"Stell Dich Deiner Sucht" - Trash-TV vom aller Feinsten auf SAT.1

  • Friedrich Küppersbusch habe ich früher wirklich sehr geschätzt. Seine vom WDR produzierte Polit-Sendung "ZACK" war für mich eine der
    highlights des öffentlich-rechtlichen-Fernsehens und wurde völlig zu Recht mit dem Grimmepreis ausgezeichnet!
    Mittlerweile hat Küppersbusch eine eigene Produktionsfirma gegründet, schreibt regelmäßig seine Wochenkolumne in der "taz" und erschien mir immer noch als ein durchaus integerer Journalist ...

    Aber wie immer, wenn das große Geld lockt, werfen manche Menschen ihre bisher geltenden Moralvorstellungen schnell einmal über Bord oder schieben sie für eine Weile beiseite ...

    "Verslaafd" war in unserem Nachbarland Holland ein Straßenfeger. Die RTL-Dependence "RTL4" hat ein Format auf den Markt gebracht, dass zu Spitzenzeiten immerhin mit einem Marktanteil von bis zu 25% auf sich aufmerksam machen konnte. Das ist dem eher krisengeschüttelten bundesdeutschen Privatsender SAT.1 scheinbar nicht entgangen - SAT.1 hat sich die Lizenz für eine deutsche Ausgabe gesichert und kommt Anfang des Jahres mit

    "STELL DICH DEINER SUCHT"

    in die BRD-Wohnzimmer geflimmert - und das voraussichtlich zur besten Sendezeit.

    Worum geht es bei "SDDS" ?

    Im holländischen Original wurden zumeist jüngere Suchterkrankte (Alkohol - Drogen - Medikamente) gecastet, um dann mittels eines Expertenteams von der Notwendigkeit einer professionellen Therapie überzeugt zu werden. Zum einen konnten sich die Betroffenen selber beim Sender melden - in den meisten Fällen wurden aber die "Schicksale" abgearbeitet, bei denen sich Freunde, Familienangehörige, Partner und Partnerinnen hilfesuchend an das Team gewendet haben. Der Erfolg der Sendereihe war wahrscheinlich deswegen so überraschend, weil in dieser Produktion eben nicht gefakte Szenarien präsentiert wurden, sondern "ECHTE" Geschichten.
    Der holländische Zuschauer durfte in der Folge hautnah und live miterleben, wie Suchtkranke und deren Freunde/Angehörige zunächst einen tiefen Einblick in ihre derzeitige verzweifelte Lebenssituation gaben, und dann bei Eignung und Ausstiegswillen, sich in die professionelle Behandlung vermeintlicher Suchthilfeprofis begaben - mehr Spannertum ist kaum noch vorstellbar.

    SAT.1 hat dieses Konzept nahezu eins zu eins übernommen. Der Castingtrailer läuft etwa seit Mitte des Jahres auf der offiziellen SAT.1 Seite ( ... einfach `mal "Bausch - Stell Dich Deiner Sucht" googlen ...).

    Für die "seriöse" Präsentation dieser Sucht-Soap konnten die Macher von SAT.1 den Gefängnisarzt und Tatort-Gerichtsmediziner
    Josef / Jo Bausch gewinnen - ein prominentes Gesicht für eine auf exzellente Quoten angewiesene Produktion, die ja am Ende auch gute Gewinne abwerfen soll.
    Als weiterhin die Seriosität der Sendung untermauernder Baustein konnten sich die SAT.1-Macher über die Vetpflichtung der Kölner Produktionsfirma "probono" erfreuen - eben die Firma des früher von mir so geschätzten Friedrich Küppersbusch.
    Die Auswahl von Jo Bausch als Moderator ist auch deswegen so interessant, weil das ursprüngliche Konzept vorsah, mit erfahrenen Therapeuten zu arbeiten, die in den unterschiedlichsten stoffgebundenen Suchtbereichen "groß geworden" sind. Dieses Konzept wurde letztendlich über den Haufen geworfen, weil aufgrund der immensen Vorauslagen für die Lizenzrechte und die zu erwartenden hohen Produktionskosten (großes Team, "Therapie" in Übersee und, und, und) von Anfang an eine hohe Quote ein absolutes "MUSS" ist -
    schließlich geht es primär darum, mit dieser Reality-Soap großes Geld zu scheffeln.
    Apropos - es bleibt spannend, welche Werbung diese Sendung begleiten wird ... Kaffeeröstereien, Mineralwasserhersteller, Saftpressereien - ob die wohl für adäquate Werbeeinnahmen sorgen werden? Oder werden etwa private Entzugskliniken ihre individuellen Werbeetats zeitweilig erhöhen und oder Pharmakonzerne mit den Sparten "präventive Anti-Krampfmedikamente und entzugsbegleitende Valiumpräparate" - und der Baklofen - Hersteller kann ja sicherlich auch noch den einen oder anderen Euro heraustuen ... - mensch darf gespannt sein ... !!!
    Nun denn - ich freue mich jedenfalls schon auf das Sucht-TV-Spektakel. Wie schön, sich bei Kaffee und Mineralwasser vor dem Fernseher zurückzulehnen und sich an dem Leid anderer Menschen zu ergötzen - schöne neue Fernsehwelt ...

