Ein Neuer - Erfahrungsbericht

  • Hallo zusammen,

    erstmal ganz herzlichen Dank für die Anteilnahme, die Tipps und die guten Wünsche! 44.

    Nun mein tägliches Update und ein kleiner Faktencheck.

    Das Wochenende war gut, ich habe es genossen, meinen grossen Kleinen mal wieder alleine für mich zu haben und auch nicht durch die kleinen Kleinen von ihm abgelenkt zu werden. Wir waren sehr eng zusammen und haben zwei herrliche Herbsttage genossen. Die Abstinenz war ziemlich problemlos. Die Gedanken sind da, aber meine Motivation ist noch sehr hoch.

    Faktencheck:
    - trocken bis zum Beratungsgespräch (morgen Di) - check, das wird ein homerun.
    - Die Begleitung durch eine Psychologin - hoffe ich werde morgen auf der Beratungsstelle nicht auf den Alkoholkonsum reduziert, denn ich habe noch weitere Baustellen bei welchen ich gerne unterstützt werden möchte (Berufliche Neuausrichtung, Rauchstopp, schwieriges Verhältnis zum kranken Vater etc.). Ich hoffe also auf eine Empfehlung für ein ganzheitliches Coaching - im ganzen Psycho-Angebotsdschungel blicke ich einfach nicht durch.
    - Sport: Na ja, da lässt sich noch nicht so viel sagen, bin aber sicher noch zu weich mit mir und das Auto spult noch zu viele Kilometer ab.
    - Im Geschäft weniger Aufträge annehmen - check, nehme aktuell gar nichts mehr an, bis sich die Pendenzen lichten - siehe auch oben, hängt damit zusammen. Längerfristiges Projekt.
    - Frühstücken - check, Ohne jede Lust, macht keinen Spass. Mache es trotzdem.
    - Rauchen erst nach 10:00 morgens - manchmal ja, manchmal nein.
    - Abends nur leichte Kost (keine Haxen etc. mehr) - check, passt mir.
    - Konsequente Anwendung meines APAP Gerätes gegen die Schlafapnoe - check, mit Widerwillen
    - Mind. 7h Schlaf pro Nacht - check, mit leichten Schuldgefühlen, weil ich so weniger arbeite.
    - Einmal die Woche "Jungsabend" - findet diese Woche erstmals statt.
    - Täglicher Alkoholtest für die Partnerin - wollte sie gestern nicht machen lassen, sie würde es auch so merken, falls ich getrunken hätte. Nun habe ich die EUR 120 vergebens ausgelegt. ;)

    Im Moment bin ich auf Kurs und das Erzählen hier hilft mir, indem ich Anteilnahme spüre, mich nicht verstecken muss, überprüft werde und offenbar verstanden werde. Bin nun gespannt wie eine Feder, wie das morgen ablaufen wird auf der Beratungsstelle. Mag jemand ganz kurz schildern, wie so ein erstgespräch bei ihm/ihr abgelaufen ist?

    Guten trockenen Wochenstart allerseits.

    Marc

  • Hallo Marc,

    das kenne ich auch, dass Gefühl 100 mal am Tag an ein Bierchen erinnert zu werden. Und diese kleinen Kämpfe habe ich am Anfang meiner ""Karriere" auch längere Zeit immer wieder gewonnen. Mal paar Wochen lang, mal paar Tage - bis dann irgendwann doch mal ganz subtil von hinten die Stimme kam: " na siehste, jetzt hast ja soooo lang nix mehr getrunken, soooo schlimm kanns ja nicht sein". Und zack, da war's dann wieder vorbei. Ein alter Alkoholiker-Kollege, der schon viele Jahre trocken war, hatte immer gesagt: Nach jedem Rückfall steigert sich das Pensum. Und er hatte recht. Immer wenn ich nach ein paar Wochen Trinkpause wieder angefangen habe, war es so als müsste ich aufholen, was ich verpasst hatte. Und dann waren es halt nicht mehr 4 Bier am Tag, sondern 5 oder 6....
    Damit will ich Dich jetzt aber nicht entmutigen, sondern nur sagen: Holzauge sei wachsam! Als ich dann entgültig so weit war, dass ich aufhören wollte und dann auch aufgehört habe, hatte ich komischerweise überhaupt keine Stimme mehr. Bis heute schweigt sie..... Und ich hoffe das bleibt so!

