Damit Ihr wisst, wer ich bin

  • Hallo Forum,

    ich bin um die sechzig Jahre alt und seit ungefähr meinem siebzehnten Lebensjahr definitiv Alkoholiker.
    Entsprechend kurvenreich ist meine Alkoholkarriere. Fast bin ich versucht zu schreiben: eben ein typisches Alkoholikerleben, den Alkohol betreffend.
    Obwohl natürlich Alkoholismus sehr individuell ist.

    Viele Jahre war ich Spiegeltrinker. Ich funktionierte nur mit meinem Mindestmaß an Promille. Bis das Trinken exzessiv wurde und ich überhaupt nicht mehr funktionierte, sondern zusammenklappte.
    Waren zwei kurze Krankenhausaufenthalte in den Jahren davor unter zwar nicht falschen, aber nicht primären Erkrankungen vonstatten gegangen, so gab es für mich keine Gelegenheit mehr, meinen Alkoholismus zu leugnen.
    Besser gesagt wäre wohl: mein Trinken.
    Weil, als Alkoholiker sah ich mich immer noch nicht. Okay, ich hatte Probleme mit Alkohol, aber ganz sicher nicht solche, wie eben Alkoholiker. Dachte ich.

    Ich machte dann auch eine erste LZT, eine ambulante Therapie und war Mitglied einer SHG.
    Ungefähr 10 – 12 Jahre hielt ich durch. Und ich lebte sogar richtig gut damit.
    Aber dann schlichen sich immer mehr Leichtsinnigkeit und Überheblichkeit gegenüber der Krankheit ein.
    „Ich könnte nach so langer Abstinenz mal ein Glas probieren. Mal sehen, was dann daraus wird.“
    „Wegen einem Glas habe ich das noch lässig unter Kontrolle.“
    „Ein wenig Belohnung darf nun allmählich schon mal sein.“

    Damals war mir nicht bewusst, dass dies längst schon wieder nasses Denken war.
    Es ging sogar recht lange „gut“. Nämlich ganze zwei Jahre. In denen sich die Krankheit immer mehr zurück geschlichen hat. Erst ein Bierchen alle vier Wochen. Monatelang. Dann durften es schon mal zwei sein. Schließlich hatte ich „es“ ja locker unter Kontrolle. Naja, irgendwann durften es auch 3 sein. Da war dann schon die Gier deutlich zu spüren – wurde aber von mir verleugnet.
    Und mal wie andere richtig über die Stränge zu schlagen: Bitteschön! Es bleibt ja dabei, und es ist doch nichts dabei!
    Ehe ich es richtig kapierte, war der Alkohol wieder fester Bestandteil meines Lebens geworden.
    Nur, ich war kein Spiegeltrinker mehr. Ich war eher zum Quartalssäufer gewechselt.

    Wie viele qualifizierte Entzüge ich seither hinter mir habe, weiß ich nicht genau. Viele.
    Und aufgrund der Trinkerspezifikation trank ich meist bis zum völligen Kontrollverlust. Psychisch wie physisch.
    So wurde ich dann auch im Geschäft auffällig. Man sah mich dort zwar nie betrunken, aber die Gerüchteküche, die ja so unrecht nicht hatte.
    Ich entschloss mich erneut zu einer LZT.
    Aufgrund meiner privaten Verhältnisse absolvierte ich diese zwar vielversprechend, war aber bereits am ersten Wochenende danach besoffen.
    Wieder ging dies fast drei Jahre "gut."

    Ich muss nun einfügen, dass ich seit Jahrzehnten immer wieder unter organisch bedingten Depressionen litt, die auch medizinisch diagnostiziert sind.
    Das ist an sich schon eine durchaus lebensbedrohende Krankheit, die aber durch und mittels Alkohol noch erheblich gesteigert wird.
    Erst meint man bei den ersten Gläsern eine Entlastung zu verspüren, aber dann potenziert sich die Belastung, was wiederum – bei einem Alkoholiker – zu noch mehr Konsum führt.
    Ich bin dann wieder zusammengebrochen, war monatelang völlig apathisch und wollte sterben.
    In diesem Zustand kam ich ins Krankenhaus. Körperlich war ich buchstäblich am Ende.
    So kam es auch, dass mein Herz nicht mehr mitmachen wollte und ein Infarkt drohte, der im letzten Moment von den Ärzten noch abgefangen werden konnte.