    "Raus aus den Schulden", "Schnäppchenhäuser", " Die Kochprofis", "besetzen, mieten oder kaufen"; alles kalter Kaffee -
    ich will Livebilder von krampfenden und delirenden EntzugspatientInnen !!!

    PS.: Der genaue Sendetermin ist noch nicht bekannt gegeben worden - großflächige Werbeplakate (hat es fürs Casting übrigens schon geben ...) und die entsprechenden TV-Clips werden uns im Laufe der nächsten Monate aber auf sicher rechtzeitig einstimmen.

    In diesem Sinne
    einen schönen vierten Advent
    und herzliche Grüße

    keppler

  • Moin Keppler,
    die Werbung wird nicht auf die Teilnehmer, sondern auf die Zuschauergruppen in Bezug zur jeweiligen Sendezeit ausgerichtet. Nachmittags z.B. von Granufink bis Treppenlift, alles dabei, unabhängig vom Thema.

    LG Gerd

  • Hallo keppler,
    und wieder ein höchst umstrittenes Werk im Zeichen attraktivem Spannertums.
    Gab’s ja auch schon mit Prominenten.
    Zu Recht sprichst Du einige „Doku“ Serien an!
    Soll ja Leute geben, die tatsächlich glauben solche Serien wären real dokumentarisch und authentisch.
    Knallharte Verträge mit den Beteiligten, strikt einzuhaltende Drehbücher und oft der nach den Drehs folgende Totalabsturz der Betroffenen zeichnen ein völlig anderes Bild.
    Das u. U. erst dann wirklich interessant wäre. Als Warnung vor solchen Mitmach-Serien.
    Mehr als nur bedenklich ist, dass Ärzte gewonnen werden können, die auf ihre Schweigepflicht pfeifen. Und, auch das hast Du angesprochen, an sich sehr integre Journalisten wie Knüppersbusch ihre sonstige kritische Einstellung des Geldes wegen über Bord gehen lassen.
    Wer von uns schon klinischen Entzug und Therapie hinter sich hat, muss sich nur mal vorstellen dabei von einem wildfremden Team (Redakteure, Aufnahmeleiter, Kameraleute, Techniker, Maske, bis zum Kabelhelfer) begleitet zu werden.
    Man muss ja "Höhepunkte" setzen. Auf Anweisung.
    Um sich „nackig“ zu machen, wie es jede Therapie erfordert.
    Gruselig!
    Man sollte halt genau hinsehen, wessen Erfolg solche Serien sind – oder sein sollen.
    Dietmar

  • Wenn es hier nicht knallhart um Profit ginge, könnte man doch glatt denken, dass solche Ideen bei "Der Klügere kippt nach"entstanden sind ... :wall:

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Haltet mich für plem-plem, mir egal. Ich bin neugierig und schau da mal rein....

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • ... da wird Pingu nicht die einzige aus der aktiven und passiven Szene bleiben ...

    in so fern ist doch jetzt schon ein Teil der angestrebten Quote zwangsläufig gesichert ...


    beste Grüße
    keppler

  • Ich bin in einem sozialkritischen, politisch eher links ausgerichteten Haushalt aufgewachsen und ich würde mich sogar in die Schublade "intellektuell" stecken. Das ist wohl das einzige, wofür ich meiner Mutter dankbar bin, dass sie uns zu Menschen mit kritischem Sachverstand erzogen hat, die nicht alles "schlucken" was ihnen serviert wird sondern hinterfragen. "Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen", Kant.....