    Ach, und was den Spruch "Frühstück der Gewinner" betrifft: Damals fühlte ich mich erniedrigt, aber sowas von. Ich wusste, dass der Typ recht hat. Der hat halt einen Alki morgens um 8 Uhr seinen Stoff kaufen sehen und einen Spruch gemacht. Der hat gessen aber nicht dazu geführt, dass ich irgendwas geändert habe. Heute ist es nicht so, dass ich darüber lachen kann, eher ein Gefühl des Schämens kommt da in mir hoch. Und der Erleichterung, weil die Zeiten vorbei sind.

    Wie läuft's bei Dir aktuell?

    VG
    gerchla

  • Hallo Marc,
    ich lese hier sehr gern von Dir!
    Du hast in so kurzer Zeit schon viel geschafft und kannst stolz sein, ich freue mich sehr für Deine Frau und die Kinder.
    Deine Krankenkasse unterstützt Dich auch auf dem Weg, dazu kann Dir die Sucht-Beratung sicher auch was sagen, falls Du Dich bei der KK erstmal noch nicht outen magst. Es ist ja, dass muss man sich immer wieder vor Augen führen eine Krankheit.
    Was Dein APAP Gerät betrifft, dass kann wohl jeder nachvollziehen das dass nicht angenehm ist, aber er hilft Dir ja, bringt Erholung und Lebensqualität. Ich hab das Gerät meiner Mutter mal Schnarchi ;) genannt das ist jetzt die allgemeine Bezeichnung und nimmt so ein bisschen den Schrecken - ist ja ein Teil ihres Lebens. (Deine Kinder finden da sicher einen Namen)
    Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg bei Deinem Ausstieg, bleib stark und motiviert.
    Liebe Grüße
    Simone

  • Guten Abend zusammen,

    erstmal:

    @Simone, vielen Dank für die netten Worte. Es freut mich natürlich, wenn das Mitlesen auch etwas Spass macht. Betreffend KK möchte ich mich bedeckt halten, ich trau denen nicht über den Weg. Wenn da mal ein Stempel drauf ist, bleibt er da und ich befürchte negative Folgen. Schnarchi gefällt mir, ich frag die Kleinen mal, wie und auf welchen Namen wir das Teil taufen sollen.

    Gerchla , Holzauge sei wachsam ist sicher ein wertvoller Input. Mir war bislang nicht bewusst, dass offenbar auch stärkere Alkoholiker durchaus öfters mal mehrere Wochen Trinkpause überhaupt machen können. Insofern relativiert sich meine "Leistung" natürlich stark und ich muss die Motivation hoch halten.

    Nun zu den letzten zwei Tagen. Das Geschäft war ziemlich hardcore, mit vielen Terminen und Präsentationen, ist aber alles ganz gut gelaufen und ich hatte viel Energie. Kleiner "Schockmoment" dann heute nach einem anstrengenden Termin auf dem nachhauseweg. Mal eben in einem meiner Stammshops Zigaretten holen wollen - automatisch steuere ich auf das Kühlregal mit dem Bier zu und merke erst als ich davor stehe, dass ich gar kein Bier kaufen wollte - war aber echt einfach ein eingespielter Weg vom Eingang zu Regal, so oft gelaufen und jedesmal gelaufen, wenn ich diesem Shop war ... na ja, Lust auf Bier hatte ich nicht wirklich, also konnte ich über mich selber schmunzeln.

    Dann war ja gestern mein Erstgespräch auf der Suchtberatung. Am Empfang gibt es einen kleinen Wartebereich. Darin sass alleine ein ca. 11 Jähriger Knabe und hat Schulaufgaben gelöst. Wir haben uns angeschaut und ich dachte, Mensch, was denkt er jetzt von mir? Bist Du auch so einer wie mein Papa? Hast Du auch Kinder und machst ihnen Probleme? ... so in der Art und ich wusste, ich mache das Richtige. Er wurde dann nach wenigen Minuten von einer Sozialarbeiterin abgeholt und anhand der Begrüssung wurde klar, dass er erstens selber in einer unterstützenden Massnahme als Angehöriger ist (und nicht auf einen Elternteil wartet) und dass die beiden sich schon lange kennen müssen. War irgendwie krass für mich.

