• Ein Thema habe ich noch.
    Gestern kam ein neuer Besucher unserer Gruppe, er kam gerade aus der Langzeittherapie.
    Er hat die Frage in den Raum gestellt, warum mache ich das alles?
    Es bringt ja nichts gegen die Sucht anzukämpfen, die meisten Alkoholiker schaffen es nicht
    trocken zu bleiben. Diese Frage kommt oft in der Gruppe im Krankenhaus, warum das alles
    hat ja keinen Zweck.
    Bei meiner Entwöhnung in der Salusklinik wurde uns gesagt, das 60% nach der Entlastung, ein Jahr trocken bleiben.
    Nach Zwei Jahren sind es noch 30% die Abstinent sind.
    In Erlangen bei einer Fortbildung hat eine Oberärztin der Klinik am Europakanal auch die hohen Rückfall zahlen genannt.
    Es kam so rüber, das Alkoholiker keine dauerhafte Abstinenz schaffen.
    Ich finde mit diesen Statistiken nimmt man den Betroffenen, den Mut mit dem Saufen aufzuhören,
    eine Therapie zu machen.
    Es werden Zahlen genannt die auch stimmen, aber es wird nicht hinterfragt, warum geht der Betroffene in Therapier?
    Macht er es freiwillig, von sich aus? Muss er oder sie, Therapie machen um den Führerschein wieder zu bekommen?
    Muss er oder sie Therapie machen, wegen einen richterlichen Beschluss (Knast oder Therapie)?
    Macht Partner/in Druck, Therapie oder Trennung?
    Arbeitgeber, Therapie oder Kündigung?
    Gesundheitszustand schlecht, vielleicht als Ziel, wenn es mir besser geht, kann ich auch wieder trinken?
    Alkoholiker und sonstige Suchtkranke werden mit diesen Zahlen demotiviert, für was bringe ich Energie auf,
    wenn ich doch wieder Rückfällig werde?
    Ich versuche die Besucher der Gruppen zu Motivieren, ihnen zu Zeigen das es geht, länger trocken zu bleiben.
    Man muss kleine Schritte gehen und Ziele haben die erreichbar sind.
    Ich habe in meiner Therapie, nicht wenige Mitpatientn die nie das Ziel hatten Längerfristig trocken zu Bleiben.

    Mich würde inertisieren wie ihr das seht.

    woko

    Das Leben leben ohne Alkohol und Medikamente!

  • Traue nie einer Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast!

    Alte Weisheit!
    Ja klar ist die Rückfallrate hoch. Aber wie will man all jene erfassen, die nicht wieder rückfällig werden? Über die Neuzugänge bei den SHG? Was ist mit denen, die die Gruppen wechseln; oder verlassen und keine neue aufsuchen und nicht rückfällig werden?

    Komisch - in "meiner" Gruppe gab es nie diesbezügliche Fragen. Und wenn, dann würde ich darauf hinweisen, dass es nicht nur in der Gruppe etliche Leute gibt, die nicht nur tage, wochen-, monatelang trocken sind, sondern schon jahre- bzw. sogar jahrzehntelang trocken sind.
    Es ist also zu schaffen. Und JA: Alkoholismus ist eine Rückfallkrankheit. Aber das sollte man nicht als Ausrede für die wöchentlichen Rückfälle nehmen (etwas überspitzt gesagt), sondern als Ansporn dafür, alles zu tun, damit es nicht zu einem Rückfall kommt. Und wenn, dass man schnell wieder "aufsteht".

    Mit dieser "Motivation"

    Es bringt ja nichts gegen die Sucht anzukämpfen, die meisten Alkoholiker schaffen es nicht
    trocken zu bleiben. Diese Frage kommt oft in der Gruppe im Krankenhaus, warum das alles hat ja keinen Zweck.
    ...
    Es kam so rüber, das Alkoholiker keine dauerhafte Abstinenz schaffen.

    kann man sich seine SHG in der nächsten Eckkneipe suchen :sorry: - "selbsterfüllende Prophezeiung" nennt man das.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Woko,

    immer wieder spannendes Thema für mich.
    Zuerst möchte ich dazu schreiben, dass diese Statistiken, egal ob es die von der DHS oder von den Suchtkliniken sind, immer von den formal erfassten Alkoholikern ausgehen.
    „Formal“ bedeutet: Es sind Betroffene, die tatsächlich einmal formal bei den Suchtberatungsstellen, den Ärzten, in Krankenhäusern, usw. mit der Diagnose (nach ICD 10) „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ erfasst worden sind.

