Hallo Forum,
ich bin um die sechzig Jahre alt und seit ungefähr meinem siebzehnten Lebensjahr definitiv Alkoholiker.
Entsprechend kurvenreich ist meine Alkoholkarriere. Fast bin ich versucht zu schreiben: eben ein typisches Alkoholikerleben, den Alkohol betreffend.
Obwohl natürlich Alkoholismus sehr individuell ist.
Viele Jahre war ich Spiegeltrinker. Ich funktionierte nur mit meinem Mindestmaß an Promille. Bis das Trinken exzessiv wurde und ich überhaupt nicht mehr funktionierte, sondern zusammenklappte.
Waren zwei kurze Krankenhausaufenthalte in den Jahren davor unter zwar nicht falschen, aber nicht primären Erkrankungen vonstatten gegangen, so gab es für mich keine Gelegenheit mehr, meinen Alkoholismus zu leugnen.
Besser gesagt wäre wohl: mein Trinken.
Weil, als Alkoholiker sah ich mich immer noch nicht. Okay, ich hatte Probleme mit Alkohol, aber ganz sicher nicht solche, wie eben Alkoholiker. Dachte ich.
Ich machte dann auch eine erste LZT, eine ambulante Therapie und war Mitglied einer SHG.
Ungefähr 10 – 12 Jahre hielt ich durch. Und ich lebte sogar richtig gut damit.
Aber dann schlichen sich immer mehr Leichtsinnigkeit und Überheblichkeit gegenüber der Krankheit ein.
„Ich könnte nach so langer Abstinenz mal ein Glas probieren. Mal sehen, was dann daraus wird.“
„Wegen einem Glas habe ich das noch lässig unter Kontrolle.“
„Ein wenig Belohnung darf nun allmählich schon mal sein.“
Damals war mir nicht bewusst, dass dies längst schon wieder nasses Denken war.
Es ging sogar recht lange „gut“. Nämlich ganze zwei Jahre. In denen sich die Krankheit immer mehr zurück geschlichen hat. Erst ein Bierchen alle vier Wochen. Monatelang. Dann durften es schon mal zwei sein. Schließlich hatte ich „es“ ja locker unter Kontrolle. Naja, irgendwann durften es auch 3 sein. Da war dann schon die Gier deutlich zu spüren – wurde aber von mir verleugnet.
Und mal wie andere richtig über die Stränge zu schlagen: Bitteschön! Es bleibt ja dabei, und es ist doch nichts dabei!
Ehe ich es richtig kapierte, war der Alkohol wieder fester Bestandteil meines Lebens geworden.
Nur, ich war kein Spiegeltrinker mehr. Ich war eher zum Quartalssäufer gewechselt.
Wie viele qualifizierte Entzüge ich seither hinter mir habe, weiß ich nicht genau. Viele.
Und aufgrund der Trinkerspezifikation trank ich meist bis zum völligen Kontrollverlust. Psychisch wie physisch.
So wurde ich dann auch im Geschäft auffällig. Man sah mich dort zwar nie betrunken, aber die Gerüchteküche, die ja so unrecht nicht hatte.
Ich entschloss mich erneut zu einer LZT.
Aufgrund meiner privaten Verhältnisse absolvierte ich diese zwar vielversprechend, war aber bereits am ersten Wochenende danach besoffen.
Wieder ging dies fast drei Jahre "gut."
Ich muss nun einfügen, dass ich seit Jahrzehnten immer wieder unter organisch bedingten Depressionen litt, die auch medizinisch diagnostiziert sind.
Das ist an sich schon eine durchaus lebensbedrohende Krankheit, die aber durch und mittels Alkohol noch erheblich gesteigert wird.
Erst meint man bei den ersten Gläsern eine Entlastung zu verspüren, aber dann potenziert sich die Belastung, was wiederum – bei einem Alkoholiker – zu noch mehr Konsum führt.
Ich bin dann wieder zusammengebrochen, war monatelang völlig apathisch und wollte sterben.
In diesem Zustand kam ich ins Krankenhaus. Körperlich war ich buchstäblich am Ende.
So kam es auch, dass mein Herz nicht mehr mitmachen wollte und ein Infarkt drohte, der im letzten Moment von den Ärzten noch abgefangen werden konnte.
Ich erlebe jetzt meine Abstinenz fast so wie neu.
Da ich zwischenzeitlich auch meinen Führerschein verloren hatte, jetzt mich aber wieder daranmache ihn wiederzuerlangen, nehme ich an einem Kurs teil, in dem es allen bzgl. Fahrererlaubnisentziehung gleich ergeht.
Als „erfahrener“ Alkoholiker ist es höchst interessant die anderen Kursteilnehmer mitzuerleben, die „natürlich“ alle keine Alkoholiker sind, obwohl sie teils schon mehrere Male wegen Alkohol aufgefallen sind oder deswegen anderweitige Probleme bekommen haben.
In dem Kurs wird dann auch immer wieder die Frage nach KT aufgeworfen.
Meine Einstellung dazu steht, aber das eventuell an anderer Stelle.
Viele Grüße
Dietmar