötzliche Erleben von sehr starken und unangenehmen Gefühlen erlebe ich fast immer in der Gruppe.
    Wenn jemand von seiner Alkoholkarriere erzählt, reagiere ich nämlich nicht auf die Person oder das Erzählte selbst.
    Ich reagiere auf mein „früher“, also auf meine Vergangenheit und wie es bei mir war. Manchmal fühle ich mich wirklich so, als durchlebe ich das Ganze noch einmal, inklusive dem Gefühl von Hilflosigkeit und tiefster Verzweiflung.
    Ich erlebe diese Flashbacks (wenn auch nicht immer angenehm) durchaus positiv. Denn durch meine innere Auseinandersetzung und Reflexion mit diesem Gefühl kann ich immer mehr dazu lernen
    –für meine Abstinenz wahnsinnig wichtig- denn ich weiß, wo ich nie wieder hin will….in eine Zeit, in der ich mit dem Trinken extreme Angst und Kontrollverluste durchlebte.

    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Ihr habt recht...ich sollte versuchen meine Perspektive auf das Vergangene zu ändern.

    Stimmt natürlich,Gefühle und Emotionen lassen sich nicht wegschieben. Also lieber zulassen,akzeptieren. Und vielleicht gelingt es mir irgendwann mal auch Positives aus diesen Ereignissen zu ziehen, wie ihr sagt, die Kraft und Überzeugung alles zu tun,dass es sich nicht wiederholt. Scham- und Schuldgefühle bringen ja nichts, wenn ich sie nicht richtig deute und sie sinnvoll in eine gesunde Richtung lenke.

    Aber es ist halt einfacher gesagt als getan. Ich habe gerade grosse Mühe mir selbst zu verzeihen, Dinge stehen lassen und zu sagen „es ist vorbei und lässt sich nicht ändern „.Dieses ehemalige trinkende Ich, das Bild von mir selbst so aus nüchterner Distanz betrachtet ist manchmal schwer aushaltbar. Das war in den ersten Monaten der Trockenheit nicht so extrem, jetzt kommt irgendwie das ganze Übel in ganz klaren Konturen und Farben zum Vorschein.

    Ich denke auch dass das sicher zum Prozess dazu gehört, so eine Sucht will ja verarbeitet werden...Muss lernen damit umzugehen,positif,es mir zu Nutzen machen wie ihr sagt. Es zieht mich unnötig runter...*sniff*.

  • Sowas hatte ich am Anfang meiner Trockenheit sehr oft.
    Ich glaube aber das es mir eher geholfen hat.

    Klar Im ersten Moment sehr unangenehm solche Gedanken, aber sie haben mich immer daran errinert warum ich das alles überhaupt mache.

    Kann mich da meinen Vorrednern nur anschließen. Die errinerungen passieren lassen. Kann mir diese Gedanken auch nur so erklären das dein unterbewusst sein dir eine Hilfestellung gibt nicht wieder zu trinken.
    Dein suchtgedaechtnis wird dir wohl kaum schlechte errinerungen an dein Suchtmittel geben.

    Ich habe so Gedanken schon lange nicht mehr gehabt. Eigentlich immer nur wenn ich andere besoffene sehe zb morgens in der Bahn. Da fühle ich mich immer so sehr an mich selber errinert.

    Aber kann nicht schaden sich selbst mal dran zu errinert wie scheiße alles war, wie gut es dagegen jetzt ist und man nie wieder dahin zurück will!

    Ist ein gutes Gefühl, danke fuer diesen thread.

  • Ich hadere phasenweise mit mir selber, kann mich schlecht akzeptieren. Die Wurzeln hierfür liegen auch in meinem Missbrauch vergraben,das weiss ich auch aber es hilft mir nicht weiter. Um einen Wert zu haben muss ich in meinen Augen immer unglaublich vieles leisten, meine Daseinsberechtigung sozusagen beweisen. Ich kann auch nie irgendwas „durchschnittlich“ oder mit Mittelmass tun,setze mir in so vielen Breichen des Lebens zu hohe Ansprüche (die unerfüllbar sind).

