Ich, Rina, 38 Jahre - Alkoholikerin

  • Liebe Forenmitglieder,

    Nach längerer Zeit des stillen Mitlesens möchte ich mich euch nun anschliessen und am aktiven virtuellen Austausch teilnehmen…ich habe hier schon einige Anworten und Lösungsansätze für mich gefunden, ich hoffe euch mit meiner eigenen Erfahrung etwas zurück geben zu können.

    Hier ein paar Worte zu mir und meiner leider steilen Alkoholkarriere :

    Mein erster Alkoholkonsum erfolgte relativ spät, mit 17 Jahren auf einer Feier. Er schlug jedoch ein wie eine Bombe und prägte ab sofort mein weiteres Verhältnis zu Alkohol…denn ab dem Moment wusste ich, ich wollte mehr davon. Ich liebte den Rausch, nie den Geschmack. Einen moderaten Konsum gab es bei mir nie, wenn ich trank dann immer exessif…während 7Jahren Studium jeden 2.Tag betrunken…Im Nachhinein frage ich mich wie ich das alles mit Nebenjobs überhaupt hinbekommen habe.

    Später fand ich arbeit im Weinbusiness, es war Zufall da eigentlich nichts zu tun mit meiner ursprüngliche Ausbildung. Aber ich war darin mehrere Jahre erfolgreich tätig…bis der Konsum auch bei der Arbeit an Überhand gewann und es kam wie es kommen musste, mir wurde gekündigt…zu Recht. Ich trank zum Teil Morgens schon heimlich…der Wein war ja da…und habe mir so einiges geleistet dort. Es war nur eine Frage der Zeit…

    Ich machte eine erste Therapie, ein Jahr später eine 2., längere Therapie die mir beide persönlich jedoch nicht viel gebracht haben. Ich war eine Zeit abstinent, aber immer tod-unglücklich. Ich versäumte das Leben, alle hatten Spass bloss ich nicht, es hatte für mich keinen Wert und kein Ziel abstinent zu leben. Obwohl ich es wirklich versuchte, ich ging regelmässig zur Suchtberatung, zum Psychologen und zu einer SHG. An Medikamenten hatte ich so ziemlich alles durch was der Markt hergibt…es schien nichts zu fruchten…ich war einfach noch nicht so weit. Meine beiden Kinder waren noch klein, ich war nicht immer eine gute Mutter. Ich schäme mich für Vieles, die Schuldgefühle werde ich wohl nie los werden. Meine Ehe stand kurz vor dem Aus, es war ein Wunder, dass ich den Führerschein noch hatte…aber das alles reichte mir noch nicht um meine Abhängigkeit besiegen zu können…

    Dann kam ein 3-wöchiger Urlaub, wir waren im Inselparadies. Ich bekam davon aber nicht viel mit, ich war dauerbbetrunken. Funktionierte zwar, spielte viel mit den Kindern, wir machte grossartige Ausflüge aber ich mutete meinem Körper soviel hochprozentiges zu, dass er es nicht verarbeiten konnnte. In drei Wochen lagerte ich 10kg Wasser ein, ich war vollkommen aufgedunsen, hatte Schmerzen in den Beinen, musste dauernd auf die Toilette…es daurte gute 2 Wochen bis ich mehr oder weniger normal aussah…ich stellte den Alkohol zur Seite. Aber nicht für lange Zeit…er wurde täglich, es wurde schlimmer und schlimmer. 5 Monate nach dem Inselurlaub ging es in die Sommerferien, das selbe Prozedere. Ich war danach wieder so aufgeschwämmt dass ich zu Hause zum Artzt musste, ich hielt es in meinem eigenen Körper nicht mehr aus. Und nun, als die körperlichen Auswirkungen solche Ausmasse annahmen, konnte und wollte ich nicht mehr…

    Wir zogen im Sommer ‘18 in eine andere Region, neue Stadt, neues Klima und Neustart. Ich nutzte den positiven Elan und es klappt bis anhin besser als je zuvor. Seit 1 ½ Jahren bin ich aktiv dabei, mir ein neues Leben aufzubauen. Im vorherigen Jahr gab es Rückfälle, ich habe noch einen langen Weg vor mir…Ich gehe regelmässig zur SHG, zu einem Suchtberater und einem Traumatherapeuten, mit dem ich zum aller ersten mal in meinem Leben meine Traumata aufzuarbeiten bereit bin. Ein Schritt, den ich niemals gedacht habe eines Tages gehen zu können. Ich habe vergangenes Jahr viel gelernt, trotz den kurzen Rückfällen bin ich weiter denn je…denn ich meine es ehrlich mit mir.