    D.h. also, dass es erheblich mehr Menschen mit „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ gibt. Nämlich auch noch diejenigen, die niemals in den genannten Institutionen konkret aufgrund der Diagnose aufgefallen sind.

    Zu den Statistiken der Suchtkliniken muss man mehrere Fakten wissen:
    [list type=decimal]
    [li]Es gibt meines Wissens nach nur Erhebungen, die max. 10 Jahre auf die Therapiemaßnahmen folgend ausgeführt wurden.[/li]
    [li]Die Rücklaufquote der zugesandten Fragebogen ist i.d.R. sehr niedrig.[/li]
    [li]Die Fragebogen werden von den Betroffenen anonym ausgefüllt. (Den Rest kann man sich denken ;) )[/li]
    [/list]

    D.h. dass zum Einen diese schlechten Erfolgsquoten zustanden kommen, weil auch Patienten, die … nur 1. Rückfall hatten und dann stabil trocken blieben, mit gezählt werden. Und zum Anderen leider, dass die tatsächliche Rückfallquote sehr viel höher sein könnte.
    Ich kenne eine Institutionsübergreifende Erhebung, die versucht hat alle die Betroffenen zu erfassen, die sozusagen „lebenslang“ (mehr als 10 Jahr) trocken geblieben sind. (Aber ich schreibe die Ergebnisse hier nicht. ;) )

    So, wenn man jetzt noch weiß, dass max. ca. 10% aller vom Alkoholismus Betroffenen es überhaupt bis in eine Langzeittherapie schaffen …
    Das Alles sollte niemals ein Grund für Entmutigung sein. Weil darüber braucht ja niemand zu spekulieren: Ein Leben mit und in der Sucht ist kein qualitativ erwünschenswertes Leben.
    Ich finde nicht, dass mir all diese Zahlen(spiele) den Mut genommen haben oder nehmen. Weil sie mir letztlich irgendwo dann auch egal sind. Und wenn es nur 1% wären, die es schaffen, dann wollte ich gerne zu den 1% gehören.
    Um das erreichen zu können, gehören meiner Meinung aufgrund der Erfahrung mit meiner eigenen Sucht grundlegende Aktivitäten dazu.

    Einmal natürlich, dass ich bereit bin mein Leben von Grund auf zu ändern und mich mit all den Defiziten, die entweder von der Sucht verursacht wurden, oder aber in die Sucht geführt haben, auseinandersetze.
    Ich muss bereit sein „aktiv“ etwas für meine Abstinenz zu tun, z. B. mittels regelmäßigen Besuchen bei einer Selbsthilfegruppe.
    Ich muss, in einer Gesellschaft, in der „mein Suchtmittel“ überall legal, günstig und jederzeit verfügbar ist, sehr achtsam und wachsam „mit mir“ sein.

    Du hast in einem 100%ig Recht: Um andere Betroffene zu ermutigen und zu motivieren, stelle ich vor allem immer wieder heraus, was ohne Alkohol möglich ist, und wie besch … es mit Alkohol darum steht.
    Ich kenne auf jeden Fall Nichts, das sich dank meiner Abstinenz nicht wesentlich verbessert hat, aber Vieles, das sich mit Alkohol erheblich verschlechtern würde.

  • Diese ganzen sog. Statistiken halte ich für Augenwischerei.

    Wer hat sie wie erhoben?

    Hat da jeder Kranke mitgemacht? Wieviele wurden denn ausgewertet? Ist die erhobene Vergleichszahl zu niedrig, taugt das Gesamtergebnis nicht.

    Mich hat noch nie jemand befragt. Alle, die ich kenne, auch nicht.

    Nichtsdestotrotz kommen Rückfälle viel zu häufig vor.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo,

    in meinen LZTs, ich habe 2 gemacht, wurde uns auch erklärt, wie die Klinik zu ihren Daten kommt.

    Man wurde nach einem Jahr angeschrieben, ob man wieder trinkt usw... Wer auf diesen Brief nicht geantwortet hat, wurde automatisch als rückfällig eingestuft. Aber es gibt auch viele trockene Leute, die einfach keine Zeit, oder Lust, hatten zu antworten.

