Liebe Forenmitglieder,
Nach längerer Zeit des stillen Mitlesens möchte ich mich euch nun anschliessen und am aktiven virtuellen Austausch teilnehmen…ich habe hier schon einige Anworten und Lösungsansätze für mich gefunden, ich hoffe euch mit meiner eigenen Erfahrung etwas zurück geben zu können.
Hier ein paar Worte zu mir und meiner leider steilen Alkoholkarriere :
Mein erster Alkoholkonsum erfolgte relativ spät, mit 17 Jahren auf einer Feier. Er schlug jedoch ein wie eine Bombe und prägte ab sofort mein weiteres Verhältnis zu Alkohol…denn ab dem Moment wusste ich, ich wollte mehr davon. Ich liebte den Rausch, nie den Geschmack. Einen moderaten Konsum gab es bei mir nie, wenn ich trank dann immer exessif…während 7Jahren Studium jeden 2.Tag betrunken…Im Nachhinein frage ich mich wie ich das alles mit Nebenjobs überhaupt hinbekommen habe.
Später fand ich arbeit im Weinbusiness, es war Zufall da eigentlich nichts zu tun mit meiner ursprüngliche Ausbildung. Aber ich war darin mehrere Jahre erfolgreich tätig…bis der Konsum auch bei der Arbeit an Überhand gewann und es kam wie es kommen musste, mir wurde gekündigt…zu Recht. Ich trank zum Teil Morgens schon heimlich…der Wein war ja da…und habe mir so einiges geleistet dort. Es war nur eine Frage der Zeit…
Ich machte eine erste Therapie, ein Jahr später eine 2., längere Therapie die mir beide persönlich jedoch nicht viel gebracht haben. Ich war eine Zeit abstinent, aber immer tod-unglücklich. Ich versäumte das Leben, alle hatten Spass bloss ich nicht, es hatte für mich keinen Wert und kein Ziel abstinent zu leben. Obwohl ich es wirklich versuchte, ich ging regelmässig zur Suchtberatung, zum Psychologen und zu einer SHG. An Medikamenten hatte ich so ziemlich alles durch was der Markt hergibt…es schien nichts zu fruchten…ich war einfach noch nicht so weit. Meine beiden Kinder waren noch klein, ich war nicht immer eine gute Mutter. Ich schäme mich für Vieles, die Schuldgefühle werde ich wohl nie los werden. Meine Ehe stand kurz vor dem Aus, es war ein Wunder, dass ich den Führerschein noch hatte…aber das alles reichte mir noch nicht um meine Abhängigkeit besiegen zu können…
Dann kam ein 3-wöchiger Urlaub, wir waren im Inselparadies. Ich bekam davon aber nicht viel mit, ich war dauerbbetrunken. Funktionierte zwar, spielte viel mit den Kindern, wir machte grossartige Ausflüge aber ich mutete meinem Körper soviel hochprozentiges zu, dass er es nicht verarbeiten konnnte. In drei Wochen lagerte ich 10kg Wasser ein, ich war vollkommen aufgedunsen, hatte Schmerzen in den Beinen, musste dauernd auf die Toilette…es daurte gute 2 Wochen bis ich mehr oder weniger normal aussah…ich stellte den Alkohol zur Seite. Aber nicht für lange Zeit…er wurde täglich, es wurde schlimmer und schlimmer. 5 Monate nach dem Inselurlaub ging es in die Sommerferien, das selbe Prozedere. Ich war danach wieder so aufgeschwämmt dass ich zu Hause zum Artzt musste, ich hielt es in meinem eigenen Körper nicht mehr aus. Und nun, als die körperlichen Auswirkungen solche Ausmasse annahmen, konnte und wollte ich nicht mehr…
Wir zogen im Sommer ‘18 in eine andere Region, neue Stadt, neues Klima und Neustart. Ich nutzte den positiven Elan und es klappt bis anhin besser als je zuvor. Seit 1 ½ Jahren bin ich aktiv dabei, mir ein neues Leben aufzubauen. Im vorherigen Jahr gab es Rückfälle, ich habe noch einen langen Weg vor mir…Ich gehe regelmässig zur SHG, zu einem Suchtberater und einem Traumatherapeuten, mit dem ich zum aller ersten mal in meinem Leben meine Traumata aufzuarbeiten bereit bin. Ein Schritt, den ich niemals gedacht habe eines Tages gehen zu können. Ich habe vergangenes Jahr viel gelernt, trotz den kurzen Rückfällen bin ich weiter denn je…denn ich meine es ehrlich mit mir.
Es ist erstaunlich wie tief ich sinken musste. Vieles realisiere ich erst jetzt. Nun bin ich seit 7 Monaten rückfalllos abstinent, es ist nicht immer einfach. Oft gibt es Situationen, die mich überfordern…Weihnachten, Neujahr zum Beispiel. Emotionen aushalten…und manchmal kommt der Drang auf, in diese verschwommene Parallelwelt abtauchen zu wollen, die Realität durch einen Filter zu erfahren, sie abstumpfen zu können.
Ich habe 20 Jahre Alkoholmissbrauch betrieben, auf ziemlich hohem Niveau. Ich frage mich oft wie ich mein Leben doch ordnen konnnte, irgendwie bewältigen, ohne alles zu verlieren…ich hatte sehr viel Glück. Meine Familie weiss seit einigen Jahren Bescheid, sie unterstützt mich sehr. Mein Mann ist ein Held, ich hätte mich an seiner Stelle längst verlassen…er hat mich nie aufgegeben, und er war dem Ende nahe, ich habe ihm viel, viel zu viel zugemutet. Auch er unterstützt mich wie er nur kann und begleitet mich in ein neues Leben. Meine Kinder, die mich lieben…
Ich habe wusste sehr früh dass ich Alkoholikerin bin. Ich wollte es nur nicht akzeptieren. Nun, auf dem Weg der Akzeptanz verstehe ich auch, dass ich es mir nicht ausgesucht habe. Ich bin nicht für meine Krankheit verantwortlich, für meine Genesung schon. Ich öffne jede Türe, hinter der ich auf dem Weg zu einem glücklichen Leben eine Hilfe finden kann…denn ich glaube ich habe dieses Leben verdient, nicht mehr aber auch nicht weniger wie alle anderen auch.
Der Texte wurde lang…wollte mich eigentlich kurz fassen…Hoffe jemand hat den Mut gefunden meine Zeilen zu lesen,
Auf einen angeregten Austausch mit euch freue ich mich schon,
Rina