    Ich erlebe jetzt meine Abstinenz fast so wie neu.
    Da ich zwischenzeitlich auch meinen Führerschein verloren hatte, jetzt mich aber wieder daranmache ihn wiederzuerlangen, nehme ich an einem Kurs teil, in dem es allen bzgl. Fahrererlaubnisentziehung gleich ergeht.
    Als „erfahrener“ Alkoholiker ist es höchst interessant die anderen Kursteilnehmer mitzuerleben, die „natürlich“ alle keine Alkoholiker sind, obwohl sie teils schon mehrere Male wegen Alkohol aufgefallen sind oder deswegen anderweitige Probleme bekommen haben.
    In dem Kurs wird dann auch immer wieder die Frage nach KT aufgeworfen.
    Meine Einstellung dazu steht, aber das eventuell an anderer Stelle.

    Viele Grüße
    Dietmar

  • Herzlich Willkommen Dietmar !

    wow , danke, dass du einfach geschrieben hast wie es dir soweit erging.
    du hast ja so einige Erfahrungen auf dem Buckel mit dem Trinken.

    Ich werde dich sicher nicht nerven mit KT.
    wünsch dir einfach ohne, gut und zufrieden weiter auszukommen,
    wie viele andere hier das ja auch geschafft haben und schaffen

    Irgendwie klingst du trotz allem sehr gut- ein kurzer eindruck von mir nur so nebenbei.

    nett das du hier bist.
    Gina


  • „Ein wenig Belohnung darf nun allmählich schon mal sein.“

    Wie kann jemand, der eine LZT gemacht hat und noch dazu über SHG-Erfahrung verfügt, auf die Idee kommen, sich mit einer Droge (Alkohol) belohnen zu können?
    Leichtsinn oder Überheblichkeit kann ich als Begründung nicht nachvollziehen. Ich habe zwar nie eine LZT gemacht. Aber da diese Therapien m.W. den klassischen Ansatz vertreten, wirst du dort gelernt haben, dass du nie wieder einen Tropfen Alkohol trinken darfst, wenn du nicht in alte Muster zurück verfallen willst.

    Deine Erklärungen/Begründungen kommen mir deshalb so vor, als wolltest du uns -und natürlich in erster Linie dich selbst- verarschen.
    Die obige Begründung für einen Rückfall hat mich bereits vor Jahren genervt, als ich aus der Nikotinsucht ausstieg und solche Sätze immer wieder in einem Raucherforum las.

    Mein Gedanke bei solchen Rückfällen ist immer: Da hat einer noch (immer) nicht begriffen, dass die schnelle Belohnung durch Drogen keine wirkliche Belohnung, sondern ausschließlich der (erneute) Start in eine Abhängigkeit sein kann.

    Das musste ich einfach mal loswerden.
    Aber nichts desto trotz: Herzlich willkommen im Forum Dietmar.

    Bassmann

  • Nochmal schnell Dietmar.

    ich würde mal genau zusammenzählen an deiner stelle wieviele jahre im leben du nichts getrunken hast
    und mir selber als Belohnung dafür auf die schulter klopfen und die Sache nicht als hoffnungslos ansehen.

    du schreibst von 17-60 bist du alkoholoker,
    das wären 43 jahre, davon kannst du 10-12 und vielleicht nochmal 2 abziehen. als trockenen jahre und vielleicht noch mehr Zeiten, die du voll nüchtern verbracht hast.

    Klingt es nicht besser und aufmöbelnder für dich selber nicht alles zu sehr ins negative zu ziehen.
    zwischen 40 jahre trinken oder nur 20-25 ist doch auch ein sehr grosser unterschied, find ich.

    sei gerecht zu dir selber und belohne dich für jeden tag den du nicht trinkst mit einem seelischen schulterklopfen oder mit
    dem Einsehen, dass dein Wohlsein damit immer mehr aufblüht, etc.....

    vergiss das postive nicht bei allem !

    bis dann

  • Dankeschön, für das herzliche Willkommen, Gina!
    Ich glaube, dass alle Alkoholiker im Laufe ihres Alkoholikerlebens recht viele Erfahrungen sammeln mussten.
    Wegen KT fühle ich mich absolut nicht genervt. Wohl die meisten Alkoholiker würden sich insgeheim wünschen, irgendwann einmal wieder kontrolliert trinken zu können. Zumindest, nachdem sie versuchten, der Sucht Einhalt zu gebieten.
    Es geht mir sehr gut! Nicht trotz allem, sondern eher: gerade deswegen!

    Ich rechne fast nur noch im Heute und Jetzt.
    Insofern ist es mir relativ egal, wie viele Jahre ich insgesamt schon trocken war. Und ich sehe es wirklich weder hoffnungslos noch negativ. Die Gesamtsumme meiner Erlebnisse und Erfahrungen macht mich schließlich zu dem, was ich heute bin – oder sein kann.

