Ich wage es mal

  • Hallo Ihr,
    ich stelle mich mal kurz vor. Ich bin weiblich und 36 Jahre alt, alleinerziehend (Beziehungsstatus kompliziert), halbtags berufstätig und ich muss mir wohl eingestehen, dass sich im Laufe der Jahre eine Alkoholabhängigkeit eingeschlichen hat. Mittlerweile trinke ich täglich. Angefangen hat es damals immer vor besonderen Anlässen (meist beim Pflegen sozialer Kontakte). Aber das heimlich. Ich nehme mir jeden Tag vor, einfach mal nichts zu trinken. Aber dann merke ich schnell, dass mein Körper nicht mehr richtig funktioniert. Ich kann mich schlecht konzentrieren, ich zittere und habe Schwierigkeiten, Wörter zu finden. Ich habe oft gelesen, dass der Kalte Entzug nicht immer das Richtige ist und eine große Belastung für den Körper. Nun meine Frage an Euch, was haltet Ihr von einem "Ausschleichen". Wäre das vielleicht eine Möglichkeit? Bei einem Arzt war ich nicht, das scheue ich noch und fühle mich noch nicht bereit dafür.

    Meine Erwartungen an das Forum ist die Unterstützung, Erfahrungsaustausch und Motivation, endlich weniger zu trinken bzw. kontrollierter zu trinken.

    Vielen Dank schon jetzt!!!!

  • Hallo Jolie,

    herzlich willkommen und ich versuche mal, dir einen Tipp zu geben.

    Dieses Gefühl des Wunsches "ich möchte weniger oder kontrolliert Trinken" kenne ich und ich gebe zu, dass es bei mir nicht funktioniert hat. Über viele Jahre konnte ich immer wieder Pausen einlegen, auch über lange Zeiträume wie Schwangerschaft und Stillzeit, aber am Ende wurden die Pausen immer kürzer, komplizierter und es hat nicht funktioniert. Ich habe meinen Mut zusammengenommen und meine Ärztin (auch Psychologin) angesprochen. Das war nicht einfach, aber als ich aus der Praxis ging, war ich erleichtert und beruhigt. Von dem Zeitpunkt an hatte ich einen genauen und konkreten Weg, um mich vom Alkohol zu verabschieden. Ich bin seit März 2014 alkoholfrei und ausgesprochen glücklich. Du bist noch sehr jung und ich wünsche dir den Absprung.

    Mein Tipp: Arzt oder Suchtberatung! Selbsthilfegruppe hilft enorm. Solltest du auf jeden Fall in Erwägung ziehen. Ich wünsch dir viel Erfolg. Melde dich.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo

    endlich weniger zu trinken bzw. kontrollierter zu trinken.

    ich will nicht lange um den heißen Brei rumreden. Wenn Du bereits so abhängig bist, dass Du untertags schon Entzugserscheinungen hast, kann der Versuch, weniger, oder kontrolliert, zu trinken, meiner bescheidenen Ansicht (und nach meinen jahrelangen Versuchen) nach nur zu Enttäuschungen führen.

    Den körperlichen und psychischen Entzug hinter sich zu bringen - der psychische hat bei mir deutlich länger gedauert, bis ich mich nach der Anfangseuphorie und dem darauf folgenden Tief, daran gewöhnt hatte, ohne Alkohol zu leben und mich selbst und die Welt nüchtern auszuhalten - und dann gar nichts zu trinken, ohne sich permanent zu kontrollieren, ist wesentlich einfacher, als wenig zu trinken oder zu versuchen, doch wenigstens ab und zu.

    Und mir fehlt nichts, ich lebe wie andere Leute auch, gehe feiern etc, kann auch mit Saftschorle lustig sein, fühle mich als ganzer Mensch, nur mal um so diese ganzen Fragen, die auch bei mir aufgetaucht sind, schon mal vorwegzunehmen. Und ich trinke schon sehr lange nichts mehr, nachdem ich mehr als 25 Jahre gerne zugelangt hatte, also, geht.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch und richtige Entscheidungen.

