Honk - Handbremse gezogen

  • Blick in den Spiegel & Recap:

    Im Thread von Lala habe ich von meiner Methode geschrieben, morgens direkt in den Spiegel zu gucken, sich anzusehen und sich die Frage zu stellen, ob man zufrieden ist, mit dem was man da sieht. Und nach unzähligen Jahren voller mentaler Tiefpunkte, sonstiger Einschläge etc. gefällt mir jetzt seit einigen Monaten dass, was mich dort im Spiegel anblickt.
    Und so "arrogant" das klingen mag, ehrliche Selbstzufriedenheit mit sich selber ist ein grandioses Gefühl. Ich hab zwar noch die eine oder andere Baustelle, aber der bin ich mir bewusst und ich vertraue auf mich und das Leben, dass auch diese Baustelle bald zu den Akten gelegt wird.

    Ich weiß gar nicht ob ich das hier schon gesagt habe, eine Kollegin, die ich mindestens seit 1,5 Jahren nicht gesehen hatte - sie war wegen eines Burn Outs in einer Klinik und arbeitsunfähig - , sah mich vor ein paar Tagen und meinte: "Was ist denn mit Dir passiert, du siehst mindesten 10 Jahre jünger aus".
    Und ja, wenn ich in den Spiegel gucke, sehe ich wirklich 10 Jahre jünger aus. Wenn ich den Leuten erzähle, ich bin 46 Jahre, schütteln die, die mich nicht kennen, den Kopf. Wenn ich mir die "alten" Bilder von mir angucke, dann mag ich mir dieses aufgequollene Etwas dort gar nicht angucken, so schlimm sieht dieser Typ da aus.

    Und für eines muss ich mich jetzt mal schwer feiern: Mein Bruder hat ja leider auch ein Alkoholproblem. Er gesteht es sich nicht ein und er hat noch einen langen Weg vor sich aus der Scheisse, aber, ansonsten ist der ein echt feiner Kerl. Bisschen schwierig, aber ich kann mit ihm umgehen. Dazu ist er, trotz des Trinkens, super sportlich. Eine Kombination die ich gar nicht so für möglich gehalten habe. Er ist echt top in Shape, keine Frage.

    Aber:

    Letzten Donnerstag fragte ich mich ob zum Sport rumkommen wollen würde. Ich hörte noch die letzten Worte im Telefonat mit seinem besten Kumpel, dass "er mich jetzt lang machen würde....."....Bruderbattle im Sport. Rivalität in diesen Sachen hören nie auf und er hatte bislang aufgrund von Talent und Ehrgeiz immer die Nase weit vorne.

    Auf dem Menüplan standen: 190 Burpees, 180 Leg Raises, 180 Lunges in 30 / 20 / 10 x 3 Paketen in möglichst schneller Zeit. Um es abzukürzen: Ich konnte es bis zum Ende durchziehen, er hatte Mühe die Serie zu Ende zu bringen.

    Wohl bemerkt: Vor 15 Monaten habe ich bis dato überhaupt kein Sport gemacht und dazu 25 Kilo mehr gewogen, dazu bin ich noch 2 Jahre älter. Und jetzt bin ich auf dem Level meinen durchtrainierten Bruder in Kraft- Ausdauerübungen die Stirn zu bieten, gar zu überholen.

    Das freut mich und bewegt mich aus unterschiedlichsten Gründen: Ich bin verdammt stolz auf mich, was ich in 15 Monaten geschafft habe. Und da ich auf der Welt definitiv kein Alleinstellungsmerkmal habe, ist das auch für andere Menschen möglich, auch im fortgeschrittenen Alter richtig was zu reißen - wenn man denn will und den Arsch hochbekommt.
    Ein weiterer Punkt ist, 44 Jahre "Bruderrivalität" haben nun einen Wendepunkt. Ja, ich weiß, das klingt vielleicht kindisch, aber Geschwister sind halt so.
    Und das nächste ist, ich schaffe es auf meine stringente Art, meinem Bruder klar den Spiegel vorzuhalten. Er redet sich zwar weiter raus und meint, mit seinem Konsumverhalten wäre alles in Ordnung.....aber ich weiß dass das Samenkorn in ihn gesetzt ist. Ich hoffe, dass sein von Grund auf ehrlicher Charakter ihn nicht in Stich lässt und er reflektiert, wo sein Problem liegt.
    Das ich ihn in der Sportchallenge die Stirn bieten konnte, wird wurmt ihn richtig, dass weiß ich. Aber er hat auch die Größe zu sagen, dass er mir das nicht zugetraut hat. Danke für das Lob.
    Als Resultat übrigens konnte ich über drei Tage nicht richtig laufen. Man ist keine 20 mehr ;)