    Ich danke Dir für lieben Deine Worte!

    Hallo Bassmann,
    wie jemand mit LZT und SHG darauf kommt sich mit Alkohol zu „belohnen“?
    Durch die Krankheit Sucht?
    Ich vermute, dass Deiner Feststellung nach dann sehr viele Alkoholiker lernresistent sind.

    Ich kann jetzt nicht nachvollziehen, weswegen sich hier jemand anmelden und schreiben sollte, bloß um sich oder die Forumsteilnehmer zu „verarschen“.

    Ja, scheint so, dass ich „noch (immer) nicht begriffen“ habe, wenn ich mir Deine Denkweise zugrunde lege (n würde).
    Wie halt viele, viele Alkoholiker, die auch ihre Rückfälle hatten.
    Danke für Deinen Willkommensgruß.
    Grüße

  • Hallo, Dietmar!

    Auch von mir ein ganz herzliches WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Da ich solche Schilderungen

    im Laufe meiner jetzigen Trockenzeit und bei vielen Gesprächen gehört habe und es mir auch so ähnlich ergangen ist, finde ich die Bemerkung

    Deine Erklärungen/Begründungen kommen mir deshalb so vor, als wolltest du uns -und natürlich in erster Linie dich selbst- verarschen.

    ziemlich daneben.
    Bassmann, Du hast doch den Kasus Knacktus doch gleich mitgeliefert:

    Da hat einer noch (immer) nicht begriffen, dass die schnelle Belohnung durch Drogen keine wirkliche Belohnung, sondern ausschließlich der (erneute) Start in eine Abhängigkeit sein kann.

    Zum Zeitpunkt des Rückfalls bzw. schon kurz davor knallt anscheinend irgend eine Sicherung durch und man denkt nicht mehr rational, logisch. Da schlägt dann die Sucht zu.
    Nur weil Dietmar (und auch anderen in ähnlichen Situationen!) damals solche kruden Gedanken durch den Kopf gingen und er dies hier in seiner Vorstellung auch so schildert, kann und darf ihm hier nicht unterstellen, uns hier "verarschen" zu wollen!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Dietmar,

    ich bin zwar hier im Forum noch ganz neu aber kann dich dich trotzdem gut verstehen.

    Ich weiß es wird auch bei mir nicht leicht werden, (hab die Entwöhnung in Eigenregie in den letzten Jahren schon X-Mal versucht),
    aber ich wünsche dir alles Gute - und Kopf hoch!

    Und kontrolliertes Trinken - davon bin ich Überzeugt - wird auch bei mir nicht funktionieren.

    Lg Sommer

  • Hallo Dietmar,

    wie geht es dir?

    ich frag mich wie Ärzte einen Herzinfarkt abfangen können.
    war vor einem jahr neben meinem Mann, als es bei ihm losging mit Herzinfarkt und alles so passierte.
    auch im Krankenhaus, sassen wir noch stundenlang zwischen einer und der anderen Untersuchung im Warteraum herum.
    diese schübe wurden zwar immer leichter, mit den schmerzen, die er da hatte,
    aber abgefangen hat da keiner was.
    die ganze Prozedur verlief über 6-9 stunden so dahin und wir wussten nicht, was da eigentlich passierte.
    dann endlich wurde er über nacht in ein bett gelegt und an Maschinen angeschlossen zur kontrolle
    und am nächten tag morgens gleich repariert mit zwei stents ins herz rein.
    dann Reha und alles wieder besser und besser.
    nur psychisch ist er anders geworden, sehr viele Ängste und soweiter sind doch geblieben,
    obwohl sie alle arterien durchgesehn haben, wie weit wo was noch halb verstopft ist...

    haben sie bei dir auch einen eingriff gemacht, oder nur mit so nitroglyzerinnotmedizinen gleich gebremst?
    die haben wir erst lange nachher bekommen und er soll da immer was davon bei sich tragen.
    ich hab meistens auch 3 davon mit, als erste hilfe zeugs.

    ich denk du hast grosses glück gehabt.
    wenn ein Herzinfarkt mal in gang ist- kann glaub ich keiner mehr was stoppen.
    ein nachbar von uns, der tagelang alle Symptome übergangen hat und gar nicht zum Arzt ging-
    ist dann im selben alter von 47 jahren doch daran gestorben.
    besser einmal zuviel die Rettung verständigen, als einmal zu wenig,
    wurde uns nahe gelegt.
    so lernt mal auch mal bisschen dazu.