    Gruß Susanne

  • Hallo Jolie,

    ich komme zwar eher von der Co-abhängigen seite aber ich möchte dir viel erfolg und ganz viel kraft wünschen das du dein vorhaben durchziehen kannst.

  • Vielen Dank Betty für Deine schnelle Antwort!

    Ich finde den Gedanken, nie wieder Alkohol zu trinken ganz furchtbar. Ich habe wirklich gerne getrunken. Deshalb erstmal die Idee des starken Reduzierens. Ich hoffe, ich komme irgendwann an den Punkt, an dem ich zum Beispiel nur in Gesellschaft trinke. In der letzten Zeit war immer alles heimlich (kleine Wodkaflaschen in der Handtasche etc.). Oder zu Hause habe ich die Weinflaschen gleich entsorgt wenn sie leer waren und nicht erst gesammelt. Oder die geheime Jägermeisterflasche in meinem Kleiderschrank... Oh Gott, wenn ich das so offen schreibe, wird mir ganz schlecht. Aber es hat sich einfach verselbstständigt und wurde immer mehr. Ich glaube, ich muss jetzt mal gute Erfahrungen ohne Alkohol machen.... Ich habe das Gefühl, ich musste einfach Alkohol trinken, damit ich lockerer werde und offener und selbstsicherer (zum Beispiel Elternabend etc.). Alkohol hat mich selbstbewusster gemacht. Und es hat mich natürlich entspannt.

    Selbsthilfegruppe habe ich auch mal überlegt.... aber da ich alleinerziehend bin, ist es terminlich immer sehr schwierig zu organisieren, da ich auf meinen Sohn aufpassen muss....

    Bin gerade bei der Arbeit und mir fällt es echt schwer, mich zu konzentrieren..... habe hier heute noch nichts getrunken. Verrückt, dass ich mit Alkohol klarer denken konnte....

    Betty, Glückwunsch und vollen Respekt!! Das sind ja schon 5,5 Jahre!


  • Ich finde den Gedanken, nie wieder Alkohol zu trinken ganz furchtbar.

    Das versteht wohl fast jeder hier, der mal in der Situation war. Aber das ist Dein Problem, so wie es das Problem von jedem selbst war, und das kann niemand für Dich lösen.

    Ich schätz mal, das geht noch länger bei Dir. Sorry für diese Aussage.

  • Hallo Jolie,

    Zitat

    Ich finde den Gedanken, nie wieder Alkohol zu trinken ganz furchtbar. Ich habe wirklich gerne getrunken. Deshalb erstmal die Idee des starken Reduzierens

    Das wird nicht funktionieren. Nachdem du nun etwas genauer beschrieben hast, an welchem Punkt du angekommen bist, kann ich dir aus meiner Erfahrung heraus sagen: DAS GEHT SO EHER NICHT.

    Aber:

    Man kann ganz hervorragend feiern ohne Alkohol. Lustig sein übrigens auch. (Man weiß auch noch wann man warum und worüber gelacht hat). Die Kopfschmerzen und der Kater am Folgetag lassen dich auch in Ruhe. Die halten sich dann bei jemand anderem auf. :)

    Ruhe und Gelassenheit kann man lernen und wirst du ganz sicher auch finden, wenn du erst mal bei dir selbst angekommen bist. Im Moment lebst du ja in dieser ach so schönen Alkoholscheinwelt. Das ist nicht die Realität und vor allen Dingen auch selbstzerstörerisch.

    Du hast einen Sohn, der eine nüchterne und fröhliche und ausgeglichene Mama benötigt. Kinder bekommen das nämlich mit - auch wenn man es anders vermutet -
    Ich bin Mutter einer wunderbaren jungen Frau (heute 29 und stolz auf ihre alkoholfreie Mama), die mir heute erzählen kann, dass sie alles mitbekommen und gelitten hat. Lass es nicht so weit kommen.

