Zur Co-Abhängigkeit gezwungen

  • Meine bzw. unsere Situation ist gerade sehr akut, daher freue ich mich auf gute Vorschläge, Meinungen und Erfahrungsberichte von euch und sage schon einmal im Vorfeld Danke dafür!

    Meine Schwiegermutter hat mittlerweile einige Therapien, AA-Gruppen, Klinikaufenthalte etc. hinter sich. Immer wieder berichtet sie, dass sie die Musterpatientin sei und vermittelt uns den Eindruck, dass sie das eigentlich nicht nötig habe.. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich die Einzige bin, die das nicht glauben kann.

    Nur 6 Wochen nach ihrem letzten Aufenthalt wurde sie per Notarztwagen mit 3,8 Promille ins Krankenhaus gebracht. Nachdem sie sich nach nur 3 Tagen wieder selber entließ, zwang ich sie, sich noch einmal in die Entzugsklinik einzuweisen und drohte ihr, dass sie ansonsten ihre Enkelkinder nicht mehr wiedersähe.

    Ich bin nicht so grausam wie das klingt, aber ich war hochschwanger, diese Situation für mich ungewohnt und ich handelte aus dem Bauch heraus. Auch hier entließ sie sich nach nur 4 Wochen und wir ließen sie wieder an unserem Familienleben teilhaben.

    Nun eskalierte es kürzlich wieder und für uns unerwartet, da wir ja funktioniert haben. Dieses Mal nahm sich ein anderer Teil der Familie ihrer an. Sie bekam eine neue Frisur, neue Anziehsachen und mein Mann und seine Brüder bekamen die Nachricht, dass die Einsamkeit überwunden werden müsse und dass es ihre Aufgabe sei, dafür zu sorgen...

    Ich schlug die Einladung für meine Kinder und mich zur Geburtstagsfeier meiner Schwiegermutter aus, worauf hin meinem Mann gedroht wurde, er solle bloß gut darüber nachdenken. Was auch immer damit gemeint war, stellte ich klar, dass man meine Kinder nicht auch noch zur Co-Abhängigkeit zwingen kann und sie daher bitte heraus zu halten wären. Darauf hin bekam ich eine lange Nachricht von diesem Familienmitglied (nicht meine Schwiegermutter) aus der ich einiges zitieren möchte:

    "...ich bin fassungslos, wie ihr mit der Krankheit!!! deiner Schwiegermutter umgeht..."
    - die Person habe umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit Alkoholikern, sei sie doch mit einem alkoholkranken Vater und einer alkoholkranken Schwester aufgewachsen
    "Sowohl Alkoholismus als auch Depressionen sind anerkannte, erbliche Krankheiten, die äußerst schwierig zu behandeln sind"
    "sie fallen zu lassen, ist sicher keine Lösung"
    "wir alle können es nicht verhindern, dass sie sich über kurz oder lang umbringt, aber ihr seid auf dem besten Wege, das zu beschleunigen"
    "du hättest den Strick sehen müssen, als du da warst, mit dem sie sich erhängen wollte. Zu gehen, ist unterlassene Hilfeleistung!" (es war zu dem Zeitpunkt überhaupt kein Strick da!)
    "ihr solltet dankbar sein, die Krankheit nicht geerbt zu haben. Ich wünsche euren beiden Kindern, dass sie von der Krankheit verschont bleiben..."
    "eure Kinder sind noch nicht in dem Alter, dass sie realisieren, was los ist" (sie sind 3 Jahre und 2 Monate alt)
    "es ist ihre größte Angst, ihre Enkelkinder zu verlieren. Es liegt in eurer Hand!"

    Auf meine Frage hin, ob das alles tatsächlich ernst gemeint ist, uns das ganze auch noch schriftlich zu geben erhielt ich die Antwort:
    "Ja, denn wir können euer Verhalten nur unter der Rubrik Unerfahrenheit, wenn wir es wohlwollend meinen, verbuchen."

