Liebes Forum,
Ich habe seit ein paar Monaten den Verdacht, dass ich jahrelang mit einem verdeckten Alkoholiker zusammen war. Da ich mich mit der Thematik kaum auskenne und mich zur Zeit Schritt für Schritt informiere habe ich 1000 Fragen... Daher dieser Versuch mit dem Forum.
Vielleicht zu meinem Hintergrund. Ich bin weiblich, 44 Jahre alt und war 19 Jahre mit einem Mann zusammen, wir haben 2 Töchter. Die letzten Jahre hatten wir immer mehr Probleme. Ich dachte, dass es an seinen verschiedenen Problemen lag, geringes Selbstbewusstsein, Jobverluste usw. Von einem lieben, eher introvertierten Mann wurde er mehr und mehr zu einem aggressiven Nörgler, der mit seinen Problemen nicht umgehen konnte und lieber Ausreden erfand und log. Ich habe jahrelang versucht, ihm zu helfen, ihn zu unterstützen. Habe gedacht, dass er depressiv ist. Habe es auch geschafft, dass er sich in Therapie begab, was aber überhaupt nichts verbesserte.
Alkohol spielte in dieser Zeit nur selten eine Rolle. Zurückschauend kann ich sagen, dass es ab und zu Thema war, aber ich hatte immer den Eindruck, dass wir es im Griff hatten. Wenn ich das Gefühl hatte, es sei ein wenig viel haben wir das angesprochen und fanden dann stets eine Lösung. Wir hatten immer eher wenig Alkohol im Haus und haben das dann eher mal am Wochenende oder mit Freunden getrunken.
Seine Aggressionen und Stimmungsschwankungen wurden aber immer schlimmer und letztendlich hat es dazu geführt, dass wir uns letzten Winter getrennt haben. Es gab noch ein paar Monate Übergangszeit, bis er eine Wohnung gefunden hatte. In dieser Zeit, also quasi nachdem das Unvermeidliche (die Trennung) eingetreten war, habe ich in der Wohnung Flaschen gefunden, unter dem Bett, in seinem Rucksack. Ich habe ihn dann zur Rede gestellt und er ist in sich zusammen gesackt. Ich habe ihn gefragt, ob er neben seiner Aggression seinen Kindern jetzt auch noch einen Alkoholiker als Vater antun will. Da war er ganz klein mit Hut, meinte, er würde was ändern usw. Am Tag nach meiner Konfrontation mussten wir noch zur Geburtstagsfeier meines Vaters und beim Brunch zitterten seine Hände so stark, dass er es kaum geschafft hat Oliven auf eine Gabel zu bekommen.
Seitdem sind mir so viele Dinge aufgefallen, die ich vorher mit ganz anderen Augen gesehen habe. Und ich frage mich die ganze Zeit: Kann man das so gut verstecken, dass ich es davor nicht gemerkt habe? Ich mache mir solche Vorwürfe, eine Co-Alkoholikerin gewesen zu sein, die die ganze Zeit die Augen verschlossen hat.
Aber so kenne ich mich gar nicht. Ich hatte vor den 19 Jahren einen Freund, den ich auch verlassen habe, nachdem er angefangen hatte jeden Abend vor dem PC Whiskey und Wodka getrunken hat und mir vorwarf, mit mir könne man keinen Spass haben, da ich nie mittrinke. Ich halte mich für einen konsequenten Menschen, der Probleme offen angeht. Aber kann es sein, dass jemand Jahre lang so Theater spielt? War ich so mit seinen psychischen Problemen beschäftigt, dass ich das eigentliche Problem nicht gesehen habe? Oder kam es so plötzlich?
Ich bin total verwirrt und fange an, die ganze Zeit vorher zu hinterfragen. Hat er mich die ganze Zeit angelogen? Wir hatten Zeiten, in denen er aus meiner Sicht überhaupt nicht getrunken hat. Er ist auch nie besoffen nach Hause gekommen oder hat sich ein Wochenende lang die Kante gegeben.
Jetzt sind wir wie gesagt getrennt und ich würde am liebsten nichts mit ihm zu tun haben, aber wir haben wie gesagt 2 Töchter die ihren Papa trotz seines aggressiven Verhaltens in den letzten Monaten sehr lieben. Das will ich ihnen auch nicht nehmen, aber ich habe inzwischen wahnsinnige Angst, wenn ich nur daran denke, dass er mit den beiden längere Strecken im Auto fährt.
Ich habe ihn darauf angesprochen und er sagte zu mir er habe eingesehen, dass er Probleme habe. Er hätte seinen Konsum runtergefahren, würde nur noch am Wochenende und auch nicht mehr alleine trinken. Und würde nie Trinken, wenn er Auto fahren müsste. Allerdings haben die Mädchen mir erzählt, dass er im letzten Urlaub beim Italiener durchaus Wein zum Essen und danach einen Schnaps getrunken hätte, obwohl er danach noch fahren musste. Das macht man doch nicht, wenn einem bewusst ist, dass man ein Problem hat? Und wenn man weiss, wie sehr sich die Kinder inzwischen Sorgen machen. Ich muss dazu sagen, dass ich die Kinder nie nach dem Trinkverhalten ihres Vaters gefragt habe. Sie fragen mich so etwas nebenbei, beim Abendessen, so unter dem Motto: "Mama, darf man eigentlich Auto fahren, wenn man getrunken hat?" Und dann kommt die Geschichte. Daran merke ich, wie sehr es sie beschäftigt, obwohl ich das bislang nicht thematisiert habe. Wie kann ich die Kinder vor den Auswirkungen schützen? Was kann ich noch glauben?
Danke für Eure Einschätzung hierzu.
Eure Ailin