Kann man Alkoholismus/Abhängigkeit als "Schmuh" bezeichnen

  • hallo
    darf ich fragen was Schmuh bedeutet oder heißen sollte

    es ist richtig es ist wie eine Spirale die sich immer schneller zu drehen anfängt und einmal drinnen ist es verdammt schwer rauszukommen
    ich glaube mit dem Rauchen aufzuhören ist leider als mit dem Trinken aufzuhören
    für mich sind zur Zeit die Entzugserscheinungen sehr arg

    lG
    Wolfgang

  • @ gamma draconis: Ich glaube dir sofort, dass die von dir genannte leitende Psychologin eine erfahrene Person ist. Trotzdem, diese 1% scheinen mir aus der Luft gegriffen. Schon mit einer kurzen Suche im Internet finde ich ganz andere Daten. Aber ich möchte keine Zahlen-Diskussion anzetteln. In diesem Zusammenhang kommt mir das Phänomen des Tunnelblicks in den Sinn. Damit meine ich nicht den Tunnelblick nach zuviel Alkoholkonsum. Sondern, dass man mehr oder weniger unbewusst nur noch diese Argumente/Tatsachen in Betracht zieht, die zum persönlichen Weltbild passen. Und alles andere ausblendet, weil es nicht sein darf.

    @Dietmar
    Wenn es nicht zuviel Mühe kostet, lese ich gerne ein paar interessante Berichte. Aber du musst wirklich nicht erst suchen, wenn du aber ein paar Links zur Hand hast: gerne:)


    Und dann noch zum Schmu(h). Diesen Begriff kannte ich vorher nicht, und mir scheint es auch nicht wichtig die genaue Definition zu kennen (und da gibt es ja sehr viele anscheinend, wie erstaunlich). Und ich habe es auch nie als Gleichung Alkoholismus = Schmu verstandenden, sondern in dem Sinn wie der Begriff hier das erste Mal verwendet wurde.

    Lg Mira


  • @ gamma draconis: Ich glaube dir sofort, dass die von dir genannte leitende Psychologin eine erfahrene Person ist. Trotzdem, diese 1% scheinen mir aus der Luft gegriffen. Schon mit einer kurzen Suche im Internet finde ich ganz andere Daten.


    Hi mira,

    die Psychologin hat noch etwas anderes dazu gesagt, das ich nicht erwähnt habe. Sie sagte, daß es jenseits etwa 5 Jahren Trockenheit keine zuverlässigen Zahlen mehr gibt, sondern nur noch Schätzungen. Die Kliniken haben keinen ausreichenden Kontakt zu ehemaligen Patienten, um belastbare Daten zu erheben. Die Selbsthilfegruppen sind ebenfalls keine verläßliche Quellen und bilden nur einen kleinen Anteil der Betroffenen ab. Aber letztendlich ist es mir völlig egal, wie hoch die Zahl ist und deshalb fühle ich mich auch von dem Kommentar mit dem Tunnelblick nicht angesprochen. Aus eigener Erfahrung und aus dem, was ich bei unterschiedlichen Quellen lese, kann ich mir ein Bild machen, das für den Hausgebrauch ausreichend ist. Ich bin jetzt seit April 1977 bei den Anonymen Alkoholikern und sehe, was sich in meiner Umgebung ereignet und wieviel Leute wieder gehen oder auch bleiben. Wie oben schon gesagt ist das kein allgemeingültiger Maßstab, doch es reicht mir, um einen Überblick zu haben.

    Mit allem, was darüber hinausgeht, mögen sich die Profis befassen, ich brauche es nicht. Für einen Betroffenen, der an seiner Trockenheit arbeitet, sind das eher theoretische Zahlenspielereien und für den Genesungsweg unerheblich.

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Zitat

    Mit allem, was darüber hinausgeht, mögen sich die Profis befassen, ich brauche es nicht. Für einen Betroffenen, der an seiner Trockenheit arbeitet, sind das eher theoretische Zahlenspielereien und für den Genesungsweg unerheblich.

    Da mag ich einzuwenden, dass gerade bei einer so tödlich verlaufenden Krankheit Wissen einen nicht unerheblichen Anteil am Verstehen hat.