    Was mich aber manchmal ärgert, ist die oftmals durchschimmernde Arroganz gewisser Menschen, die anderen die Augen öffnen wollen für die Miss-stände unserer ach so schlimmen Gesellschaft. Dieses Schwarz-Weiß-Denken, immer. Auf der einen Seite sind die bösen kapitalistisch ausgerichteten und auf der anderen Seite das dumme Volk, dem man Brot und Spiele hinwirft und die nicht blicken, wie doof sie sind?

    Ich stehe dazu, dass ich sowohl die TAZ, den Stern, den Spiegel, die BILD (oh Schreck) und auch die Zeit lese (meistens im Internet). Und ich stehe dazu, dass ich sowohl ARTE, 3Sat, Phönix, aber manchmal auch RTL inklusive Trash-TV schaue.

    Was ist denn daran verwerflich, dass ich es mir gemütlich mache mit einem Tee oder mit Keksen und mir so etwas zur Unterhaltung anschaue? Solch eine Sendung, die hier so scharf angegangen wird - schon vor der Erstausstrahlung - ist sicherlich nicht das Hochwertigste zum Thema, aber es KANN in gewissen Gesellschaftsschichten das Bewusstsein für das Thema Sucht schärfen und die Bereitschaft, offener und auch toleranter mit dem Thema umzugehen. Ich betone: es "kann".... Der Optimist in mir ist einfach nicht totzukriegen.

    Entschuldige Keppler, ich wollte Dich nicht persönlich angehen. Dein Beitrag hat mich nur ein bisschen provoziert, weil es eben einen Grundkonflikt in mir wachkitzelt oder spiegelt, den ich von meinen Wurzeln her kenne. Ich habe mal in irgendeinem Buch gelesen, dass so Leute wie ich, und solche Eltern wie ich sie habe, eben auch auf ihre eigene Art "spießig" sind, weil sie nur das gelten lassen, was ihren eigenen Wertvorstellungen und Urteilen entspricht.

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Oute mich mal auch als "Spiesser".
    Werde mir diese Sendung wahrscheinlich her auch nicht antun (wobei ich nicht ausschliesse, dass ich mal reinschauen werde).
    Ich schaue ja auch manchmal "Auf Streife" - als eine Art Comedy bzw. "Finde den Fehler" ;) C:-)
    Aber Du hast Recht - bei manchen KANN es dazu beitragen, die Sicht auf Süchte und Süchtige zu erhellen - oder, wie bei "Auf Streife" & Co, auf die Arbeit der Polizei oder anderer Berufsgruppen.

    Aber es ist doch immer so: Wenn man selber betroffen ist, hat man auf solche Sachen einen ganz anderen Blick und reagiert unter Umständen auch stärker/sensibler. Ob das auch immer angebracht bzw. gerechtfertigt ist, steht auf einem ganz anderen Blatt ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ja, ich verstehe es, wenn man mit Trash-TV nichts anfangen kann. Und vielleicht ist diese Sendung ja wirklich einfach nur Bullshit. Aber ich gucke mir das mal an und dann werde ich urteilen.

    Ich konnte jetzt einfach nicht "meine Gosch halten", obwohl ich eine Nacht drüber geschlafen hatte. Aber es ist Weihnachten, von daher Peace! ;)

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo Pingu - ich fühle mich nicht im geringsten persönlich angegriffen. Ich schreibe hier unter anderem deshalb im Forum, weil ich auf Dinge, die mir gegen den Strich gehen, aufmerksam machen möchte - aus meiner Sicht! Wenn ich damit Menschen zum Nachdenken bringe - um so besser !!!
    Wenn ich Dich provoziert haben sollte, hat das nichts mit Arroganz zu tun, sondern ich habe im klassischen Sinne einen Diskussionsbeitrag geliefert, der Andere - in diesem Fall Dich - zu einer "Gegenthese" veranlasst hat. Ich freue mich immer über fruchtbare Diskussionen - im Gegensatz zu Menschen, die lediglich Statements abliefern und ihren eigenen Standpunkt nie reflektieren. Dialektische Prozesse empfinde ich als positiv - sophistische Debatten gehen mir eher auf den Geist.
    Mein Blick auf diese Gesellschaft war schon immer sehr kritisch und wird es wohl leider auch bleiben. Mitnichten aber sehe ich "das blöde Volk" auf der einen und die bösen Kapitalisten auf der anderen Seite. Zum Glück ist "das Volk" nicht ganz so blöde und läßt sich auch nicht alles gefallen ... auch wenn manchmal Widerstandsprozesse erst einmal in Gang gebracht werden müssen - und daran habe ich gerne Anteil.
    Soweit erst einmal ...
    Dir und allen anderen ForumistInnen ein paar geruhsame Feiertage

    herzliche Grüße
    keppler

    Einmal editiert, zuletzt von keppler (24. Dezember 2015 um 13:28)

  • Danke, Keppler. Echt jetzt. 44.