    Es ist erstaunlich wie tief ich sinken musste. Vieles realisiere ich erst jetzt. Nun bin ich seit 7 Monaten rückfalllos abstinent, es ist nicht immer einfach. Oft gibt es Situationen, die mich überfordern…Weihnachten, Neujahr zum Beispiel. Emotionen aushalten…und manchmal kommt der Drang auf, in diese verschwommene Parallelwelt abtauchen zu wollen, die Realität durch einen Filter zu erfahren, sie abstumpfen zu können.

    Ich habe 20 Jahre Alkoholmissbrauch betrieben, auf ziemlich hohem Niveau. Ich frage mich oft wie ich mein Leben doch ordnen konnnte, irgendwie bewältigen, ohne alles zu verlieren…ich hatte sehr viel Glück. Meine Familie weiss seit einigen Jahren Bescheid, sie unterstützt mich sehr. Mein Mann ist ein Held, ich hätte mich an seiner Stelle längst verlassen…er hat mich nie aufgegeben, und er war dem Ende nahe, ich habe ihm viel, viel zu viel zugemutet. Auch er unterstützt mich wie er nur kann und begleitet mich in ein neues Leben. Meine Kinder, die mich lieben…

    Ich habe wusste sehr früh dass ich Alkoholikerin bin. Ich wollte es nur nicht akzeptieren. Nun, auf dem Weg der Akzeptanz verstehe ich auch, dass ich es mir nicht ausgesucht habe. Ich bin nicht für meine Krankheit verantwortlich, für meine Genesung schon. Ich öffne jede Türe, hinter der ich auf dem Weg zu einem glücklichen Leben eine Hilfe finden kann…denn ich glaube ich habe dieses Leben verdient, nicht mehr aber auch nicht weniger wie alle anderen auch.

    Der Texte wurde lang…wollte mich eigentlich kurz fassen…Hoffe jemand hat den Mut gefunden meine Zeilen zu lesen,

    Auf einen angeregten Austausch mit euch freue ich mich schon,

    Rina

  • Moin Rina,

    herzlich willkommen. Ich bin Betty und seit März 2014 tatsächlich komplett alkoholfrei. Deine „Geschichte“ ist so real wie viele andere auch. Es gibt sie immer und immer wieder. Meine ist sehr ähnlich. Wie schön, dass du nun auf dem richtigen Weg bist. Und noch viel schöner ist, dass deine Familie dich auf diesem Weg begleitet. Ich freue mich für dich. Gib nicht auf und gehe deinen Weg. Ich kann dir nur sagen, dass es sich lohnt. Es lohnt sich so sehr, denn man wird ein anderer Mensch. Das Leben wird angenehm lebenswert und ich habe heute viel Freude, ganz andere Sichtweisen und vor allen Dingen auch eine ganz andere Lebensqualität. Also weiterhin für dich viel Erfolg und auch eine guten Austausch hier bei uns.
    Gruß Betty :sun:

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Rina!

    Willkommen im Forum und Glückwunsch zu mehr als einem halben Jahr in Freiheit.

    Ich habe ähnlich lange wie Du "gesoffen" und lebe mittlerweile mehr als 4 1/2 Jahre unfallfrei abstinent.

    Du gehst viele Dinge richtig gut an wie die Besuche beim Therapeuten und die "analoge" SHG. Weiter so.

    In einem Punkt formuliere ich meine Verantwortlichkeit anders als Du. Ich habe mir meine Krankheit nicht ausgesucht, jedoch bin ich durchaus für sie verantwortlich und zwar mir und meiner Familie gegenüber,der ich mit meinem jahrelangen Alkoholabusus genug angetan habe.

    Therapeuten unterscheiden insoweit gerne zwischen Schuld als persönlicher Vorwerfbarkeit und unserer Verantwortung, uns aus dem Schlamassel, in das wir uns rein gesoffen haben, wieder zu befreien.