    Alkoholiker hat es auch schon vor x-Jahren gegeben, in denen das Wissen bei Weitem nicht so vorhanden war, wie es heute sein kann - wenn man heute will. Damals war es für einen betroffenen Alkoholiker nahezu unmöglich an dieses Wissen zu gelangen, was oft zur völlig falschen Einschätzung der eigenen Suchtsituation führte.
    Aufgrund des fehlenden Wissens wurden Alkoholiker eben so (falsch) behandelt und eingeschätzt, wie es eben geschah.

    Ich finde, wenn man schon solche Zahlen in den Raum stellt, sollte man sich der demotivierenden Aussage bewusst sein.
    Bei aktuell statistisch erfassten 1.700.000 Betroffenen würde das nämlich bedeuten, dass gerade mal 17.000 es fertigbringen trocken zu bleiben.
    Nicht gerade erbaulich, finde ich.
    Das würde auch sehr gegen den Erfolg der Selbsthilfegruppen sprechen, nicht?

    Das ist doch völlig unabhängig von dem, was der Einzelne für sich tut, oder meint tun zu müssen.

  • [...]Ich finde, wenn man schon solche Zahlen in den Raum stellt, sollte man sich der demotivierenden Aussage bewusst sein.[...]

    Das ist deine Interpretation und läßt sich wohl kaum verallgemeinern. Für mich war von Anfang an klar, daß ich zu den Wenigen gehören wollte, auch wenn zu meiner Anfangszeit solche Statistiken noch nicht existierten. Um es mal mit den Worten der "harten Jungs" unter den Alten zu sagen: wer sich von so etwas in seinem Bestreben nach Trockenheit beeinflussen läßt, dem geht es vielleicht noch nicht besch... genug. Sonst würde er sich auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich den heutigen Tag ohne Alkohol zu bewältigen.

    Das Leben ist nicht immer nett.

  • Das ist deine Interpretation und läßt sich wohl kaum verallgemeinern.

    Wo ist da jetzt eine Interpretationsmöglichkeit? nixweiss0
    Ich nehme an, Du schreibst bewusst hier?

    Ich sag mal zu den "harten Jungs unter den Alten": Die paar klitzekleine Jährchen Unterschied schenk ich Dir gerne. ;)
    Ich hab's jetzt eigentlich im Suchtausstieg eher so gesehen, dass es für die meisten mal Zeit war Sanftheit und Gefühl zu zeigen und zuzulassen.
    Also mir zumindest hat so viel Wissen wie möglich noch nie geschadet. Auch nicht auf dem Weg in die Abstinenz.

    Was ist denn DAS WESENTLICHE, auf das sich einer meiner konzentrieren soll? Mir wäre das jetzt zu anstrengend, mich immer nur auf heute zu konzentrieren. Ehrlich gesagt denke ich da eher in mindestens Jahresschritten. Da können dann schon mal so ... 2 Jahrzehnte draus werden.

    Zitat

    auch wenn zu meiner Anfangszeit solche Statistiken noch nicht existierten


    Da scheine ich was überlesen zu haben. Ich habe Dich jetzt nicht sooo alt geschätzt.

    Und last but not least: Oh doch! Das Leben ist ausgesprochen nett. Zumindest zu mir. Immerhin hat es mir ermöglicht aus meiner Sucht auszusteigen. Sonst wäre ich nämlich mit 99% Wahrscheinlichkeit tot. 8)

  • Wo ist da jetzt eine Interpretationsmöglichkeit? nixweiss0

    Das ist doch ganz einfach: die Information über die geringe Erfolgsquote als "demotivierend" anzusehen, ist deine Interpretation der Gegebenheiten. Ich sehe das ganz anders. Mir waren solche Informationen völlig egal, ich wollte nur noch eines, nämlich raus aus dem unglaublichen Elend. Nach meiner Erfahrung schaffen es diejenigen, die nichts auf solche Zahlen geben, sondern einfach nur nicht mehr saufen wollen.