    bleib gesund
    Gina

  • Guten Morgen Greenfox,

    danke für Dein Willkommen!
    Es ist schwierig, zu Bassmanns Beitrag die wirklich passende Antwort zu finden. Vielleicht die, dass derjenige, der z.B. durch Rückfall die Macht der Sucht selbst an sich erlebt hat - und nun wieder trocken ist - die Mechanismen der Sucht besser versteht, wie der, der das alles versucht auf eine rein rationale Ebene zu schieben?
    Egal, wie: Über das Wesen der Krankheit wird leider überall nicht nur sehr kontrovers diskutiert, sondern eben auch gestritten.

    Hallo Sommer,

    ich weiß, dass eine Entwöhnungsbehandlung in Eigenregie sehr, sehr schwierig und anstrengend ist.
    Wobei natürlich eine qualifizierte Therapie keineswegs die Garantie dafür ist, dass keine Rückfälle erfolgen. Genausowenig wie die Teilnahme an einer SHG.
    Kontrolliertes Trinken, nach der These von Prof. Körkel, ist in sich ein Paradox, das eigentlich nicht aufgehen kann.
    Bei mir jedenfalls funktioniert es definitiv nicht.

    Liebe Grüße
    Dietmar

  • Hallo Gina,

    ich war zu der Zeit bereits in einem Krankenhaus wegen der Depressionen.
    Nach ca. 2 Wochen dort, konnte ich ziemlich plötzlich nur noch sehr mühsam atmen und Luft bekommen. Zudem schwollen mir die Füsse zeitweise extrem an.
    In der besagten Nacht fand mich dann der Nachtdienst japsend und keuchend im Bett vor, worauf sofort die diensthabende Ärztin herbeigerufen wurde.
    Diese rief sofort einen Notarzt, samt Sanitäter.
    Schon im KTW bekam ich Infusionen und wurde dann mit Blaulicht und Sirene in ein spezialisiertes Krankenhaus verfrachtet.
    Dort stellte der Arzt in der Notambulanz eben einen "beginnenden" Infarkt fest.
    Ich bekam Nitro (oral) und ich weiß noch, dass in den Infusionszugang direkt ein Mittel gespritzt wurde. Aber ich weiß nicht, was das war.
    Jedenfalls stellte man fest, dass ich über 2,5 Liter Wasser in der Lunge hatte. Die Lunge wurde dann gleich punktiert und das Wasser abgesogen.
    Da lag ich schon auf der Intensivstation, auf der ich dann noch zwei Tage blieb.
    Anschließend wurde ich 2 Wochen auf der Normalstation weiterbehandelt.

    Ich habe von allem so gut wie nichts mehr mitbekommen, weiß nur noch, dass ich Schmerzen in der Brust hatte und verzweifelt zu atmen versuchte.
    Erst Tage später klärte mich der Chefarzt auf, was gewesen war. Seine Worte waren dann u.a.: "Wir konnte gerade noch einen Herzinfarkt abfangen?" Vielleicht sagte er auch "abwenden"?
    Ob das so fachlich richtig formuliert war, weiß ich nicht.
    Stents waren vorgesehen, wurden dann aber bei der Herzkathederuntersuchung nicht eingesetzt.

    Jetzt bin ich halt immer wieder zur Kontrolle dort, aber glückicherweise eintwickelt sich diagnostizierte Herzinsuffizenz sehr positiv.

    Liebe Grüße
    Dietmar

  • Hallo Dietmar,

    Es ist schwierig, zu Bassmanns Beitrag die wirklich passende Antwort zu finden. Vielleicht die, dass derjenige, der z.B. durch Rückfall die Macht der Sucht selbst an sich erlebt hat - und nun wieder trocken ist - die Mechanismen der Sucht besser versteht, wie der, der das alles versucht auf eine rein rationale Ebene zu schieben?


    Ich habe diesen Eindruck nicht, zumal du am Ende des Beitrags, aus dem ich das Zitat genommen habe, aus heiterem Himmel auf das kontrollierte Trinken zu sprechen kommst.

    Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich am Anfang meines Rauchstopps anderen nachplappernd immer darauf hinwies, dass es die berühmte EINE für mich nicht geben kann. Irgendwann ging mir auf, dass mir scheißegal war, ob ich nach dem Rauchen einer Zigarette rückfällig werden würde oder nicht. Denn ich würde keine Zigarette mehr rauchen, weil sie mir nichts mehr geben konnte.
    Warum deshalb ständig von der EINEN, warum vom Kontrollieren sprechen?
    Ich hatte mich lange mit meiner Sucht beschäftigt, analysiert warum ich den Tabak missbrauchte und schließlich erkannt, dass mir die Zigarette das, was ich in ihr suchte, nicht zu geben vermochte. Also bestand und besteht für mich kein Grund zu rauchen. Weder kontrolliert noch unkontrolliert.