    Weiterhin viel Erfolg wünscht
    der Rekonvaleszent

  • Auch von mir ein ganz herzliches WILLKOMMEN unter den Aktiven des Forums :welcome:

    Nach vielen Jahren des Saufens und mehreren Rückfällen bin ich nun auch schon über 11 Jahre glücklich von dem Zeug weg und trocken.

    Zitat

    Ich gehe regelmässig zur SHG, zu einem Suchtberater und einem Traumatherapeuten, mit dem ich zum aller ersten mal in meinem Leben meine Traumata aufzuarbeiten bereit bin. Ein Schritt, den ich niemals gedacht habe eines Tages gehen zu können. Ich habe vergangenes Jahr viel gelernt, trotz den kurzen Rückfällen bin ich weiter denn je…denn ich meine es ehrlich mit mir.

    Ich denke mal, DAS ist das Wichtig(st)e: Du bist bereit (der berühmte "Klick") - und ehrlich zu Dir selbst.
    So erging es mir auch vor etwas über 11 Jahren - plötzlich lief alles "ganz einfach" und funktionierte. Anfangs machte es mir sogar etwas Angst. Vor dem "dicken Ende", das ja noch kommen musste. Ist ja schließlich IMMER gekommen.

    Ich wünsche Dir jedenfalls weiterhin viel Kraft, Elan - und hier einen guten Austausch!

    Gruß wikende091
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Auch von mir ein Hallo.

    Ich möchte momentan nur auf das eingehen, da dieses "Problem" ja kurz vor der Türe steht


    Oft gibt es Situationen, die mich überfordern…Weihnachten, Neujahr zum Beispiel. Emotionen aushalten…und manchmal kommt der Drang auf, in diese verschwommene Parallelwelt abtauchen zu wollen, die Realität durch einen Filter zu erfahren, sie abstumpfen zu können.

    siehst Du dich an Weihnachten rückfallgefährdet?
    Ist das eher was "altes", allgemeine Weihnachsunlust, oder ist es eher aktueller Weihnachtstress?

    Mir gehts um die Frage, ob Du das "aushalten musst", weil es alte Gefühle sind, die hochkommen, oder ob es der momentane Stress ist, den man ja auch zurückfahren kann. Ich bin Weihnachtsmuffel, ich mache an Weihnachten nicht viel, ausser faul mit meinem Partner bis Mittags im Bett zu liegen, vielleicht mal raus bei schönem Wetter, und gut essen tue ich das ganze Jahr. Hier gibts keinen Baum, keinen Weihnachsschmuck und keine Geschenke, und zwar seit 30 Jahren nicht. Ich mag das nicht und mein Partner zum Glück auch nicht. Früher hat es mich das Weihnachtsgedöns auch ziemlich genervt, heute ist es mir egal. Von daher ist das für mich eine gemütliche Zeit, da ja alle Leute mit sich selbst beschäftigt sind und niemand etwas von mir will.

    Ich hab Dir das deswegen erzählt, weil Du Dich ja vielleicht selbst unter Druck setzt, dass Weihnachten besonders toll sein soll. Nach Weihnachten steigen die Scheidungsraten, das ist nachgewiesen, weil die heile Welt auf Kommando nicht funktioniert. Also kann man die Erwartungen auch ein bisschen zurückschrauben und das Ganze etwas entspannter angehen.

    Wenns allerdigs andere Faktoren sind, dann hast Du das vielleicht weniger in der Hand. Meines Wissens haben viele Alkoholiker gerade an Weihnachten ungute Gefühle, spüren Verluste besonders deutlich. Und Sylvester mit der allgemeinen Feierlaune ist dann auch bei vielen ein Problem, wo sich manche dann ausgeschlossen fühlen, wen sie nicht mittrinken können oder wollen. Trotzdem oder gerade deswegen die Frage, da Du ja diese beiden anstehenden Ereignisse erwähnt hast, was tust Du, damit Du das gut übersteht?

    Gruß Susanne

  • Mir fällt da noch was ein, zum Thema "Gefühle aushalten".

    Ich habe von Anfang an damit gerechnet, das es mir relativ schwer fallen würde, trocken zu werden, nach meiner Karriere.
    Ich war dann selbst erstaunt, wie leicht mir das fiel, deswegen wurde ich zuerst mal ziemlich euphorisch, hurra, es klappt. Das ging ca. ein Jahr, aber es schlichen sich dann langsam meine allgemeinen Unzufriedenheiten und der Hass auf verschiedene Dinge wieder ein und ich wurde schrittweise immer grantiger, bis ich nach 4 Jahren Trockenheit und diversen Aktionen, bei denen ich gemerkt habe, das mein Umgang mit manchen Situationen mir das Leben schwer machen, eine ambulante Psychotherapie gemacht habe.