    Wir sind im Übrigen 35 Jahre alt und die Brüder meines Mannes 27 Jahre alt! Und an Lebenserfahrung mangelt es allein aufgrund dieser Geschichte schon einmal gar nicht!

    Ich bitte euch nun um eure ehrliche und objektive Meinung! Es sind tatsächlich Zitate und nichts selbst interpretiertes. Wie regiert man auf so viel Schwachsinn? Und was kann man tun?

  • Hallo Corab,

    ich hatte und habe (zum Glück) keinen trinkenden Angehörigen, trank allerdings selbst viele Jahre lang. Insofern weiß ich, dass mich ein Außenstehender weder von Trinken hätte abhalten, noch den Abwärtstrend hätte beschleunigen können.
    Das war allein mein Ding.

    Die folgende Website richtet sich an Angehörige und kann dir vielleicht eine Hilfe sein.
    http://www.a-connect.de/hilfea.php

    Viele Grüße
    Bassmann

  • Hallo Bassmann,

    vielen dank für deine Antwort und den Link. Aber ist denn aus deiner Sicht unser Verhalten so falsch? Sollten wir nicht die Kinder (unsere Kinder) davor schützen, mit all dem konfrontiert zu werden? Wir können es doch nicht ändern. Wie kann/soll unsere Hilfe denn aussehen? Und wie kann man den anderen Teil der Familie überzeugen, dass auch wir uns um uns kümmern müssen, um nicht ebenfalls zu zerbrechen?

    Wir sind so rat- und hilflos. Entsteht so nicht vielleicht sogar der Kreislauf, dass man mit "der Schuld" nicht umgehen kann und das ganze ebenfalls mit Hilfe von Alkohol ausblendet?

    Viele Grüße
    Corab

  • Ich halte dein Verhalten nicht für falsch, Corab.

    Wie ich bereits schrieb, trinkt ein Alkoholiker unabhängig vom Verhalten seines familiären Umfelds.
    Wenn man ihn unter Druck setzt, trinkt er aus Frust; lässt man ihn gewähren, trinkt er aufgrund seiner Sucht.
    Nur eins tut er immer: Er trinkt.

    Selbst wenn man Alkoholismus als Krankheit definiert, was ich nicht tue (Für mich ist der Alkoholismus keine andere Abhängigkeit als die Nikotinsucht des Rauchers.), hast du als Gesunder das Recht, dich davor zu schützen, ebenfalls krank zu werden. Das würdest du ja auch tun, wenn deine Schwiegermutter an einer hochansteckenden Krankheit leiden würde. Du würdest dich und deine Kinder in diesem Fall sicherlich nicht der Ansteckung aussetzen, sondern Schutzmaßnahmen ergreifen.

    M.E. lädst du also keine Schuld auf dich, wenn du deinen Kontakt und den deiner Kinder so lange minimierst oder sogar auf Eis legst, bis sich die Situation grundlegend geändert hat.

    Bassmann

  • Hallo Corab

    Lass dich nicht unter Druck setzen.
    Es wird sich ja um Schwiegermuttern gekümmert.
    Aber warum wird das von dir erwartet, die du so kleine Kinder hast?
    Du könntest selber Unterstützung gebrauchen, wenn du mal gerade vom Wochenbett geklettert bist.
    Und wieso solltest du deine Kinder überhaupt diesem Dilemma aussetzen?
    Setz dich dem nicht aus. Oder so wenig wie möglich.

  • Hallo Corab,

    lass dich nicht beirren. Es ist richtig, dass du dich und deine Kinder schützen möchtest, und dass du dich nicht in das Co-System reinziehen lassen möchtest. Was deine Schwiegermutter tut, und was die anderen Familienmitglieder tun, ist allein deren Entscheidung. Sind alles erwachsene Menschen! Deine Kinder sind das nicht. Ich würde es auch nicht wollen, dass meine Kinder dem ausgesetzt sind. Und Kinder in dem Alter kriegen sehr schon was mit!