    Beim Alkohol ist es nicht anders. Irgendwann merken wir, dass wir uns mit seiner Hilfe mühelos unsere Welt schöner machen können. Ein Schluck… und schon sind wir besser drauf, verschaffen uns Belohnung usw.
    Die Macht der Sucht zu erkennen, heißt für mich anzuerkennen, dass ich diesen leichten Weg bevorzuge und, weil er so leicht ist, den Hals nicht vollbekomme.
    Dieses Anerkennen und die Entscheidung, es in Zukunft anders zu machen, geht m.E. nur mit dem Kopf.
    Das Andersmachen kann z.B. das kontrollierte Trinken sein, keinesfalls aber das Trinken von Alkohol nach einer Phase der Abstinenz.
    Wer das tut, der hat m.E. nicht verstanden, was Sucht ist. Sucht braucht nicht den Alkohol, sie braucht keine Zigaretten usw. Sie braucht nur einen Menschen, der sich nicht mit dem zufrieden zu geben vermag, was das Leben von sich aus bietet. Sie braucht einen Menschen, der sich auf Knopfdruck Wohlbefinden verschaffen will, der sich und sein Leben anders erleben möchte als es tatsächlich ist usw.

    M.E. verstehst du eine Menge von „nass“ und „trocken“. Und ich glaube, dass du wie so viele hier der Meinung bist, dass der Alkohol dein Feind und dass die Sucht hinterlistig ist.
    Dabei ist sie ausgesprochen berechenbar.
    Das fängt bei der Belohnung mit Alkohol nach einer Phase der Abstinenz an. Wenn du nicht süchtig bist, wirst du dich nicht mit Alkohol belohnen wollen. Und wenn du süchtig bist, darfst du dich nicht mit Alkohol belohnen. Denn das Wesen der Sucht besteht darin, immer mehr zu fordern.

    Vielleicht ist es sinnvoller, sich seiner Sucht zu stellen als darauf zu hoffen, dass alles gut wird, wenn man nur schön trocken ist.

    Denk mal drüber nach.

    Bassmann


  • Hallo Dietmar,


    Ich habe diesen Eindruck nicht, zumal du am Ende des Beitrags, aus dem ich das Zitat genommen habe, aus heiterem Himmel auf das kontrollierte Trinken zu sprechen kommst.

    Bassmann, Du reisst hier (mal wieder) etwas völlig aus dem Zusammenhang:


    Ich erlebe jetzt meine Abstinenz fast so wie neu.
    Da ich zwischenzeitlich auch meinen Führerschein verloren hatte, jetzt mich aber wieder daranmache ihn wiederzuerlangen, nehme ich an einem Kurs teil, in dem es allen bzgl. Fahrererlaubnisentziehung gleich ergeht.
    Als „erfahrener“ Alkoholiker ist es höchst interessant die anderen Kursteilnehmer mitzuerleben, die „natürlich“ alle keine Alkoholiker sind, obwohl sie teils schon mehrere Male wegen Alkohol aufgefallen sind oder deswegen anderweitige Probleme bekommen haben.
    In dem Kurs wird dann auch immer wieder die Frage nach KT aufgeworfen.
    Meine Einstellung dazu steht, aber das eventuell an anderer Stelle.

    Wenn man einen (Halb-)Satz aus dem Zusammenhang reisst, kann man natürlich jedem das Wort im Munde rumdrehen. Aber darin bist Du ja gut.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Dietmar und ein ganz herzliches willkommen!!!!! :welcome: :welcome: :welcome:

    Ich habe deine posts mit großem Interesse gelesen und empfinde sie als eine Bereicherung hier im Forum (wie die allermeisten posts hier). Deswegen ist es mir wichtig mehr von dir zu lesen. Gerade Berichte über Rückfälle und deren (vermutete) Ursachen interesseiren mich sehr, da ich mich vor diesen Rückfällen hüten möchte. Auch wenn ich mich seit nunmehr 2 3/4 Jahren ohne Rückfall auf einem hohem Zufriedenheitslevel bewege, ist mir klar, das ich mich nicht sicher fühlen kann, nicht doch nochmal in diesen Suchtstrudel zu geraten. Deine, und andere posts helfen mir, für mich gefährliche Situationen frühzeitig zu erkennen und sind deshalb wichtig für mich.