    Mein eigenes Gespräch verlief dann ziemlich entspannt und freundschaftlich und je länger es dauerte, desto wohler fühlte ich mich und desto freier konnte ich auch über mich, meine Lebensumstände und meine Probleme und natürlich vor allem über meinen Konsum und die sich daraus ergebenden Konsequenzen reden. Ich war schlussendlich ziemlich unvorbereitet hin gegangen und das hat für mich gestimmt. Interessantes Detail noch: Ich hatte mich für das Gespräch extra frisch nass rasiert (sonst lasse ich immer mit Abstandhalter 2mm stehen), keine Sneakers angezogen (was sonst eher selten vorkommt) und allgemein sehr darauf geachtet, einen gepflegten Eindruck zu machen. Nicht dass ich sonst ungepflegt rumlaufen würde, aber ich habe mir mühe gegeben. Ob das nun gut ist oder nicht - mir eigentlich egal. Für mich war es eher ein Zeichen nach innen, dass ich diesen Termin wirklich ernst nehme. Ansonsten habe ich es ganz gut hingekriegt, ehrlich zu sein.

    - Exkurs: Nur einen Punkt habe ich verschwiegen, nämlich dass ich oft das Feierabendbier (einfach das erste am Tag) bereits im Auto konsumiert habe. Nicht dass ich öfters betrunken gefahren wäre, aber ich wollte auf gar keinen Fall, dass irgendeine Meldung an irgendwen ergeht: Dem nehmt besser mal vorsorglich den Führerschein weg. Wie läuft das?`Habt ihr da Erfahrungen? Meldepflicht vs. Schweigepflicht? Ist ja ein schwieriges Thema!

    Die Beraterin (war bei mir eine Sozialarbeiterin) hat es ganz gut hingekriegt, denke ich, und die Chemie war nicht schlecht. Sie hat mich dann gefragt, ob ich mir erstens vorstellen könnte wieder zu kommen und ob ich zweitens mit ihr weitermachen wolle. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, jemanden mit mehr Psychologischem Hintergrund zu erhalten, aber sie war sympathisch. Also habe ich beides bejaht und wir haben vereinbart, dass ich erstens einmal die Woche bis auf weiteres hingehe und dass ich zweitens als ersten Schritt eine Zeitlich befristete Abstinenz als Ziel setzen möchte bis ende Januar 2016. Ich denke, ich kann dann später immer noch wechseln, wenn ich immer noch das Gefühl habe ich möchte lieber eine(n) Psychologen/in.

    Nun, nach dem Gespräch bin ich mit einem Freund erst in eine Bar und dann Nachtessen: 2*Expresso, Tomatensaft, Arranciata Amara, 2* Traubensaft, 3*Wasser und noch einen Expresso. Mit dem Freund habe ich mich intensiv über das Beratungsgespräch ausgetauscht und er hat mir einige wertvolle Inputs aus Sicht eines nicht suchtbelasteten geben können und mir seine bedingungslose Unterstützung zugesichert. Und wir haben die Tennis Daten für die nächsten 3 Monate fixiert.

    Tag 8 ist nun hinter mir und ich fühle mich erstmals auch leicht euphorisch.

    Alles gut für den Moment also

    Liebe Grüsse

    Marc

  • Hallo Marc,

    was soll ich sagen? 44.
    Das ist toll. Ich wünsche dir auf deinem Weg weiterhin alles alles Gute. Bei mir kam mit jedem alkoholfreien Tag immer mehr Motivation, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Jeder Tag ein befreiender Tag.

    Mach weiter. :sun:

    LG von Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Moin Marc,
    läuft ja gut bei dir.

    Zitat

    ich fühle mich erstmals auch leicht euphorisch.


    Ganz normal, du hast was geschafft, was bisher für dich eher nicht denkbar war.
    Es kommt vielleicht anschließend eine Zeit, wo du denkst wozu eigentlich, oder du fühlst dich aus dem Kreis der Alkvernichter ausgeschlossen oder meinst 1 Glas geht doch.
    Diesen Zeitraum gilt es sicher zu überstehen.
    Irgendwann wird Nichttrinken zur Normalität.