    Was denke ich gut wäre, ist dich denen gegenüber klar abzugrenzen (wobei offensichtlich das Thema ja kein Tabu in der Familie ist), und auch zu sagen, warum. Das muss nicht lang sei und sollte auch keine Rechtfertigung sein, und wenn das Thema wieder darauf kommt, kannst du auch darauf verweisen, dass du das schon erklärt hast und keine Diskussionen mehr dazu willst. So vermeidest du, den Konflikt jedesmal wieder aufzurollen, und beziehst trotzdem klar Stellung.

    Was die Familie deiner Schwiegermutter da macht, klingt für mich grenzüberschreitend, manipulativ und erpresserisch. Lass dir keine Schuld einreden dafür wie du dich entscheidest!

  • Hallo, Corab, und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum!

    M.E. handelst Du genau richtig, indem Du Dich und Deine Familie abgrenzt!


    Meine Schwiegermutter hat mittlerweile einige Therapien, AA-Gruppen, Klinikaufenthalte etc. hinter sich. Immer wieder berichtet sie, dass sie die Musterpatientin sei und vermittelt uns den Eindruck, dass sie das eigentlich nicht nötig habe.. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich die Einzige bin, die das nicht glauben kann.

    Das ist typisch für Anhängige - bagatellisieren und abtun.

    "eure Kinder sind noch nicht in dem Alter, dass sie realisieren, was los ist" (sie sind 3 Jahre und 2 Monate alt)

    Das ist ein riesengroßer Trugschluß - die Kinder kriegen wesentlich mehr mit, als vielen Erwachsenen lieb ist - insbesondere der/die 3jährige.

    Wie steht eigentlich Dein Mann dazu? Ist er der gleichen Meinung?

    Bassmann hat Dir ja schon den/einen Link geschrieben. Wenn Du mal in unsere Linksammlung schaust, findest Du eventuell noch mehr nützliche Hinweise.

    Lass Dich auf jeden Fall nicht davon abbringen!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Corab

    Von dem, was dein Familienmitglied geschrieben hat, stimmt nicht ein Satz.
    Alkoholismus ist keine erbliche Krankheit, jedenfalls hat man bis heute noch keine stichhaltigen Hinweise dafür gefunden.

    Bis jetzt hat sie alles gehabt. Euch, eure Kinder und ihren Alkohol, warum sollte sie etwas ändern? Deshalb ist eure Vorgehensweise genau richtig. Solange sie trinkt, werden die Kinder von ihr ferngehalten. Der Druck, den ihr dadurch ausübt, ist mit Sicherheit nicht falsch. Sie muss sich entscheiden, Alkohol oder Familie. Ich würde heute noch trinken, wenn mich mein Arbeitgeber nicht unter Druck gesetzt hätte oder ich hätte mich totgesoffen.
    Unterlassene Hilfeleistung ist für mich eher der Fall, wenn du nichts tust und sie somit noch bei ihrem Trinken unterstützst.
    Ist es nicht so, dass eure Kinder vor ihr geschützt werden müssen? Was jemand mit 3,8‰ alles anstellen kann...

    Ihr seid für euch und eure Kinder verantwortlich und wenn das alles ok ist, könnt ihr euch um deine Schwiegermutter kümmern. Die Verantwortung für ihr Leben und ihre Gesundheit liegt in erster Linie bei ihr selbst. Insoweit hast du bis jetzt alles richtig gemacht.

    Viele Grüße
    Henri

  • Vielen Dank für eure Meinungen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es richtig ist, doch das Thema Schuld ist stets präsent.

    In der Familie wurde nie über Probleme gesprochen und schon gar nicht über ein solch gravierendes. Man hat sich nun (das erste Mal) um sie gekümmert und erwartet aber grundsätzlich von ihren Kindern, diese Aufgabe zu übernehmen. Daher auch die Überschrift "zur Co-Abhängigkeit gezwungen". Nach unserem Besuch bei der SHG wurden wir darin bestärkt "unsere Hände für uns zu behalten" und uns selbst zu helfen. Die besagten Familienmitglieder haben aber großen Einfluss auf meinen Mann und seine Brüder und machen alles zunichte, was die drei nach diesem Treffen endlich akzeptiert haben.