    Ich habe für mich persönlich festgestellt, dass der Anspruch, trocken immer glücklich zu sein, vielleicht zu hoch gegriffen ist. Das Leben geht weiter und hat wie bei normalen Menschen Höhen und Tiefen. Trotzdem habe ich ein völlig anderes Lebnesgefühl als früher, weil ich heute aus den Gegebenheiten das Beste für mich mache und mich nicht durchs Trinken selbst behindere. Ich stehe mir nicht mehr so sehr selbst im Weg und nüchtern habe ich das Gefühl, ich kann alles irgendwie bewältigen, während ich mich trinkend dem Leben viel mehr ausgeliefert gefühlt habe.

    Die ganze Zeit, in der mir in der trockenen Zeit das Leben schwer fiel, war ich aber zufrieden trocken, da sich bei mir die Probleme mit meinem Leben, die zum Teil aus meiner Einstellung und meinem Umgang mit "Sachzwängen", zum Teil aber auch aus ganz realen Situationen, die ich ändern und, wenn das nicht ging, auch zum Teil akzeptieren musste, resultierten, komplett entkoppelt hatten. Schlechte Tage führ(t)en bei mir nicht mehr dazu, dass ich trinken wollte, Feierlaune übrigens auch nicht, das habe ich nie in Frage gestellt und ich musste mich auch nicht dazu zwingen, nüchtern zu bleiben, der Druck oder Wunsch zum Trinken war einfach restlos weg.
    Ich weiss nicht, Trinkwunsch weggesoffen? - anders kann ich das kaum beschreiben. Ich hatte in den ganzen Jahren meiner Trockenheit noch nie das Gefühl, das es jetzt schön wäre, was zu trinken, oder dass mich das irgendwie erleichtern würde. Gerade wenns schwierig ist, bin ich oft richtiggehend dankbar, dass ich wenigstens nüchtern bin und einen klaren Kopf habe. Aber auch wenn ich schöne Dinge erlebe, geniesse ich das nüchtern heute anders. Ich weiss ja hinterher auch noch alles und werde mir nicht selbst peinlich, Genuss ohne Reue.

    Kriegst Du "Saufdruck" wenns schwierig wird, oder wie darf ich mir das vorstellen, wenn Du die Realität gerne durch einen Filter erleben möchtest?

    Du musst hier keine Fragen beantworten, ich bin einerseits zwar neugierig, anderseits haben mir die "richtigen Fragen" am Anfang sehr geholfen. Wobei die Antworten für mich selbst wichtig waren und ich auch nicht behaupten möchte, das ich hier immer die richtigen Fragen stelle, also wenn es nicht passt oder Du nicht antworten möchtest, dann lies einfach drüber.

    Gruß Susanne

  • Vielen Dank für euer nettes Willkommen!
    Ich wünsche mir so sehr, dass ich hier auch mal von 4 Jahren, 11 Jahren etc schreiben darf. Ich stehe erst am Anfang und es kommt noch einiges auf mich zu. Ich bin schon so oft hingefallen, die Situationen, die mich zu Fall brachten, kommen wieder und ich will mich ihnen mit meiner Erfahrung heute anders stellen...im Sinne vorbereitet, gewappnet.

    Eben gerade die Feiertage...war letzes Jahr ein Desaster, hat mich nach 5 Monaten Trockenheit in einen schlimmen 5-tägigen Rückfall geschleudert. Habe mich zwar schnell erholt aber es hätte nicht sein müssen. Ich hatte regelrecht Panik davor anderen beim Champagner-Trinken zusehen zu müssen, weiter zum Rotwein, dann zum Weisswein und dem Digestiv mit Kaffee...ich konnte mich dem einfach nicht stellen! Das Problem besteht bis heute noch, ich fühle mich ausgegrentzt, habe das Gefühl etwas zu verpassen, vom Leben bestraft. Es ist unsinnig ich weiss...aber Gefühle sind nun mal nicht rational. Wir verbringen Weihnachten dieses Jahr bei meinen Eltern im Hohen Norden Europas, sie wissen Bescheid und nehmen Rücksicht, daher fühle ich mich etwas mehr in Sicherheit. Ansonsten LIEBE ich Weihnachten!! Ich komme aus dem Land vom Weihnachtsmann ... ^^ Also es geht wirklich nur um den Alkohol bei der Geschichte...