    So komme ich auch zu den "harten Jungs". Die lange Erfahrung bei den AA und vor allem die 10 Jahre, die ich die AA in einer Klinik vorgestellt habe, haben mich eines gelehrt: es gab diejenigen, die nicht um Zahlen oder Begrifflichkeit diskutierten, sondern ganz konkret fragten, was sie tun könnten, um nicht mehr saufen zu müssen. In diese Menschen Zeit und Arbeit zu investieren hat sich wirklich gelohnt, denn sie hatten begriffen, daß der Weg ins trockene Leben nicht über theoretische Diskussionen, sondern über das Anpacken des heutigen Tages führte. Und dann gab es die anderen, die ich in der Klinik mehr oder weniger regelmäßig wieder traf, bzw. die bei den AA-Meetings 'ne große Welle schoben, den Anwesenden erklärten, was bei AA falsch läuft, alles anders machen wollten und fast immer bald wieder verschwunden waren. Das klingt brutal, ist aber meine Erfahrung aus fast 40 Jahren bei den AA.



    Da scheine ich was überlesen zu haben. Ich habe Dich jetzt nicht sooo alt geschätzt.


    Dann mal eine Übersicht in Stichworten:
    - Dezember 1976 zur Langzeittherapie.
    - April 1977 zurück aus der Therapie und Beginn bei den Anonymen Alkoholikern
    - Mitte 1980 leider wieder der Griff zum Joint und nachfolgend auch zum Alkohol. Der Rückfall verlief glücklicherweise sehr gemäßigt.
    - September 1981 zweiter Anlauf zum trockenen Leben
    - das war's bis heute. Wie ich so gern sage: ein guter Anfang

    Nächsten Freitag sind es jetzt 35 Jahre ohne Suchtmittel. Ich gehöre also zu den "staubtrockenen" und zu denen, die "rückwärtsgewandt denken", wie es verschiedentlich hier anklang - wenn auch nicht direkt auf mich bezogen. Aber ich lebe jetzt deutlich mehr als die Hälfte meines Lebens (Jahrgang 1952) trocken und deswegen scheint mein bisheriger Weg ausgesprochen gut zu funktionieren.

    Grüße aus dem staubtrockenen Drachenhort

  • Es freut mich für Dich, dass Dein Weg für Dich gut funktioniert.

    Es freut mich für Jeden, wenn sein/ihr Weg sich gut und richtig anfühlt.

    Ich kann immer nur feststellen, dass es unglaublich viele gute, erfolgreiche Wege gibt.
    Auch viele gar nicht erfolgreiche.
    Und viele Wege, die für mich zu schwierig wären.

    Für mich wäre es am Anfang demotivierend gewesen, wenn mir einer gesagt hätte, die Chance trocken zu bleiben, wäre so niedrig, wie Du geschrieben hast. Da hast Du absolut recht: Für mich hat das gegolten.
    Irritiert bin ich schon ein wenig, wenn Du schreibst:

    Zitat

    Nach meiner Erfahrung schaffen es diejenigen, die nichts auf solche Zahlen geben, sondern einfach nur nicht mehr saufen wollen


    Weil: Du hast ja diese - für mich erschreckend niedrige Prozentzahl - in den Raum gestellt.

    Was die theoretischen Diskussionen anbetrifft: Hm .... Forum ... Diskussion ... *muss ich mal überlegen*

    Ich denke auch, dass Du zu "harten Jungs" gehört. Schließlich muss es ja wo herkommen, wenn Du 40 Jahre AA erlebt hast. Du bist demnach mit ... sagen wir so um die 20zig? ... trocken geworden?
    Das ist natürlich schon eine andere Nummer, wie einer, der allein schon 20 Jahre gesoffen hat.
    Unter Umständen sind da die Wege doch sehr verschieden.

    Ich glaube, jedenfalls entnehme ich das immer wieder Deinen Beiträgen, die Kritiken an den AA verletzen Dich ganz ordentlich.
    Dass welche zu den AA gehen, um sie dann zu kritisieren, ist auch ziemlich sinnfrei.

    Brutal finde ich Deine Feststellung gar nicht. Eher sehr realistisch. Das ist Alkoholismus. Sonst wäre das ja keine lebenslängliche Krankheit und die meisten würden der Sucht hurtig den Rücken kehren.

    Ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht und ein wenig im Forum nachgelesen. Ich fand da nirgends einen geäußerten Zweifel an Deinem Weg, an Deiner langen Abstinenz oder ähnliches. Ich fand nur Deinen Beitrag, in dem Du geschrieben hast, dass Du ein notorischer "Querdenker" bist, eine schöne Gruppe gefunden hast, in der der Virus des unabhängigen Denkens grassiert, die Zeit Deiner Abstinenz für nicht so wichtig hältst und es ätzend findest, wenn jemand gegen "anders Denken" ist. Lies das vielleicht nochmal HIER, damit Du weißt, auf was ich mich beziehe.


    Ganz sicher lesen hier auch viele "weiche Jungs und Mädels" mit. Ich würde mich über jeden Einzelnen von ihnen freuen, der u. a. auch über den offenen, manchmal sicher konträren Diskussionsstil zu seinem Weg und seine Trockenheit findet. Wär doch schön, oder?!

    Ich bin ja noch relativ jung ;), und wenn ich an die Zeit meines Ausstiegs aus der Sucht denke, an all die Selbstzweifel, an den anfänglichen Kampf, und auch an die lieben Menschen, die mich dazu angeregt haben, meinen, für mich richtigen Weg zu finden (der ganz sicher nicht für jeden was ist), dann bekomme ich jedesmal vor Jeder und Jedem hohen Respekt, der begonnen hat, auszusteigen.

    Aber es lesen und schreiben hier ja auch erfahrene UserInnen mit. Ich glaub jetzt nicht, dass man für die jedes Wort auf die Goldwaage legen muss. Und nachfragen kostet ja nix 44.

    Einmal editiert, zuletzt von Dietmar (20. September 2016 um 17:29)


  • Ich glaube, jedenfalls entnehme ich das immer wieder Deinen Beiträgen, die Kritiken an den AA verletzen Dich ganz ordentlich.

    Das ist totaler Unfug. Du dichtest dir etwas zusammen, was so nie geschehen ist.

    Ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht und ein wenig im Forum nachgelesen. Ich fand da nirgends einen geäußerten Zweifel an Deinem Weg, an Deiner langen Abstinenz oder ähnliches.

    Du hast offensichtlich meinen letzten Beitrag nicht richtig gelesen, denn ich habe dort geschrieben: "...wie es verschiedentlich hier anklang - wenn auch nicht direkt auf mich bezogen."

    Also, richtig lesen, dann können wir weiter diskutieren. Wenn du etwas in meinen Beitrag hineininterpretierst, was da überhaupt nicht steht, dann erübrigt sich jedes weitere Gespräch.

  • Zitat

    Also, richtig lesen, dann können wir weiter diskutieren.

    Danke für Dein Angebot.
    Ich muss darüber nachdenken, aber ich glaube nicht, dass ich mit Dir über ein so sensibles Thema weiterdiskutieren möchte.

    Schein so, als würde ich das meiste von Dir nicht verstehen, sodass ich auf meine eigenen Interpretationen angewiesen bin.
    Vielleicht sind die Unfug, aber sie fühlen sich gut und richtig für mich an. ;)

  • Schmuh ®

    @ Dietmar

    Zitat

    Vielleicht kann ja Brant selbst aufklären, was er tatsächlich gemeint hat?

    Du sprichst den Satz an:

    "Die Essenz ist bei vielen meistens ganz einfach ... ich lebe
    ohne mich gross um den ganzen Schmuh kümmern zu müssen."


    Es ist ja inzwischen bekannt das Schmuh mit vielerlei Bedeutungen und Schreibweisen
    assoziiert wird.
    Die gängigste ist für mich "schmeichlerisches, übertrieben liebenswürdiges Gerede". *
    Ich finde das sehr begrüssenswert ohne doppelten Boden zu sein sondern einfach nur
    offen und echt. Der Königsweg wie ich finde.

    @ Dietmar

    Zitat

    Ist mir denn da irgendetwas entgangen, dass wer tatsächlich "Alkoholismus" als Schmu bezeichnete?

    Ich war es jedenfalls nicht der aus dem Schmuh einen Schuh machte.
    Vllt. meldet sich ja mal jemand.