    Alle drei sprechen äußerst ungern über das Thema und ich habe das Gefühl, dass sie sich sogar voreinander schämen, in dieser Situation zu sein. Mein Mann blockiert direkt, wenn es zur Sprache kommt. Er wird ganz still und möchte am liebsten nicht darüber sprechen. Ich bin seit 18 Jahren mit ihm zusammen und weiß, dass er konditioniert wurde, er sei schuld und trage die Verantwortung. Bei jedem Rückfall seiner Mutter weiß ich, dass er sich schuldig fühlt. Die Tatsache, dass die "Erwachsenen" dieser Familie, die ihn schon als Kind mit der Situation im Stich gelassen haben, ihm heute schriftlich geben, dass es in seiner/in unserer Hand liegt, wie schnell sie stirbt macht mich rasend! Doch auch die Liebe eines erwachsenen Kindes kann bedingungslos sein und macht die Entscheidung zwischen Kopf und Herz so unglaublich schwer. Und ich stehe daneben und kann ihm nicht helfen und bin natürlich durch die Kinder voll involviert.

    Und so sehr wir glauben, dass wir keine Schuld tragen, malen wir uns alle das Szenario an ihrem Grab aus, wo wir, jeder für sich denken werden, dass wir ihr die Kinder entzogen haben. Und dann stehen da Menschen, die das genau so sehen.

    Ja, ich grenze die Kinder und mich so gut es geht ab. Mein Mann ist in einer Zwickmühle, die ich gut nachvollziehen kann. Aber was ist, wenn sie sich wirklich das Leben nimmt?

  • Zitat

    Aber was ist, wenn sie sich wirklich das Leben nimmt?


    Und was ist, wenn den Kindern durch sie etwas passiert?

    Sie ist doch bereits dabei sich das Leben zu nehmen, denn lange wird sie diese Alkoholmenge nicht vertragen.

    Es gibt im Zusammenhang mit Alkoholismus einen Spruch: "Nichthelfen ist die beste Hilfe".

    Gruß Henri

  • Was die anderen Familienmitglieder angeht, so kannst du versuchen, sie aufzuklären (mit dem Wissen, dass du von der SHG, von hier und von anderswo bekommst) und dich gleichzeitig abgrenzen. Mehr kannst du nicht tun.
    Das Familiensystem ist durch den Alkoholismus fest zusamengeschweißt, und die Gefühle Schuld und Scham sind zentral darin verankert. Dass dein Mann das ganz extrem spürt, davon würde ich ausgehen. Und es ist ja auch keinesfalls leicht, als (erwachsenes) Kind sich von seiner Mutter abzuwenden, gerade wenn er die Rolle des Verantwortlichen schon immer hatte und nun auch noch von außen weiter rein gedrängt wird. Du kannst versuchen, ihn da zu unterstützen, für ihn da zu sein (wenn er nicht reden möchte reicht es auch ihm das öfter anzubieten - vielleicht öffnet er sich ja doch irgendwann und ist froh darüber) und ihm helfen, sich abzugrenzen, wenn er das zulässt.

    Weißt du, wenn sie stirbt, dann ist das ihre Entscheidung, und die rührt nicht daher, dass ihr nicht genug geholfen habt, sondern, das sie sich für die Sucht entschieden hat.

    Was Andere denken, darüber würde ich mir überhaupt keine Gedanken machen und auch nicht darüber, was vielleicht am Grab passiert - das sind doch alles ungelegte Eier. Die Anderen wissen doch eh nicht über alles Bescheid. Da würde ich mir kein Schuldgefühl schon im Vorfeld einreden.

  • wenn sie stirbt, dann ist das ihre Entscheidung, und die rührt nicht daher, dass ihr nicht genug geholfen habt, sondern, das sie sich für die Sucht entschieden hat.

    44.