    Was das mit den Emotionen angeht ist das eigentlich schon lange so, dass ich mich durch den Schleier Alkohol wie geschützt fühlte...die Realität halt nicht in den knall harten Neonfarben erleben zu müssen sondern eher in Pastellfarben. Es war für mich immer wie ein Zufluchtort...Man hat mir schon oft den Stempel "hypersensibel" aufgedrückt, ob es stimmt weiss ich nicht. Bin mit Sicherheit sehr emotiv und sensibel, verleztlich auch, da gibt es in meiner SHG so einige davon.

    Als ich sehr jung war hatte ich ein übles Missbrauchserlebnis, ich wäre beinahe gestorben, durch den Überfall später an täglichen Suizidgedanken -projekten. Der Alkohol hat mir sozusagen erlaubt, nur halb-tod zu sein, meinen Gedanken und Albträumen entfliehen zu düren, ohne dass es endgültig ist. Nun ja ich arbeite daran, es hat über 20 Jahre gedauert bis ich endlich mit einem Therapeuten darüber sprechen will/kann. bin also auf dem Weg...

    Ich habe manchmal aber auch einfach nur realen Suchtdruck, das ist schon so. Ohne Erklärung, ausser der, dass ich eben abhängig bin. Es kommt schon noch oft vor, da frage ich mich wie lange das wohl noch andauern wird...

    Muss los, die Kinder ins Bett bringen!

  • Hallo Rina,

    Ich danke dir für Deine Ausführungen.

    Ich verstehe dieses Bedürfnis, sich in Watte zu packen und das Gefühl, vom normalen Leben ausgeschlossen zu sein. Für mich waren Drogen und Alkohol zum Teil auch so ein Rückzugsraum und natürlich auch eine Möglichkeit, dazuzugehören.

    Trocken habe ich mir diese Möglichkeiten anders geschaffen, den inneren Rückzugsraum zum Beispiel durch Meditation. Aber da kam am Anfang auch erst mal ziemlich viel an unangenehmen Gefühlen hoch, zum Teil war das sogar daran beteiligt, das ich dann erst mal wieder so unzufrieden wurde. Ich wollte in der Meditation am Anfang am liebsten einfach weglaufen, und wenn ich dann trotzdem sitzen geblieben bin, kam die Wut hoch. Ich habe von anderen Leute aber auch schon gehört, das das am Anfang vielen Leuten so geht, das da erst mal Tränen fließen etc. Aber es hilft, wenn man dabei bleibt und durch diese Gefühle hindurch geht.
    Ich gehe auch viel raus in den Garten und die Natur, aber da hatte ich früher oft was zum Trinken oder einen Joint dabei, also das ist ein eigenes Thema.

    Bildlich gesprochen würde ich sagen, ich musste in meinem Keller erst mal aufräumen, also Gefühle die ich verdrängt hatte noch mal bewusst in die Hand nehmen. Und ich weiss nicht, ob das bei Deinem Trauma nicht zu schwierig wäre, also ich erzähle das nur, ich kann Dir da aber keine Empfehlung geben. Ich habe damit erst mal im Yoga angefangen, da hat mich das aber erst mal überrascht, da ich damit gar nicht gerechnet hatte und Yoga ist dafür vielleicht auch zu wenig geeignet, da man da nicht auf das vorbereitet wird, was da hochkommen kann, denn Normale Leute, die das machen, haben diese Schweirigkeiten vielleicht auch nicht so. Ich habe es dann aber unter Anleitung meines Therapeuten noch mal richtig gelernt, der hat mich da hindurchgeführt. Dann konnte ich es auch alleine, heute kann ich ziemlich leicht mal meditieren und das ist ziemlich entspannend.

    Wenn Du Therapie machst und zum Psychologen und in eine Gruppe gehst, wie Du schreibst, dann erzähle ich Dir wahrscheinlich auch nicht mehr viel Neues.