    ___________________________________
    Anhang

    *wissen.de

    Schmu
    ugs.: kleiner Betrug (bes. beim Spiel) ♦ aus jidd. schmuo, hebr. šəmū'ā, Plural šəmū'ō „Erzählung, Gerücht, Gerede“, also wohl urspr. „durch (schlaues, betrügerisches) Reden erzielter kleiner, unerlaubter Gewinn“; → Schmus

    Schmus
    ugs.: schmeichlerisches, übertrieben liebenswürdiges Gerede ♦ aus jidd. schmuo „Erzählung, Gerücht“ (→ Schmu), dazu jidd. schmuessen „reden, unterhalten“

    ___

    Einmal editiert, zuletzt von Brant (21. September 2016 um 18:43)

  • Brant, ich denke, dass ich verstanden habe, was Du damit im ursprünglichen Kontext Deines Beitrags sagen wolltest.

    Ich glaube einfach, dass Alkoholismus eine sehr komplizierte, vielseitige und das Leben von sehr unterschiedlichen Menschen und ihre Lebensweisen allumfassende Krankheit ist.
    Wäre es einfach, dann würden all die Warnungen, all die Erfahrung anderer, die ihre Sucht zum Stillstand bringen konnten, dazu führen, dass viel mehr Süchtige der Sucht den Rücken kehren.

    Es gibt m. E. keinen Königsweg aus der Sucht.

    Klar, die grundlegende Ansätze für einen Ausstieg (überhaupt erstmal aufhören den Suchtstoff zu konsumieren, eine Entgiftung (egal ob ambulant oder stationär) zu machen, die Gegebenheiten und Befindlichkeiten zu ergründen, die zu süchtigen Konsum geführt haben, usw. sind letztlich bei allen gleich.
    Aber dann fängt es an, sehr unterschiedlich und sehr differenziert zu werden.

    Mag ja welche geben, auch ich kenne einige, die einfach „Schluss“ sagten, und fortan glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende lebten.
    Leider, so meine Erfahrungen, sind die aber in der absoluten Minderheit.
    Es ist schön für sie, dass es „so“ bei ihnen funktioniert hat.
    Das Herunterbeten dieses einfachen Weges hat aber meiner Erfahrung bestenfalls sehr, sehr wenige andere auch zu einer abstinenten Lebensweise bekehren können.

    Ich glaube Bassmann ging auf die Methode näher ein, die so beschrieben wurde:

    Zitat

    „Die so genannten "Schreckensbilder" sind nicht anderes als das Erzeugen von Druck. Daß sie trotzdem bei einem Großteil der Betroffenen nicht funktionieren ist kein Fehler der Methode, sondern typisch für das Suchtverhalten der Betroffenen.“


    Ich kann dazu nur sagen: „Gottlob denken da gute und professionelle Therapeuten heute anders!“
    Ich meine: Welchen Sinn macht es, auf „einer“ Methode zu beharren, die vom Praktizierenden selbst als wenig Erfolg versprechend angesehen wird?
    Doch Tunnelblick, wie es Mira schrieb?

    Zitat

    Aber negative Erinnerungen verblassen mit der Zeit.
    Zum einen gibt es nun die Möglichkeit, sie am Leben zu erhalten. Zum anderen ist es möglich, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, was man durch den Suchtausstieg gewonnen hat.
    Diese (andere) Möglichkeit hilft mir mehr.

    Zwei Wege, ein Ziel. Dahin gestellt, und ganz sicher individuell nicht prozentual zuzuordnen, können beide letztlich zur Abstinenz führen.
    Bei mir funktioniert die zweite Methode, die Wahrnehmung der jetzigen, trockenen Situation und der daraus für mich resultierenden Vorteile, sehr viel besser. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es mich einen Scheiß interessiert, wie dreckig es mir geht, wenn ich wieder saufen würde, wenn ich saufen will.

    Ich glaube, ich habe es schon mal geschrieben.
    Es ist heute toll, dass es so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, sich die passende Hilfe zu holen. Je breitfächriger das Angebot ist, um so mehr Ausstiegswillige können erreicht werden.
    In frühen Jahren war das noch nicht so.