    Kein Mensch braucht Alkohol! Ohne ihn lebt es sich sehr viel besser und übrigens auch noch preisgünstiger.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Jolie,

    vielen Dank für Deine Vorstellung. Das mit dem Ausschleichen - da sage ich Dir persönlich, dass das nichts wird, da Du einfach zu sehr das Trinken magst!
    Du wirst dich selber belügen, weil du vielleicht an einem Tag wenig trinkst und dem darauf folgenden wieder mehr.
    Oder Du hast viel getrunken und es geht Dir am nächsten Tag nicht so schlecht... Dann denkst Du dir ganz schnell, "Ach komm der Kater war ja nicht so schlimm, heute wird wieder soviel getrunken!" Aber nun gut ich bin kein Hellseher und vielleicht mag das ja bei dem ein oder anderen klappen... Ich denke nicht.

    Du sagtest, du wärst nicht bereit dafür mal einen medizinischen Rat einzuholen...
    Vielleicht hilft es Dir, dass Du dich noch intensiv darüber informierst, dass Alkoholismus eine Krankheit ist!

    Ich wünsche Dir, dass Du den richtigen Weg gehst!

    LG
    Lars

  • Vielen Dank für Eure Beiträge.... auch wenn Ehrlichkeit ziemlich schmerzen kann. Aber das hatte ich mir hier erhofft!

    Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, weiß ich, dass ich mich selbst belüge und vieles runterspiele. Vielleicht bin ich ja doch noch nicht so weit....

  • Hallo Jolie,

    herzlich willkommen hier im Forum.

    Ich bin 50 Jahre alt, männlich, Alkoholiker und trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr.

    Ich finde es prima, dass Du Dich hier im Forum öffnest. Was einen kalten Entzug betrifft scheinst Du Dich ja bereits informiert zu haben. Du weißt also, dass es im schlimmsten Fall sogar tödlich enden kann. Wobei ich hier jetzt nicht schwarz malen möchte und auch nicht den Finger erheben möchte. Ich habe ja selbst einige Trinkpausen hinter mir, wo ich auch einfach aufgehört bzw. pausiert habe. Da Du aber ja davon schreibst, dass Du deutliche körperliche Entzugserscheinungen bemerkst, möchte ich Dir einfach raten, Dich doch zu überwinden und zu einem Arzt zu gehen.

    Wenn Du diesen Schritt wirklich gehen kannst, wird Dir das auch für Deinen weiteren Ausstieg sehr helfen. Denn damit machst Du etwas ganz großes, Du öffnest Dich jemanden, sprichst über Deine Krankheit. Das kann sehr befreiend sein, mal ganz unabhängig von der medizinischen Komponente. Ich schreibe Dir das so eindringlich, weil Du ja auch ein Kind hast, also nicht nur für Dich allein die Verantwortung trägst...

    Was das Ausschleichen bzw. Reduzieren betrifft. Würdest Du das tun wollen, um z. B. bis zum Beginn einer geplanten Entgiftung runter zu kommen, dann würde ich sagen: Ja, kann man machen. Verhindert die möglichen Folgen eines kalten Entzugs und bereitet den Körper schon mal auf die Entgiftung vor. Das alles findet dann ja auch in einem zeitlch begrenzten Rahmen statt.

    So wie ich Dich aber lese, würdest Du ja gerne dauerhaft weitertrinken, nur eben stark reduziert, idealerweise irgendwann mal wieder so, wie das meisten Menschen können. Wenn mal ein Anlass ist, dann gerne was trinken und im Alltag einfach nichts. Nun, der Traum eines jeden Alkoholikers der plötzlich aufwacht und feststellt, dass er ein gewaltiges Problem hat. Würde das funktionieren, hätten die meisten hier das wahrscheinlich so gemacht. Ich vermute mal, dass es viele, vielleicht die meisten, hier probiert haben. Ich schließe mich hier ausdrücklich ein. Aber es hat nicht funktioniert.