    LG Gerd

  • Hallo Marc,

    also, was soll ich sagen? Eigentlich nur 44.

    Liest sich gut, was Du zu berichten hast. Auch die Gedanken die Du Dir machst, z. B. über den Jungen, zeugen davon, dass Du ein Bewustsein hast und weißt was auf dem Spiel steht. Und dass Du mit einem Freund darüber gesprochen hast ist ein weiterer Schritt. Das habe ich damals auch gemacht. War bzw. ist mein wirklich bester (uralter) Freund, er hat mir sehr geholfen. Einfach durch zuhören und motivieren. Vielleicht war er sogar der, der am meisten mitgewirkt hat an meinem Weg zur dauerhaften Abstinenz.

    Also dran bleiben, ich freue mich das so läuft bei Dir!

    LG
    gerchla

  • Hi, Marc!

    Auch von mir ein 44.

    Möchte nur eine kleine Anmerkung zu


    Mir war bislang nicht bewusst, dass offenbar auch stärkere Alkoholiker durchaus öfters mal mehrere Wochen Trinkpause überhaupt machen können.

    machen:
    Gerade "Quartalstrinker" haben es nach meiner Erfahrung schwer, für sich zu erkennen, dass sie auch Alkoholiker sind - schließlich trinken sie ja eine ganze Zeit gar nichts.
    Ich persönlich kann deren "Beweggründe" nicht nachvollziehen, schließlich war ich ja Pegeltrinker. Und länger als ein-zwei Tage ohne waren bei mir zum Schluß fast undenkbar ...

    Und dass Du Dich für den Termin "fein" gemacht hast ... ist, glaube ich auch normal.

    Ansonsten läuft es doch gut - und so soll es bleiben!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ein riesen grosses Dankeschön an alle, ihr seid lieb! :heartBalloon:

    Greenfox , zaehele mich auch klar zu den Pegeltrinkern.

    Gerchla , Freunde sind das wertvollste überhaupt - artet es mit dem Saufen zu lange zu heftig aus, sind dann aber wohl auch die besten Freunde irgendwann mal weg (begreiflicherweise).

    @Gerd, yep, ich rechne so mit ca. 1 Jahr bis ich einigermassen zur Normalität ohne Saufen finde.

    Betty , einfach danke.

    Schöns Tägle allerseits.


    Marc

  • Hi Marc

    Zitat

    ich rechne so mit ca. 1 Jahr bis ich einigermassen zur Normalität ohne Saufen finde


    Ich würde das einfach offen lassen, das wichtigste ist, die anderen zu informieren, dass du nichts (absolut) mehr trinkst.
    Ich sag mir immer, ich habe die Stolpersteine nicht aus dem Weg geräumt, bin einfach drüber weg gestiegen ;) nicht so anstrengend.

    Viel Erfolg weiterhin Gerd

  • Hallo zusammen,

    gestern war nun mein erster Jungsabend und um es gleich vorweg zu nehmen, ich habe durchgehalten. Das Programm nicht saufen läuft ohne Bugs. Meine Kumpels finden das alle ganz toll und der Eine oder Andere hat sich laut Gedanken gemacht, ob eine Alkpause nicht auch für ihn angebracht wäre (die sind aber soweit ich das beurteilen kann bei weiten nicht auf meinem Sauflevel angelangt). Immerhin waren wir zum Apéro in einer Bar, dann Nachtessen und danach bis 3:00 unterwegs mit 2 weiteren Barbesuchen. Ich habe das Gefühl, dass wenn der Abend mal alkoholfrei aufgegleist ist und man dem Apéro widersteht und kommuniziert, dass man nichts trinken werde, kann nicht mehr viel geschehen. Erstens ist man ja nüchtern und deshalb fähig mündige Entscheidungen zu treffen und zweitens würde es gnadenlos Sprüche hageln wenn man in Gesellschaft erst gross verkündet, nichts trinken zu dürfen und zu wollen und dann doch plötzlich bestellen würde - hier spielt die soziale Kontrolle. Das macht mir also bedeutend weniger Probleme als wenn ich alleine bin. Auch das vermutlich ganz normal. Jedenfalls bin ich nach knapp 5h Schlaf wirklich fit und munter aufgewacht - eine komplett neue Erfahrung nach dem Ausgang für mich. Unglaublich, wie viel Leiden man erträgt, um saufen zu können - und das auch ganz normal oder gar notwendig findet.