  • Wer einen Rückfall baut, der kann auf absolut nichts zurückgreifen, denn sein bisheriger Weg hat ja nicht funktioniert.
    Auf welche Teile seiner Erfahrungen soll er denn zurückgreifen,[..]

    Hallo wenn ich, unter anderem, sowas lesen muss, da frag ich mich natürlich dann schon
    was du in deiner 'angeblichen' Ausbildung zum Suchthelfer eigentlich so gelernt hast.

  • Ich würde es vielleicht nicht so drastisch wie Du formulieren, LiS, aber ich hatte auch in dem Beitrag vor dem zietierten geschrieben, dass ICH das anders sehe:

    Wer einige Zeit trocken war und dann einen Rückfall hatte, fängt m.E. eben nicht wieder "bei Null" an. Die Abstinenz hat ja einige Zeit funktioniert und dann eben nicht mehr. Und wenn man reflektiert, kann man vielleicht auch erkennen, wo man wann was falsch gemacht odeer ein Gefühl falsch interpretiert hat, unachtsam war ... wie auch immer. Und darauf kann man doch aufbauen, entkernen und wieder aufbauen.
    Das ist auch etwas, was mich damals bei den AA gestört hat, dass man wieder "zurückgestuft/degradiert" wurde. In der Serie "Elementary" erklärte Watson mal (für mich sehr gut und nachvollziehbar), dass diese Plaketten für die ANDEREN gut sind, weil sie so sehen: es funktioniert. Wenn man aber bei einem Rückfall wieder "degradiert" wird, dann wirft es den Rückfälligen ja wieder zurück, demotiviert ihn (oder sie ::) ). Ob dies auch heute noch so praktiziert wird oder überall bei den AA so ist, weiß ich nicht. Ist mir auch egal.

    Wie gesagt: ICH bin der Meinung, man kann (wie in allen Sachen) auch auf negativen Erfahrungen aufbauen (weglassen, ändern ...)

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • [...]Wer einige Zeit trocken war und dann einen Rückfall hatte, fängt m.E. eben nicht wieder "bei Null" an. Die Abstinenz hat ja einige Zeit funktioniert und dann eben nicht mehr. Und wenn man reflektiert, kann man vielleicht auch erkennen, wo man wann was falsch gemacht odeer ein Gefühl falsch interpretiert hat, unachtsam war ... wie auch immer. Und darauf kann man doch aufbauen, entkernen und wieder aufbauen.[...]

    Das mag unter Umständen funktionieren. Wenn mir aber jemand erzählt, daß er nach ca. 20 Jahren sich plötzlich zum Essen ein Bier bestellt und eigentlich nicht einmal sagen kann, warum er das getan hat, was dann? Wo sollte er in seiner Geschichte anfangen nach dem Fehler zu suchen und auf welche Erfahrungen kann er sich verlassen? Eine Geschichte dieser Art habe ich bisher zweimal gehört. Ich wußte nicht, wie ich dazu einen Rat geben konnte und ich wüßte es heute auch nicht so genau. Auf Grund dieser Geschichten wäre ich ganz vorsichtig zu sagen, was denn in der Vergangenheit richtig gelaufen ist und was nicht.

    In manchem Fall, so wie es bei mir war, da ist ziemlich leicht zu sagen, warum es nicht funktioniert hat. Im nächsten Fall dagegen steht man hilflos daneben und weiß nichts zu sagen.

  • Die Zeiten, in denen ein Rückfall mit einer Katastrophe gleichzusetzen ist, sind doch meines Erachtens hoffentlich und Gott sei Dank vorbei. Wenn der "Gefallene" sofort wieder aufsteht, sprich: zur Suchtberatung geht und/oder sich anderweitig Hilfe sucht und nicht für die nächsten Wochen, Monate oder gar Jahre versumpft, dann kann ich doch den bisher gegangen Weg nicht als gescheitert ansehen. Ein Rückfall ent-wertet doch nicht, er kann nur eine neue Chance bedeuten. Rückfall-Analyse in Ehren, aber man kann auch totanalysieren - wichtig ist doch, dass ich meinen Blick nach vorne richte und aufrecht und nüchtern weitergehe. Ein Rückfall mag ein Fehler sein (was hat ge-fehlt?), aber doch keinesfalls ein Versagen.