    Trotzdem habe ich es natürlich versucht, sogar mehrmals. Weil ich es nicht wahr haben wollte, weil ich mir absolut nicht vorstellen konnte ganz ohne Alkohol zu leben. Letztlich zog sich das dann quer durch meine Alkoholikerkarriere, richtige Trinkpausen wechselten dann mal mit reduziertem Trinken um dann aber oft innerhalb weniger Wochen, später Tage, wieder ad acta gelegt zu werden. Da musste dann mein Wille, mein Wunsch doch wieder normal trinken zu können, der Macht dieser Sucht weichen.

    M. E. ist es so: Wenn Du Alkoholikerin bist, also bereits süchtig, bleibt Dir nur die absolute Abstinenz. Kontrolliertes Trinken wird Dir dann nur mit Mühe und nur zeitlich begrenzt möglich sein, wenn überhaupt. Das war meine Erfahrung und das haben mir viele andere Alkoholiker so berichtet. Solltest Du "nur" Alkoholmissbrauch betrieben haben, also die Schwelle zur Sucht noch nicht überschritten haben, kann es möglich sein wieder zu einem moderaten Trinkverhalten zurück zu kommen. Jedoch ist auch das nicht ganz so einfach.

    Wo Du aktuell stehst kann ich Dir nicht beantworten. Da Du aber ja bereits körperliche Symptome zeigst und auch die Art, wie Du hier über Dich und den Alkohol schreibst, würde ich eher annehmen, dass Du Alkoholikerin bist.

    Meine Erfahrung: Um die Sucht zu übewinden, muss man sehr viel verändern ob das so stimmt weiß ich nicht.


    Manche sagen, man muss sein komplettes Leben verändern, ob das pauschal so stimmt weiß ich nicht. Von mir kann ich sagen, dass ich zumindest fast mein ganzes Leben verändert habe. Einzig mein Job blieb nach meinem Ausstieg von meiner "alten Welt" übrig. Bei anderen widerum kann gerade der Job das sein, was eine der Ursachen für missbräuchlichen Alkoholkonsum ist. Jedoch ist es eben nicht so einfach und man muss genau hinschauen. Pauschal zu sagen was richtig und was falsch ist, halte ich aus meiner Sicht nicht für sinnvoll.

    Selbstverständlich gibt es aus der Erfahrung vieler trockener Alkoholiker heraus einige Grundregeln, die für die meisten Betroffenen sinnvoll sind und eine wichtige Basis für ein Leben ohne Alkohol darstellen. Keinen Alkohol mehr im Haus zu haben, z. B., sich einen "Notfallkoffer" bereit zu stellen, wenn die Sucht mal wieder anklopft, z. B., und einiges mehr. Dazu findest Du hier im Forum viele Informationen.

    Um es jedoch dauerhaft schaffen zu können und auch so, dass es Dir richtig gut damit geht, wirst Du. m. E. ergründen müssen, warum Du trinkst. Warum Du das Zeug brauchst. Und das nicht nur oberflächlich (also z. B. damit ich locker werde) sondern eben viel tiefer. Warum Du glaubst all das nicht auch ohne Alkohol errreichen / erleben / fühlen etc. zu können. Das steckt in der Regel sehr tief. Ich hatte z. B. von außen betrachtet überhaupt gar keinen Grund mit dem Trinken zu beginnen. Und das meine ich so, wie ich es schreibe. Als ich mit der Aufarbeitung meiner Sucht begann, stand ich erst mal da und dachte: Ja wieso denn eigentlich? Ich hatte doch alles was sich brauche. Familie, Gesundheit, Geld, Job, Anerkennung usw. WIESO also? Warum konnte ich rechtzeitig aufhören, es nicht erkennen uns sehen? Tja, dauerte dann ein weinig, lag tief vergraben, aber ich grub es aus.

    Das war für mich elementar um zu erkennen, dass ich den Alkohol für absolut nichts mehr brauche (außer vielleicht zum Reinigen von Glasflächen) und ihn auch übehaupt nicht vermissen muss.