    Auch was Leute angeht, habe ich mir Felder gesucht, wo ich dazugehöre, ohne das ich trinken muss. Nicht nur hier, ich habe mir auch Betätigungen gesucht, wo ich halt was mache und wenn dann da Feiern sind, wo ein paar Leute was trinken, dann bin ich trotzdem dabei, das sind ja keine Besäufnisse, und wenn da neben mir jemand Wein oder Bier trinkt, dann ist mir das egal. Aber dazu musst Du wahrscheinlich auch erst den Suchtdruck überwinden.

    Jedenfalls habe ich heute oft den Spass, den ich mir vom Alkohol erhofft habe und den ich da ja schon gar nicht mehr hatte. Heute kann ich nüchtern lustiger sein als ich es betrunken wohl jemals war, wahrscheinlich bin ich auch für andere Leute angenehmer, denn wenn ich so richtig betrunken war, habe ich ja eine Menge Blödsinn erzählt, und es gibt hinterher kein böses Erwachen. Auch aus der Meditation kann ich ja einfach in den Alltag zurückkehren, ohne das ich erst wieder nüchtern werden muss, also ich geniesse das. Klar es gibt auch Leute, die mich deswegen nicht mögen, aber normalerweise mag ist selbst diese Leute ja auch nicht, das ist kaum ein Verlust für mich. Und im Zweifelsfall ist mir das auch egal, solange ich getrunken habe, habe ich auch keine Rücksicht darauf genommen, was andere von mir dachten. Und ich erzähle auch nüchtern mal Blödsinn, so bin ich halt, nur mache ich mir dafür keine Selbstvorwürfe mehr, sondern ich hake das ab.

    Ja das ist schlimm mit diesem Missbrauchserlebnis und ich wünsche Dir, das Du es irgendwann überwinden kannst (vergessen wirst Du es wahrscheinlich nie).
    Ich wünsche Dir, das Du Dich deswegen auch nicht mehr betäuben wollen musst, denn wenn Du nun am Alkohol kaputtgehen würdest, dann hätte Dein Angreifer ja noch nachträglich gewonnen.

    Das Nützen der Erfahrung ist mit Sicherheit ein guter Weg, ich bin am Anfang ja auch in Situationen gekommen, wo ich wusste, dass ich da früher auf jeden Fall getrunken habe, nicht nur wegen der Sucht, sondern weil es Situationen waren wo das gesellschaftlich für viele "dazu gehört", zum Beispiel Geburtstage und Weihnachtsfeiern in der Firma, und ich habe mir dann auch schon vorher überlegt, was ich da dann stattdessen mache. Oft ging es um Belohnungnen oder andere Dinge, bei denen ich mich dann auch ohne Alkohol wohl gefühlt und einfach was gutes genossen habe, ich hab dann zum Beispiel gerne Eis gegessen, ausserdem koche ich gerne und ich kümmere mich darum, was ich esse, das eigentlich immer, nicht nur zu Weihnachten. Und auch sonst gibts ja einige Techniken, was man in solchen Situation machen kannst, das hast Du bestimmt schon gehört. Man muss es halt machen und nicht aus Bequemlichkeit oder weil es alle machen, zum Glas greifen. Denn wie Du ja selbst schreibst, machen die Rückfälle ja nicht glücklich, also wünsche ich Dir dass Du es schaffst.


    Gruß Susanne

  • Was das mit den Emotionen angeht ist das eigentlich schon lange so, dass ich mich durch den Schleier Alkohol wie geschützt fühlte...die Realität halt nicht in den knall harten Neonfarben erleben zu müssen sondern eher in Pastellfarben. Es war für mich immer wie ein Zufluchtort...

    Es gibt da so einen Spruch, der mir sehr gut gefällt:

    "Alkohol und Drogen sind etwas für Weicheier - nur die Harten ziehen sich die Realität rein!"

    Negative Erlebnisse jedweder Art sind Schei...benhonig, ich weiß. Und sie können wunderbar immer und jederzeit als Ausrede herhalten.
    Bei mir war es zwar kein Missbrauch, trotzdem kam meine PTBS auch nicht von ungefähr. Und ich habe mich (trotz meiner Skepsis) auf meinen Therapeuten eingelassen - und zugelassen, dass er mir hilft.
    Und siehe da - zumindest bei mir hat es geholfen: ich kann wieder über die Probleme reden, ohne in Tränen aus- und zusammenzubrechen und ohne zur Flasche greifen zu "müssen". Nachdem ich diesen einen Schritt gegangen bin/gehen konnte - danach war es, als wäre der Magnet aus der Tasche verschwunden, der mich früher immer wieder im Kreis herumführte.
    Es war bei mir "nur" dieser kleine Schritt - der so sauschwer war: mich darauf einlassen, Hilfe zulassen. Und das nicht nur als Lippenbekenntnis.