    Ich möchte daher auf jeden Fall, das du oder andere, die von Rückfällen berichten, hier auf Interesse und zumindest das Bemühen um Verständnis stossen und nicht davon abgehalten werden sich als rückfällig zu outen. Die Reaktionen des direkten Umfelds auf einen Rückfall dürften schon schlimm genug sein.

    Deshalb halte ich einige Bemerkungen von Bassmann nicht für zielführend. Ich stimme dir, Bassmann, in vielen Dingen, die du inhaltlich sagst, zu. Aber die Art und Weise, wie du manche Sachen sagst stören mich sehr.

    Du fragst:

    Zitat

    Wie kann jemand, der eine LZT gemacht hat und noch dazu über SHG-Erfahrung verfügt, auf die Idee kommen, sich mit einer Droge (Alkohol) belohnen zu können?

    Gegenfrage: Wie kann jemand, der Suchterfahrung hat eine solche Frage stellen????? Gerade wir Alkoholiker und die meisten Co Abhängigen wissen wie wir gegen jegliche Vernunft gehandelt haben und versuchen (zumindest ich) das individuelle WARUM zu ergründen. Hierfür ist eine empathische Reaktion der anderen, zielführender als dein in dieser rhetorischen Fragestellung versteckter Vorwurf.

    Ja, ich will wissen, wie jemand der eine LZT gemacht hat und über SHG Erfahrung verfügt, genau auf die Idee kommt. Und ich will das wissen, weil ich nicht ausschliessen kann, selbst genau auf diese Idee zu kommen. Damit weiterhin Erfahrungsberichte, wie Dietmar´s hier zu lesen sind, ist mir ein offener, empatischer und vorwurfsfreier Diskussionsstil lieber.

    Und für Dich Bassmann noch ein Zitat von Dir:

    Zitat

    Denk mal drüber nach.

    Euch allen einen schönen Wochenanfang und alles Liebe

    Pit

  • Gegenfrage: Wie kann jemand, der Suchterfahrung hat eine solche Frage stellen?????

    Ich sag ja: Manchmal kann ich Teile von Bassmann's Äußerungen einfach nur unterschreiben. Aber oft beim nächsten Satz :wall: >:(

    Ich hatte damals auch eine LZT hinter mir und Gruppenerfahrung - und fragte mich eine ganze Weile: Und warum habe ich dann doch wieder zugeschlagen?
    Warum gibt es Menschen, die nach 10, 15, 20 Jahren wieder rückfällig werden??

    Für Jemanden, der wie Bassmann sein Suchtverhalten allein aus dem Erkennen seiner Sucht abstellen konnte, stellt sich diese Frage jedoch nicht ...


    Think positive: Man denkt darüber nach.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (14. Dezember 2015 um 06:57)

  • Moin Dietmar

    Zitat

    Ungefähr 10 – 12 Jahre hielt ich durch. Und ich lebte sogar richtig gut damit.
    Aber dann schlichen sich immer mehr Leichtsinnigkeit und Überheblichkeit gegenüber der Krankheit ein.
    „Ich könnte nach so langer Abstinenz mal ein Glas probieren. Mal sehen, was dann daraus wird.“
    „Wegen einem Glas habe ich das noch lässig unter Kontrolle.“
    „Ein wenig Belohnung darf nun allmählich schon mal sein.“


    Das "hielt ich durch" klingt wenig überzeugend und erinnert mich an Verzicht.
    Mich erinnert die Abstinenz eher an Befreiung.
    Außerdem habe ich einiges mehr in meinem Leben in die Richtung Freiheit verändert,
    es liegt ja oft auch an den weiteren Fesseln, die einen einschränken und schwanken lassen.
    Der wichtigste Punkt für mich "Nein sagen" lernen, wenn es eigener Überzeugung widerspricht, auch wenn man mal aneckt.
    (Vielleicht ziehen deshalb viele das Leben auf der Straße den täglichen Fesseln des "Normalen" Lebens vor?)

    LG Gerd

    P.S.

    Zitat

    Dabei ist sie ausgesprochen berechenbar (die Sucht)


    Der war gut :o
    Da müssten nicht über Jahrzehnte tausende Ärzte viele Symposien abhalten, wenn doch schon alles geklärt ist ;D
    einfach B. fragen.

  • Hallo Dietmar,

    auch von mir noch ein herzliches Willkommen hier im Forum.