    Ich glaube, so eine Datenerhebung ist ganz, ganz schwer durchzuführen.

  • Interessant, was Ihr hier über die Erfassung dieser Statistik schreibt. Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.

    Ich bin etwas im Zwiespalt. Einerseits denke ich, es ist schon wichtig zu wissen wie hoch die Gefahr ist wieder rückfällig zu werden. Das trägt dazu bei, dass man die Krankheit nicht unterschätzt. Andererseits halte ich es für sehr deprimierend, wenn man vorher schon gesagt bekommt, dass man statistisch gesehen wahrscheinlich nicht trocken bleiben wird. Es könnte natürlich eine gewisse Trotzreaktion auslösen, nach dem Motto: Der Statistik werde ich jetzt mal zeigen - aber kann genauso dazu führen, dass man beim zwangsläufig auftretenden Suchtruck nachgibt, weil man ja "weiß", dass man wahrscheinlich ohnehin wieder trinken wird...

    Was mich immer schon gestört hat sind so Aussagen wie: "Der Rückfall gehört zum Krankheitsbild" oder "Ein Rückfall ist eher die Regel" - dazu dann noch entsprechenden Statistiken... Das kann fast als Einladung zum Rückfall interprediert werden.

    Im Grunde genommen sollte man die Betroffen von diesem ganzen Statistikzeugs fern halten und dafür sorgen, dass sie sich auf sich selbst und ihre Krankheit konzentrieren und diese aufarbeiten. Wie wir hier ja oft sagen: Jeder ist für sich selbst verantwortlich, jeder muss sich selbst um sein Leben kümmern - was interessieren mich dann die Statistiken?

    Aber so einfach ist es halt nicht.

    LG
    gerchla

  • Ich gebe dir recht Gerchla. Bei meiner Entwöhnung in der Salusklinik, wurde mir eine Rückfallstatistik vorgelegt.
    Zu hören wie wenig es schaffen trocken zu bleiben, hat mir Angst gemacht.
    In der Gruppe im der Psychiatrie, sind immer wieder Betroffene, die sagen Rückfall gehört zur Krankheit. Ab da beginnt der Rückfall,
    habe ich doch eine Ausrede, Rückfall gehört zur Krankheit.
    Zu wissen das die Gefahr groß ist, in einen Rückfall zu kommen, ist für mich sehr wichtig.
    aber das weiß ich auch ohne Statistiken.
    Ärzte, Kliniken, Sucht Beratungen sollen Motivieren und nicht Erzählen wie gering die Aussicht ist, um Längerfristig trocken zu bleiben.

    Das Leben leben ohne Alkohol und Medikamente!

  • Lieber Gerchla,

    Zitat

    Andererseits halte ich es für sehr deprimierend, wenn man vorher schon gesagt bekommt, dass man statistisch gesehen wahrscheinlich nicht trocken bleiben wird.

    Genau das ist es, was ich vermitteln wollte: Es wird eben dadurch (durch die Statistik) nicht gesagt, dass man „wahrscheinlich nicht trocken bleiben wird“.
    Um diese Statistiken zu verstehen, muss man ja auch immer die gesamte (Sucht)Problematik verstehen, die dahinter steht. (Wie im Übrigen bei allen anderen Statistiken auch.)
    Für mich bedeutet das dann: Wenn ich „nur“ den Alkohol weglasse, wenn ich „nur“ eine Therapie mache, und wenn ich „nur“ glaube, dass sich die Sucht im Laufe der Zeit mehr oder weniger von ganz alleine „heilen“ wird, dann bin ich einer der vielen, die „wahrscheinlich nicht trocken bleiben (können)“.

    Auch die gängige Aussage „Der Rückfall gehört zum Krankheitsbild“ (weil Alkoholismus nach moderner Interpretation eine Rückfall-Krankheit ist bzw. „sein kann!“), und „Rückfälle sind realistisch gesehen eher die Regel …“ sehe ich keineswegs als Einladung und Ermunterung um Rückfälle zu erleiden.
    Vielmehr steht für mich auch hier dahinter, dass diejenigen, die ihre Sucht nicht gebührend ernst nehmen und nicht fortlaufend Alles tun, um eine stabile Abstinenz leben zu können, mit Rückfällen (leider) leben müssen.