    Ich bin in einer Traumatherapie seit einigen Monaten,seit dem verstehe ich mein Handeln besser aber ändern kann ich es trotzdem nicht. Wenn man dann so noch mit dem ehemaligen Trinker-Ich konfrontiert wird, wird’s ganz schwierig...habe von vielen in der SHG gehört man soll milde zu sich sein, verzeihen und vergeben. Das hört sich für mich sehr gesund und vernünftig an, wenn’s mir ansatzweise gelingen würde wäre es noch besser.

    Vielleicht brauche ich noch Zeit... Manchmal geht es ja auch besser und ich denke nicht soviel an die Vergangenheit. Aber wenn, wie gerade zur Zeit, könnte ich mir den Kopf gegen die Wand schlagen. Es kommen auch so „Selbstbestrafungsgedanken“ hoch, oder so „ich verdiene gewisse Dinge nicht,bin es nicht wert“.

    Danke für s Lesen, für s Antworten und für‘s Dasein, selbst wenn nur virtuell tut es trotzdem gut seine Gedanken zu teilen.

    Rina

  • Ich habe keine direkte Missbrauchserfahrung. Mir wurde als Kind aber für alles die Schuld gegeben, was irgendwie zwischen meinen Eltern und auch bei mir selbst schiefgelaufen war und mit mir sind ein paar Leute so umgegangen, das sich ein paar Andere, die das mitangesehen hatten, noch 30 Jahre später darüber aufgeregt haben, wie man mit einem Kind (also mit mir damals) so umgehen konnte.

    So nach dem Motto, die Anderen haben nie Fehler gemacht, das lag alles nur an mir. Diese Diskussionen habe ich noch weit bis ins Erwachsenenalter mit manchen der Beteiligten geführt. Letzendlich halfen mir dabei Beobachtungen der erwähnten Aussenstehenden, das ich mir das nicht nur engebildet habe. Ausserdem bin ich darüber auch manchmal so hart und direkt geworden, wie man das hier im Forum teilweise schon gesehen hat, wobei ich das noch ganz anders konnte als ich es hier mache. Es war auch notwendig, um mich daraus zu befreien. Erst dann, als ich diese Probleme richtig adressiert hatte, mich also auch nicht mehr klein machen liess, konnte ich verzeihen.

    Es ist ja bekannt, das Folteropfer, Missbrauchsopfer etc. oft die Schuld für das, was mit ihnen geschehen ist, bei sich selbst suchen, sich mit dem Peiniger innerlich - teilweise unbewusst - auf die gleiche Seite schlagen, einerseits aus Angst, dass noch mehr passiert, anderseits muss es ja - besonders das früher reale, später innere Kind erlebt das so - ja auch einen Grund gegeben haben, dass einem das passiert ist, also irgendwie musste man ja doch irgendwie Schuld daran gewesen sein, denn die Anderen meinens ja nur gut mit dem bösen Kind - wofür man dann auch (später) den Wunsch verspürt, sich selbst zu bestrafen.

    Im Suff baut man Mist, der einen retraumatisiert, und der den Wunsch nach Selbstbestrafung, bei mir war es Selbsthass, am Leben hält. Natürlich macht man das nicht mit bewusster geplanter Absicht so, das ist aus dem Unbewussten gesteuert, und der Alkohol tut dabei natürlich auch seine Wirkung und machts besonders peinlich (Pein ist im Übrigen ein Wort für Schmerz, und "peinliche Befragung" nannte man die Folter der Inquisition). Ich hab eine Zeitlang richtiggehend darauf hingearbeitet, dass mich Leute gehasst haben, ich brauchte das, genau so wie ich ich es gebraucht habe, manchmal so richtig kaputt zu sein, mich selbst fertig zu machen - auch durch und mit der Sauferei und den Drogen- , aber ich habe es erst im Nachhinein verstanden, was da so alles mit reingespielt hatte. Und - auch - weil man sich mit Saufen und Drogen oft erst mal besser fühlt, habe ich auch das lange nicht verstanden, zu was es führte.