    Für mich ist es äußert interessant Deine Posts zu lesen und zu lernen. Ich selbst bin etwas mehr als 2 Jahre trocken und es fiel und fällt mir relativ leicht. Wenn ich jetzt lese, dass Du 10 - 12 Jahre trocken warst und dann wieder angefangen hast, dann stimmt mich das schon verdammt nachdenklich. Das ist gut so.

    Guten Austausch hier, wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

  • Moin erst mal. :welcome:

    Ich wünsche dir hier einen guten Austausch.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Bassmann,

    obwohl mich das Gefühl, zumindest leicht, beschleicht, wir beide würden auf völlig unterschiedlichen Ebenen stehen (Du oben?), möchte ich Dir antworten.
    Die Antwort: „Ich habe diesen Eindruck nicht,“ im Kontext zu „Es ist schwierig, zu Bassmanns Beitrag die wirklich passende Antwort zu finden.“ ist quasi so, als würde ich etwas schreiben, vielleicht sogar fragen, und mir selbst die Antwort geben.
    Du musst vielleicht schon zugeben, dass die Vehemenz, mit der Du immer wieder auf das Rauchen hinweist, darauf hinweisen könnte, dass Du das noch lange nicht gelassen hinter Dir gelassen hast.

    Zitat

    Warum deshalb ständig von der EINEN, warum vom Kontrollieren sprechen?


    Stellst Du Dir diese Frage? Ich habe sie sonst noch nicht im Kontext zu Alkohol bei anderen gelesen.

    Warum schreibst Du, hier im Forum, ständig von „wir“ und „uns“?
    Es irritiert mich jedes Mal, weil ich mir dann die Mühe mache, in Beiträgen anderer Forumsmitglieder nach vergleichbaren oder zumindest ähnlichen Aussagen zu suchen.


    Zitat

    Beim Alkohol ist es nicht anders. Irgendwann merken wir, dass wir uns mit seiner Hilfe mühelos unsere Welt schöner machen können. Ein Schluck… und schon sind wir besser drauf, verschaffen uns Belohnung usw.
    Die Macht der Sucht zu erkennen, heißt für mich anzuerkennen, dass ich diesen leichten Weg bevorzuge und, weil er so leicht ist, den Hals nicht vollbekomme.


    Diesen Teil verstehe ich nicht. Du hast also Deine Sucht analysiert, ihre Macht erkannt, und bevorzugst jetzt den „leichten Weg“ weiterzutrinken?
    Wenn jemand glaubt, in der Sucht gefangen zu sein, sprich zu trinken, wäre ein „leichter“ Weg, dann irrt er/sie.
    Ich jedenfalls habe festgestellt, dass viele Probleme allein schon mit der Abstinenz gelöst waren. Während ich automatisch mit dem Trinken Probleme bekam, von denen ich zuvor nicht geträumt hatte.

    Kennst Du Surrender?

    Zitat

    Dieses Anerkennen und die Entscheidung, es in Zukunft anders zu machen, geht m.E. nur mit dem Kopf.
    Das Andersmachen kann z.B. das kontrollierte Trinken sein, keinesfalls aber das Trinken von Alkohol nach einer Phase der Abstinenz.
    Wer das tut, der hat m.E. nicht verstanden, was Sucht ist.


    Ist das nicht ein wenig verdreht?
    Das Andersmachen kann das kontrollierte Trinken sein, keineswegs aber nach einer (noch besseren Lösung?) Abstinenz?
    In diesem Abschnitt stimmst Du mir also zu, dass Du Deine Sucht nur rational wahrnehmen kannst.
    Ich dagegen bin ein sehr emotionaler Mensch. Bei mir funktioniert es nicht, rein rational etwas zu verändern wollen, wenn meine Gefühle dabei nicht deutlich signalisieren: Das fühlt sich gut an.
    Andersherum war es schon so, dass ich mein „Bauchgefühl“ rational überstimmt habe, und voll auf die Schnauze gefallen bin.

    Ich habe den Eindruck, dass Du substanzgebundene Sucht und substanzunabhängige Sucht durcheinander würfelst.

    Zitat

    Und ich glaube, dass du wie so viele hier der Meinung bist, dass der Alkohol dein Feind und dass die Sucht hinterlistig ist.


    Auch dazu: Ich habe keine Ahnung davon, „wie viele hier“ auf meiner Ebene sind.
    Dein Glaube trügt Dich! Alkohol ist nicht mein Feind!
    Aber die Aussage, dass Sucht hinterlistig ist, stimmt absolut!

    Zitat

    Dabei ist sie ausgesprochen berechenbar.