    So, lange Rede von mir. Eines nach dem anderen, Schritt für Schritt, das ist das allerwichtigste bei der Sache. Wenn Du das jetzt angehen möchtest, dann tu es Deinem Tempe, Schritt für Schritt, aber, das ist ganz wichtig, tue es konsequent. Und wenn ich eines sagen darf: Lass Dir helfen bzw. hol Dir Hilfe! Lass Dich beraten, sprich mit dem Arzt. Vielleicht findest Du eine Möglichkeit doch eine SHG zu besuchen, einfach erst mal nur um zu sehen, ob Dir dieses "Format" hilft. Wenn ja, kannst Du hier vielleicht auch eine Lösung finden. Vielleicht ein netter Partner einers Gruppenmitglieds der in dieser Zeit Deinen Sohn betreut, was auch immer. Oft öffnen sich einfach Türen, wenn man sie selbst nicht von vornherein verschließt.

    Alles Gute wünsche ich Dir und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Gerchla,
    Dein Text hat mir Tränen in die Augen getrieben! Vielen Dank für die Ehrlichkeit. Ich glaube, ich muss noch mal stark in mich gehen und das Problem angehen. Ich will einfach nicht wahrhaben dass es schon so weit gekommen ist.... Da ist glaube ich der Knackpunkt.

  • Noch habe ich die Hoffnung, dass wenn ich es allmählich im Alltag reduziere, der Alkohol immer weniger an Bedeutung bekommt und ich es auch ohne Alkohol schaffe, den Alltag zu meistern...

  • Hallo Jolie,

    es ist tatsächlich wohl normal, dass man sich selbst nicht eingesteht, dass man da ist wo man ist. Allerdings denke ich, dass wir alle, die ein Alkoholproblem haben (ob nass oder trocken) dieses Gefühl kennen. Ich kenne niemanden, der nicht dachte, er hätte es im Griff. Die meisten Betroffenen sahen sich nicht als Alkoholabhängige, Kranke oder Süchtige.

    Fast jeder der Betroffenen hat es wohl erfolglos versucht, kontrolliert zu trinken. Du verschenkst kostbare Zeit. Zeit, die du für dich und deinen Sohn dringend benötigst. Ich kann dir nur raten, diesen Fehler nicht zu machen und sich Hilfe zu holen.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Danke Betty,
    wie war es damals bei Dir? Hast Du den dringenden Wunsch verspürt, das Problem anzugehen und trocken zu werden? Oder war es die Vernunft die sagte, es müsste jetzt was passieren. Ich frage deshalb, weil ich einfach das Gefühl nicht habe "ich muss jetzt komplett aufhören und ich will das auch" sonder eher "ich sollte das Problem vielleicht doch mal angehen"....

  • Ich habe über viele Jahre seit ich jung war Alkohol getrunken. Zu Anfang auf Feiern, wenn es besondere Anlässe gab, später an den Wochenenden, wenn man unterwegs war usw. usw.

    Zu einem guten Essen gehörte immer ein Glas Wein - ach und wie es so ist. Es wurde über die Jahre zu viel Alkohol. Bewusst war es mir schon immer, aber andere tranken genauso viel oder mehr. Kann so schlimm schon nicht sein etc.

    Während meiner Schwangerschaft habe ich ohne Probleme auf Alkohol verzichtet. Also dachte ich, ich hätte kein Problem. Ich hatte ein Problem. Und letztlich musste ich fast 60 Jahre alt werden, um einen Entschluss zu fassen. "Ich trinke nicht mehr. Das muss aufhören."

    Ich bin ein Mensch, der seine Entschlüsse konsequent durchzieht. Gesagt - getan. Ich habe es in Angriff genommen. Ich habe meinen Weg gefunden. Es geht mir heute ausgezeichnet.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Jolie,

    Zitat

    Noch habe ich die Hoffnung, dass wenn ich es allmählich im Alltag reduziere, der Alkohol immer weniger an Bedeutung bekommt und ich es auch ohne Alkohol schaffe, den Alltag zu meistern...