    Heute ist nun Putztag zu hause - wie ich das hasse, ist einfach mit Abstand die Arbeit, welche ich am unliebsten erledige. Dann kranken Vater besuchen mit den beiden Grossen am Nachmittag und am Abend Laternen-Umzug mit der ganzen Familie. Morgen kommt meine Schwester zu Besuch, welche ich seit der Geburt meines Kleinsten nie gesehen habe - ja, in meiner Familie liegt auch einiges im Argen. Immerhin fühle ich mich nun in der Lage, einige entglittene Fäden wieder auf zu nehmen und neu zu verknoten. Das habe ich als weiteren Punkt in mein "Projekt-Trockenheit" aufgenommen.

    Tag 10 vorbei und alles gut also. Sagt einfach, wenn es langweilig wird und ich wenige schreiben soll - wobei, zwingt euch ja niemand zum mitlesen. :)

    Liebe Grüsse

    Marc

  • Marc, ich bin hier eher schweigsam, aber es liegt mir am Herzen, Dir zu sagen, dass es mir sehr viel Spaß macht, Dich zu lesen. Ich könnte noch viel mehr lesen.

    Und ich finde, dass Du das ganz toll machst! 44.

    Liebe Grüße
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hi Marc,
    ich sag dass jetzt auch noch mal: Schreib bitte weiter, es hilft Dir und auch den anderen. Ich persönlich freue mich sehr, dass sich das Schicksal auch zum Guten wenden kann. Ich hatte leider kein Glück und finde es so schön für Dich und Deine Lieben.
    Was Euren Putzdienst betrifft könnte ich Dir empfehlen, dafür Geld locker zu machen und eine Haushaltshilfe zu suchen. Ich putze für viele Familien, alle sind sie dankbar dafür - ich auch, ich brauche das Geld. Sei fair bei der Bezahlung und mit der Zeitvorgabe, für die Frauen ist es ein Knochen-Job. Deine Frau wird sich über die Entlastung auch freuen, Ihr gewinnt dadurch Zeit für andere Dinge und Du gehst entspannter ins Wochenende :) Ich denke Du sparst ja auch schon Geld dadurch, dass Du die Alkohol-Industrie nicht mehr unterstützt?! :D
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Simone

  • Hi Marc,

    hört sich gut an, was Du schreibst! Prima, dass es der Jungsabend so reibunglos lief. Soziale Kontrolle - das ist gut ausgedrückt. Etwas, das vor allem am Anfang sehr helfen kann. Deshalb ist es auch sinnvoll, sich bei den "wichtigen" Menschen zu outen. Ich hatte übrigens auch ein paar Bekannte/Freunde, die ausgelöst durch mein Outing plötzlich ihr eigenens Trinkverhalten hinterfragt haben. Einer hat sogar das Alkohol-Trinken komplett eingestellt. Wobei ich mir sehr sicher bin, dass keiner von denen ein Problem hatte. Aber schön war einfach, dass ich nur positive Rückmeldungen bekommen habe. Respekt und Anerkennung, dass ich versuche gegen den Suff zu kämpfen. Das hat mir auch sehr geholfen.

    Family-mäßig lief es bei mir leider eher umgekehrt. Ich hatte in meiner nassen Zeit eigentlich eine "schöne" heile Welt, wahrscheinlich weil ich Heimlichtrinker war und das Umfeld nix mitbekommen hat. Nach meinem Outing, was auch verbunden war mit einer Trennung von meiner Frau, war ich und bin ich teilweise noch, der Böse. Viele können auch mit der Thematik Alkohol und "ich bin Alkoholiker" überhaupt nicht umgehen. Schon krass. Aber unterm Strich habe ich jetzt wirklich auf so viele neue Menschen kennen gelernt, mit denen ich ein prima Verhältnis habe. Ganz anders als zu nassen Zeiten wo ja nix echt war.