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo Greenfox,

    einen Menschen, also auch einen Alkoholiker, machen letztlich die Summe seiner Erfahrungen zu dem, was er ist.

    Die Realität ist doch die, dass die meisten trockenen Alkoholiker einige Anläufe benötigten, bis sie ihre Sucht zum Stillstand bringen konnten.
    Mir war es erst nach einem Rückfall möglich, Dinge zu ändern, die zuvor ganz offensichtlich falsch gelaufen sind.
    Wäre da kein Lerneffekt aus dem Erleben gewesen, wie hätte ich etwas verändern können?

    Es ist nicht so, dass der Weg vor dem Rückfall nicht „funktioniert“ hätte. Was ist das überhaupt für Begriff in dem Zusammenhang? Ich bin doch keine Maschine, die zu funktionieren hat ;) Das Leben ist zum leben da, und nicht „bloß“ um zu funktionieren.
    Ich konnte jedenfalls feststellen, dass ich meinen Weg vor dem Rückfall für mich nicht so zufriedenstellend gelebt hatte und gegangen bin, wie es mir gutgetan hätte.
    Und die Strategien für den Fall, wenn ein Rückfall droht, hatte ich nicht wirklich ausgearbeitet. Schon gar nicht geübt. Wie auch? Ich schloss ja so einen Fall für mich völlig aus.

    Ich meine, mit Dir habe ich mich schon darüber ausgetauscht, dass dieser Fall nicht von jetzt auf gleich kommt, sondern sich schleichend anbahnt. Ich wollte die Annäherung an den Alkohol einfach nur nicht wahrnehmen.

    Pinguin ,

    ich habe rückblickend noch keinen Rückfall als Fehler oder Versagen gesehen. Okay, vielleicht damals, in den 80ern bei meinen ersten halblebigen Nüchternheitsversuchen. Aber auch nur, weil damals von den „Fachleuten“ ein Rückfall als der Worst Case dargestellt worden ist.

    Für mich ist das eine ziemlich wirre Aussage, wenn jemand bei einer über viele Jahre chronischen Krankheit dem Erkrankten Versagen vorwirft.
    Ich kenne so viele, wirklich nicht "dumme" Alkoholiker, die einfach keinen Zugang zu sich selbst und einem zufriedene Leben ohne Alkohol finden. Die sind oft völlig verzweifelt. Bei dieser Krankheit hilft kein Verstand und Funktionstabelle.

    Rückfallanalyse bei sich selbst durchzuführen muss nicht tot analysieren bedeuten. (Aber kann es schon bedeuten ...)
    Für mich war wichtig zu fühlen, was mir vor dem Rückfall „gefehlt“ hat, sodass der Wunsch nach der berauschenden Wirkung übermächtig wurde.
    Da geht es mir gar nicht um „den Grund, warum ich wieder getrunken habe“. Sondern um das Wozu.

    Wozu habe ich den Alkohol gebraucht, damit ich mich durch ihn besser gefühlt habe.

    Liebe Grüße
    Dietmar

    Einmal editiert, zuletzt von Dietmar (21. September 2016 um 22:43)

  • Wenn mir aber jemand erzählt, daß er nach ca. 20 Jahren sich plötzlich zum Essen ein Bier bestellt und eigentlich nicht einmal sagen kann, warum er das getan hat, was dann?.

    Meist liest man so etwas einige Tage oder Wochen nach dem Ausstieg. Ich denke mir in solchen Fällen, dass derjenige durchaus weiß, warum er rückfällig wurde, aber damit nicht herausrücken will. Ich kenne das von mir selbst aus dem Rauchstopp. Da wollte ich schlicht und einfach diesen Kick wieder erleben, den die Morgenzigarette, also die erste, nach längerer Zeit gerauchte Zigarette, vermittelt.

    Wenn jemand nach 20 Jahren rückfällig wird, wird es wohl nicht anders sein. Meist sprechen solche Menschen dann allerdings von Leichtsinn oder Unachtsamkeit. Scheint wohl weniger schlimm zu sein als das Bekenntnis, mal wieder dem berühmt-berüchtigten Drogenkick nachgejagt zu sein.

    Bassmann

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