    Ich will Dir diese Hoffnung nicht nehmen. Aber oft liest man, gerade in solchen Foren, dass jemand einfach noch "eine Runde drehen muss". Was im ersten Moment etwas despektierlich klingt ist eigentlich gar nicht böse gemeint, sondern resultiert einfach aus der eigenen Erfahrung heraus.

    Deshalb sage ich: Dann probiere es einfach mal aus. Schau mal, wie es Dir damit geht. Reduziere mal Deinen üblichen Konsum, vielleicht im ersten Schritt erst mal um 50 %. Ich weiß ja nicht, wieviel Du aktuell normalerweise so trinkst. Aber nur mal als Beispiel: Wenn Du i. d. R. eine Flasche Wein am Tag trinkst, dann trinkst Du ab sofort nur noch eine Halbe. D. h. die Flasche reicht jetzt für 2 Tage. Wenn Du zwei pro Tag getrunken hast, dann nur noch eine, usw.

    Ganz wichtig: Achte genau darauf, wie es Dir damit geht. Nach einer bestimmten Zeit, z. B. einer Woche, kannst Du ja nochmal halbieren und wieder schauen, wie es Dir damit geht. Bis Du auf dem offiziell unbedenklichen Level angelangt bist. Das sind bei einer Frau 12 gr. reiner Alkohol. Ich weiß nicht, ob Du Dich schon darüber informiert hast. Als noch unbedenklich gilt, wenn Du (als Frau) nicht mehr als 12 gr. reinen Alkohols pro Tag zu Dir nimmst. Wobei gleichzeitig an zwei Tagen in der Woche gar kein Alkohol konsumiert werden darf. D. h. ein (kleines) Bier (je nach Alkoholgehalt) oder ein 1/8 Wein (je nach Gehalt) an 5 Tagen in der Woche. Das wäre ok, gilt als unbedenklich. Kannst Du Dir vorstellen, dass Du damit zufrieden leben könntest? Überlege Dir auch mal, was Du davon hast, wenn Du das tun könntest? Würde es einen großen Unterschied machen, wenn Du bei solch geringen Mengen nicht gleich ganz mit dem Trinken aufhören würdest? Blöde Fragen, gell? Ich will Dich damit nur zum Nachdenken und Reflektieren anregen, mehr nicht.

    Ich denke die ganz große Frage wird sein, ob das Reduzieren bei Dir überhaupt funktioniert (und wie lange) oder ob Dir die Sucht nicht Gründe vorgauckelt, warum Du jetzt doch mal mehr trinken darfst.... Alles eigene Erfahrung, was ich hier schreibe. Aber so ein Versuch wäre ja mal eine Idee um klarer zu sehen, oder?

    Wenn Du dann ehrlich zu und mit Dir bist, wirst Du selbst merken, was eigentlich los. Und dann stehst Du (wieder) an dem Punkt, eine Entscheidung treffen zu müssen. Aber vielleicht fällt Dir diese dann leichter. Ich kenne Alkoholiker, die mussten erst mal solche Erfahrungen machen (meistens sogar mehrmals), bis sie wirklich bereit sein konnten zu akzeptieren, dass sie tatsächlich machtlos gegenüber dieser Droge sind. Anschließend hats dann funktioniert mit dem Ausstieg.

    Bei mir z. B. war das ganz anders. Es war einfach ein "Klick", ein vorher nicht geplanter Zeitpunkt, ein Ereignis, das dazu führte, dass ich von da an nie mehr trinken wollte. Da hatte ich jahrelang vorher schon alles in Richtung reduzieren oder Trinkpausen durch. Immer erfolglos natürlich. Ich war eigentlich schon so weit, dass ich gar nicht mehr reduzieren wollte, keine Pausen mehr wollte und sie auch gar nicht mehr einhalten konnte. Ich begann schon morgens vor der Arbeit mit dem Trinken und war absolut gefühls- und perspektivlos geworden. Und dann machte es Klick und ich wusste: Jetzt ist Schluss!