    Das sehe ich genauso!
    Im Grunde ist es sowas von egal, ob und wie sehr sich ihr oder die anderen den Hintern für Deine Schwiegermutter aufreissen - sie macht so oder so, was SIE will.

    Greenfox
    (Angehöriger der ehemals nassen Fraktion)

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Es kommt alles noch viel dicker. Nun wird von diesen Familienmitgliedern quasi ein Pflegeplan erstellt, in dem alle involviert werden. Sämtliche Aussagen (siehe Zitate) werden relativiert, um mich bzw. meine Kinder wieder ins Boot zu holen. Sie spielen mit den Emotionen meines Mannes, aber ich versuchen mich nicht unter Druck setzen zu lassen. Ich hoffe, es beeinflusst am Ende nicht unsere Ehe...

  • Und wie soll dieser Pflegeplan aussehen? Wird die Schwiegermutter zur Pflege herumgereicht? Bestimmt jetzt die Familie, was sie zu tun und zu lassen hat? Wird sie quasi entmündigt oder wird auch ihre Meindung dazu gehört?

    Laut Aussage der Familienmitglieder fehlt euch die Erfahrung. Sollen sie also die Mutter übernehmen und pflegen. Mit all ihren Erfahrungen sollte das ja für sie kein Problem sein.

    Gruß Henri

  • Wir sollen im Wechsel für sie da sein. Ich verstehe das so, dass wir sie kontrollieren sollen und ihr keine Gelegenheit geben, wieder zu trinken. Das ginge meinem Verständnis nach nur in einer 24h Betreuung, was keiner leisten kann bzw. will. Aber meine Kinder bzw. unsere kleine Familie sei Schlüsselelement dieses Masterplans, der ohne uns nicht funktionieren könne. Sie brauche uns! Daher wird nun mit Engelszungen auf meinen Mann eingeredet, mich von meiner Entscheidung abzuhalten. Das ist doch alles krank. Kann man sich da nicht auch Hilfe zu holen? Nun wird auf diese Weise versucht Druck auf uns ausgeübt. Und am Ende ist die Aussage dahinter wieder "Lasst ihr sie fallen, geht es ihr nicht gut und sie wird sich etwas antun!" Wie kann man sich bei so einer Drohung noch gesund abgrenzen?

  • Hallo corab, :)

    das (Pflegeplan) klingt ja grauslich. Es mag edel scheinen, aber Deine / seine Familie hat scheinbar überhaupt nichts dazu in Erfahrung gebracht, was Sucht bedeutet. Es ist kein Makel, keine schlechte Eigenschaft, es ist wie eine Stoffwechselkrankheit (bildlich). Für Krebs oder Diabetes wird ja auch nicht im Verborgenen am Patienten herum gepfuscht.

    Ich bin Erwachsenes Kind und musste überhaupt erst mal erfahren, dass ich machtlos bin, einen Menschen "zu lenken", solange die Sucht ihn lenkt:

    - Sie ist für einen Angehörigen weder zu stoppen, noch zu kurieren
    - Sie ist für den Süchtigen tödlich
    - der Süchtige braucht den Entzug (vorher aber den Willen dazu)
    - Er, der Süchtige muss etwas "wollen", anders dreht sich nichts.

    ... ich hänge hier gleich noch einen Beitrag an, den ich eben schon für Dich geschrieben hatte. (Achtung lang! ;) )

  • ... was ich Dir gern weitergeben wollte ... :

    ich wünsche Dir viel Kraft, bei Deinem Bauchgefühl zu bleiben! :sun:

    Du klingst sehr klar und durchschaust auch die Zusammenhänge. Komplex ist es, weil die "Kette" hier drei aneinander gebundene Partein umfasst: Die Schwiegermutter <- den bedrängten Sohn / Deinen Mann <- Dich <- die Kinder.

    Deine Sorge überhaupt zu denken, finde ich sehr mutig:

    Sie spielen mit den Emotionen meines Mannes, aber ich versuchen mich nicht unter Druck setzen zu lassen.
    Ich hoffe, es beeinflusst am Ende nicht unsere Ehe...