    Schöne Weihnachten. ;)

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo an alle Diskussionsteilnehmer dieses Threads!

    Liebe Pinguin, Du schreibst, dass diese Sendung hier in der Diskussion scharf angegangen wird. Das wundert mich insofern, weil bisher außer über den (vermuteten) tatsächlichen Zweck dieser Sendung nichts Negatives darüber geschrieben wurde.

    Ich möchte jetzt bestimmt nicht klugscheißerisch rüberkommen, aber ich finde halt, dass einer Diskussion bestimmte gemeinsame Voraussetzungen zugrunde liegen sollten. Schon damit man nicht aneinander vorbeidiskutiert.
    Der Zweck solcher Sendungen, wie zu 90% alles im Fernsehen, Radio oder anderen Medien, ist es nun einmal Geld zu verdienen.

    Was man in diesen Medien nur verdient, wenn man möglichst viele Menschen erreicht.
    Es ist im Grunde genommen völlig egal, welches Format man dazu wählt. Hauptsache es macht neugierig, weckt beim Zuschauer, Leser oder Hörer den Wunsch nach mehr, und befriedigt die zugrunde liegende Erwartungshaltung.
    Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht von mir, ob ich intellektuell genug bin, um mir allein durch das Anschauen dieser Sendung, ein Urteil darüber bilden zu können, ob die Sendung für die darin vorkommenden Süchtigen gut oder schlecht ist.
    Ich weiß, wie solche Sendungen formatmäßig aufgebaut sind, und welche Hauptaugenmerke auf die dazu notwendigen Drehbücher gelegt werden.
    Ich weiß auch, dass diesen Sendungen häufig extra Psychologen zur Seite gestellt werden, um die Folgen solcher Realityshows bei den Betroffenen nach den Drehs zu mildern.
    Das verursacht mir etwas Unwohlsein.
    Auch, weil ich mich dann frage, ob ich gar – durch mein Zuschauen – mitverantwortlich bin.

    Die Idee, die furchtbaren Auswirkungen der Sucht einer breiten Masse zugänglich zu machen, und sie damit zu konfrontieren, dass kein Mensch „freiwillig“ süchtig wird, finde ich grundsätzlich gut.
    Aber dazu gibt es inzwischen so unendlich viel Material, dass man es nicht zählen kann.
    Wer selbst schon eine stationäre Therapie gemacht hat, kennt eine Menge solcher Filme.
    Da stellt sich mir die Frage: Warum reicht das nicht? Warum schaut sich die breite Masse nicht dieses Material an?
    Und genau an diesem Punkt setzt bei mir mein kritisches Denken über solche Formate ein: Du hast es selbst geschrieben.
    „Was ist denn daran verwerflich, dass ich es mir gemütlich mache mit einem Tee oder mit Keksen und mir so etwas zur Unterhaltung anschaue?“

    Für mich, ganz real, ist das eine fast schon gruselige Vorstellung.
    Ich stell mir dann in meiner Rückerinnerung an meinen Suchtverlauf vor, wie „da draußen“, Menschen mich in meiner Sucht beobachtet haben, es sich dabei gemütlich machten, und sich prächtig von mir und meiner Verzweiflung unterhalten fühlten. Und je tiefer ich gesunken bin, je mehr sich die Situation für mich zuspitzte, umso spannender ist es für sie geworden.

    Liebe Pinguin, das ist absolut kein persönlicher Vorwurf an Dich!
    Ich will damit nur meine Sichtweise zu diesen „Reality-Soaps“ darstellen. Im Besonderen eben zu einer, die mir, als Alkoholiker sehr nahe geht.
    Du hast unbedingt recht: Es könnte diesmal alles ganz anders sein. Weder die Produktionsfirma probono noch der Arzt Joe Bausch, und erst recht nicht SAT1 zeigen hier die Lebenswege von Süchtigen und leidenden Angehörigen aus Profitgier.
    Im Gegenteil: Sie stecken das ganze damit verdiente Geld in noch bessere Suchttherapien, bringen in den Werbepausen Therapieeinrichtungen, die für jeden zugänglich sind, und verzichten auf jede Alkoholwerbung.