    Bitte nicht täuschen lassen. Anschließend begann ich sofort ein großes Programm an Hilfsmaßnahmen anzukurbeln. Dieses Klick-Erlebnis hatte ich abends. Bereits am nächsten Abend war meine erste Gruppenstunde in meiner SHG. Kurz darauf Termin beim Arzt und der Suchthilfe. Kurz darauf vereinbarte ich auch sofort einen Termin beim Psychologen, worauf ich 7 Wochen warten musste, was ich mit quasi täglichen Besuchen meiner SHG überbrückte. Und noch vieles mehr: Outing meiner Familie gegenüber (Eltern, Geschwister, etc.) aber auch gegeüber den (verbliebenen) Freunden. Du musst wissen, ich trank komplett heimlich, so dass ich selbst meiner eigenen Frau und meinen Kindern gegenüber erst mal reinen Wein (haha) einschenken musste. Meiner Frau musste ich sogar erst mal beweisen, dass ich sie nicht an log und wirklich Alkoholiker war. Ich zeigte ihr dann all meine prall gefüllten Verstecke, im Auto, im Garten, sogar im Wald. Erst dann glaubte sie mir.

    Du siehst, Klick ist ja ganz schön, aber damit ist dann lange nicht getan. Egal wie oder wodurch man von dem Zeug weg kommt: Es klappt nur, wenn man konsequent an einem Neuaufbau des eigenen Lebens ohne Alkohol arbeitet.

    Ich brauchte etwa ein Jahr, bis ich mit dem Gröbsten durch war. Ich hatte mich mittlerweile von meiner Frau / Familie getrennt, was eine der schwierigsten, ach was schreibe ich, die schwierigste und härteste Entscheidung meines Lebens war. Ich musste neu lernen zu denken, ohne "Unterstützung" durch Alkohol zu denken. Ich musste lernen, meine nasse Denkweise zu überschreiben und auch meine nassen Reaktionen und Verhaltensweisen. Und mir natürlich auch darüber klar werden, wer ich eigentlich bin, wer ich gerne sein möchte, wie ich leben möchte, was ich noch erreichen möchte mit meinem Restleben usw. Meine ganz persönliche Challenge war das überwinden meiner Schuldgefühle, die ich durch Lug und Betrug im Laufe meiner Alkoholikerzeit aufgebaut hatte und durch das Trinken immer schon überdeckt hatte. Plus die großen Schuldgefühle, die ich durch meine Trennung, die ich selbst verantwortete, noch hinzu kamen. Nie werde ich meine tieftraurige Frau und meine tieftraurigen Kinder damals vergessen. Es war eine sehr intensive, teilweise sehr schmerzhafte aber auch spannende und absolut notwendige Zeit.

    Heute bin ich ein sehr dankbarer Mensch. Und ein sehr glücklicher noch dazu. Ich bin wieder verheiratet, habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Kindern und sogar auch zu meiner Ex-Frau. Hättest Du mir das damals gesagt, ich hätte nicht mal darüber lachen können. Ich hätte es niemals geglaubt.

    Das waren dann mal meine Gedanken.

    LG
    gerchla

  • Hallo und auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 56, Alkoholiker und - nachdem ich mehrfach vergeblich versucht habe, kontrolliert zu trinken bzw. meinen Konsum zu reduzieren und letztendlich auf Null zu schrauben - nun schon ein paar Jahre trocken. Und zwar zufrieden trocken.
    Auch ich konnte mir, wie wahrscheinlich die meisten Betroffenen, anfangs ein ganzes Leben ohne Alkohol (NIE WIEDER :o ) überhaupt nicht vorstellen. Und heute - fehlt mir absolut NICHTS und ich fühle mich absolut wohl! Natürlich hat das Leben seine Höhen und Tiefen - aber die kann man mit einem klaren Kopf viel besser und intensiver geniessen (die Höhen) bzw. ausbügeln, reparieren, aushalten (die Tiefen.