    Überhaupt, wo ich mich hier so selber beweihräuchere und kräftig selber auf die Schulter klopfe, erlebe ich ein ganz anderes Phänomen. Und zwar dass mir zum ersten Mal in meinem Leben Arroganz und Überheblichkeit unterstellt worden ist. Und ich auch merke, wie manche Menschen auf mich reagieren und das nicht zwingend positiv.
    Und ich habe darüber nachgedacht, denn wenn eines nicht meinem Charakter entspricht, denn sind es diese Attribute. Auch wenn es vielleicht hier in den Texten den Anschein haben mag, dass ich so ein bisschen selbstverliebt rüberkomme: Ich bin mittlerweile von mir und meinem Tun überzeugt und habe mittlerweile ein großes Selbstbewusstsein. Aber arrogant und überheblich bin ich deswegen nicht.
    Aber ich hab mir dieses "Vorwürfe" in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und überlegt, ob da war dran sein könnte und bin zu folgenden Schluss gekommen:

    Ich stelle ja nichts zur Schau, kein Porsche, keine Rolex, in keiner Weise irgendwelche Statussymbole. Die brauche ich auch nicht, oder lege da Wert drauf. Was sich verändert hat ist meine Einstellung. Ich war mein Leben lang immer angepasst, einer meiner großen "Fähigkeiten" war immer, mit allen Menschen "gut" zu sein. Ich hab ganz selten Streit mit anderen gehabt, weil ich diesem ausgewichen bin oder zurückgesteckt habe. Das entsprach meinem Charakter, aber auch meiner Schuld dem Alkohol gegenüber. Als Trinker fühlt man sich immer schuldig, man hat gar keine Kraft für sich einzustehen.
    Und genau das hat sich verändert. Ich stehe jetzt für mich ein, habe meine feste (aber überlegte und fundierte) Meinung und Haltung. Ich halte auch nicht mehr hinter dem Berg mit meinen Gedanken und Meinungen. Dazu kleide ich mich anders, Typ: "sportlicher Berufsjugendlicher" und meine ganze Haltung ist eine andere geworden.
    Und wenn ich mir das ganze anschaue ist folgendes anders: Ich habe mich verändert, die anderen nicht. Die anderen Menschen in meinem sozialen Umfeld sind genau die selben, mit den selben Problemen, Meinungen, Verhaltensweisen. Und da ist es doch ganz klar, dass diese auf eine Verhaltensänderung meinerseits reagieren. Und sie reagiere natürlich nicht damit, dass sie sich anpassen, sie reagieren mit Argwohn und vielleicht auch Missgunst.
    Ein andere Teil reagiert damit, dass sie sich hinter mich stellen bzw. ich lerne neue Leute kennen - die lernen mich kennen, unter deren Radar ich bislang immer geflogen bin, bis jetzt.

    Und was ich hier beschreibe, bezieht sich natürlich auf den größten, sozialen Komplex dem wir ausgesetzt sind: Die Arbeit und die über 150 Menschen, mit denen ich über 10 Jahre gearbeitet habe. Und deswegen ist ein Wechsel des Arbeitsplatzes einfach eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ich kann am jetzigen Job nicht mehr angepasst sein und die Dinge hinnehmen.

    Spannenderweise hat mir das ein baldiger neuer Kollege gespiegelt. Ich war letze Woche in der neuen Firma eingeladen und ich hab mit dem Menschen, mit dem ich viel zu tun haben werde, lange gesprochen. Auch sehr tief gesprochen. Und er meinte ganz ehrlich zu mir: "Die ersten zehn Minuten hab ich gedacht: Boah, was ist das für ein arroganter Schnösel.....aber dann hab ich gemerkt, dass passt 100%, der ist der richtige Typ dafür".