    Also, bleib' dran und vor allem schreibe weiter, es immer schön von Dir zu lesen.

    lg
    gerchla

  • Hallo zusammen,

    eine Woche nach meinem letzten Beitrag ein update - solange nichts unvorhergesehenes geschieht werde ich den Wochenrhythmus beibehalten.

    Bald ist die Dritte Woche geschafft und es kehrt sowas wie Normalität ohne Saufen ein. Das ist gut und schlecht. Gut ist es deshalb, weil einige lange antrainierte Verhaltensmuster schon deutlich an Macht über mich verloren haben und Neue ganz sachte beginnen zu greifen. Schlecht deshalb, weil die Euphorie bereits wieder weg ist und es mir klar wird, dass nicht einfach alles super ist, weil ich nicht saufe - Alltag bleibt Alltag mit all seinen keinen und grossen Freuden aber auch den kleinen und grossen Mühseligkeiten und Frustrationen. Probleme lösen sich nicht von selbst, nur weil man nicht mehr säuft, man kann sie einfach nicht mehr vor sich her schieben und ertränken. Das bedeutet, dass man erheblich Energie braucht, um all die im Suff angestauten Pendenzen abzuarbeiten und in einen normalen Rhythmus zu finden. Vieles, was man lange verdrängt hat, holt einem ein und ich denke, das könnte einer der Hauptrigger sein, wieder mit dem Saufen zu beginnen - man wird schlicht zwischendurch überwältigt vom Berg anstehender Aufgaben und möchte nicht selten lieber einfach "fliehen". Zum Glück bin ich ziemlich gut darin zu priorisieren und auch in Stresssituationen Entscheidungen zu fällen und mich durch zu kämpfen. Und wenn ich die Monsterliste dann mal abgearbeitet haben werde, sollte ein normales Tagespensum gut zu bewältigen sein. Trotzdem bin ich gerade etwas desillusioniert - niemand schenkt einem längerfristig grössere Aufmerksamkeit oder Hochachtung, nur weil man seine Sucht gerade erfolgreich am bekämpfen ist - man bleibt sowohl im Suff wie auch in der Nüchternheit ziemlich alleine mit dem Problem. Vermutlich ist genau das die Ursache für die erfolgreiche Arbeit in Selbsthilfegruppen.

    Genug Trübsal aber jetzt, denn ich bin schon stolz, dass ich auf Kurs bin und das Energielevel ist nach wie vor sehr hoch im Vergleich zu vorher. Auch zu Suff Zeiten war ich ein sehr geduldiger Mensch, was sich - von meiner Partnerin immer wieder gelobt - vor allem im Umgang mit den Kindern zeigte. Nun hat sich diese Eigenschaft nochmals akzentuiert. Ich bin kaum mehr aus der Ruhe zu bringen, nicht durch Trotzanfälle, plötzlich hereinbrechendes Chaos, Widerborstikgeit und Unfolgsamkeit zur Unzeit. Zusammen mit dem hohen Energielevel fühle ich mich sehr gut gerüstet für den doch sehr fordernden Alltag mit drei Kleinkindern. Die nie aufgegebenen Sozialkontakte erweisen sich nun ebenfalls als Segen, weil ich einige Leute habe, mit denen ich nun komplett offen sein kann. Gestern war ich wieder segeln bei herrlichsten Bedingungen - 18 Grad warm, vier Windstärken, wenige Böen - ich hing im Trapez, die Vorschot in der einen und die Actioncam in der anderen Hand und war einfach nur glücklich - danke an meine Partnerin, dass sie die Kinder den ganzen Sonntag übernommen hat.

    Der zweite Termin auf der Suchtberatung war aufschlussreich. Wir haben versucht zu ergründen, was meine Suchtneigung begünstigt und welches die Trigger sind, welche mich zum übermässigen Saufen bringen. Meine Beraterin hat mich irgendwann gefragt, wo ich selber eigentlich geblieben sei über die letzten sechs Jahre, sie selber würde mein Belastungslevel kaum stemmen können mit dem kranken Vater, dem Geschäft, den Kindern, dem Engagement in der Gemeinde, der zeitweilig ebenfalls kranken Partnerin (ist wieder gut!), der 50/50 Abmachung betreffend Kinderbetreuung und Haushalt, der Auswanderung meiner Mutter, zwei Umzügen privat und einem mit dem Geschäft ... und sie hat mir dringend geraten, mir viel mehr Raum für mich selber zu schaffen z.B. mit dem Segeln aber auch einfach mal mit Nichtstun. Einerseits tat es mir gut, dass jemand anerkennt, dass ich die letzten Jahre sehr hoch gedreht habe und dass das nicht ganz normal ist. Andererseits ist mir bewusst, dass dies keine ausreichende Erklärung für mein Abgleiten in den Suff ist - werde mit ihr weiter daran arbeiten wobei sie von sich aus vorgeschlagen hat, uns nur alle zwei Wochen zu sehen - ausser ich würde wieder etwas trinken, dann solle ich sofort, auch ohne Voranmeldung zu ihr kommen oder mindestens anrufen.