    Besonders aufgekommen ist diese relativ neue Einstellung zur Sucht aus der Erkenntnis heraus, dass früher generell regelrecht indoktriniert wurde „wenn du jemals noch einen Tropfen Alkohol anrührst, ist ALLES aus! Dann gibt es für dich keine Hilfe, keine Rettung mehr. Dann wirst du unweigerlich für immer untergehen“.
    Das hat viele damalige Rückfaller gehindert, trotz Rückfälle ihre Sucht erneut zum Stillstand zu bringen. Die sagten sich dann beim ersten (minimalen) Kontakt zum Suchtmittel: „Jetzt ist eh Alles aus. Nun werde ich endgültig untergehen. Ich schaffe es einfach nicht.“
    Heute wissen sie, dass sie von niemandem verdammt und geächtet werden, wenn sie einen Rückfall erleiden, sondern die Hilfe allzeit vorhanden ist.

    Natürlich, und ich glaube, irgendwo hier im Forum schrieb ich dazu mal etwas, sehe ich den Umgang der Suchtkliniken durchaus auch mit zwiespältigen Gefühlen.
    Ich erlebe es ja durch unsere Gruppenvorstellungen in div. Kliniken, wie sich die sogenannten Drehtürpatienten die Klinke in die Hand geben. Für diejenigen, die den Punkt noch nicht erreicht haben, an dem sie der Sucht endgültig und für immer Adieu sagen möchten und können, ist die „moderne“ Einstellung gegenüber Rückfällen natürlich eine willkommene Einladung.
    Andererseits denke ich, dass die dann ohnehin weiter in der Sucht verbleiben würden, egal welche Einstellung dazu die Fachleute hätten?

    Zitat

    Im Grunde genommen sollte man die Betroffen von diesem ganzen Statistikzeugs fern halten und dafür sorgen, dass sie sich auf sich selbst und ihre Krankheit konzentrieren und diese aufarbeiten.

    Ich halte es im „real-life“ so: Ich spreche über die mir bekannten Quoten, Zahlen und Statistiken und Erhebungen niemals mit Betroffenen, die nicht sehr stabil schon für einige Jahre im Sattel sitzen.
    Das bringt denen ja nichts. Weder das Wissen darüber, noch irgendwelche Wahrscheinlichkeitsrechnungen.
    In meinen Vorstellungen ermutige ich die Betroffenen durch ein ganz anders „Zahlenspiel“:
    „Hey Leute“, sage ich, „Gratulation, dass Ihr es bis hierhin geschafft habt! Damit gehört Ihr zu ungefähr 10% an Betroffenen, die es überhaupt erst einmal so weit geschafft haben! Das ist doch die beste Voraussetzung nun eine endgültige Wende in Eurem Leben einzuleiten!“

  • Hm, also ich war auch in der Salusklinik in Friedrichsdorf. :)
    Es für mich dadurch sehr schwer, mir vorzustellen, dass in dieser m. E. herausragend guten Suchtklinik Patienten ohne intensive drängende Nachfrage solche Statistiken ausgehändigt werden. :(
    Jedenfalls kann ich nicht vorstellen, dass das im Sinn von Ralf Schneider oder Dr. Kramer geschehen ist.
    Da muss man schon gewaltig suchen und nachforschen, auch z.B. den fachlichen Hintergrund belegen können, um an solche Erhebungen zu kommen.
    Jedenfalls kenne ich keine einzige Klinik, die mit solchen Erhebungen um sich schmeißt. ;)

  • Lieber Dietmar,

    ich kann ganz gut nachvollziehen was Du meinst. Ich denke aber auch, dass Du eine sehr reflektierte Persönlichkeit bist. Jemand, der sich über viele Jahre mit sich und seiner Krankheit in voller Tiefe auseinander gesetzt hat. Jemand, der bereits Rückschläge hinnehmen hat müssen und wieder aufgestanden ist. Und nicht nur das, sondern auch dadurch weiter gelernt hat.

    Das macht es Dir möglich jetzt sehr differenziert auf diese Krankheit zu sehen und zu analysieren. Und aus dieser Sicht heraus ist das was Du geschrieben hast für mich absolut nachzuvollziehen.