    Vielleicht, so meine Tagträumerei, setzt diese Sendung bei den Zuschauern Kräfte frei, die man gar nicht erahnen konnte. Jetzt wissen die Angehörigen, wie sie helfen können, an wen sie sich wenden müssen um für den Süchtigen Hilfe zu organisieren, und entwickeln für die Sucht ein Verständnis, das ich in den meisten mir bekannten Fällen nie gefunden habe.
    Wobei ich beim Schreiben der letzten Sätze ganz unruhig geworden bin. Ich habe gelernt, dass man keinem Süchtigen helfen kann, wenn er nicht selbst Hilfe sucht. Ist das jetzt anders geworden?

    Probleme bereitet mir auch, dass Süchtige häufig sehr kranke Persönlichkeiten haben. (Bitte auch nicht falsch verstehen! Aber dieser Krankheitsaspekt spielt halt bei Sucht mit eine Rolle.) Bei prominenten Süchtigen ist z. B. ihr Narzissmus extrem zur Geltung gekommen. Und durch ihr Mitwirken bei solchen Sendungen geradezu gefördert – statt geheilt – worden.

    Weil ich, genau wie Du, trotz allen gemachten Erfahrungen Optimist geblieben bin, werde auch ich mir zumindest in Teilen diese Sendung wider besseren Wissens anschauen.
    Schon damit ich mitreden (und mitdenken) kann.
    Für spießig halte ich mich deswegen überhaupt nicht.
    Sorry, wenn es lang geworden ist. Aber so eine Diskussion über Pro und Kontra lässt sich nur schwer mit wenigen Worten führen.

    Liebe Grüße
    Dietmar

  • Ich habe ja keinen Fernseher. Hat sich das mal jmd. angeschaut? Ist das überhaupt gesendet worden?
    War/Ist das eh der übliche deutsche Privatsender Trash?
    Da kann man sich ja anscheinend sogar gleich online anmelden bzw. sich selbst vorschlagen, http://www.sat1.at/tv/stell-dich-deiner-sucht, wie praktisch (für Sender und "Betroffene")! ;D

  • Hallo Franz - bisher ist dieses wegweisende Suchthilfeprojekt noch nicht auf Sendung gegangen - meine Skepsis wächst, ob SAT1 das noch wirklich realisiert ...
    Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich es hier verkünden ...

    Beste Grüße
    keppler


  • Hallo Franz - bisher ist dieses wegweisende Suchthilfeprojekt noch nicht auf Sendung gegangen - meine Skepsis wächst, ob SAT1 das noch wirklich realisiert ...
    Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich es hier verkünden ...


    Hallo Keppler, ist das dann das Nachfolge"Format" von "Der Klügere kippt nach". Spitzenidee: zuerst die Sucht fördern, dann daraus wieder eine Sendung zur "Entsuchtung" zu machen.

  • Spitzenidee: zuerst die Sucht fördern, dann daraus wieder eine Sendung zur "Entsuchtung" zu machen.

    Dazu fällt mir ein Spruch von meinem Opa ein:

    Bau auf und reisse nieder -
    dann haste Arbeit, immer wieder!

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Sooooooooooooooo ...
    Nachdem das Format bei SAT.1 seit 2014 in der Schublade gelegen hat, ist die Pilotfolge am letzten Mittwoch dann ja doch "on air" gegangen.
    Ich habe nur durch Zufall in die letzte Viertelstunde hereingeschaltet - alle von mir im Vorfeld geäußerten Erwartungen und Befürchtungen sind aber wie gedacht voll in Erfüllung gegangen.
    Mittlerweile habe ich die gesamte Sendung gesehen (leicht zu finden, wenn man den Titel "Stell Dich Deiner Sucht" bei der bekannten Suchmaschine eingibt - ich verzichte `mal auf einen direkten link ...) und es ist noch schlimmer !!! Warum sich ein mir bisher als durchaus geschätzter seriös agierender Arzt und Schauspieler (Jo Bausch) für so einen Sch ... hergibt, erschließt sich mir eher nicht - wahrscheinlich werden aber dann doch rein monetäre Erwägungen eine entscheidende Rolle gespielt haben ?!?!
    Ich kommentiere das Gesehene `mal nicht weiter - lustig fand ich aber dann doch die Werbeunterbrechung mit der "Paulaner-Werbung" - und das nicht etwa für die alkoholfreie Version.
    Ich würde mich freuen, wenn die eine / der andere sich diese hochintellektuelle Aufklärungssendung einmal anschaut und seine Eindrücke hier zum Besten gibt ...
    Beste Grüße
    keppler