    Soweit mein Statusupdate. Später noch Antworten auf eure netten Beiträge.

    Schönen trockenen Tag wünscht

    Marc

  • Sorry erstmal für`s nicht vorstellen.
    Soll hier das "Projekt Nüchternheit" erschuftet werden. Mit den Methoden wie sie in der Businesswelt üblich sind. Ob denn das so funktioniert? Nun - ich weiss ja nicht so ganz!

    Heute habe ich noch nicht getrunken!

    edit:
    Link nicht mehr aktuell.
    YT hat das Video aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.

    Einmal editiert, zuletzt von Brant (4. April 2017 um 11:43)

  • Hallo Marc,

    oja, die Realität bleibt. Oder besser gesagt: man nimmt sie plötzlich so wahr, wie sie tatsächlich ist. Die Nebel haben sich gelichtet, die Probleme, die darin verborgen waren sind plötzlich sichtbar. Ganz ohne alkoholische Verzerrung... Bittere Erkenntnis, die hatte ich auch. Ich weiß ja nicht wie hoch der Berg Deiner Probleme ist, meiner war riesig. Er bestand aber nicht nur aus einem großen Problem sondern aus vielen kleineren und auch größeren. Zusammen genommen aber, habe ich es als Riesenberg gesehen. Da war einiges aufgelaufen, die vielen Jahre des Wegsaufens rächten sich....

    Glücklicherweise traf ich dann schon in der Anfangsphase (zeitlich ungefähr so wie bei Dir jetzt) auf einen sehr klugen Mann. Dem schilderte ich mein Elend. Der sagte sinngemäß folgendes: Stell Dir vor Du wohnst in einem Haus, total verfallen. Dach kaputt, Fenster undicht, Wände nass, Boden aufgequollen von der Feuchtigkeit, im Keller steht das Wasser. Womit fängst du an? Erst mal mit dem Dach, damit es nicht reinregnet, erst dann kümmerst du dich um die Fenster, schaust das die Wände trocken werden und der Boden dann wieder gemacht wird. Am Schluss bringst Du den Keller in Schuss.

    Das hat mir sehr geholfen. Eines nach dem anderen. Und wenn dann mal alles soweit abgearbeitet ist, dann heißt es dran bleiben. Das geht dann allerdings trocken wesentlich besser als im Suff. Denn neue Probleme oder Herausforderungen werden dann nicht gleich wieder weg gesoffen und zu den anderen gelegt. Man kann sie sofort angehen.

    Ganz klar, auch ohne Alkohol hält das Leben nicht nur schönes bereit. Aber es gibt auch nichts, was der Alkohol schöner machen würde. Im Gegenteil, er tut zwar so, serviert Dir dann die Rechnung aber auf einmal plus Zinsen und Zinseszins.

    Bleib dran.

    LG
    gerchla

  • Zunächst einmal:

    Hallo, Brant!
    Leider ist Deine Art von Wortmeldung nicht gerade prickelnd. In etwa von der Art, dass mehrere Leute zusammen sitzen und diskutieren und plötzlich kommt jemand völlig Fremdes von der Straße herein und gibt seinen Senf dazu. Auch wenn der Hinweis/Vergleich zu dem Film - vorsichtig ausgedrückt - nicht gerade unpassend ist. Denn der Held dort hat sich auch ständig in neue Aufgaben gestürzt und sich damit übernommen ...
    Brant, es wäre schön, wenn Du Dich in einem eigenen Thread vorstellen würdest.