    Sehr viele sind aber nicht "so weit", kommen gar nicht an den Punkt sich derart intensiv mit sich und der eigenen Krankheit so auseinader zu setzen. Damit meine ich jetzt auch nicht nur diejenigen, die es ohne Therapie versuchen. Auch mit Therapie bleiben viele doch an der Oberfläche und damit in größerer Gefahr wieder zu trinken. Vielleicht hat das Aufarbeiten, die Reflexion während der Therapie gut funktioniert, im Alltag kann es dann aber (aus diversen Gründen) nicht weiter fortgesetzt werden. Ich weiß das nicht aus eigener Erfahrung aber ich glaube, dass ich das so beobachte.

    Und ich glaube auch nicht, dass die Fähigkeit die eigene Krankheit aufzuarbeiten und sich zu reflektieren unmittelbar etwas mit Bildung usw. zu tun hat. Es ist ja auch nicht so, dass der "gebildete Alkoholiker" der ist, der leichter davon weg kommt. Ich kenne dazu zumindest keine Statistiken (um mal beim Thema zu bleiben ;) )

    Was ist es also dann, dass so viele rückfällig werden lässt und manch andere aber nicht? Ist es die Fähigkeit sich selbst, das eigenen Handeln und Denken komplett zu hinterfragen, die einem die Stabiliät für ein dauerhaft trockenes Leben gibt? Und kann jeder das dann "lernen" (z. B. in einer Therapie) oder ist es nur ein Teil, der das warum auch immer kann. Oder ist es einfach nur das Glück zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Menschen in Kontakt gekommen zu sein, die richtigen Erlebnisse gehabt zu haben und dadurch in die Spur gekommen zu sein?

    Es ist sehr interessant für mich darüber nachzudenken. Ich kann mir dazu aktuell abschließend auch noch keine feste Meinung bilden. Ich glaube aber fest, dass das Aufarbeiten der Sucht und permanente Selbstreflektion ein Schlüssel zum abstinenten Leben sind. Ich empfinde es bei mir so - kann aber natürlich nicht für andere sprechen.

    Zitat

    „Hey Leute“, sage ich, „Gratulation, dass Ihr es bis hierhin geschafft habt! Damit gehört Ihr zu ungefähr 10% an Betroffenen, die es überhaupt erst einmal so weit geschafft haben! Das ist doch die beste Voraussetzung nun eine endgültige Wende in Eurem Leben einzuleiten!“

    44. 44. Sehr gutes Zahlenspiel!

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,

    vielleicht hilft Dir in Deinen Überlegungen ein heutiges Ereignis von mir etwas weiter, um zu verstehen, warum es leider viele trotz Therapie etc. nicht fertigbringen abstinent zu bleiben.

    Heute rief mich ein alter Freund an, den ich vor Jahren in einer Suchtklinik kennengelernt habe. Er ist über 60, hat reichlich Lebenserfahrung, steht mit beiden Beinen im Leben, hervorragende Verhältnisse sowohl finanziell (großer Hof), als auch sozial viele Anbindungen. Vor seiner Rente war er Bankenvorstand, also auch da hoch angesehen.
    Mit seiner Sucht kämpft er schon viele Jahre. Genauer gesagt hat er viele Jahre überhaupt nicht die Erkenntnis gehabt, dass es sich um Sucht handelt. Er trank, wie andere Landwirte eben auch, wenn man einen eigenen Weinkeller hat und der Nachbar eine Schnapsbrennerei. Da gehörte es einfach dazu.
    Irgendwann ist es dann eskaliert, und aufgrund der Suchtfolgen konnte er seiner Arbeit nicht mehr so nachgehen, wie er und wie andere das von ihm gewohnt waren. Auf Drängen seiner Frau kam er dann in besagte Suchtklinik.