    Der neue Kollege und ich, wir sind uns menschlich gar nicht unähnlich. Denn, was uns verbindet, ist ein Projekt: Auch er ist gerade dabei "seine Handbremse" zu ziehen. Er fängt gerade an, ich bin mitten drinnen. Somit sind wir "Brothers in Arms". Und ich habe das Gefühl, das wird eine gute Zeit. Meine Bedenken und natürlich auch Ängst vor der neuen Herausforderung sind quasi weg.

    Und eines bin ich mir auch sicher: Wenn die neue Herausforderung crashen sollte: Ich wechsel so schnell die Stelle. Im Zweifelfalle verkaufe ich irgendwo Currywurst aber ich mache nichts mehr, worauf ich keinen Bock habe und mir nicht gut tut.

    Bis später!

  • Nach der Handbremse, Vollgas ins Leben

    Dieser Thread existiert schon, nun möchte ich mit dieser Überschrift meinen Thread hier beenden.

    Nach der gestrigen "Auseinandersetzung", die allerdings nicht mehr lesbar ist, musste ich noch einige Zeit nachdenken und habe seitdem ein paar Stunden verstreichen lassen.

    Ich bin abschließend noch durch meine alten Zeilen geblättert, ich habe mir auch alte Einträge, die ich hier unter einem anderen Namen veröffentlicht hatte, durchgelesen, als auch noch sehr lebhaft die ganzen Auseinandersetzung, Zweifler, Zurückweisungen etc. von hier aber auch von drüben im Kopf und vor dem Auge.

    Und dann viel es mir wie Schuppen von den Augen, in einer Sitenote habe ich das gestern auch schon anklingen lassen:

    Ich bin gesund, das Thema Alkohol kann zu den Akten gelegt werden. Ich habe nichts mehr, überhaupt nichts mehr, worüber ich mich diesbezüglich austauschen müsste. Wie klang der alte Spruch noch, den ich oft vernommen hatte:

    "Man sollte schön bei sich bleiben...."

    Richtig, das stimmt. Und deswegen ist es jetzt auch richtig, das Thema Alkohol zu den Akten zu legen, der Rest was passiert, ist Lebensentwicklung und Fortschritt. Und das gehört hier nicht hin.

    Zu einer Abschlussrede gehört ganz häufig auch noch ein Danke. Auch da habe ich überlegt, wem sollte ich ich danken? Und da musste ich an Snoop Dog denken und was jetzt kommt, klingt vielleicht abgehoben, aber wer tief in sich reinblickt, wird Snoops und meiner Einstellung vielleicht folgen:

    Ich möchte mir selber danken. Mir dafür danken, immer am Ball geblieben zu sein, mir dafür danken, die Entscheidung zur Abstinenz nicht nur gedacht sondern durchgezogen zu haben, mir danken, mir immer Treu geblieben zu sein und mir danken, immer auf meinem Bauch gehört zu haben, der mir gezeigt hat, was richtig und was falsch ist.

    Im Endeffekt, gerade beim Thema Alkohol und Sucht muss jeder SELBER alles machen, alles von außen sind Impulsgeber, die mehr oder weniger relevant sind. Die Relevanz für sich selber, muss ein jeder für sich persönlich entscheiden und trägt dafür auch die Verantwortung.

    Ich möchte das Ganze mit zwei Zitaten schließen, die mich sehr geprägt haben und für mich ein Leitbild geworden sind:

    Being Sober ist so much more than not drinking. It´s a lifestyle of radical clarity, presence, self - development & adventure into possibility.

    Und dazu kommt:

    Es ist eine gefährliche Sache, Frodo Beutlin, aus dem Haus zu gehen. Du weißt nie, wohin dich deine Füße tragen.

    In diesem Sinne, und falls wir uns nicht mehr sehen: Guten Morgen, guten Abend und gute Nacht!

  • Der gestrige Thread ist nicht mehr sichtbar, weil ich ihn gemeldet habe. Für mich wurde da gestern eine Grenze überschritten.

    Ich wünsche dir alles Gute auf deinem weiteren Lebensweg.

    Stark Bighara. Du überschreitest dauernd Grenzen, aber wenn man dir deine aufzeigt, dann meldest du das. Bleib mal schön bei dir, kann ich da nur sagen. Bleib schön bei dir ;)

  • AmSee13 10. Juli 2024 um 11:02

    Hat das Thema geschlossen.

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