    Darin steckt auch Deine Bereitschaft, Deinen Kurs beizubehalten. Sollte die Situation zwischen Euch beiden deshalb unter Spannung geraten, ist es für seine Chance auf seelische Genesung allemal gut, wenn EINER klarsichtig bleibt und den Mut dafür aufbringt, Illusionen (den Süchtigen kontrollieren zu können) als Antreiber enttarnen zu können.

    Vielleicht hilft es Deinem Mann, sich selbst als bereits geschädigtes Opfer der (mütterlichen) Sucht zu begreifen? Seine Spannungen und die sicherlich nicht zu unterschätzenden seelischen Schmerzen (innerlich keinen Raum für sich frei zu haben) sind dann jedenfalls nicht mehr als eigenes 'Versagen' im Helfen-Wollen zu interpretieren, sondern als Folgeschaden, für den er selbst in die eigene Bewältigung (Trauer zulassen, Mitgefühl für sich selbst entwickeln) kommen kann.

    Falls Du ihn nicht schon hast, hier mal der Link zu EKS und wie Du an die Info-Mappe kommst. In der steht vieles über Merkmale, Familienrollen, Selbstbild und spürbare Beeinträchtigungen im eigenen Leben. Für mich (selbst EKS) war es wie eine Offenbarung, dass nicht ICH zu schwach für den Druck (Dinge hinkriegen zu müssen) war/bin, sondern mir die nötigen Kräfte für mein eigenes Leben fehlten, da sie in der fremden Sucht (Eltern) gebunden waren: http://www.eksev.org/literatur.htm

    Das alles zu erkennen, war erst sehr schmerzhaft, aber dann kam die Wut, über diese maßlose Überforderung, die letzlich mir und meiner Lebensgestaltung geschadet hat. - Wut hilft beim Abgrenzen, und beim Wunsch, die Autorität über sein Leben zurück zu gewinnen. "Selbst etwas wollen", das galt in einem dysfunktionalen Haushalt nichts, damit waren die Eltern zumeist überfordert. Ohne diesen vitalen Kern (Abgrenzungsfähigkeit) in sich zu tragen, ist fortgeführtes Helfen / Funktionieren im Außen aber wie Autofahren ohne Benzin. Seine seelische Erschöpfung wird ihn - ohne eigene Aufarbeitung - über kurz oder lang selbst aus dem Verkehr ziehen.

    Und dann steht er vor derselben Entscheidung, die seine Mutter genau jetzt zu treffen hat: Im vertrauten Suchtmuster bleiben (und dabei drauf gehen, ob körperlich oder "nur" seelisch oder beides), oder - um weiter am gemeinsamen Leben teilnehmen zu können - etwas zur eigenen Rettung tun. ("Sucht" heißt in meinem Verständnis alles zwanghaft Ablaufende, über das ich keine eigene Kontrolle zu meinem Selbstschutz mehr habe. "Helfen statt sich selbst Mitteilen", ist z.B. ein gängiges Suchtverhalten "Erwachsener Kinder" & Co-abhängiger Partner. Genau genommen aber ein von der Gesellschaft als "edel" propagierter Wert, der die Menschen seelisch (bis körperlich) ebenso aushöhlt wie der Konsum zugänglicher 'legitimer' Alltagsdrogen.)

    Es geht immer um die Verschiebung der Aktivität von sich selbst weg, hin zu anderen. Wenn das ein "gesunder" Mensch in der Achtsamkeit seinen Kräften gegenüber tut, schadet ihm das nicht. Tut es aber ein "leer" gebliebener Mensch, der nur so überhaupt Bindung oder eine Rolle darin erfährt, dann schadet das allen Beteiligten, ihm am meisten. Seine Kräfte gehen von "0" auf rückwärts. Und was er anderen abgenommen hat, füllt sich in ihrem Tank unspürbar auf. Die merken nicht, dass sie auf fremdem Benzin reisen und stürzen dann später - wenn plötzlich eigene Kräfte gefragt sind - ab. Niemand bleibt Ganz, das meine ich damit.