    Beste Voraussetzungen, würde ich an und für sich sagen: Intelligent, gut gesittet, stabile Verhältnisse, im Großen und Ganzen wenn Probleme, dann eher Luxusprobleme wie „behalte ich jetzt die 54 Rinder und meine 6 Reitpferde, oder verkleinere ich mich ein wenig“.
    Schon damals fiel mir auf, dass er zwar einerseits verstanden hat, dass er süchtig war/ist. Aber, und das müsste ich an dieser Stelle groß schreiben: Süchtig ja – aber nicht so wie die ….
    „Ich verstehe, dass Ihr alle in eine Selbsthilfegruppe geht, aber ich brauche das nicht. Ich habe reichlich Kontakte in meinem Leben. Für was soll ich meine Probleme vor anderen, womöglich noch völlig Fremden ausbreiten. Ich schaffe da auch so, weil ich habe jetzt verstanden …“
    Unser Kontakt war mal intensiver, mal lockerer, aber ich habe seinen Werdegang aus der Ferne immer mitverfolgt. Manchmal, meist wenn er wieder tief in der Sucht steckte, rief er mich an, weinte schon fast am Telefon, und suchte meinen Beistand und wollte, dass ich meine Erfahrungen mit ihm teile.

    Heute auch wieder. Seine Frau hat jetzt die Daumenschrauben angedreht, wie man so schön sagt. „Entweder Du machst jetzt endgültig etwas Grundlegendes gegen Deine Sucht, oder ich bin weg …“
    (Hilflosigkeit der Angehörigen)
    Jetzt geht er in eine Tagesklinik. Dort hat man ihm geraten eine Langzeittherapie zu machen.
    „Für 6 – 8 Wochen“, meinte er. Ich sagte ihm, dass eine reguläre LZT 16 Wochen dauert.
    „Das kann ich nicht! Was mache ich dann mit meinen Rindern, meinen Pferden, meinem Hof, meinen Kindern, meiner Frau ….“
    Ich fragte ihn, was er denn von der Therapie erwarte.
    „Ich hoffe, die werden mir helfen“, meinte er, „so helfen, dass ich zukünftig die Finger vom Alkohol lasse.“
    Ich sagte ihm, dass es mit alleine „nur die Finger vom Alkohol lassen“ nicht getan wäre. Dass er vermutlich sehr viel in seinem Leben verändern müsste, um zukünftig abstinent leben zu können.
    Das war ihm höchst unangenehm: „Ich kann nichts in meinem Leben verändern. Da ist der Hof, meine Frau, meine Rinder, meine Pferde …usw. Ich muss da sein für die alle.“
    Ich sagte ihm, dass er jetzt, so wie er in der Sucht steckt, für niemand „da“ ist. Er müsse sich jetzt erst einmal selbst helfen und schauen, dass er aus der Sucht herauskommt.
    Er versucht es mit durchschaubaren Ausweichmanöver. „Ich gehe zukünftig auch in eine Selbsthilfegruppe in X.“
    Ich erwiderte, dass ich sehr sicher wisse, dass in X überhaupt keine SHG ist. (Leider hat er wirklich in der Nähe keine Gelegenheit.)

    Ich will damit zum Ausdruck bringen: Wenn Betroffene noch nicht an dem Punkt angekommen sind, wo sie verstehen, dass sie alleine (natürlich mit aller Hilfe, die angeboten wird) ihren Weg gehen, gestalten und nötigenfalls ihr Leben verändern müssen, um überhaupt in Richtung stabile Abstinenz gehen zu können, dann hilft keine Therapie und nichts.
    Leider, so meine Erfahrungen, denken so wie mein Freund sehr viele Betroffene. Ergo führt genau das zu den Rückfallzahlen, von denen in den Statistiken die Rede ist.
    Es ehrt mich, wenn Du mich für reflektiert hältst. Aber all das würde mir nichts nützen, wenn ich nicht erkannt hätte, dass Alles Übel, das mit meiner Sucht zusammenhängt, in mir ist, und nur ich alleine daran etwas ändern kann.
    Schau, in einem anderen Thread schreibt einer, dass er xx-Jahre mal mehr mal weniger aber immer regelmäßig dem Alkohol zuspricht und jetzt allmählich seltsame Veränderungen an sich bemerkt.
    Würde ich jemand, der z. B. im Asphaltbau arbeitet, sagen: Hey, Du wirst von den ganzen Dämpfen irgendwann einmal richtig schwer krank werden – das würde jeder verstehen.
    Dann schüttet jemand Tagein- Tagaus ein reines Nervengift freiwillig in sich hinein, weit über der „vermutlich“ relativ unbedenklichen Menge, und fragt: Hey, Leute, mir geht’s so scheiße, kann das sein, dass das vom Alkohol kommt? ;D

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