    Insofern kann ich mich meinen Vorschreibern nur anschließen (Hausarzt, Suchtberatung, möglicherweise SHG) ... und empfehle Dir noch einen Blick in unsere Linksammlung und unsere Literaturecke. Dort findest Du viele (wie wir denken) nützliche Tipps und Hinweise und Anregungen.

    Zum Schluß möchte ich aus eigener Erfahrung nur noch sagen: Für Dich sieht momentan ein zukünftiges Leben ohne Alkohol nur deshalb düster aus, weil sich schon ein Alkoholschleier auf die inneren Augen gelegt hat. Aber der verfliegt - versprochen :sun:

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Der Gedanke, ohne Alkohol wäre alles schlimm, ist eine Illusion. Ohne Alkohol ist es nämlich voll geil! Das Leben ist 1000 mal besser ohne. Und aus der Diskozeit wo es einfach dazu gehörte, bist Du ja nun auch raus.

    Ich liebe jeden So. Morgen in der Früh Kaffee zu trinken, ohne Kater, den Tag zu genießen... Hobbys nachzugehen, die man vorher immer nur vor sich hergeschoben hat.

    Ich will Dir damit nur die Sonnenseite von einem Leben ohne Alkohol aufzeigen. ;)

    Das war übrigens auch mein größter Punkt, an dem ich zu knapsen hatte.

  • Hallo Glitzerstern,

    kann es sein, dass Du beim Schreiben Deines Beitrags versehentlich
    im falschen Faden (diesem hier) unterwegs warst? ;) Ich kam eben
    wegen der zwei völlig verschiedenen Themen ins Grübeln ...

    Weiterhin viel Kraft beim Umsetzen Deines Wunsches (Trennung)!
    Schreib' unbedingt weiter, das schafft auch im Kopf etwas Raum.

    Liebe Grüße
    Wolfsfrau

  • Ihr Lieben,
    vielen Dank für die Rückmeldungen. Ich bin wirklich sehr gerührt über die Anteilnahme. Vor allen Dingen danke ich Dir Gerchla für Deine vielen einfühlsamen Worte! Ich denke, ich muss das mit dem Reduzieren einfach mal versuchen und vielleicht auch "auf die Nase fallen", damit ich erkenne wo ich gerade stehe und wie stark die Sucht ausgeprägt ist. Gestern Abend habe ich nur ein Bier und ein Glas Wein zum Abendbrot getrunken. Danach komplett gar nichts mehr. Man ging es mir schlecht. Ich war nervös und habe richtig schlecht geschlafen und konnte auch lange nicht einschlafen. Heute morgen wieder nur ein Bier. Vorher waren es auch oft gerne härtere Sachen wie Jägermeister oder Wodka pur. Ich will die harten Sachen komplett streichen. Und bis jetzt geht es mir gut. Versuche jetzt bei der Arbeit ganz viel Tee zu trinken. Ein weiterer Schockmoment für mich heute morgen war, dass ich mich mal auf die Waage (nach sehr langer Zeit) gestellt habe. Ich wiege so viel wie noch nie und habe das letzte Jahr über 10 Kilo zugekommen. Ich hatte es mir schon gedacht, aber es dann auf der Waage zu sehen, war ziemlich schockierend. Auch das habe ich dem Alkohol zu verdanken! Den Rest des Tages versuche ich mal nichts zu trinken.... das Gute ist, harte Sachen habe ich gar nicht mehr im Hause und werden auch nicht mehr gekauft....

    Ich bin gespannt wie es weitergeht... vielleicht fange ich mit dem Joggen mal wieder an?!

    Liebe Grüße an Euch alle und DANKE!!! Es tut gut, mal ehrlich zu sein und klar zu sagen, wie viel man eigentlich vorher getrunken hat!

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