    Du musst nur DEINEN Magneten finden - und wegschmeissen.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox und Susanne, Danke für eure Rückmeldungen !
    Manchmal wünnschte ich mir die Zeit voraus drehen zu können, und bereits eine gefestigte Trockenheit wie ihr beiden zu haben. Stehe noch so am Anfang und auf wackeligen Beinen. In dieser Hinsicht arbeitet wohl die Zeit die vergeht für uns, es ist jetzt auch schon einfacher als vor einigen Monaten.

    Susanne

    « Trocken habe ich mir diese Möglichkeiten anders geschaffen, den inneren Rückzugsraum zum Beispiel durch Meditation. «

    Genau das habe ich schon von vielen erfolgreichen Abstinenzlern gehört ! Ich habe dazu irgendwie keinen Zugang, ich müsste mich da wirklich von jemandem einführen lassen. Interessant und ein Versuch Wert wäre es bestimmt.

    Mit meinem Traumatherapeuten arbeite ich auch auf einer emotionalen Ebene, also keine klassische Gesprächstherapie, es ist ein anderer Ansatz und bringt mich wirklich weiter.

    « Heute kann ich nüchtern lustiger sein als ich es betrunken wohl jemals war, wahrscheinlich bin ich auch für andere Leute angenehmer, denn wenn ich so richtig betrunken war, habe ich ja eine Menge Blödsinn erzählt, und es gibt hinterher kein böses Erwachen ».

    Ja das böse Erwachen…Es ist mit der Zeit immer schlimmer geworden, ich wurde im Suff immer sehr agressiv, Blackouts waren die Regel und der Morgen danach mit zitternder Stimme auf Info-suche um herauszufinden was ich alles geboten habe. Gott… :-[
    Dass ich mal nüchtern feiern kann hoffe ich sehr, kann ich mir aber heute noch nicht vorstellen. Will es auch nicht ausprobieren, noch zu riskant.

    Greenfox
    « Negative Erlebnisse jedweder Art sind Schei...benhonig, ich weiß. Und sie können wunderbar immer und jederzeit als Ausrede herhalten. »

    Am Anfang war halt der Alkohol wirklich eine Art Rettung, ein gutes Mittel sich nicht dem Schrecken stellen zu müssen. Später hielt das Trauma tatsächlich manchmal als Entschuldigung hin, nicht mir selbst gegenüber sondern anderen gegenüber. Ich habe mir in dieser Hinsicht aber nie wirklich was vorgemacht, denn ich wusste sehr schnell dass ich auch ohne Missbrauch Alkoholabhängig geworden wäre. Ich bin davon überzeugt sogar, denn der erste Rausch hatte bei mir etwas ausgelöst, dass ich nicht mehr kontrollieren konnte, ich wollte nur mehr davon, möglichst schnell und viel. Ich glaube das Erlebte hat einfach die Dinge beschleunigt, den Prozess der Abhängigkeit sofort auf höheres Level gebracht…ich kannte ja auch nie einen moderaten Konsum…wozu auch, ich wollte ja betrunken sein, von Anfang an !
    Der übelste Zustand war wohl das Halb-betrunken sein…wenn ich nicht weiter trinken konnte es aber wollte. Schrecklich zu was ich da alles in der Lage war, wäre Meilen gegangen für Alkohol.

    Ich hätte übrigens auch sehr gut in andere Drogen abstürzen können, sowie es Susanne beschrieb. Alleine die Angst hielt mich davon ab. Zum Glück.

    « Und siehe da - zumindest bei mir hat es geholfen: ich kann wieder über die Probleme reden, ohne in Tränen aus- und zusammenzubrechen und ohne zur Flasche greifen zu "müssen". »

    Genau das wird auch für mich eintreffen, ich bin mir da ziemlich sicher. Jedenfalls werde ich alles dafür tun !

    :sun: Rina

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