    Einmal editiert, zuletzt von keppler (6. April 2017 um 21:48)

  • Hi, ich bin noch nicht dazu gekommen. Hab es auf meiner Festplatte. Ok, muss ich schauen.

    Gruß Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Keppler,

    Zitat

    Ich würde mich freuen, wenn die eine / der andere sich diese hochintellektuelle Aufklärungssendung einmal anschaut und seine Eindrücke hier zum Besten gibt ...

    Ich habe die Sendung aus unterschiedlichem Interesse verfolgt. Ganz wenig, weil ich hoffte oder glaubte, dass es ein Format ist, das Betroffenen wirklich helfen kann, und ganz konkret, weil ich in meiner Vergangenheit mit solchen Formaten auch beruflich zu tun hatte und gespannt war, ob sich in der Zielsetzung etwas geändert hat.
    Hat es leider nicht.

    Prinzipiell möchte ich weder Jo Bauer noch den Produktionsverantwortlichen unterstellen, einzig wegen des Kommerz solche Realtiy-Soaps zu erstellen. Aber die finanzielle Seite spielt halt dabei eine entscheidende, erhebliche Rolle.
    Viele Zuschauer meinen, dass so ein Film „die Wahrheit“ erzählt.
    Aber die Wahrheit ist meist so banal und wenig affektreich, dass niemand damit Einschaltquoten erzielen kann.
    Also wird aufgepeppt. Es gibt eine Art Drehbuch, das die Dramaturgie bestimmt. Wenn die Beteiligten dann nicht entsprechend „mitspielen“, dann wird getrickst, auch psychologisch. Um das Ganze später „Zuschauergerecht“ zusammen zu schneiden.

    Logisch, dass dann Vieles auf der Strecke bleibt, und anderes hoch dramatisch hervorgehoben wird.
    Ich denke, Jo Bauer kennt Fernsehen so gut, dass er weiß, auf was er sich einlässt. Auch er ist an die vorgegebene Dramaturgie (vertraglich) gebunden, und kann nur sehr wenig daran ändern. Sicher aber ist, dass sich Jo Bauer schon in der Produktionsplanung mit seinen Vorstellungen und Ideen einbringt, und das aufgrund seiner Reputation auch kann.

    Zur Story selbst:
    Als Betroffener läuft beim Betrachten solcher Filme sozusagen ein zweiter Film in meinem Kopf ab. Vieles, das nur angedeutet wurde, ergänze ich dann mit meinen eigenen Erfahrungen und Erlebnissen.
    Von vorneherein war mir klar, dass man in ein 45 Minuten Format niemals den langen, meist nicht vom Erfolg gekrönten Weg aus der Sucht darstellen kann.
    Aber solche Filme sollen ja in erster Linie Hoffnung machen und Wege aufzeigen.
    Diese Bedingung wurde weitgehend erfüllt.

    Ich fand gut, dass (ziemlich am Ende, bei dem ersten Rückfall) aufgezeigt wurde, wie Angehörige und der Betroffene selbst bei einem Rückfall schnell und kompromisslos reagieren sollten.
    Nicht gut fand ich, dass sehr viel auf „Gründe“ für Markus Sucht eingegangen wurde. Da hätte ich mir gewünscht, dass zwar die Auslöser hervorgehoben worden wären, aber gleichzeitig auch, wie ein Betroffener, wenn er in der Sucht steckt, immer und immer wieder „Gründe“ neu erfindet.

    Was die Angehörigen anbetrifft, war es für mich eine Art „Wunderheilung“, die da stattgefunden hat. Im Realen kenne ich eher Angehörige, die trotz Therapie ein Leben lang die Nachwirkungen der Sucht spüren.

    Die für mich spannende Frage am Schluss: Wie sollte und kann man so ein Fernsehformat produzieren, dass es Allen gerecht wird?
    Ist das überhaupt möglich – und wenn, was müsste darin alles enthalten sein?

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