    @Marc:

    niemand schenkt einem längerfristig grössere Aufmerksamkeit oder Hochachtung, nur weil man seine Sucht gerade erfolgreich am bekämpfen ist - man bleibt sowohl im Suff wie auch in der Nüchternheit ziemlich alleine mit dem Problem. Vermutlich ist genau das die Ursache für die erfolgreiche Arbeit in Selbsthilfegruppen.

    Ja, allgemeine und ständige Streicheleinheiten dürfen wir nicht erwarten. Aber vielleicht sollte man ein klein wenig mehr auf die kleinen Anerkennungen achten. Und was Deine Suchtberaterin bei Dir beobachtet hat

    Meine Beraterin hat mich irgendwann gefragt, wo ich selber eigentlich geblieben sei über die letzten sechs Jahre, sie selber würde mein Belastungslevel kaum stemmen können mit dem kranken Vater, dem Geschäft, den Kindern, dem Engagement in der Gemeinde, der zeitweilig ebenfalls kranken Partnerin (ist wieder gut!), der 50/50 Abmachung betreffend Kinderbetreuung und Haushalt, der Auswanderung meiner Mutter, zwei Umzügen privat und einem mit dem Geschäft ... und sie hat mir dringend geraten, mir viel mehr Raum für mich selber zu schaffen z.B. mit dem Segeln aber auch einfach mal mit Nichtstun. Einerseits tat es mir gut, dass jemand anerkennt, dass ich die letzten Jahre sehr hoch gedreht habe und dass das nicht ganz normal ist.

    ist m.E. wirklich ein Grund dafür, dass Du den Alkohol zur "Entspannung" eingesetzt hast.
    Auch wenn es von Brant nicht die feine englische war - aber ich kann Dir den von ihm empfohlenen Film auch nur empfehlen. Es geht hier um einen Geschäftsmann, der immer mehr unter Druck gerät und den Alk zur Entspannung einsetzt - und zunächst langsam und dann immer schneller unter die alkoholischen Räder kommt, wie alles in seinem Leben kaputt geht, wie er auf seinen persönlichen Tiefpunkt zusteuert ...
    Auch wenn ich nicht soo tief gefallen bin, hat mich der Film doch sehr berührt.

    Und noch einen Film (eigentlich ein Ein-Mann-Theaterstück) kann ich empfehlen: "Morgen hör ich auf - Psychogramm eines Trinkers".
    Leider gibt es die Filme auf Youtube nicht mehr komplett ... ;(
    "Morgen hör ich auf" gibt es noch hier - allerdings nicht in einer guten Qualität. Ich habe wohl noch Glück gehabt und mir beide damals (vor 4-5 Jahren) runterladen können ...

    Marc, ich finde es wunderbar, dass Du mittlerweile schon 3 Wochen geschafft hast. Aber Du hast schon richtig erkannt, dass es auch ohne Suff im Leben noch etliche unangenehme Seiten gibt, die man bewältigen muss.
    Mit einem klaren Kopf kann man das auch sehr gut. Doch zu einem klaren Kopf gehört auch, dass man ihn nicht mit Arbeit und Stress zuschaufelt - man muss auch mal aufräumen und lüften. Zu Deutsch: etwas für sich tun.
    Vorher hast Du den Alkohol zur Entspannung eingesetzt - jetzt hast Du z.Bsp. das Segeln. Richtig so! Dem Einen hilft Lesen, Spaziergänge, Basteln .. beim entspannen, bei Dir ist es das Segeln.

    Bei uns gibt es das geflügelte Wort vom "gesunden Egoismus". Das heisst, auch mal an sich denken, etwas für sich tun.
    Nicht jede Aufgabe übernehmen, nur weil man, denkt, es wird von einem erwartet - obwohl man selber weiss, dass man es nicht kann, nicht schafft. Nicht immer nur für Andere "HIER!" schreien - auch mal an sich selber denken. Das heisst NICHT, immer nur "Nein" sagen! Es heisstt vielmehr, vor der Antwort auf Anfragen sich selbst zu befragen, ob man dies oder jenes überhaupt kann und will. Und wenn dem nicht so ist oder es einem nicht gut tun würde, dann auch mal NEIN sagen.
    Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass das nicht von heute auf morgen klappt ...

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

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