    Ich empfinde meine Sucht nicht als berechenbar! Es gab Zeiten, da war ich so weit vom Alkohol weg, wie man nur sein konnte, und ertappte mich plötzlich dabei, wie ich darüber nachdachte, ob ich nicht „doch“ vielleicht …
    Würden wir uns persönlich kennen, hättest Du damit gerechnet?
    Ich habe aber auch schon einige Alkoholiker sehr gut kennengelernt, die von Jetzt auf Gleich wieder getrunken haben, nachdem sie jahrelang offensichtlich zufrieden trocken gelebt hatten.
    Da war ich zunächst sprachlos! Damit hatte ich nicht gerechnet.

    Zitat

    Denn das Wesen der Sucht besteht darin, immer mehr zu fordern.


    Das kann ein Teil meiner Sucht sein. Aber es gibt noch viele, viele andere Teile.

    Zitat

    Vielleicht ist es sinnvoller, sich seiner Sucht zu stellen als darauf zu hoffen, dass alles gut wird, wenn man nur schön trocken ist.


    Ich weiß auch hier nicht, ob Du Dir diese Frage stellst und für Dich noch keine Antwort darauf weist.
    Ich finde, dass praktisch jeder, der z. B. in so einem Alkoholikerforum zu schreiben angefangen hat, sich seiner Sucht stellt, oder zumindest damit beginnt.
    Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag!
    Gruß
    Dietmar

  • Hi Greenfox,

    danke für die Richtigstellung. Würde jemand von außen nur diese Äußerung von Bassmann lesen, hätte er vielleicht wie Bassmann ein völlig falsches Bild.
    Ich möchte aber nicht der Anlass dafür sein, dass ggf. alte Gräben aufgerissen werden!

    Und zur Klarstellung möchte ich schreiben, dass ich fast schon feindliche Angriffe durch andere Alkoholiker gut kenne, mir aber meist keinen Reim darauf machen kann, da ich zumindest versuche bei mir zu bleiben.
    Zudem bin ich der Meinung, dass ich z. B. nie sagen kann: Wenn ich Du wäre, würde ich ...
    Bestenfalls, wenn ich in Deiner Situation wäre, dann wäre das und dies ein Weg für mich ...

    Ich bin mir sicher, auch mein jahrelanger trockener Weg wäre nicht für jeden anderen Alkoholiker der richtige gewesen.

    Einen schönen Montag wünsche ich Dir!

    LG
    Dietmar

  • Lieben Dank für den Willkommensgruß Pit!

    Meine Hochachtung für fast drei Jahre zufriedene Trockenheit.

    Ich weiß, dass solche Aussagen darüber wie „der Rückfall geschah, also ob aus Leichtsinnigkeit und Überheblichkeit, sehr vorsichtig zu genießen sind.
    Als alter Suchtler sage ich mir, dass ich hunderttausend Gründe nennen könnte, und keiner wäre ganz falsch, aber doch jeder für sich alleine nicht wirklich richtig.

    Am meisten glaube ich inzwischen, dass Menschen ganz im Allgemeinen schlechte Zeiten und Umstände gerne schnell und gründlich vergessen möchten.
    Da ist dann plötzlich „alles gar nicht mehr so schlimm gewesen“, wie es wirklich war.

    Deine Einstellung der Vorsicht finde ich hervorragend!
    Dieses Dranbleiben an meiner Sucht ist es auch, warum ich mich tatsächlich wieder mit dem Gedanke beschäftige, mich eventuell doch wieder einer SHG anzuschließen.

    Du hast das sehr schön beschrieben: das individuelle Warum.

    Ich empfinde Sucht bei jedem als einzigartig und individuell. Auch, wenn sich zwei Alkoholiker auf den ersten Blick gleichen, wie ein Ei dem anderen. Kratzt man aber etwas an der Oberfläche, dann kommen zwei ganz unterschiedliche süchtige Menschen zutage.
    Der von Dir wahrgenommene, versteckte Vorwurf von Bassmann, hat für mein Verständnis auch eine Funktion: Wer dem anderen etwas vorwirft, stellt sich in jedem Fall zunächst einmal besser.

    Wenn hier in diesem Forum keine Empathie füreinander vorhanden wäre, dann bräuchte eigentlich niemand mehr schreiben.
    Und wenn nur noch Furztrockene hier schreiben würden, dann wäre das in weiten Teilen ein sich gegenseitig auf die Schultern Klopfen, oder?
    Dir auch eine schöne und erfolgreiche Woche!

    Liebe Grüße
    Dietmar

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