    Ich hoffe, ich habe Dich nicht 'erschlagen' ... diese Sicht könnte aber (auch Deinem Mann) hilfreich sein, das ganze Ausmaß seiner eigenen Versehrtheit zu erkennen und die Weichen so zu stellen, dass Selbstbestimmung für ihn wieder zum Kompass seiner Entscheidungen werden kann. Es geht darum, dass er weg vom Gefühl kommt, es "selbst hinkriegen" zu müssen. Der Blick auf die große Landkarte kann helfen, sich als Opfer zu begreifen und alle gewohnten "Pflichten" als fremdes Gepäck, das jeder gut für sich selbst tragen kann.

    ich wünsche Dir Mut, Vertrauen und Zuversicht, Deiner Wahrnehmung zu folgen. :)

    Lieben Gruß,
    Wolfsfrau

  • Bestimmt jetzt die Familie, was sie zu tun und zu lassen hat? Wird sie quasi entmündigt ...?

    Ich sehe es so wie Henri - das, was da abgehen soll, geht gar nicht. Zum Einen soll Deine Schwiegermutter "entmündigt" werden - aber auch Ihr!
    Ihr sollt nach der Pfeife der Anderen tanzen!

    Ich halte es für extrem wichtig, dass Du Dich mit Deinem Mann aus-/besprichst - und zwar in aller Deutlichkeit! Denn sonst könnte das Ganze wirklich zu einem Problem für Eure Ehe/Beziehung werden - der Eine lässt sich vor den Karren spannen, der Andere eben nicht.
    Sucht Euch Hilfe (für Euch!) - hier wurden ja schon einige Möglichkeiten angesprochen: Suchthilfe, SHG für Angehörige, Familienberatung ...

    Irgendwie scheint Deine Schwiegermutter aber auch Mittel zum Zweck/"Spielball" für die Anderen zu sein. Der Eindruck entsteht jedenfalls bei mir. Was wollen die denn erreichen? Das Ihr Euch schlecht fühlt und macht, was sie wollen? Wieso? nixweiss0

    Ich kann Euch da nur ganz, ganz viel Kraft wünschen. U.a. auch die Kraft, deutliche Worte gegenüber der Familie (die man sich ja nicht aussuchen kann) zu finden.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • Ich halte es für extrem wichtig, dass Du Dich mit Deinem Mann aus-/besprichst - und zwar in aller Deutlichkeit!

    Das sehe ich genauso! Vor allem solltest du deinem Mann gegenüber die gemeinsame Verantwortung für eure Kinder erwähnen. Er weiß doch aus erster Hand, wie man Schaden nehmen kann in dieser Umgebung.
    Hoffe du findest klare Worte und Abgrenzung, im Zweifelsfall noch mal mit deinem Mann zusammen zur Beratungsstelle, um sich dort Rückenstärkung zu holen?

  • Ich möchte euch allen noch einmal meinen herzlichen DAnk aussprechen. Ihr helft mir sehr, die Situation einzusortieren und besser zu durch- und überschauen. Ich fühle mich in meiner ENtscheidung bestärkt und kann akzeptieren, dass ich ihr nicht helfen und nur auf meine kleine Familie acht geben kann.

    Bis vorhin waren wir wohl noch auf der Suche nach Absolution für (mittlerweile) unsere Entscheidung. Ich habe eure Kommentare gelesen, die Links durchforstet, war in Chats, habe mich mehr in die ganze THematik eingelesen, mit der Psychologin meiner SChwiegermutter und mit Verantwortlichen einer SHG für Kinder von Alkoholikern gesprochen. Erst jetzt verstehe ich das hier zu 100%:

    Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
    den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
    und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

    Ich kann nur auf meine Kinder und mich acht geben und versuchen meinem Mann eine Stütze zu sein. Der Rest liegt nicht in unserer Hand...

    DAnke für jeden einzelnen Kommentar aus den unterschiedlichen Fraktionen. Ich bin froh, dass es euch gibt!

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