    Ich habe dann irgendwann Bilanz gezogen - was habe ich denn wirklich Schlimmes angestellt, was sich nüchtern nicht irgendwie wieder regeln liess? Also ich habe weder jemanden umgebracht oder bewusst gequält, und ich habe auch sonst nicht sehr viel gemacht, was mir auf Dauer niemand verzeihen konnte. Also ich hab mich höchstens ordentlich blamiert, was ich aber dadurch, dass ich ja dann wirklich an mir gearbeitet habe, auch wieder ausgeglichen habe. Und ausserdem kann ich auch ganz gut damit leben, dass mich nicht jeder mag, bisher blieben immer genügende übrig, mit denen ich "konnte". "Keiner mag mich" stimmt sicherlich nicht, also warum soll ich mich dann selbst nicht auch mögen können?

    Und ich meine, ich bin kein Engel, will ich gar nicht sein, aber so schlimm, wie ich dann mit mir umgegangen bin, hattte ich es auch nicht verdient. Einfach mal nüchtern betrachtet. Nüchtern, ein sehr brauchbarer Zustand. Und wie bin ich denn bei Anderen? Bin ich da auch so unbarmherzig, wie ich es bei mir war, so fordernd, das alles immer nur das Beste sein muss? Bin ich ganz sicher nicht. Manche Sachen will ich haben, aber ansonsten kann ich mit vielem leben, und so mache ich das heute auch bei mir.

    Und gerade das Bewusstsein, dass ja schon genügend Andere schlecht mit mir umgegangen sind - und mit Dir bei dem Missbrauch ja auch - ist ja gerade ein Grund, nun mit mir selbst "gut" , also pfleglich umzugehen und nicht das, was mir angetan wurde (hört sich für mich heute schon blöde an, weil ich nicht mehr darunter leide und mich schon lange nicht mehr als Opfer sehe, aber es gab natürlich andere Zeiten), mir dann selbst auch wieder antue, indem ich genauso mit mir umgehe, dass es mir dabei schlecht geht.
    Jedenfalls muss ich ja nicht den Job meiner früheren Peiniger nun selbst zu Ende bringen und denen nachträglich durch mein eigenes Tun Recht geben, sondern ich habe dem gezielt entgegen gearbeitet, nachdem ich es verstanden hatte. Und natürlich ging das aber auch bei mir nicht von Heute auf Morgen, sondern ich musste das üben.

    Geduld, Geduld, Geduld, und das am besten gleich und sofort..das dauert halt und das fällt einem Süchtigen vielleicht auch besonders schwer. Denn von der Droge/dem Alkohol als Droge ist man es ja auch gewohnt, dass man seine Gefühle sofort verändern und sich abschiessen kann, sobald der Stoff in die Blutbahn kommt. Dass etwas so lange dauert, ist ja auch neu und muss ausgehalten werden.

    Bevor es zu sehr ins küchenpsychologische Labern geht, höre ich jetzt aber auf, vielleicht kommt ja rüber, was ich sagen will. Mach Dich nicht dafür fertig, das Dich andere schon fertig gemacht haben, oder so ähnlich.

    Gruß Susanne

  • Danke für diese Worte und Gedanken. Das menschliche Gehirn sucht in der Tat immer eine Antwort und wenn es keine logische Erklärung gibt „bastelt „ es sich eine zusammen, egal wie realitätsfremd und abstrus diese sein mag - so mein Therapeut. Es scheint dass Menschen mit einem „es gibt keinen Grund „ nicht umgehen können...die Suche nach Antworten hält solange an, bis man für sich eine gefunden hat. Das betrifft nicht nur Missbrauch sondern genauso Sucht (wieso trinke ich?), Krankheiten (wieso ich?), Unerklärliche Wunder (Gott?) etc...Ein intéressantes Thema worüber viel auch über Holocausopfer geschrieben wurde, wie die Überlebenden weiterleben können.

    Wie so oft liegen zwischen Wissen und Anwenden viele grosse und kleine Schritte...Geduld ist wohl das Zauberwort.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!